Sklavenhandel vornehmlich in jüdischer Hand?

Ich finde, da steckt reichlich viel zweifellos, höchstwahrscheinlich und möglicherweise drin.


Gibt es denn nun konkrete Darstellungen/Untersuchungen zum Thema oder nicht?

Aus dem Vorhandensein eines Gesetzes auf den Umfang der dahinter liegenden Lebenssachverhalte zu schließen, halte ich zweifellos und höchstwahrscheinlich für möglicherweise gewagt.


An der Beantwortung der Frage von ElQ wäre ich auch sehr interessiert. :winke:
 
Bei Abogard gibt es diese Stelle (De insolentia Judæorum, PDF, letzte Seite): "Et cum præcedens schedula dictata fuisset, supervenit quidam homo fugiens ab Hispaniis de Cordoba, qui se dicebat furatum fuisse a quodam Judæo Lugduno ante annos viginti quatuor, parvum adhuc puerum, et venditum, fugisse autem anno præsenti cum alio qui similiter furatus fuerat Arelate ab alio Judæo ante annos sex. Cumque hujus, qui Lugdunensis fuerat, notos quæreremus, et inveniremus, dictum est a quibusdam et alios ab eodem Judæo furatos, alios vero emptos ac venditos; ab alio quoque Judæo anno præsenti alium puerum furatum et venditum: qua hora inventum est plures Christianos a Christianis vendi et comparari a Judæis, perpetrarique ab eis multa infanda quæ turpia sunt ad scribendum."

"Und als es dahin ging, dass diese Notizen diktiert würden, kam ein gewisser flüchtiger Mann aus Spanien, welcher sagte, dass er bis dahin noch ein unbedeutender Knabe, von einem gewissen Juden aus Lyon vor 24 Jahren geraubt und verkauft worden sei. Er aber floh im gegenwärtigen Jahr mit einem anderen der gleichsam aus Arles von einem anderen Juden vor sechs Jahren geraubt worden war. Und mit jenem, welcher Lyoner war suchen wir zu wissen(?) und erfuhren, dass auch andere von eben diesem Juden geraubt und andere gekauft und verkauft wurden. Und ebenso von einem anderen Juden wurden im gegenwärtigen Jahr andere Jungen geraubt und verkauft, wie zur Stunde zu erfahren ist, verkaufen ziemlich viele Christen Christen stellen sie den Juden bereit, [...]"

Bei dem Rest versagt gerade mein Verständnis. Irgendetwas wird jedenfalls erreicht, was grässlich und schändlich ist.
 
Nun ja,so pauschalisiert wie hier dargestellt würde ich die ganze Sache nicht sehen. Insbesondere kann man hier nicht von einer jüdischen Dominanz des Sklavenhandels sprechen.

Wie oben bereits erwähnt gehörten zu den traditionellen Sklavenhändlern und -Sklavenjägern des Mittelalters Friesen, Normannen,Waräger ,Chasaren und Sachsen. und die Juden fungierten hierbei wohl nur als Zwischenhändler ,als Teil einer Handelskette also.
Der Handel mit den Sklaven lag dabei aber offenbar weniger in der Hand der im Reich ortsansässigen Juden z.B. der Schum-Städte als vielmehr in der der Radhaniten,einer jüdischen Kaufmannsgilde aus Bagdad, die ein Netz von Handelswegen unterhielt,daß sich rund um Mittel- und Schwarzmeer bis Indien und Frankreich erstreckte. Sie genossen dabei sowohl in Europa als auch im Orient königliche Privilegien und waren die einzigen, die den Handel von Frankreich bis nach China ,Bagdad und Byzanz betrieben.

Herrscher und Bischöfe förderten den Sklavenhandel,da sie finanziell davon profitierten.So beschreibt ein arabischer Botschafter am Hof der Sachsenkaiser,daß der Handel mit slavischen Sklaven damals ein wesentlicher Wirtschaftszweig Sachsens gewesen sei und gerade die Bischofsstädte Merseburg und Halberstadt waren dabei die Hauptumschlagplätze.
Die Elbslaven wurden hierbei zusätzlich im Norden und Osten von den Warägern und im Süden und Osten von den Chasaren bedrängt.
Auch fielen nicht nur Heiden sondern auch Christen dem Handel zum Opfer.So veranstalteten Friesen,Normannen und Wikinger in Irland Sklavenjagd und verkauften auf der Westroute nach Cordoba und Andalusien.
Die Ostroute lief üer Byzanz und das Chasarenreich sowie Khorasam.

