Ursachen der Aufklärung?

Gerade der verschuldete Bauernsohn zeugt davon, dass er vielleicht mehr Bücher kaufte, als er sich leisten konnte?
Nee, die Verschuldung der Eltern kam vom großen Hof, den der Vater auf Pump erwarb und später wieder aufgeben musste. Obendrein war der Vater scheinbar kein erfolgreicher Landwirt.
Was ich sagen wollte war, dass Bücher schon ziemlich Allgemeingut waren. Natürlich besaß nicht jeder Bücher und natürlich war die Analphabetenrate noch trotz Bemühungen um die Bildung wie in Preußen, Österreich und anderen Staaten sehr hoch, aber die Zahl von dem, was gelesen wurde, nahm sprunghaft zu und die Bücher wurden grundsätzlich erreichbarer. Die Bildung der Untertanen wurde gar zu einer moralischen Verpflichtung der aufgeklärten Landesherren.
 
@all

Ich lese diesen Thread mit großem Interesse. Ich möchte sehr gerne #5 zitieren:

"...Aber wie kann man die Ursachen" beschreiben ?

Bei allen Erklärungsmodellen möge man beachten, dass nicht abstrakte gesellschaftliche, geistige oder religiöse "Trends" oder "Entwicklungen" irgendetwas bewegen können, sondern das handelnde Subjekt immer reale Menschen sind. ..."

Der Threadersteller hat nach den Ursachen gefragt. Ich finde den Ansatz von Klaus schon zielführend und erlaube mir die Frage des Threaderstellers gleichsam zu verdichten: "Was löst ein ideengeschichtliches Phänomen wie die "Aufklärung" aus"?

Das als Zwischenmeldung in diesem spannenden Thread.

M.
 
Zuletzt bearbeitet:
U.R. Jeck kenne ich nicht, von Kurt Flasch halte ich eigentlich recht viel. Dennoch sei mir die Nachfrage erlaubt: Welche Argumente bringen die Beiträger zu dieser Sammelschrift dafür, dass die Aufklärung im MA ihren Ursprug hatte?
Aufhänger dafür sind u.a. die Verurteilungen von 1277, das Schreiben des Bischofs von Paris, das kirchliche Verbot bestimmter Texte und Auslegungen. Die Aristoteles-Anhänger und "Gegner" der damaligen Universitäten, die Frage von Theologen und Studenten im Mittelalter wie Geist, Vernunft und Wahrheit, die göttliche Ordnung und Weltanschauung zu definieren seien. Fragen, Texte und Auslegungen, welche die katholische Kirche eben zu unterdrücken suchte bzw. per Dekret verbot. Leider habe ich keine digitale Ausgabe des Buches, aus der ich zitieren könnte ...
 
Zuletzt bearbeitet:
Spielt aber in der Aufklärung keine Rolle, weil Du da selbst in der "Schundliteratur" oftmals aufklärerische Gedanken hast.:winke:

Die Schundliteratur der Aufklärung ist etwas ganz anderes, als die Schundliteratur der Frühzeit des Buchdrucks. In der Frühzeit des Buchdrucks hat man beinahe alles Geschriebene, losgelöst von seinem Gehalt, gedruckt. Das meine ich mit Schund. Die Schundliteratur des 18. Jahrhunderts ist ja eher eine Literatur, die aufgrund moralischer Vorstellungen verfemt wurde.
 
Zu dem Mittelalteransatz, diskutiert zwischen Caro und EQ

Ich habe den Pfad eben gefunden und las das Eingangsposting. Sofort hatte ich einige Gedanken dazu im Kopf, doch leider gingen die folgenden Beiträge komplett daran vorbei. Erst Caro hat das richtige Stichwort geliefert. Caro, ich kenne das Buch nur dem Namen nach und habe es selbst noch nicht gelesen. Hast Du es bei Dir daheim rumliegen und kannst reinschauen? Kurt Flasch ist ein hervorragender Philosoph und ich kann mir nicht vorstellen, dass er DAS Stichwort unerwähnt lässt: Den Nominalismus.

