Die Völkerwanderung als große Migration

Na ja, RA, ich habe hier etwas den advocatus diaboli gespielt, was dir leider entgangen ist.
Ist mir in der Tat entgangen. Ich bin ja von Dir ziemlich gute Beiträge gewohnt und war doch sehr unschlüssig, was ich von diesem halten solle.

Allerdings halte ich es für angebracht, Glorifizierungen und Romantisierungen der Germanenreiche, wie man das immer häufiger findet, zuweilen entgegenzuwirken.
Grundsätzlich Zustimmung, nur habe ich zumindestens hier in der Diskussion nicht viel solcher Glorifizierung gelesen.

Unbestritten bleibt allerdings, dass die Vandalen in Nordafrika als Staatengründer zienlich versagt haben ...
Das ist wieder so ein Werturteil, mit dem ich vorsichtig wäre.
Es hat nicht geklappt - das ist Fakt. Aber "versagen" impliziert, sie hätten deutlich sichtbar durch andere Alternativen eine gute Erfolgschance gehabt, und diese dummdreist/mutwillig vergeigt.

Da wäre (ist aber nicht mein Fachgebiet) eher zurückhaltend. Ich würde eher sagen, die Erfolgschancen einer solchen Staatsgründung waren nun einmal recht niedrig. Aber darauf zu verzichten wäre ja auch keine Option gewesen.

Die Ostgoten unter Theoderich haben sich zumindest bemüht, ein erträgliches Verhältnis zur romanischen Bevölkerung herzustellen
Ich weiß nicht, wie vergleichbar das ist. Das war immerhin eine Gegend, die viel mehr Kontakt und Erfahrungen hatte mit den Germanen - und die umgekehrt auch die Schutzfunktion der Ostgotenherrschaft würdigen konnte.

Während m. W. für die Nordafrikaner die Vandalen der erste "Außenkontakt" seit Generationen war (sprich: seit der römischen Eroberung). Und eigentlich hatten sie überhaupt keinen Grund, mit denen irgendwie ein Auskommen zu finden - aus Sicht der Einheimischen waren die Vandalen wohl nur überflüssig und lästig, egal in welcher Regierungsform.
Welche realen Optionen die Vandalenkönige im Umgang mit diesen Untertanen hatten, können wir heute wohl kaum beurteilen.

Unbestritten ist, dass die Germanenreiche der Völkerwanderung keinen Bestand hatten.
Jein. Die der Franken und Angelsachsen hatten Bestand, und wenn Burgunder und Langobarden sich den Franken unterwerfen mußten, so blieben ihre Reiche im Prinzip schon intakt, waren nur nicht mehr souverän.

Die Gründe dafür sind nicht allzu komplex. Die zahlenmäßig schwachen Einwanderer konnten den Gegensatz zur einheimischen Bevölkerung vielfach nicht überbrücken, fielen stärkeren Invasoren zum Opfer, wurden rasch romanisiert und verloren ihre Identität.
Volle Zustimmung. Und das ist für mich halt eher die Schublade "dumm gelaufen" als die "dumm gemacht".
 
Auch das Vandalenreich hatte, in Karthago einmal etabliert, für 100 Jahre Bestand. Würde jemand behaupten wollen, die BRD, nun knapp 60 Jahre alt, sei gescheitert? Wohl kaum. Wieso nehmen wir uns heraus zu behaupten, die Vandalen seien gescheitert?
 
Das ist wieder so ein Werturteil, mit dem ich vorsichtig wäre.
Es hat nicht geklappt - das ist Fakt. Aber "versagen" impliziert, sie hätten deutlich sichtbar durch andere Alternativen eine gute Erfolgschance gehabt, und diese dummdreist/mutwillig vergeigt.

Natürlich ist es ein "Werturteil", denn ich halte es für legitim, eine Staatsgründung auf ihren Erfolg oder Misserfolg hin zu untersuchen, die Staatsorgane auf ihre Effizienz hin zu prüfen, den Erfolg der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturen zu analysieren und schließlich ein - positives oder negatives - Resumee zu ziehen.

Dass dein Fazit anders aussehen kann, ist möglich, und über die Gründe einer anderen Bewertung kann man dann diskutieren.

Ich weiß nicht, wie vergleichbar das ist.

Das ist durchaus vergleichbar. Allerdings ist dabei zu beachten, dass Theoderich - nach allem was wir von ihm wissen und was er in Italien schuf - eine große Herrscherpersönlichkeit mit Durchsetzungskraft war, der - so kann man nach seinen Maßnahmen im ostgotischen Staat vermuten - eine Vision hatte, wie sich sein Germanenreich in ein Imperium Romanum einfügen könnte. Zudem war er viele Jahre am oströmischen Kaiserhof gewesen und kannte sich ausgezeichnet sowohl mit römischen als auch germanischen Strukturen, Mentalitäten und Geisteshaltungen aus. Das alles in summa führte zu einer ziemlich "segensreichen" Regierung für das ausgeplünderte Italien.

Jein. Die der Franken und Angelsachsen hatten Bestand, und wenn Burgunder und Langobarden sich den Franken unterwerfen mußten, so blieben ihre Reiche im Prinzip schon intakt, waren nur nicht mehr souverän.

Du hast vielleicht übersehen, was ich weiter oben in Beitrag # 92 dazu gesagt habe:

Die Reiche der Westgoten und Langobarden währten gut 200 Jahre. Ob das lang oder kurz ist, hängt vom Maßstab ab, den man anlegt. Im Vergleich zum Pharaonenreich war die Zeitspanne winzig, im Vergleich zum Reich der Heruler an der March durchaus lang.

Das Frankenreich ist kein typisches Reich der Völkerwanderung. Die Franken sind nicht in diesem Sinn "gewandert", sondern haben ihr Reich von ihren linksrheinischen Stammsitzen aus erweiter und vergrößert. Ihre Geschichte ist allerdings eine Erfolgsgeschichte, denn die Verbindung der fränkischen Eliten mit dem gallo-römischen Adel und der frühe Übertritt der Franken vom Arianismus zum Katholizismus erleichterten eine rasche Verschmelzung der einheimischen Bevölkerung mit den germanischen Franken. Der politische und militärische Erfolg des Frankenreichs spricht Bände im Hinblick auf eine gelungene Staatsgründung.
 
ich halte es für legitim, eine Staatsgründung auf ihren Erfolg oder Misserfolg hin zu untersuchen,
Völlig richtig.
Aber wo man den Untergang des Vandalenreichs als Fakt im Konsens notieren kann, müßte man wohl erst definieren, was als Erfolg zu werten ist, bevor man "versagen" feststellen kann oder nicht.