Zum Erliegen kam das ganze erst,als einerseits die Slawen weitgehend missioniert waren und andererseits das Chasahrenreich durch die Rus vernichtet worden war.

Der frühmittelalterliche Sklavenhandel war also ein internationales und interkulturelles Gemeinschaftsunternehmen unter Beteiligung von römischen und byzantinischen Christen, Juden, Muslimen ,Turkvölkern ,Sachsen und Skandinaviern., wobei letztere in erster Linie die Rolle der Lieferanten,die Juden die der Zwischenhändler und die Muslime die der Endabnehmer übernahmen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich finde, da steckt reichlich viel zweifellos, höchstwahrscheinlich und möglicherweise drin.
So wie in 90 Prozent der sogenannten Geschichtswissenschaft :D

Gibt es denn nun konkrete Darstellungen/Untersuchungen zum Thema oder nicht?
Zumindest wissen wir jetzt, dass "Irgendetwas wird jedenfalls erreicht, was grässlich und schändlich ist."
Dieses moralisierende Zeigefingerwedeln in Richtung Vergangenheit, von welcher der aufrichtige Mensch zugeben muss, dass er grundsätzlich so gut wie nichts über sie wissen kann, liebe ich ja über alles - besonders aber, wenns so schön nebulös ausfällt.

Aus dem Vorhandensein eines Gesetzes auf den Umfang der dahinter liegenden Lebenssachverhalte zu schließen, halte ich zweifellos und höchstwahrscheinlich für möglicherweise gewagt.
Warum gibt es Gesetze gegen zu schnelles Autofahren?
Weil viele Leute zu schnell Auto fahren.
Warum gibts es Gesetze gegen Alkohol am Steuer?
Weil viele Leute gerne einen über den Durst trinken und sich dann ans Steuer setzen.

Wenn in 1000 Jahren Historiker, hoffentlich nicht so altkluge Elfenbeinturmbewohner wie sie gegenwärtig häufig anzutreffen sind, nun beispielsweise auf ein Buch mit den beiden obigen Gesetzen stoßen, was würden sie wohl denken?
Etwa, dass es in unserer Epoche viele Menschen gab, die besoffen zu schnell mit dem Auto fuhren und man sich seitens der Obrigkeit veranlasst sah, deshalb Gesetze dagegen zu erlassen?
"Höchstwahrscheinlich."
Oder besser formuliert: Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit.

Von vorhandenen Gesetzen auf "Lebensumstände", wie du es so schön sagst, zu schließen, ist einfach naheliegend.
Es gab Gesetze gegen den Handel mit christlichen Sklaven, weil es Handel mit christlichen Sklaven irgendwann einmal gab.
Alles andere wäre auch Blödsinn gewesen. Man erlässt keine Gesetze, noch dazu mehrmals (Pippin, Karl d. Gr.), wenn es dafür keine triftigen Gründe gibt.


Wie man diese Schlussfolgerung in Abrede stellen kann, nur weil sie vielleicht nicht in irgend einem Schinken haarklein seziert wurde, ist mir schleierhaft.
Außerdem habe ich bereits angeführt, dass sich mehrere Bischöfe 845 extra auf einer Versammlung mit der Thematik auseinandersetzt.
Und auch dafür, wird es ja wohl Gründe gegeben haben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Der frühmittelalterliche Sklavenhandel war also ein internationales und interkulturelles Gemeinschaftsunternehmen unter Beteiligung von römischen und byzantinischen Christen, Juden, Muslimen ,Turkvölkern ,Sachsen und Skandinaviern., wobei letztere in erster Linie die Rolle der Lieferanten,die Juden die der Zwischenhändler und die Muslime die der Endabnehmer übernahmen.

Genau das, habe ich auch geschrieben.
Meine Frage war, dominierten, so wie ich annehme, die Juden den Zwischenhandel - etwas das du mir hier gerade bestätigt hast :)
Womit ich, auch bezugnehmend auf die anderen Wortmeldungen, davon ausgehe, dass meine Annahme wohl halbwegs zutreffend sein dürfte.
Streitig ist hier für Manche aber offenbar der Punkt, ob Christen als Sklaven an "Ungläubige" verkauft wurden.
So viele Köpfe, so viele Meinungen.
 