Caro schrieb:
Aufhänger dafür sind u.a. die Verurteilungen von 1277, das Schreiben des Bischofs von Paris, das kirchliche Verbot bestimmter Texte und Auslegungen. Die Aristoteles-Anhänger und "Gegner" der damaligen Universitäten, die Frage von Theologen und Studenten im Mittelalter wie Geist, Vernunft und Wahrheit, die göttliche Ordnung und Weltanschauung zu definieren seien. Fragen, Texte und Auslegungen, welche die katholische Kirche eben zu unterdrücken suchte bzw. per Dekret verbot. Leider habe ich keine digitale Ausgabe des Buches, aus der ich zitieren könnte ...

Das sind lediglich Anekdötchen aus der Philosophiegeschichtstruhe. Ein Aristoteliker ist kein Aufklärer und jemand, der sich Scholastiker nennt und das Ganze noch ein wenig mit dem in Augustinus und Dionysius Areopagita wehenden Platon durch den Wolf dreht, ebenso wenig. Meiner Meinung nach beginnt alles mit dem Nominalismus. (...und ich bin sicher, jemand wie Kurt Flasch, bei dem sich meine Wenigkeit beinahe die Arme auskugeln muss, um ihm ein Gläschen Wasser zu reichen, wird das auch bedacht haben.)

Über den Universalienstreit kann sich jeder im Internet ausgiebigst informieren, wenn man dieses Gebiet betreffend unbeleckt sein sollte. (Tja, nicht jeder ist wie jschmid im Kreise der Privilegierten (?), die in den Genuss meiner manchmal allzu delikaten Essays zu kommen. Ich habe vor einiger Zeit was zum Thema verfasst, wo ich im Finale genau auf diesen Punkt komme, welch schwerwiegende Folgen der Nominalismus mit sich bringt. Bei Interesse könnt ihr ja mal anfragen; FSK ab hm, tja, 21 Jahren würde ich mal sagen.)

Dennoch zitiere ich daraus mal eine harmlose Passage:

Heben wir das Problem nun auf eine Ebene, die eine gesamte Gesellschaft betrifft. Der Universalienrealismus ist es, der den Obrigkeiten die Möglichkeit gab, ihre Legitimität göttlich zu begründen. Der Realismus ist ja eine Position, die streng hierarchisch gegliedert ist: Den Universalien kommt primärer Status zu, den Dingen nur sekundärer. Wenn man jedoch den Dingen, nur den Dingen, ontologischen Status zugesteht und Universalien wegleugnet, ist das etwas, was den Grundfesten der mittelalterlich-abendländischen Herrschaftsstrukturen rüttelt, ja, sie sogar zu Fall zu bringen droht! Außerdem ist es die Empirie, die durch den Nominalismus enormen Auftrieb gewinnt. Man denke nur daran, dass man nun nicht mehr ableitet, also deduktiv vorgeht, sondern von den Einzeldingen auf Allgemeinheiten schließt. Ganz und gar revolutionär, nicht mit Logik vorzugehen, sondern durch empirische Beobachtungen! Was kommt den Autoritäten dann noch für ein Status zu, wenn man sie durch Versuche wiederlegen kann?


Was hast das jetzt mit der Aufklärung zu tun?

Ich nagel hier mal einige plakative Sätze an die Wand:

Wikipedia meint in der Kurzzusammenfassung:

Das Zeitalter der Aufklärung gilt als eine Epoche der geistigen Entwicklung der westlichen Gesellschaft im 17. bis 18. Jahrhundert, die besonders durch das Bestreben geprägt war, das Denken mit den Mitteln der Vernunft von althergebrachten, starren und überholten Vorstellungen, Vorurteilen und Ideologien zu befreien und Akzeptanz für neu erlangtes Wissen zu schaffen.
Zeitalter der Aufklärung ? Wikipedia

Dort heißt es weiter:

Unter Aufklärung versteht man einen sowohl individuellen wie gesellschaftlichen geistigen Emanzipationsprozess. Dieser hinterfragt die allein auf dem Glauben an Autoritäten beruhenden Denkweisen kritisch. Es wird gefordert, sich „seines eigenen Verstandes zu bedienen“. Der aufgeklärte Mensch soll nicht mehr an die Vorgaben der Obrigkeiten oder Zwänge von Mode und Zeitgeist gebunden sein, sondern sein Leben und Denken selbst bestimmen.