Und da hat El Quijote schon einen guten Punkt gebracht: Eine Gründung, die 100 Jahre hält, ist eigentlich per se kein Mißerfolg.

dass Theoderich - ... - eine große Herrscherpersönlichkeit mit Durchsetzungskraft war, der - ... - eine Vision hatte
Alles völlig richtig. Das war eine ganz große Persönlichkeit. Und man wird wohl nicht von vorneherein sagen können: Wenn ein Volk keinen wie Theoderich hervorbringt, ist das Versagen :devil:

Wobei ich Geiserich fast in einer ähnlichen Liga sehe (auch wenn wir von seinen Visionen wenig wissen). Er hat wie Theoderich mit einer eher kleinen Volksgruppe ein verhältnismäßig großes Reich etabliert, daß einige Generationen Bestand hatte. Wobei Theoderich es eher leichter hatte: Er hatte den Rückhalt aus Byzanz, wie oben beschrieben war Italien schon viel eher an germanische Machthaber gewöhnt - und vor allem agierte er zwei Generationen nach Geiserich, hatte dessen Vorbild vor Augen und konnte vielleicht manche Fehler vermeiden.

Die Reiche der Westgoten und Langobarden währten gut 200 Jahre. Ob das lang oder kurz ist, hängt vom Maßstab ab, den man anlegt.
Richtig.
Vor allem aber: Es hing nicht in erster Linie von der "Qualität" dieser Reiche oder ihrer Herrscher ab, daß sie nach dieser Zeit erobert wurden. Sondern sie hatten schlicht das Pech, daß zu diesem Zeitpunkt ein deutlich stärkerer Gegner auftrat bzw. sie hatten das Glück, daß das eben nicht schon vorher geschehen ist.

Dito bei Vandalen und Ostgoten. Beide Reiche endeten ja nicht durch Kollaps, weil die eigenen Staatsfähigkeiten erschöpft gewesen wären. Sondern sie wurden durch die Byzantiner erobert. Die Zeitdauer ihres Überlebens hing also in erster Linie davon ab, zu welchem Zeitpunkt Byzanz die Stärke und den Willen fand, jeweils gegen diese Reiche vorzugehen.
 
Argumentieren auf reiner Schlagwortebene mit Halbsätzen und konstruierten Diskontinuitäten ist nicht mein Ding. Wenigstens wurde es inzwischen teilweise durch eher etwas krude Beweggründe relativiert.

Trotzdem: Grundlegende Wirkmechanismen jeder Völkerwanderung zu negieren, oder sie einseitig anzuwenden ist nicht seriös. Es ist amüsant zu lesen, wie sich an Verheerungen aufgeschaukelt wird um Widerspruch zu reizen, den es nicht geben wird. Die Verengung der Völkerwanderung weiterhin auf germanische Völker ist grundsätzlich ahistorisch. Die ansässige Bevölkerung im Reich leistete in den seltensten Fällen eigenständigen, oder mehr als spontanen Widerstand gegen die anwandernden Heere und Völker. Das übernahm römisches Militär (inkl. Verbündete) oder von regionalen Honoratioren organisierte Milizen bis hin zur Bewaffnung von Sklaven durch ihre senatorischen Herren – wie etwa in Spanien durch Verwandte des Kaisers Honorius geschehen.

Letzter Widerstand richtete sich um 411 allerdings nicht gegen die gerade eintreffenden Vandalen & Alanen, sondern gegen Truppen und damalige Parteigänger des Usurpators Konstantin III. Das Bagaudenwesen, das es vor allem in Gallien und Spanien zeitweilig gab, richtete sich ebenfalls gegen die römische Obrigkeit und entstand gerade nicht erkennbar im Kontext mit fremden Mächtegruppen. Im Gegenteil setzten die römischen Zentralbehörden gerne Foederaten gegen sie ein. Das gallische Bagaudenunwesen wurde durch Ansiedlung und Einsatz der Westgoten beendet! Die unterdrückten Unterschichten des Imperiums haben sich nicht selten mit den Fremden gemein gemacht. Manche wollten lieber Barbaren werden, als weiter für ihre Unterdrücker zu knechten. Dazu gibt es genügend Beweise in der antiken Überlieferung. Schon beim Rheinübergang von Vandalen, Alanen & Co 407 gehörten zu ihrem Verband auch pannonische Provinziale. Das bei einem Unternehmen, das niemals Zustimmung einer römischen Autorität erhalten hatte und auf eine mehrjährige Plünderung Galliens hinauslief! In der Regel ließen sich die Neuankömmlinge aber darauf eben nicht ein, schon um ihr Verhältnis zu den Reichsautoritäten nicht nachhaltig zu stören. Das weiterhin immer wieder von Dieter wie ein „Arroganzargument“ verwendete Heiratsverbot zwischen fremden Völkern und romanischer Bevölkerung, war keinesfalls ein Einfall der Fremden, um sich vom „gemeinen Pöbel“ abzugrenzen. Es wurde von römischer Seite auferlegt um der eigenen Unterschicht die Flucht zu den Barbaren zu erschweren. Die Franken konnten nach dem Aufstieg des Chlodwig leicht darauf verzichten, da sie auf keine existierenden römischen Zentralautoritäten mehr Rücksicht nehmen mussten. Das ist der entscheidende Unterschied! Die Oberschicht der Römer wie der Fremden hatte sich an diese Eheverbote nie gehalten. Hier war eine Flucht aus dem römischen Steuersystem auch nicht zu befürchten! Im Gegenteil: Gerade die Oberschicht der eindringenden Völker romanisierte sehr schnell. Eine Einstufung gemeinsamer Kinder aus „Unterschichts-Mischehen“ hätte Rechtskonflikte zwischen Reich und Foederaten heraufbeschworen. Die römischen Oberschichten wussten nämlich sehr wohl, warum sie einigen fremden Völkern die Aufnahme ins Reich erlaubten und anderen nicht. Konsequenterweise wurde die Barriere zwischen Barbaren und Romanen wieder durchlässig, sobald sich ein Volk wieder in einem vertragslosen Zustand mit dem Reiche befand! Eine „nationale Politik“ mit dem Ziel die Romanen ihrer Herrschaftsbereiche zu „barbarisieren“ fand somit nicht statt, obwohl es durchaus eine Option war, welche den Könige bewusst war. Eine theoretische Alternative zur Romanisierung, wenn man so will. Natürlich vor allem eine solche, welche den Königen vor allem „Habenichtse“ eingebracht hätte…
[Dieter: Allerdings lief das nicht ganz so ab, wie sich das unsere treuherzigen Germanen vorstellten, denn sie wollten schließlich den Reichsbewohnern etwas wegnehmen, was die sich entweder nicht oder nur unter Protest wegnehmen ließen.] Womit dieser Fehlschluss zur Romanisierung hoffentlich endlich klargestellt ist.