Zumindest wissen wir jetzt, dass "Irgendetwas wird jedenfalls erreicht, was grässlich und schändlich ist."
Dieses moralisierende Zeigefingerwedeln in Richtung Vergangenheit, von welcher der aufrichtige Mensch zugeben muss, dass er grundsätzlich so gut wie nichts über sie wissen kann, liebe ich ja über alles - besonders aber, wenns so schön nebulös ausfällt.
Na,jetzt mal langsam mit den jungen Pferden.
Ich glaube,da mißdeutest Du was-Das war nicht als moralisierender Hinweis gemeint, sondern es bezog sich auf den lezten teil des Textes,den ElQ. nicht sinnvoll exakt übersetzen konnte (ich übrigens auch nicht:D) .Die passage handelt jedoch davon,daß irgendetwas erreicht wird, was grässlich und schändlich ist, aber frag mich nicht was.
Vielleicht hast Du ja ne passende Übersetzung.:devil:
 
Und auch dafür, wird es ja wohl Gründe gegeben haben.
Stimmt,und die kann ich Dir sogar nennen.
Da waren zum einen die Slavenjagden der Normannen und Wikinger in England,Irland und Island und zum anderen machten die Sachsen bei den Slawen auch keinen Unterschied zwischen getauft und heidnisch.Irgendwo habe ich gelesen,daß sogar von einem Missionar eingesetzte slawische Diakone eingefangen und verkauft worden sein sollen.
Dazu kamen die Sklavenjagden von maurischen und christlichen levantinischen Piraten im Mittelmeerraum.
Hier wollte man wohl die Märkte austrocknen und außedem mußte die Kirche ihre Gläubigen und Zehntenzahler ja irgendwie schützen.
 
es bezog sich auf den lezten teil des Textes,den ElQ. nicht sinnvoll exakt übersetzen konnte (ich übrigens auch nicht:D) .Die passage handelt jedoch davon,daß irgendetwas erreicht wird, was grässlich und schändlich ist, aber frag mich nicht was.
Vielleicht hast Du ja ne passende Übersetzung.:devil:

Die Übersetzung an sich wäre sowieso noch mal zu überprüfen. Was ich nicht sinnvoll übersetzen konnte, das ist der letzte Halbsatz.
 
Dieses moralisierende Zeigefingerwedeln in Richtung Vergangenheit, von welcher der aufrichtige Mensch zugeben muss, dass er grundsätzlich so gut wie nichts über sie wissen kann, liebe ich ja über alles - besonders aber, wenns so schön nebulös ausfällt.

Einer Frage nach Grundlagen (gleich) Moralisierung zu unterstellen, ist etwas merkwürdig. Du möchtest dem also nicht antworten, war ja nur eine Frage.


Warum gibt es Gesetze gegen zu schnelles Autofahren?
Weil viele Leute zu schnell Auto fahren.
Warum gibts es Gesetze gegen Alkohol am Steuer?
Weil viele Leute gerne einen über den Durst trinken und sich dann ans Steuer setzen.

Schöne Beispiele, für Fragen wie diese:

Wenn in 1000 Jahren Historiker, hoffentlich nicht so altkluge Elfenbeinturmbewohner wie sie gegenwärtig häufig anzutreffen sind, nun beispielsweise auf ein Buch mit den beiden obigen Gesetzen stoßen, was würden sie wohl denken?

... in Verbindung zum Thema allerdings unlogisch, deshalb hatte ich Dich auf rechtsgeschichtliche Besonderheiten aufmerksam machen wollen.

Aber bleiben wir bei Deinem Beispielversuch:

In 1000 Jahren stoßen also Historiker auf die Regelung des § 2251 BGB und würden demnach schließen, dass See- und Nottestamente bei Bundesbürgern ähnlich häufig sind wie Fahren unter Alkoholeinfluss stattfand. Der Eigentumsverlust beim Ausziehen von Bienenschwärmen (§ 961 BGB) scheint den Gesetzgeber ebenfalls als Massenphänomen, mindestens aber früher als volkswirtschaftlich wichtige Fragestellung beschäftigt zu haben. Von ähnlicher Relevanz scheint schließlich gemäß § 307 StGB das Herbeiführen einer Explosion durch Kernenergie.
 