Hier wurde bereits genannt, dass gerade in der Zeit der Aufklärung das Individuum beginnt, sich in Aktion zu sehen. Der Mensch wird zu einem Menschen der Bewegung - und das passiert nicht erst im 18. Jahrhundert, sondern dies tritt schon viel früher zu Tage - im Human(!)ismus und um plakativ zu bleiben: In der Kunst der Renaissance. Grundlage hierfür ist jedoch das mittelalterliche Denken, wo sich ein ganz wunderbar anzusehender Ringkampf ereignet, bei dem dem Universalismus langsam aber sicher die Puste ausgeht und der Nominalismus letztendlich das Rennen macht. Der Kampf geht in der Neuzeit weiter und ist noch immer nicht ausgefochten. Obschon es objektiv betrachtet unleugbar so ist, dass die Realisten (Verfechter des Universalismus) sich fast reglos am Boden befinden. Der letzte wirklich schwere Hieb wurde meines Erachtens von Heidegger geführt, aber das würde jetzt zu weit führen...




Man möge mir verzeihen, dass das jetzt nur ein Schnelldurchlauf war. Sollte jemand mit dem Universalienstreit Verständnisprobleme haben oder meine Gedanken aufgrund anderer von mir verschuldeter Gegebenheiten nicht durchschauen, bitte ich um Nachfrage. Wenn man ein Thema mit Leidenschaft verfolgt - und dieses gehört dazu - dann neigt man dazu, Dinge, die für einen selbst evident sind, nicht zu erwähnen.
 
Sollte jemand mit dem Universalienstreit Verständnisprobleme haben oder meine Gedanken aufgrund anderer [...] Gegebenheiten nicht durchschauen, bitte ich um Nachfrage.

Hier bin ich! :winke:


Meiner Meinung nach beginnt alles mit dem Nominalismus.
Könntest du den definieren?


Grundlage hierfür ist jedoch das mittelalterliche Denken, wo sich ein ganz wunderbar anzusehender Ringkampf ereignet, bei dem dem Universalismus langsam aber sicher die Puste ausgeht und der Nominalismus letztendlich das Rennen macht. Der Kampf geht in der Neuzeit weiter und ist noch immer nicht ausgefochten. Obschon es objektiv betrachtet unleugbar so ist, dass die Realisten (Verfechter des Universalismus) sich fast reglos am Boden befinden. Der letzte wirklich schwere Hieb wurde meines Erachtens von Heidegger geführt, aber das würde jetzt zu weit führen...

... vielleicht zu weit vom Thema weg, aber könntest du vielleicht die Andeutungen, die nur Eingeweihte verstehen, so konkretisieren, dass auch Nichtphilosophen eine Chance haben dir zu folgen?
Ich weiß, du sagst
Über den Universalienstreit kann soll sich jeder im Internet ausgiebigst informieren
, dennoch fände ich es toll, wenn du vielleicht noch mal kurz skizzieren könntest, was die Hauptunterschiede zwischen Nominalisten und Universalisten sind.
 
@Lukrezia Borgia
leider komme ich in nächster Zeit nicht dran, aber " das Licht der Vernunft" wird in anderen Schriften parallel zum Nominalismus genannt. Sebastian Lalla bespricht das z.B. in "secundum viam modernam": Nominalismus bei Arnoldi von Usingen (*1464/65)
Secundum viam modernam ... - Google Bücher
 
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Nachtrag:
Whichcote (1609–1683) seinerseits sprach von den zwei Lichtern, die Gott aufgestellt habe, um uns zu erleuchten: das Licht der Vernunft, das er das Licht der Schöpfung nannte, und das Licht der Schrift, die die Nachoffenbarung (der Offenbarungsgeschichte) ist. Damit widersprach er, wenn ich das richtig verstehe, dem Nominalismus nach Hobbes.

Zu lesen z.B. in III (Von der Rennaissance zur Aufklärung) in
Philosophie und Theologie in ... - Google Bücher
 
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@ Luki
Das Hauptproblem zum Verständnis ist, dass Du weder Ross noch Reiter konkretisierst.

Wann fand welche Entwicklung statt?