Wo im Thread die von Dieter gewitterte „Glorifizierungen und Romantisierungen der Germanenreiche, wie man das immer häufiger findet…“ angetroffen wird, frage ich mich noch immer. Das war wohl eher so in den Zeiten brauner Diktatur in Deutschland.
[Dieter: Die Westgoten wiederum haben sich im Verlauf ihres rund 200 Jahre bestehenden Reiches allmählich mit den Romanen arrangiert und irgendwann auch das Heiratsverbot zwischen Goten und Romanen aufgehoben. Allerdings haben sie es nicht geschafft, eine auf Dauer stabile Regierung zu errichten]
Wie du auf 200 Jahre kommst ist fraglich. Die Westgoten hatten bereits bei ihrer Ansiedlung in Südgallien 418 den Fuß in der Tür nach Spanien. Ihr Reich ging nach 711 unter. Eine Kontinuität zwischen 418 und 711 ist unbestritten. Nur weil die >landhungrigen und so gar nicht plündernden Franken< [Ironie tags sind gesetzt!], die Westgoten 507 aus Südgallien herausgeworfen hatten und die Westgoten zeitweilig unter Vormundschaft des Ostgotenkönigs Theoderich standen, zeigen eine Zäsur ihres Reiches, aber keinen völligen Bruch. Das „kurzweilige“ Gotenreich existierte also doch etwas länger? Ebenso war das Langobardenreich längst mit der alteingesessenen Bevölkerung so weit verschmolzen, wie das im Mittelalter überhaupt möglich war. Freilich bevor die „untypischen Erfolgsgermanen“, will sagen die Franken sie militärisch unterwarfen. Das Langobardentum lebte weiter und ein Städtebund des Mittelalters gegen die römisch/deutschen Kaiser benannte sich nach ihnen, was sie wohl unterlassen hätten, wenn sie sich nicht zum Teil mit den Langobarden identifiziert hätten. Im Übrigen sehe ich es ähnlich wie Repo, wenn ich Staatsgründungen die 100 Jahre – also mehrere Generationen existieren – nicht per se als Gescheitert ansehen kann.
[Dieter: Die anderen Reiche wie die der Gepiden, Skiren oder Heruler kann man ob ihrer kurzen Zeitspanne vernachlässigen.]
Keines dieser Völker errichtete ein Reich, das allein auf ehemals römischem Boden fußte. Den Skiren gelang überhaupt keine nennenswerte Reichsbildung und sie blieben bis zum Untergang ihres Stammes als politische Größe außerhalb des alten Imperiums. Gepiden und Heruler saßen nur in Teilen auf altem Reichsboden, wobei es verwirrenderweise von Letzteren eine westliche- und eine östliche Gruppe gab…
[Dieter: Wie die kurze Lebensdauer der Germanenreiche bewies, war das von ihnen verfolgte Konzept entweder zu kurzsichtig, zu habgierig, zu arrogant, zu feudalistisch, zu intolerant, zu wenig ausbalanciert oder zuweilen alles zusammen.]
Suchte ich ein Arsenal an Schlagworten, wäre ich jetzt fündig geworden. Das Generalproblem wurde bereits erschöpfend angesprochen: Ihr „Konzept“ war in der Regel auf eine Kooperation mit Rom angelegt. Aus selbstherrlichem Antrieb suchten sie nicht ihre Zukunft im Reich. Die römische Politik aber verhinderte letztlich eine echte Integration, wofür das Heiratsverbot nur ein Beispiel ist! Feudalistisch? Hmm, mir reicht es festzustellen dass dem Konzept des Feudalismus wenig nach den von uns besprochenen Ereignissen eine blendende Zukunft beschieden war. Nicht zuletzt durch die Franken! Intolerant? Siehe das ostgotische Reich unter Theoderich. Das bedeutet nicht, dass manche der Schlagworte nicht auch zutreffen haben können, aber gewiss nicht als allgemeine Eigenschaft aller Reichsgründungen und selten über längere Zeiträume!

PS: Zitate von Dieter habe ich unüblicherweise in eckigen Klammern gekennzeichnet, statt wie Üblich als Quote.
 
Unbestritten ist, dass die Germanenreiche der Völkerwanderung keinen Bestand hatten. Die Gründe dafür sind nicht allzu komplex. Die zahlenmäßig schwachen Einwanderer konnten den Gegensatz zur einheimischen Bevölkerung vielfach nicht überbrücken, fielen stärkeren Invasoren zum Opfer, wurden rasch romanisiert und verloren ihre Identität.
Das muss man wohl etwas differenzierter sehen. Richtig ist, dass die wandernden Großstämme (besser: Stammesverbände) keine überdauernden Reiche bilden konnten. Betrachtet man die Abläufe jedoch großräumiger und über einen längeren Zeitraum hinweg, stellt man fest, dass Machtstrukturen sich von der römischen auf die germanische Bevölkerung verlagert haben - einhergehend mit einer zwangsfreien, sogar gewollten Romanisierung der Germanen. Nicht ohne Grund haben sich die "deutschen" Kaiser bis in die Neuzeit hinein als Nachfolger der römischen Macht betrachtet, Anspruch auf Italien erhoben, Päpste ernannt...

Dass die Vandalen oder Goten oder Langobarden keine dauerhaften Reiche begründen konnten, hing vermutlich mehr damit zusammen, dass die wandernden Großstämme/Stammesverbände noch stark ihrer alten Stammesverfassung verhaftet waren. An diesen alten Stammes- oder Gefolgschaftsstrukturen musste erstmal jeder Versuch scheitern, zentrale Machtstrukturen zu etablieren, die für die Aufrechterhaltung einer neuen "Nation" notwendig gewesen wären.