Und was würde man 1000 Jahre später zum §1300 BGB von 1896 zum "Kranzgeld" sagen?
Heißt das, weil ein solches Entschädigungsgesetz bestand, waren naturgemäß xy% aller männlichen Verlobten wortbrüchig und im gleichen Atemzug xy% der Mädchen hatten sich dem vorehelichen Beischlaf hingegeben? :autsch:
 
Weil hier mein hübsches Auto-Beispiel :yes: in Zweifel gezogen wird, folgendes:
Der Paragraph zu Alkohol am Steuer und zu schnellem Autofahren, wurde seit seinem Bestehen mehrmals ergänzt und angepasst. Das ist im jeweiligen Gesetzestext, auch für Historiker in 1000 Jahren, ersichtlich.
Womit für sie klar sein dürfte, dass es Gesetze waren, welche für VIELE Menschen eine wichtige Bedeutung hatten.

Bei den Gesetzen gegen Sklavenhandel mit Christen ist es ähnlich. Diese wurden im Laufe der Spätantike / des Mittelalters ebenfalls mehrmals erneuert.
Warum wohl?
Wenn es sich um praktisch kaum vollzogenes Recht gehandelt hätte, wäre ja wohl keine Notwendigkeit für diese Aktualisierungen gegeben gewesen.
Mal davon abgesehen, kann mir irgend jemand ein paar Gesetze aus dem Frankenreich aufzählen, die ähnlich unwichtig gewesen sind, wie die hier gebrachten Gegenbeispiele mit dem Kranzgeld und den Bienenschwärmen (durchaus spaßig, trotz allem).
Ein Tipp: Damals gab es nicht einmal annähernd so viele Gesetze wie heute. Aber das wisst ihr natürlich selbst.
Soll heißen, wenn damals etwas niedergeschrieben wurde, dann weil es wichtig für den Alltag war. Der Staat hatte damals noch nicht den Anspruch, dass Leben seiner Bürger bis ins kleinste Detail zu regeln, wie es heute leider der Fall ist.

@zaphodB.: Ich bin kein Schriftgelehrter, ich nix gut übersetzen können deshalb diesen Text :)
 
Ein Tipp: Damals gab es nicht einmal annähernd so viele Gesetze wie heute. Aber das wisst ihr natürlich selbst.
Soll heißen, wenn damals etwas niedergeschrieben wurde, dann weil es wichtig für den Alltag war. Der Staat hatte damals noch nicht den Anspruch, dass Leben seiner Bürger bis ins kleinste Detail zu regeln, wie es heute leider der Fall ist.
Nö, ne? Es gab früher ja nicht sogar Gesetze und Regularien wie lang die Haare und Bärte sein durften und welche Farben man tragen durfte ...
Soviel zur hochgelobten Freiheit früherer Zeiten, und es gab auch keine Vorschriften, wo sich wer niederlassen und ein Geschäft oder Handwerk gründen durfte, nein, und die Gemeindevorsteher durften natürlich kein Pflegekind abweisen, dass schon eine Pflegestelle hatte, nur weil sie die Kosten fürchteten, und ...und ... und :still:
 
Zuletzt bearbeitet:
Soll heißen, wenn damals etwas niedergeschrieben wurde, dann weil es wichtig für den Alltag war. Der Staat hatte damals noch nicht den Anspruch, dass Leben seiner Bürger bis ins kleinste Detail zu regeln, wie es heute leider der Fall ist.

Mit Detailregelungen hat das nichts zu tun, du unterschätzt die Präventivwirkung auch älterer Gesetze:

Qui fanum effregerit, et ibi aliquid de sacris tulerit, ducitur ad mare, et in sabulo, quod accessus maris operire solet, finduntur aures eius, et castratur, et immolatur diis, quorum templa violavit.

Was schließen wir daraus bezüglich Häufigkeit des Plünderns von Heiligtümern durch Einzelpersonen?
[Gustav Geib, Lehrbuch des Deutschen Strafrechts]

Das Kranzgeld, Seetestament und Bieneschwärme würde ich übrigens nicht als unwichtig abtun, kommt nämlich auf den Betrachtungszeitpunkt an. Aber das ist jetzt rechtshistorisch OT. :winke:
 
Nö, ne? Es gab früher ja nicht sogar Gesetze und Regularien wie lang die Haare und Bärte sein durften und welche Farben man tragen durfte ...
Das war absolut wichtig für die damalige Gesellschaft, um die Abgrenzung zwischen den einzelnen Schichten deutlich zu machen.
Du begehst hier leider den Fehler, Gesetze der Vergangenheit, nach heutigen Maßstäben zu beurteilen.