Klar bietet dazu Wikipedia einen Überblick, aber wenn sich der Fragesteller damit zufrieden geben will, ist das Thema auch schon rasch ausdiskutiert. Klar müssen die Ursachen der Aufklärung VOR der Aufklärung liegen.

Wahrscheinlich habe ich aber auch irgendwas überlesen und bin gerade ungefähr in meinen Gedanken so eingekastelt wie Du, wenn Du schon im eigenen Beitrag vermutest, dass er wohl Verständnisschwierigkeiten aufwirft.

Mist, eigentlich sollte ich mich damit auch garnicht beschäftigen. :winke:
 
Könntest du den definieren?


Hm, eigentlich findet sich bei Wikipedia eine recht gute Definition. Verkürzt gesagt ist es die Ansicht, dass nur Dingen, die man vor sich hat und die mit den Sinnen wahrgenommen werden könne, Realitätsstatus zukommt. Das steht im Gegensatz zu dem, was seit der Antike Gang und Gäbe in der Philosophie war. Die platonischen Ideen sind ja etwas, das neben der Welt, in der wir uns befinden, existiert. Ihnen kommt bei Platon ein viel höherer Wert zu als den Dingen, mit denen wir hier konfrontiert sind. Die Ideen werden von uns benötigt, um die Dinge in dieser Welt zu identifizieren. An Platon lehnt sich die Position des Universalismus (Allgemeinbegriffe werden als Universalien bezeichnet) an, die auch Realismus genannt wird - eben weil den Universalien Realität zugestanden wird. Und eben in die andere Bresche schlägt der Nominalismus: Er leugnet das und meint, dass nur das vorhandene Ding real ist.

Ich habe aus oben bereits erwähnten Essay mal noch eine jugendfreie Stelle gewählt, um es deutlicher zu machen:

- Zensiert, auf Anfrage -

Naja, es ist zwar etwas pathetisch, aber ich habe es dennoch für sinnvoll erachtet, es als Beispiel zu bringen. Denn in diesem Ausschnitt ist nicht nur davon die Rede, was A und was B ist, sondern sie werden zueinander in Aktion gesetzt und ihre Bedeutung wird beleuchtet. (Das Hohelied habe ich übrigens absichtlich eingewoben, da es sich in einem Buch befindet, das aufgrund seiner weiten Verbreitung als allgemeines Gut bezeichnet werden kann, aber dennoch eine unglaublich persönliche, an Einzeldingen klebende Note hat.)


... vielleicht zu weit vom Thema weg, aber könntest du vielleicht die Andeutungen, die nur Eingeweihte verstehen, so konkretisieren, dass auch Nichtphilosophen eine Chance haben dir zu folgen?

Gut, dann behandeln wir das Ganze mal ein wenig off topic. Wir sind Mods, wir dürfen das. ;) :still:

Heidegger entwirft ja dieses Modell von der Geworfenheit. Also der Mensch ist in diese Welt geworfen und nur dadurch wird sie existent. Die Welt existiert ohne das Individuum nicht; im Grunde genommen ist das eine grandiose Verfeinerung des sophistischen Homo-mensura-Satzes. Die Dinge werden nur dadurch existent, dass ein "In-die-Welt-Geworfener" da ist, der sich in ihnen bewegt. Eine radikalere Form des Nominalismus ist für mich spontan nicht denkbar.

Eine schöne und ausführlichere Schilderung dessen, was ich hier kurz angerissen habe, findet sich hier:
Heideggers Philosophie aus Sein und Zeit
 
Zuletzt bearbeitet:
Das führte zu einer Renaissance handschriftlich geschriebener Werke. Prachthandschrift = teuer = gute Literatur
Druck = billig :rechts: Wahrscheinlichkeit des seichten, inhaltlich und/oder argumentativ Unrunden erhöht.

Gibt es dazu eine Quelle? Das wäre höchst interessant für mich. Das würde nämlich eine gewisse Kontiunität im Umgang mit Medien zeigen.
 