Das Frankenreich ist kein typisches Reich der Völkerwanderung. Die Franken sind nicht in diesem Sinn "gewandert", sondern haben ihr Reich von ihren linksrheinischen Stammsitzen aus erweiter und vergrößert.
Eigentlich haben sich die Franken von ihren rechtsrheinischen Stammsitzen ausgedehnt. Und in gewisser Weise waren sie doch typisch für die Zeit der Völkerwanderung: Die Wanderungen waren nämlich nur in zweiter Linie geografische Verschiebungen von Bevölkerungsgruppen. In erster Linie führte die Völkerwanderung zu einer unauflöslichen Vermischung, letztlich sogar zu einer Auflösung der bis dahin dominierenden Kleinstämme. Man muss sogar noch weiter gehen und sagen, dass eine Vermischung von Ethnien stattgefunden hat. Es ist praktisch unmöglich, heute beurteilen zu wollen, wie viele Slawen, Kelten oder auch Romanen im Zug der Goten oder der Vandalen mitmarschiert sind. In der Folge stellte sich auch eine Auflösung der bis dahin vorherrschenden Sozialstrukturen ein. Die durch Zersplitterung in autonome Kleingruppen geprägte Stammesverfassung wurde nach und nach abgelöst durch ein System zentraler Führung. Dafür hat die Völkerwanderung den Boden bereitet. Das gleiche ist bei den Franken passiert, vermutlich sogar ausgelöst durch die gleichen äußeren Umstände. So betrachtet ist das Frankenreich nicht nur ein typisches sondern sogar ein sehr "erfolgreiches" Reich der Völkerwanderungszeit. Was sie von den anderen Stämmen unterschieden hat, sind nur zwei Umstände: Sie sind erstens nicht sehr weit gezogen und sie haben zweitens nicht den Kontakt zu ihren Herkunftsgebieten verloren.

MfG
 
Integration und Absonderung

Was die Fähigkeiten relativ kleiner Ethnien betrifft, sich unter einer unterworfenen, ja sogar in vielen Bereichen überlegenen Bevölkerungsmehrheit nicht nur zu behaupten, sondern diese sogar umzuformen und selbst zum Identitätskern der entstehenden Mischbevölkerung zu werden, gibt es viele schlagende Beispiele. Die Hellenisierung des Ostens nach den Alexanderzügen ist nur einer davon. Die Romanisierung des Imperiums, ausgehend von der relativ kleinen, lateinisch sprechenden Bevölkerungsgruppe im zentralen Italien ist wieder so ein Beispiel! Letztlich haben sowohl der Hellenismus als auch die Romanisierung in Nordafrika und im nahen Osten durch die Araber ihren „Meister“ gefunden. Ein britischer Historiker spricht dabei von einem „spirituell durchdrungenen Geist“ der Araber, welcher diese gegen die Verlockungen der Romanisierung gefeit habe.

Während der großen Völkerwanderung freilich „scheiterten“ die neuen Königreiche an dieser Aufgabe: Nicht zuletzt, weil sie gar nicht wirklich versuchten einen solchen Prozess einzuleiten. Ihr Ziel war es selbst ein Teil dieser Welt zu werden, ohne dabei die eigene Identität völlig aufzugeben. Welche Eigenheiten dabei nicht aufgegeben werden sollten variierte, und konnte dabei von der Rolle als militärisch/politischer Machtkern bis hin zu einem speziellen religiösen Bekenntnis reichen…

Maellon stellt die Frage, ob denn diese Völker nicht in der Lage gewesen wären, eine neue Nation zu bilden und nennt als Gründe für ihr Scheitern überkommene Stammesstrukturen. Ich glaube im Gegenteil, dass diese Völker ein sehr hohes Integrationspotential besaßen. Wie sonst konnte etwa eine langobardische Identität erstmals an der Unterelbe um die Zeitenwende auftauchen und später in Pannonien viele andere Gruppen (Gepiden, Provinziale, Sachsen e.t.c.) integrieren um in Italien ein erfolgreiches Reich zu gründen, dass erst durch die überlegenen Franken ein Ende fand? Auch löschte Karl der Große die langobardische Identität so wenig auf wie er die alemannischen und sächsischen Identitäten nördlich der Alpen auflöste, sondern integrierte sie in sein Frankenreich indem er sich zum König der Langobarden krönen, und einige Schlüsselpositionen in Italien durch treue, fränkische Gefolgsleute besetzen ließ. Weitere erfolgreiche Integrationen gelangen den Vandalen unter Geiserich, welcher die alten Stammeskönigtümer der Hasdingen, Silingen und Alanen, sowie Gruppen aus Westgoten unter seiner Krone vereinte. Die Ethnogese der Westgoten südlich der Donau schloss von Anfang an die geflüchteten Terwingen des Fritigern, greutungische Goten, rebellierende Romanen (streikende Arbeiter und die Bergleute aus dem Balkangebirge) und ziemlich sicher auch alanische Gruppen ein. Als sie den Balkan unter Alarich verließen schlossen sich ihnen in Italien nach vorangegangenen, horrenden Verlusten ehemals durch Stilicho ins römische Heer integrierte Germanensoldaten ebenso an (deren Angehörige bei den Ausschreitungen während des Sturzes von Stilicho getötet wurden waren), wie italische Barbarensklaven. Zu letzteren sagt P. Heather: „Hier wiederum möchte ich annehmen, dass es sich bei diesen Sklaven um die weniger glücklichen Anhänger des Radagaisus handelte und nicht etwa um ehemals römische Pastetenbäcker. Kaum 3 Jahre zuvor waren viele von Ihnen in die Sklaverei verkauft worden. Alarich hatte ihnen eine Möglichkeit verschafft, ihre Knechtschaft unter den Römern zu beenden.“
@bb: Damit ist Radagast wieder angesprochen und m.E. die hauptsächliche Nachwirkung seines Zuges, vor allem gotischer Gruppen gen Italien.