Soviel zur hochgelobten Freiheit früherer Zeiten, und es gab auch keine Vorschriften, wo sich wer niederlassen und ein Geschäft oder Handwerk gründen durfte, nein, und die Gemeindevorsteher durften natürlich kein Pflegekind abweisen, dass schon eine Pflegestelle hatte, nur weil sie die Kosten fürchteten, und ...und ... und :still:
Tolle Vergleiche, wenn ich mir ansehe, dass man heute bereits belangt wird, wenn man einen Zigarettenstummel zu Boden fallen lässt.
Was wohl trivialer ist, mittelalterlicher Gebietsschutz für Handwerker, oder solche Verordnungen?
Vergleich mal den Umfang der Kapitularien mit heutigen Gesetzeswälzern.
Dreimal darfst du raten, wo du deutlich mehr (pingelige) Regelungen findest, die dem Bürger sagen, was er darf und nicht darf.
Wobei meiner Erfahrung nach die Pedanterie zunimmt, je weiter man sich vom Weißwurstäquator Richtung Norden bewegt.



@silesia: Du hast natürlich absolut recht, wenn du sagst das Kranzgeld und Co. irgendwann mal eine Bedeutung hatten. Ich meinte eher, wenn solche Dinge heute in der Praxis totes Recht darstellen, sollte man sie zumindest auf ihre weitere Berechtigung/Sinnhaftigkeit prüfen.
Ein Beispiel dazu aus meiner Heimat Österreich (da kenne ich mich besser aus als mit den Bienenschwarmgesetzen der BRD): Hier darf man 48 Stunden von der Polizei in Gewahrsam genommen werden, bevor man zwingend einem Haftrichter vorgeführt werden muss.
Und warum? Weil Überstellungen von ländlichen Polizeistationen zu Bezirksgerichten, in der Pferdekutschen-Ära, als das Gesetz entstanden war, einfach recht lange, also durchaus bis zu 48 Stunden, dauerten.
So etwas hat aber in aktuellen Bestimmungen absolut nichts mehr verloren, auch wenn dereinst, als das Gesetz entstand, durchaus eine Berechtigung dafür gegeben war.

Irgendwie sind wir jetzt aber meilenweit von Ursprungsthema entfernt (alles nur wegen meinen Autos?). Wundert mich, dass noch keiner der Moderatoren deshalb ungemütlich wurde...
 
Zuletzt bearbeitet:
So, irgendwie sind wir jetzt aber meilenweit von Ursprungsthema entfernt. Wundert mich, dass noch keiner der Moderatoren deshalb ungemütlich wurde.

Wieso auch,

wir sind immer noch bei der Frage und den fehlenden Belegen für vornehmlich, großen Anteil, tonangebend, usw.

Dazu hast du bislang nichts vorgestellt, außer den nicht belastbaren Verallgemeinerungen über den Anwendungsbereich und die Entstehungsgeschichte von Rechtsregeln.

Oder habe ich da etwas überlesen?
 
So, ich habe mal die Konzilsakten von Meaux überflogen. Speziell mit den Juden befassen sich die Kapitel 73 - 75, also 3/81, es werden vor allem alte Gesetze bekräftigt. In Kapitel 76 wird den Händlern dieses Reiches ("mercatores huius regni, christiani sive Iudei,"), Christen oder Juden, etwas bezüglich der Sklaven auferlegt. Auf jeden Fall ist hier explizit von heidnischen Sklaven ("mancipia pagana") die Rede.
 
Wenn es sich um praktisch kaum vollzogenes Recht gehandelt hätte, wäre ja wohl keine Notwendigkeit für diese Aktualisierungen gegeben gewesen.
Langsam.Ich glaube,Du hast da eine falsche Vorstellung vom mittelalterlichen Rechtssystem.
Zum einen mußten im Mittelalter nicht nur bestimmte Rechte und Privilegien tournusmäßig erneuert ,sondern teilweise auch Gesetze. zumindest bei einem Herrscherwechsel erneut bestätigt werden .