@Lukrezia Borgia
leider komme ich in nächster Zeit nicht dran, aber " das Licht der Vernunft" wird in anderen Schriften parallel zum Nominalismus genannt. Sebastian Lalla bespricht das z.B. in "secundum viam modernam": Nominalismus bei Arnoldi von Usingen (*1464/65)
Secundum viam modernam ... - Google Bücher

Klar ist das lumen intelligibile in Sekundärliteratur über den Nominalismus fassbar. Es ist ja etwas, das von Scholastikern behandelt wurde und gerade bei Thomas von Aquin eine zentrale Position einnimmt. Dennoch ist es nicht das Gleiche wie der Nominalismus. In der Aufklärung ist die Vernunft ja etwas, das den Menschen ganz und gar innerlich ist und das man nur gebrauchen muss. Bei Thomas von Aquin braucht die Vernunft dieses Licht als (salopp gesagt) Draht zu Gott.
 
Heben wir das Problem nun auf eine Ebene, die eine gesamte Gesellschaft betrifft. Der Universalienrealismus ist es, der den Obrigkeiten die Möglichkeit gab, ihre Legitimität göttlich zu begründen. Der Realismus ist ja eine Position, die streng hierarchisch gegliedert ist: Den Universalien kommt primärer Status zu, den Dingen nur sekundärer. Wenn man jedoch den Dingen, nur den Dingen, ontologischen Status zugesteht und Universalien wegleugnet, ist das etwas, was den Grundfesten der mittelalterlich-abendländischen Herrschaftsstrukturen rüttelt, ja, sie sogar zu Fall zu bringen droht! Außerdem ist es die Empirie, die durch den Nominalismus enormen Auftrieb gewinnt. Man denke nur daran, dass man nun nicht mehr ableitet, also deduktiv vorgeht, sondern von den Einzeldingen auf Allgemeinheiten schließt. Ganz und gar revolutionär, nicht mit Logik vorzugehen, sondern durch empirische Beobachtungen! Was kommt den Autoritäten dann noch für ein Status zu, wenn man sie durch Versuche wiederlegen kann?

Die Verbindung des Universalienrealismus (so meines Wissens der wissenschaftliche Name) mit der Begründung des mittelalterlichen Herrschaftsapperates will mir noch einleuten, doch darf nicht unerwähnt bleiben, dass dieser Universalienrealismus nur ein (!) Univeralienrealismus neben anderen ist, demnach die Gesellschaft quasi Gottes herrliche Ordnung wiedergibt (wie man noch am Anfang von Grimms Märchen "Gevatter Tod" nachlesen kann). Es sind auch Univeralienrealismen vorstellbar, die ohne diese Annahme auskommen. Genauso wie wir immernoch unsere Kalender nach den Sternen ausrichten, auch wenn wir nicht mehr, wie die alten Sumerer, glauben, dass sich in ihnen das menschliche Schicksal offenbart.

Was mir aber nicht einleutet, ist die Verbindung von Nominalismus und Widerstand gegen diese Ordnung. Sicher begünstigt der "Universalismus" nicht, seine Voraussetzungen vorher empirisch zu prüfen, bevor man logisch schlüße zieht, dennoch haben z.B. Hobbes ja ganz andere Schlußfolgerungen gezogen.
Andererseits waren viele "Liberale" Naturrechtler, glaubten also doch an etwas Metaphysisches. Ich habe vor einigen Jahren einmal 2 interessante Texte gelesen: Eine Polemik für den Universalienrealismus (der auf die Intuitivität verwies) und einen historischen Text über Berkeley, in dem ihn attestiert wurde, er habe erst die (sprachanalytischen) Voraussetzungen geschaffen, um auf einen Tragbaren Nominalismus zu kommen.

Dennoch ein interessanter Gedanke, vielleicht hat ein (noch unschlüßiger) Nominalismus den Emprismus und damit die Aufklärung gepuscht, aber war die Aufklärung da nicht das Zeitalter, in den diese Trennungen langsam verschwanden?

Obschon es objektiv betrachtet unleugbar so ist, dass die Realisten (Verfechter des Universalismus) sich fast reglos am Boden befinden. Der letzte wirklich schwere Hieb wurde meines Erachtens von Heidegger geführt, aber das würde jetzt zu weit führen...