Entscheidend für die Entstehung und Integrationskraft dieser Völker war immer wieder der „Traditionskern“, speziell das gemeinsame Königtum. Verlor ein Volk seine Königssippe und konnte sie nicht aus eigener Kraft durch eine neue Familie ersetzen, war es dem Untergang geweiht. Viele Völker verschwanden von der Bildfläche als sie ihr Königtum verloren. Das weist eindeutig bereits den Weg in das Mittelalter mit seinen feudalen Personenverbänden. Weitere Klammern eigener Identität bildeten manchmal eine eigenständige Kirchenorganisation (Arianer!), die dann vom König abhängig war, sowie eine besondere Rechtsstellung, die dann wieder vom „persönlichen Verhältnis“ zum König abhängig war. Diese Punkte sind nur als eine besonders grobe Skizze zu verstehen. Im Wechselspiel mit diesen Fakten lag der Wunsch der Könige und ihrer Völker Teil der römischen Welt zu werden, was sie selbst romanisieren ließ. Die Integration in diese Welt war aber nicht allein ihrem Ermessen anheimgestellt, sondern bis zu ihrem Untergang auch römischen Autoritäten, die hier Einfluss nahmen soweit es in ihrer Macht stand. Aus dem Ergebnis dieses Wechselspiels entstand letztlich die Welt des Mittelalters

@Bagauden:
Was die von mir erwähnten Bagaudenbewegungen betrifft ist zu ergänzen, dass es dieses Phänomen bereits im 3. Jht. Gegeben hatte, als noch keine Barbarengruppen dauerhaft auf römischem Boden anders wanderten, denn als Plünderungsheere. Sie erhoben sich auch wieder nachdem Westgoten in Gallien angesiedelt waren und waren eines der dringlichen Probleme von Aetius in den 430er Jahren und später. Das Phänomen der Bagauden ist schwer zu greifen. Sicher ist, dass sie romanische Provinziale waren und teils als Widerständler gegen die Obrigkeit, teils als Räuber gelten. Die marxistische Geschichtsschreibung sah in ihnen Sozialrevolutionäre, die gegen das permanente soziale Ungleichgewicht rebelliert hätten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das muss man wohl etwas differenzierter sehen. Richtig ist, dass die wandernden Großstämme (besser: Stammesverbände) keine überdauernden Reiche bilden konnten ... Dass die Vandalen oder Goten oder Langobarden keine dauerhaften Reiche begründen konnten, hing vermutlich mehr damit zusammen, dass die wandernden Großstämme/Stammesverbände noch stark ihrer alten Stammesverfassung verhaftet waren.

Vandalen und Ostgoten - um nur zwei Beispiele zu nennen - haben ihre Staaten auf schwankendem Boden gegeründet, so unterschiedlich ihre Konzeption auch gewesen sein mag. Beide Könige, Geiserich und Theoderich, pfropften ihre Kriegerkaste den Bewohnern ihrer Reiche auf. Vandalen wie Ostgoten waren in einer hoffnungslosen Minderheit gegenüber der alteingesessenen Bevölkerung in Afrika und Italien. Beiden gelang es nicht, einen Prozess der Integration und Verschmelzung in Gang zu bringen. Im Gegenteil: Durch teils gewollte, teils durch die Umstände erzwungene Apartheid blieben sie immer ein Fremdkörper in ihrem Herrschaftsgebiet, wobei religiöse Grinde - Katholizismus der ansässigen Bevölkerung, Arianismus der germanische Eroberer - eine besonders entscheidende Rolle spielten.

An der Geschichte der Vandalen, der Ostgoten und - mit Einschränkungen - auch der Langobarden und Westgoten lässt sich die Problematik von Herrschaftssystemen ablesen, die einem größeren Ansturm nicht standhalten können, weil sie nicht im Boden ihres Staatsgebietes verwurzelt sind.

Sie alle, die ostgermanischen Stämme, waren durch den Angriff der Hunnen aus ihren angestammten Siedlungsgebieten vertrieben worden, waren heimatlos geblieben, wo immer sie auch Platz fanden. Sie haben sich, durch ihre geringe Zahl bedingt, immer darauf beschränken müssen, Land zu erobern statt zu kolonisieren. Staatengründungen auf Dauer glückten nur solchen germanischen Völkern, die den Kontakt zu ihrer ursprünglichen Heimat nicht verloren hatten, sondern ihre Hoheitsgebiete Schritt um Schritt vergrößerten und arraondierten.

Es ist praktisch unmöglich, heute beurteilen zu wollen, wie viele Slawen, Kelten oder auch Romanen im Zug der Goten oder der Vandalen mitmarschiert sind. In der Folge stellte sich auch eine Auflösung der bis dahin vorherrschenden Sozialstrukturen ein.

Das ist eine seit langer Zeit bekannte Tatsache und schon zeitgenössische Quellen berichten davon, dass sich z.B. den Langobarden auf ihrem Weg nach Italien auch Sachsen, Skiren und Reste der Gepiden angeschlossen hatten, vermutlich aber noch zahlreiche andere versprengte Ethnien, von denen keine Quelle berichtet.

Dabei gilt es zu beachten, dass es sich bei den wandernden Langobarden, Goten oder Vandalen nur um Stammeskerne handelte denen sich im Lauf der Wanderung zahlreiche andere Gruppen und versprengte Bevölkerungssplitter angeschlossen hatten. Heute spricht die Fachliteratur gern von "Traditionskernen", die das "Firmenschild" bildeten, hinter dem sich eine große Menge anderer Ethnien versammelt hatte.

Manche Historiker gehen so weit, den Ostgoten eine dreifache Ethnogenese zu bescheinigen. Die erste an ihren ursprünglichen Sitzen an der Ostsee, die zweite im Ostgotenreich in Südrussland, wo u.a. auch Alanen, Sarmaten und Heruler zustießen und schließlich in Italien als letzter Station, weil sich auf dem Weg dorthin und in den Jahren zuvor abermals erhebliche ethnische und soziale Umbrüche ergeben hatten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Patrick Geary, Professor für Geschichte des MA in Los Angeles, schreibt zu gesellschaftlichen Veränderungen vor und in der Zeit der Völkerwanderung:

Die von den antiken Autoren als Germanen bezeichneten Völkerschaften bestanden aus einem komplexen Gemisch von Völkern, von denen sich einige zweifellos in Sprachen verständigten, die zur germanischen Sprachfamilie zählten. Andere dagegen waren Balten, Kelten und Finnen, sie ständig absorbiert wurden und neue soziale Gruppen bildeten ...

Unter der Fügrung des reiks, kuning oder Heerkönigs ... erfuhren Identität und Zusammensetzung der Stämme , die im wesentlichen immer instabile Gruppen gewesen waren, eine erneute Umwandlung. Die Verlagerung der traditionellen Siedlungsgebiete ließ die Bedeutung der agrarischen Tradition der Gemeinschaft sinken und damit einhergehend auch den Fruchtbarkeitskult solcher Götter wie Tiwaz. An ihrer Stelle wandten viele germanische Stämme ihre Verehrung Wotan oder Odin zu, dem Gott des Krieges und der besonderen Gottheit der Heerkönige, die ihn als den Verleiher des Sieges ansahen und durch den Sieg eine Art religiöser Legitimation ihrer Stellung erwarteten. Der neue Kult war der hochmobilen und sich rasch ändernden Struktur des Stammes angemessener ...