Zum anderen waren das ,was Du anführst keine Aktualisierungen sondern gebiets-und herrschaftsabhängige Neufassungen des gleichen Sachverhaltes.
Die von Dir zitierten Beispiele aus Lyon,Meaux und Ostfranken zeigen das ganz klar,denn alle drei Orte lagen in verschiedenen Reichsteilen mit unterschiedlichen Herrschaftss- und Gesetzgebungsstrukturen .
Ein einheitliches nationales Rechtssystem im heutigen Sinne existierte nicht, vielmehr gab es eine Vielzahl lokaler Rechtssysteme und daneben noch die Dualität zwischen weltlichen und kirchlichen Rechten.
Die Folge war , daß man zum gleichen Sachverhalt wie hier dem Sklavenproblem eine Vielzahl von Gesetzesvorschriften findet, die teilweise gleichartig sind,jedoch unterschiedliche räumliche wie sachlich-strukturelle Geltungsbereiche haben.
Überdies sind Wehklagen von Bischöfen noch keine Gesetze, sondern nur Teil der politischen und rechtlichen Diskussion über ein Rechtsproblem.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das war absolut wichtig für die damalige Gesellschaft, um die Abgrenzung zwischen den einzelnen Schichten deutlich zu machen.
Du begehst hier leider den Fehler, Gesetze der Vergangenheit, nach heutigen Maßstäben zu beurteilen.
Und du siehst die Ausgangslage der Gesetze falsch.
Die Gesetze wurden erstellt, um gerade auch für Eventualitäten gewappnet zu sein, den Richtern ein Entscheidungsmittel in die Hand zu geben, um z.B. auch Willkür einzuschränken. Gab es einen Fall, der nicht geregelt war, wurde nachträglich ein Gesetz geschaffen, unabhängig davon, wieviele Fälle es gegeben hatte oder zukünftig geben würde.
Übrigens gab es "Straßenverkehrsordnungen" nicht erst seit dem Automobil. Gerade der letzte Absatz des Auszuges ist interessant. Wo kein Kläger, da kein Richter. Als der Alkohol zu den regelmässigen Genußmitteln gehörte, wurde nicht gefragt, ob ein Betrunkener eine Kutsche lenkte. Das heisst aber keinesfalls, dass nicht vielleicht 50% (oder mehr) der Kutschenfahrer angetrunken waren.
Die wohl älteste deutsche Straßen-Rechtsordnung ist um 1200 von Eicke von Repko für den Sachsenspiegel" aufgeschrieben worden. Dort hieß es beispielsweise: Der leere Wagen soll dem beladenen ausweichen und der weniger beladene dem schweren. Die Reiter weichen dem Wagen aus, die Gehenden dem Reiter. Sind sie aber auf einem Wege oder auf einer Brücke und verfolgt man den Reiter oder Fußgänger, so sollen die Wagen stillstehen, bis sie vorankommen können. Welcher Wagen zuerst auf die Brücke kommt, der soll zuerst hinüberfahren, er sei leer oder beladen."

Ein Jahrhundert später war im Schwabenspiegel" über die Vorfahrt zu lesen: Der kleine Wagen soll dem schweren ausweichen. Wer besser ausweichen kann, der soll auch ausweichen, gleichgültig, was er geladen hat." Und 1484 appellierte das bayerische Landrecht an die Kutscher, gegenseitig doch Rücksicht zu nehmen: Welcher die bessere Ausfahrt (aus dem Wege) hat, der soll dem anderen ausweichen, wenn er es tun mag (kann). Mag er das aber nicht tun, so soll er dem anderen helfen, dass er vorankommt, damit sie beide ohne Schaden bleiben." - Durchaus ein Wink auch für heutige automobile Zeitgenossen.

Einen Wagenführer machten die Göttinger und Bremer Stadtrechte von 1350 und 1433 noch für jeden eingetretenen Schaden ersatzpflichtig. Das sah das Münchener Stadtrecht von 1347 anders; es differenzierte. Wird ein Fuhrmann angeklagt, dass er Vieh mit dem Wagen gelähmt oder getötete habe, und kann der Fuhrmann dann beweisen, dass er ohne Gefährdung gefahren sei und ihn auch niemand zum Halten aufgefordert habe, so soll er straffrei bleiben. Kann er das nicht beweisen, so muss er den Schaden ersetzen wie recht und billig."