Wie bei allen philosophischen Themen kann man anderer Meinung sein, etwas mit der Annahme, dass der Realismus (solange er kein bloßeses Scheinproblem lösen soll) die einfachste Lösung des Problems von Abstrakta ist. Das würde aber zu weit führen. (Ausserdem bin ich gar kein Anhäner dieser Überzeugung und schreibe das nur der Vollständigkeit halber.)
 
Gibt es dazu eine Quelle? Das wäre höchst interessant für mich. Das würde nämlich eine gewisse Kontinuität im Umgang mit Medien zeigen.

Eine bestimmte Stelle in der Sek.Literatur kann ich dir diesbezüglich leider nicht nennen. Das ist mehr eine Erfahrung aus dem Romanistikstudium.
 
@all

Vllt. bin ich jetzt lästig. Aber ich möchte mir erlauben zu insistieren. Der Threadersteller fragte nach den Ursachen der Aufklärung, nicht nach der ideengeschichtlichen resp. philosophiegeschichtlichen Herleitung dessen, was wir heute als Aufklärung bezeichnen.

Philosophiegeschichtlich läßt sich bestimmt ein weiter Bogen spannen, vollkommen d'accord Lukrezia und Caro.


M.
 
Bei der spannenden Philosophiegeschichte kann ich leider "nur" mitlesen.

Zum explodierenden Buchmarkt:
Brissotin beschrieb schon ganz richtig, dass der Buchmarkt stetig größer wurde - Messe für Messe kamen mehr Bücher raus und die Lesesalons und -zirkel boomten. Die Zeitgenossen des 18. Jahrhunderts bemerkten diese Veränderung sogar selbst und manche Literaten prangerten an, dass man zu extensiv lese (Stichwort: Bücher verschlingen), anstatt sich wieder intensiv mit einem Text zu beschäftigen. Ebenso wurde auch oftmals über die Qualität von Stoffen gespottet, da es zum Beispiel viele Nachahmer von Bestsellern gab, so zum Exempel die sogenannten Robinsaden nach dem Robinson Crusoe.
Eine weitere interessante Beobachtung ist, dass jetzt vor allem auch Frauen keinen unerheblichen Teil der Leserschaft ausmachten.
Für die Fragestellung des Threads - endlich hier angekommen ;) - könnte von Interesse sein, dass man während des 18. Jahrhunderts bemerken kann, dass in Relation immer weniger geistliche Texte gedruckt wurden, während die profanen (hier vor allem die Belletristik) große Marktteile beherrschten.
Ein Merkmal der Aufklärung ist tatsächlich, dass vielmehr gelesen wurde und vor allem, dass man sich schriftlich auch austauschte. Es wurden nicht nur wissenschaftliche Abhandlungen, Romane und Lexika geschrieben, sondern die Zeitschrift wurde zu einem wichtigen Medium des Gedankenaustauschs.
Dies sind wohl gemerkt Merkmale während der Zeit, die wir als Aufklärung bezeichnen. Wenn man möchte, kann man also die Lese- und Schreibkompetenz als Ursache für die Aufklärung sehen... doch:

@Melchior:
Ich weiß nicht, inwiefern man die Frage "Was löst ein ideengeschichtliches Phänomen wie die "Aufklärung" aus" so stellen kann?
 
Es ist natürlich müßig, im 37. Beitrag zu einem Thema noch etwas Originelles hervorbringen zu wollen, zumal dann, wenn schon ähnliche Diskussionen voraufgegangen sind:
http://www.geschichtsforum.de/f288/zeitalter-der-aufkl-rung-zusammenfassung-22072/
http://www.geschichtsforum.de/f288/fragen-zur-aufk-rung-29757/

Also skizziere ich nur kurz den Halbzeitstand:

1. Die Frage nach den "Ursachen" ist vielleicht so nicht beantwortbar. Deshalb finde auch ich Rafaels Anregung (#8) glücklich, zunächst von (Gelingens-) "Bedingungen" zu sprechen und darüber hinaus mit Klaus (#5) nach "Treibern" Ausschau zu halten.

2. Die bisher genannten Faktoren
- Not (#2)
- Technik (#5)
- (Natur-)Wissenschaften (#8,11)
- Naturrecht (#33)
- Philosophie (#13,25)
müssen natürlich sellbst wieder nach ihrer Genese befragt werden (Warum entwickelt sich das Naturrecht just zum Zeitpunkt X? usw.), woraus sich unweigerlich ein Netzwerk von interagierenden Faktoren ergibt.