Diese Könige mit einer Kerngruppe von Kriegern waren die Träger einer Tradition und einer effizienten Militätorganisation, die nichtgotische Krieger verlocken konnten, an ihrer Seite zu kämpfen. In kaum mehr als fünf Generationen wuchs der Stamm zu einer Großmacht der barbarischen Welt heran ... Im späten 2. und 3. Jh. drangen einige "Träger" dieser gotischen Tradition allmählich nach Süden und Osten vor, bis sie schließlich die Üfer des Dnjepr erreichten. Nicht alle Goten zogen als einheitliches Volk in diese Region, vielmehr wurden die verschiedenen sarmatischen, baltischen und germanischen Völker, die bereits in der Dnjepr-Region lebten, unter gotischer Führung zu einem mächtigen Bündnis unter einem gotischen Heerkönig zusammengeschlossen.

(Patrick J. Geary, Die Merowinger, München 1996, S. 52, 70 ff.)
 
Maellon stellt die Frage, ob denn diese Völker nicht in der Lage gewesen wären, eine neue Nation zu bilden und nennt als Gründe für ihr Scheitern überkommene Stammesstrukturen. Ich glaube im Gegenteil, dass diese Völker ein sehr hohes Integrationspotential besaßen. Wie sonst konnte etwa eine langobardische Identität erstmals an der Unterelbe um die Zeitenwende auftauchen und später in Pannonien viele andere Gruppen (Gepiden, Provinziale, Sachsen e.t.c.) integrieren um in Italien ein erfolgreiches Reich zu gründen, dass erst durch die überlegenen Franken ein Ende fand? Auch ...

Alles was Du schreibst, ist richtig. Aber Du redest von einem anderen Thema: Stammesidentität. Ich dagegen bezog mich auf Staatgründungen. Das Integrationspotenzial der wandernden Stämme hing vor allem damit zusammen, dass den "Integrierten" nicht viel abverlangt wurde. Sie konnten ihre eigenen Stammeseliten behalten, sogar ihre eigene Sprache weiter sprechen und ihre eigene Identität behalten. Man denke nur an die Alanen, die selbst gar keine Germanen waren. Bei einer Staatsgründung sieht das anders aus. Da müssen die Beteiligten in Machtstrukturen ein- oder untergeordnet werden. Und dazu sind Stammesfürsten in der Regel nicht so ohne weiteres bereit, denn sie müssen dazu ihre eigene Macht abgeben oder zumindest Beschränkungen hinnehmen.

MfG
 
Assimilation als zwingende Voraussetzung?

Vandalen und Ostgoten - um nur zwei Beispiele zu nennen - haben ihre Staaten auf schwankendem Boden gegeründet, so unterschiedlich ihre Konzeption auch gewesen sein mag. Beide Könige, Geiserich und Theoderich, pfropften ihre Kriegerkaste den Bewohnern ihrer Reiche auf. Vandalen wie Ostgoten waren in einer hoffnungslosen Minderheit gegenüber der alteingesessenen Bevölkerung in Afrika und Italien. Beiden gelang es nicht, einen Prozess der Integration und Verschmelzung in Gang zu bringen. Im Gegenteil: Durch teils gewollte, teils durch die Umstände erzwungene Apartheid blieben sie immer ein Fremdkörper in ihrem Herrschaftsgebiet, wobei religiöse Grinde - Katholizismus der ansässigen Bevölkerung, Arianismus der germanische Eroberer - eine besonders entscheidende Rolle spielten.

Ich hatte bereits Beispiele genannt, bei denen eine erobernde Minderheit die unterworfene Mehrheit assimilieren konnte. Das „Aufpfropfen einer Kriegerkaste“ ist für sich kein Hindernis dabei und auch nicht eine andere Religion zu vertreten, wie das arabische Beispiel zeigt! Indem die Vandalen ihre Auffassung von Christentum durchsetzen wollten, schufen sie zwar einerseits Märtyrer des Katholizismus, gewannen dabei aber Andererseits zahlreiche Romanen für ihre Konfession. Einige Kirchenväter beklagen diesen Abfall vom rechten Glauben. Eben darum sehe ich in der vandalisch/arianischen Kirche einen Versuch der Eroberer eine gemeinsame Identität stiftende Institution zu etablieren, dass die mächtigen Bindungen der provinzialen Bevölkerung zum Restimperium lockern sollte. Dieser grausige Versuch blieb wohl deshalb letztlich erfolglos, weil die Machtverhältnisse eine dauerhafte und allzu konsequente Verfolgung dieses Ziels nicht opportun machte. Es mangelte den Hasdingenkönigen schlicht an der Zeit das Vorhaben in ausreichendem Umfang umzusetzen, denn der Widerstand war sehr stark und wurde von Ostrom aus diversen Gründen untergraben. Mit der Niederlage der Vandalen gegen den Oströmer Belisar verschwand die arianische Kirche spurlos aus Nordafrika.