Ordnungsämter und deren eifrige Bedienstete gibt es zwar erst heute, aber immerhin war schon im Flensburger Stadtrecht um 1300 festgelegt, dass mit einer Geldstrafe von drei Mark zu büßen habe, wer auf der Straße etwas lagert, was dort den Verkehr hindert". - Drei Mark müssen damals noch viel Geld gewesen sein.

Einst ging es durchaus pragmatisch zu. Für das Vergehen, sich durch Fahrerflucht der Verantwortung zu entziehen, sah das Bremer Stadtrecht einen naheliegenden Ausgleich vor: Kann man des Mannes (dessen Wagen einen Schaden verursacht hat) nicht habhaft werden, weil er entkommt, so sollen die Pferde den Schaden ersetzen."

Die entschlossene mittelalterliche Praxis, kurzerhand die Gäule auszuspannen und einzukassieren, mag der italienischen Polizei imponiert haben. Seit vergangenem Jahr halten Italiens Ordnungshüter Strafvollzug in dieser Form bei abhanden gekommener Nüchternheit eines Fahrzeuglenkers für ausgesprochen wirksam. Erwischen sie einen Unbelehrbaren mit 1,5 und mehr Promille oder unter Drogeneinfluss hinterm Lenkrad, fackeln sie nicht lange. Sie dürfen das Vehikel auf der Stelle beschlagnahmen. Nach einem rechtskräftigen Urteil kann das Fahrzeug sogar in Staatseigentum übergehen.

Von Alkoholdelikten bei Wagenlenkern und deren Ahndung ist in frühen Rechtsordnungen, die den Verkehr regeln sollten, nicht die Rede. Zu solchem Vorgang gehören ja auch immer mindestens zwei. Einer, der sich gehen lässt, und einer, der kontrollierend die Kelle schwenkt. Solche zwanghafte Paarung hat es damals offensichtlich nicht gegeben. Gute alte Zeit."

Quelle:
automobilreport.com/ar/Wolfram Riede
auto.de/
 
Zuletzt bearbeitet:
LXXVI Ut mercatores huius regni, christiani sive Iudei, mancipia pagana, quę per tot populos et civitates fidelium transeuntes ad manus infidelium et sevissimorum hostium nostrorum perducunt, ex quo et ipsi infelices servi, qui, si a christianis emerentur, poterant salvari, miserabiliter pereunt et inimicorum regni maximus numerus augetur, coerceantur a piis principibus nostris et intra christianorum fines vendere conpellantur, ne tam horrenda crudelitate et aperta infidelitate et animarum dampnis deus exasperetur et vires hostibus augeantur.

Dass die Händler dieses Reiches, Christen oder Juden, die heidnische Sklaven, welche durch so viele Dörfer* und Städte geführt werden, unseren ungläubigen und grausamen Feinden zuführen, aus welchen die unglücklichen Sklaven selbst, die von Christen gekauft werden, mögen gerettet werden, die gehen jämmerlich zugrunde und und vermehren die Zahl das feindlichen Königreiches auf das Äußerste. würden sie zusammengehalten und unseren frommen Fürsten und innerhalb der Grenzen der Christen verkauft, dass nicht solche entsetzliche Grausamkeit und offene Untreue und Schaden der Seelen Gott wütend mache und die Anzahl der feindlichen Männer ansteige.

Die Übersetzung ist sicherlich noch nicht ganz korrekt, z.B. fehlt eine Verneinung im ersten Teil. Es geht allerdings hier nicht um jüdischen Sklavenhandel, sondern darum, dass die Sklavenhändler doch bitte nicht die Sklaven doch bitte nicht ins feindliche Ausland verkaufen, wo sie, das scheint bekannt zu sein, zu Soldaten ausgebildet werden. Nicht jüdische Sklavenhändler poder die Sklaverei an und für sich sind hier also das Problem, sondern die Richtung des Handels.



*populus, ich nehme an, dass hier schon die semantische Verschiebung stattgefunden hat, welches z.B. aus populus, 'Volk', das spanische pueblo, 'Dorf', gemacht hat (wobei pueblo auch 'Volk' bedeutet).
 
Zurück
Oben