Ein geschichtsphilosophisches Moment klingt im Eingangsbeitrag an, aber nur relativ zart, weshalb ich es mit folgender streitbarer Definition verstärken möchte:
Aufklärung = Bezeichnung für eine bestimmte historische Form der bürgerlichen Emanzipationsideologie und -literatur. Sie bildet sich in der zweiten Phase der bürgerlichen Emanzipation - in der Phase, als sich die Bourgeoisie bereits als Klasse konstituiert hat und den politischen Kampf gegen die ständig-feudale Ordnung und die absolute Monarchie aufnimmt - heraus. [1]
Zur Philosophie könnte/müsste man sehr vieles anführen, aber das Geschäft will ich Lukrezia überlassen und nur bemerken, dass ich den Begriff vom Menschen als "Mensch der Bewegung" (#25) für einen sehr schönen, weil mindestens doppeldeutigen Gedanken halte.:winke:

Wichtig auch rena8' These von "Veränderungen im Denken und Fühlen" (#3), die "meist mehrere Generationen [benötigen,] bis sie bei der breiten Masse ankommen und eine Veränderung im Verhalten bewirken", d.h. eine kritische Menge von Menschen "in Bewegung" bringen. Das führt aber zu einer ketzerischen Frage: Wie groß mag überhaupt die Zahl der Menschen gewesen sein, die am Prozess der Aufklärung, wie immer man ihn definieren mag, beteiligt waren?

Ich nehme als Beispiel das Buch und bin her- und hergerissen zwischen zwei Thesen von Brissotin:
Der Buchdruck blieb aber lange verhältnismäßig ungenutzt. Im 18.Jh. fand tatsächlich eine regelrechte Explosion der Veröffentlichungen statt. ... Der Buchdruck war also schon wichtig, aber im 18.Jh. platzte sozusagen der Knoten, was dazu führte, dass nun deutlich mehr gelesen wurde. Bezeichnend ist die Verbreitung von Lesezirkeln, öffentlichen Bibliotheken und dem Ideal des gebildeten Menschen welcher direkt mit dem Lesenden oftmals verbunden ist.
Zum Thema Verbreitung von Büchern ist empfehlenswert folgendes zu lesen: Michael North: "Genuss und Glück des Lebens. Kulturkonsum im Zeitalter der Aufklärung." Köln u.a. 2003, Böhlau. North weist darin nach, dass in den allermeisten bürgerlichen Haushalten bis weit in das 18.Jh. nur wenige Bücher vorhanden waren und diese wenigen waren vor allem religiöser Natur.

Daran anschließend die Frage nach den "Medien" der Aufklärung: Wenn das Buch das entscheidende war - war es das einzige oder gar es noch andere?


[1] Philosophisches Wörterbuch, Bd. 1. Leipzig 1974, S. 153
 
@Rafael

"@Melchior:
Ich weiß nicht, inwiefern man die Frage "Was löst ein ideengeschichtliches Phänomen wie die "Aufklärung" aus" so stellen kann?"

Daher finde ich diesen Thread so interessant!

M.
 
Sehr gut, dem kann ich nur beipflichten!
Damit die wortwörtliche Spannung bleibt, bleibe ich auf meiner These/ Frage beharren, ob die Eingangsfrage des Threads in dieser Form überhaupt Sinn macht bzw. beantwortet werden kann. ;)
 
@Rafael

Sinn macht die Frage schon. Was löst eine ideengeschichtliche Entwicklung aus; das ist wirklich spannend und warum werden diese "Ideen" zu diesem konkreten historischen Zeitpunkt evident!

Die Reformation wurde hier im Thread glaube ich schon angesprochen. Kirchenkritik findet sich in jedem Jh., aber evident, also als "umwälzend" wird diese erst Anfang des 16. Jh. - warum und nicht schon vorher, an charismatischen Persönlichkeiten und auch an theoretischen Ansätzen hat es nicht gefehlt (z.B. Hus)?

Geschichtsphilosophie ist nicht so recht meine Sache, gerade daher finde ich diesen Thread so interessant.

M.
 
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