Indem die Ostgoten im Auftrage Ostroms Italien eroberten und verwalteten, mussten sie sich in gewisser Weise an deren Richtlinien halten und konnten aufgrund der Lage der Kräfte keine andere Politik verfolgen als eine der beschränkten Apartheit. Der Aufbau eines „germanischen Heirats- & Bündnissystems“ als Gegengewicht zum Imperium durch Theoderich misslang durch den aggressiven Landhunger der Franken, sowie der Politik Konstantinopels, dass dieses System nach Kräften untergrub. Das ging trotz Friedens mit den Ostgoten so weit, dass 507 oströmische Flottenüberfälle Italien heimsuchten um Kräfte zu binden, als Theoderichs Bündnissystem nach dem Angriff des Franken Chlodwig auf die Westgoten auf die Probe gestellt wurde. Theoderichs Eingreifen bewahrte zwar eine westgotische Herrschaft in Spanien und wahrscheinlich das Unterstecken ihres Reiches unter die Merowingerkrone (wie bereits mit Burgundern, Alemannen, teilweise der Thüringer, der Rheinfranken, sowie der romanischen „Reiche“ in Gallien geschehen), doch kam sein Eingreifen zu spät um eine entscheidende Niederlage der Westgoten in der Schlacht zu verhindern. Noch viel wichtiger aber war es, dass die mit ihm verbündeten Vandalen mit ihrer gefürchteten Flotte nicht zu seinen Gunsten einschritt, wie er es zumindest erhofft hatte! Die Rivalitäten zwischen den Germanenreichen waren dazu einfach zu groß. Theoderich schwenkte daher von seinem bisherigen Sicherheitskonzept ab und ordnete den Bau einer Flotte an. Indem er die Vormundschaft über die Westgoten ergriff und einen Feldzug gegen die Vandalen plante ist der Wechsel in der Politik erkennbar: Anstelle eines gebündelten Sicherheitskonzepts schimmert eine eher direkte Machterweiterung auf, die in der Lage sein konnte größeren Gefahren zu trotzen. Auch die verschärfte Innenpolitik gegen Boethius und Symmachus steht wohl in diesem Zusammenhang, denn die Romanen hatten sich als Anfällig für oströmische Einflüsterungen gezeigt.

Das Schicksal des Westgotenreichs in Spanien zeigt, dass mit genügend Zeit all diese Reichsgründungen eine stabile Zukunft hätten haben können. Gerade bei den Spaniern findet die Vorstellung immer mehr Raum, im Westgotenreich ihren nationalen Vorgänger zu erblicken. Auch die Langobarden schmolzen letztlich in die sie umgebende Bevölkerung ein und waren ebenso dabei diesem neuen Volk ihren Namen zu geben, wie das Gleiche anderen Völkern hätte gelingen können! Der Prozess zur Bildung einer Nation war aber ebenso wenig abgeschlossen, wie im Frankenreich der gleichen Zeit.

Wo bleibt bei all diesen Fakten nun die Arroganz, Kurzsichtigkeit, Habgier und Ähnliches mehr, die laut früheren Beiträgen den Untergang dieser Reichsgründungen zu einem „unausweichlichen Schicksal“ stilisiert hat? Die Gründe für das Scheitern waren durchaus verschieden. Gleich bleibt nur der Widerspruch zwischen politischer Gegnerschaft des Imperiums, bei nahezu besessenem Streben, ein Teil der römischen Welt zu werden. Auch aufgrund der günstigeren Umstände konnte Chlodwig stattdessen gezielt etwas Neues aus dem Vorgefundenen schaffen. Dabei sollte auch Chlodwigs Werk noch länger reifen müssen, auch Rückschläge verkraften, bis sich neue Nationen in seinem Reich zu formieren begannen. Hätte sein Werk eine kontinuierlichere Entwicklung nach seinem Tode nehmen können, vielleicht hätte sich eine dauerhafte, fränkische Identität und Nation gebildet, statt verschiedener Nationen wie der Franzosen und Deutschen?
 
Staatlichkeit und Staatsformen

@Maellon:
Die Einwände sind nicht unbegründet. Die gentile Welt der Stämme und Völker ist nicht automatisch kompatibel mit Staatlichkeit im Sinne Roms. Aber hatten denn die erfolgreichen „Erben Roms“ im Westen diese Staatlichkeit wirklich übernommen? Wenn man genauer hinsieht, so finden sich im Staatsaufbau der gotischen Reiche und selbst bei den Vandalen mehr Elemente römischer Staatlichkeit als etwa bei den Franken!

Stammesbildung (unter Einschluss fremder- und relativ fremd bleibender Elemente) ist eine Sache, eine gemeinsame Identität geht darüber hinaus. Die in deinem Beispiel genannten Alanen wurden anscheinend soweit germanisiert, dass manche späte Zeitgenossen sie sogar als einen germanischen, gotischen Stamm angesprochen haben.

Die Hauptelemente der gentilen Welt sind immer persönliche Bindungen und nicht gemeinsame Zentren. Diese, angereichert mit der Klammer einer gemeinsamen Kirche bilden den Grundstock für die erfolgreichste Staatsform der auf die Antike folgenden Ära: Dem Feudalismus.

Die Machtkämpfe zwischen einzelnen Stammesfürsten waren bei den Wandervölkern durch Etablierung eines gemeinsamen Königtums im Übrigen bereits so weit abgeschlossen, dass eine Unterordnung unter diesen einen grundsätzlichen Konsens bildete. Innerhalb der römischen Welt war ohne die Dominanz des Königtums das Überleben als Stamm auf Dauer unmöglich geworden. Die Goten nördlich der Donau hatten unter einer Vielzahl von Kleinkönigen gelebt, die gemeinsame Konföderationen bilden konnten. Das Königtum der Westgoten wurde während der Herrschaft des Alarich durchgesetzt, bei den Ostgoten gelang dies erst Theoderich und bei den Vandalen spielte Geiserich diese Rolle. Interessant auch die Tatsache, dass ein gemeinsames Königtum aller Franken ebenfalls erst auf römischem Boden in der Gestalt des Chlodwig verwirklicht wurde. All diese Entwicklungen waren damit vor der endgültigen Landnahme bereits abgeschlossen oder (wie im Falle Chlodwigs) ein Teil desselben. Alle großen Nationenbildungen des Mittelalters hatten ebenfalls ein Königtum als Katalysator und Identifikationsmerkmal, wobei die meisten dieser Nationen eine Entwicklung bis in die heutige Zeit erleben durften und nicht untergingen.

Man kann nicht im Rückblick entscheiden, dass diese Entwicklungen zwangsläufig so geschehen mussten. Ebenso hatten die meisten größeren Reichsgründungen auf einst römischem Boden durchaus eine Chance, scheiterten aber an den Herausforderungen der Zeit. Manche erlagen bereits frühen großen Herausforderungen - wie die Vandalen, andere überlebten auch mehrere katastrophale Rückschläge (wie die Westgoten) und ein Reich bildete den Grundstock für eine neue Ära (die Franken). Das klingt ungewollt pathetisch, weil Pointierungen leider etwas dazu neigen, einen solchen Unterton anzunehmen.
 
Ich hatte bereits Beispiele genannt, bei denen eine erobernde Minderheit die unterworfene Mehrheit assimilieren konnte. Das „Aufpfropfen einer Kriegerkaste“ ist für sich kein Hindernis dabei und auch nicht eine andere Religion zu vertreten, wie das arabische Beispiel zeigt! Indem die Vandalen ihre Auffassung von Christentum durchsetzen wollten, schufen sie zwar einerseits Märtyrer des Katholizismus, gewannen dabei aber Andererseits zahlreiche Romanen für ihre Konfession.

Demnächst wirst du sagen, dass sich der Arianismus positiv auf die Dauerhaftigkeit der Germanenreiche ausgewirkt hat und die Germanenreiche aufgrund ihrer "Stabilität" immer noch existieren! :D

Im Vandalenreich entsprach die konfessionelle Grenze zwischen Arianern und Katholiken bis zu einem gewissen Grade der ethnischen Scheidung zwischen Vandalen und Römern, die auch die Sonderstellung der Vandalen markierte. Der Konflikt spitzte sich zu, als Geiserich und vor allem sein Nachfolger Hunerich den Einfluss der katholischen Amtskirche zurückzudrängen begannen. Die Durchsetzung des arianischen Bekenntnisses unter loyalen römischen Untertanen schien die Möglichkeit zu bieten, die Basis der Vandalenherrschaft zu verbreitern und zumindest einen Teil der römischen Führungsschicht zu integrieren. Das erwies sich freilich als Utopie!

Zunächst forderte Geiserich die Übernahme des arianischen Bekenntnisses als Voraussetzung für alle Hofämter; dann wurden alle Bischöfe abgesetzt oder vertrieben, Kirchen oder Kirchengüter den Arianern übergeben. Schließlich verfügte Hunerich ein Verbot der katholischen Liturgie, sodass viele von Priestern ins Exil gehen mussten.

Es kann nicht verwundern, dass die fortgesetzte Verfolgung der Katholiken in Africa sowohl die katholische Bevölkerung als auch den katholischen Kaiserhof in Byzanz verbitterte, ferner die Enteignung der adligen Großgrundbesitzer, von denen viele, die nicht geflohen waren, versklavt wurden.

Die vandalische Oberschicht hingegen lebte im Luxus und war, so meinte der Geschichtsschreiber Prokop, den Härten des Krieges gegen die Armee des Justinian nicht mehr gewachsen. Er schrieb:

Als die Vandalen Africa eingenommen hatten, besuchten sie täglich die Bäder, erfreuten sich an den Genüssen einer reichen Tafel, aßen das Beste und Süßeste, das Erde und Meer hervorbrachten. Und sie trugen überall Gold und kleideten sich in seidene Gewänder, verbrachten ihre Zeit bei Theateraufführungen und Tierhetzen und anderen angenehmen Beschäftigungen, vor allem aber mit der Jagd. Und sie hatten Tänzer und Mimen und Musiker, denen sie zuhörten. Die meisten von ihnen wohnten in herrlichen Parks, die wohl versehen mit Wasser und Bäumen waren. Sie hatten eine große Zahl von Banketten und erfreuten sich an aller Art von sexuellem Vergnügen.

(Prokp, Bella 4, 6, 5-9)

Selbst wenn in diesem Bericht eine gehörige Portion des moralisierenden antiken Zivilisationskritikers steckt, so ist doch kaum zu bezweifeln, dass die Vandalen ihren militärischen Biss verloren hatten, den sie ein Jahrhundert zuvor auf ihrem Weg durch halb Europa gebraucht hatten, und zwar aus purem Existenzkampf.

Somit rührte sich keine römische Hand in Africa zu ihrer Verteidigung, als es 533 zu Entscheidungsschlacht kam, durch die die Vandalen nahezu spurlos aus Afrika verschwanden. In diesem Fall waren es also Intoleranz, mangelnde Integrationsbereitschaft sowie eine eine gewisse Dekadenz und Arroganz, die das Vandalenreich nach nur 100 Jahren zum Einsturz brachten.

Die Ostgoten hingegen haben massiveren Widerstand geleistet als alle anderen völkerwanderungszeitlichen Königreiche, die von übermächtigen Konkurrenten um die Macht angegriffen wurden. Doch das Ergebnis war das gleiche. Statt der Konsolidierung eines barbarischen Könireiches, das sich seiner römischen Umwelt bereits weitgehend angepasst hatte, kam es zu einer Neuverteilung der Macht. Dass die römische Bevölkerung Italiens zur Verteidigung der Goten freudig zu den Waffen geeilt wäre, ist nicht bekannt.

Auch die Ostgoten blieben ein Fremdkörper im romanischen Italien, deren Schicksal der eingesessenen Bevölkerung entweder gleichgültig war, oder die sogar den Untergang der arianischen Goten begrüßte, die im Volk als Ketzer betrachtet wurden. Auch in Italien galt ein Heiratsverbot zwischen Goten und Romanen, was den Ab- und Ausschluss der Goten von der Bevölkerung förderte.

Die Langobarden, die die Ostgoten in Italien ablösten, scheiterten an einem innenpolitischen Zerfall und dem unüberbrückbaren Gegensatz zum Papsttum, das sich - trotz eines Bekenntniswechsels zum Katholizismus im 7. Jh. - von den Langobarden stetig bedroht sah. In innenpolitischen Intrigen büßte das langobardische Königtum seine Legitimität weitgehend ein. Es zerfiel in Dukate, die teils mit den Byzantinern, teils mit den Franken, teils auf eigene Faust ihre jeweilige Machtbasis zu ertweitern suchten.

Die Integrationskraft des langobardischen Traditionskerns genügte, um ein polyethnisches Heer zum Aufbruch nach Italien zu motivieren. Doch sie war nicht stark genug, um dieses Heer in Italien zusammenzuhalten und seine Einordnung in die neue Umwelt zu gewährleisten. Als das Langobardenreich in Italien sich stabilisiert hatte, stützte es sich weiterhin auf die langobardische Identität seiner Träger und auf die sozialen Erinnerungen, die sich daran knüpften. Die nie gänzlich gelungene Integration war ein zentraler Grund für den schließlichen Untergang des Langobardenreichs.
 
Na ja, RA, ich habe hier etwas den advocatus diaboli gespielt, was dir leider entgangen ist. Allerdings halte ich es für angebracht, Glorifizierungen und Romantisierungen der Germanenreiche, wie man das immer häufiger findet, zuweilen entgegenzuwirken.

Ist mir in der Tat entgangen.
R. A., das ist nicht nur Dir entgangen und ich halte die Art, auf diese Weise eine Diskussion zu entfachen, ganz einfach für …:autsch:. Nur advocatus diaboli oder Justinian aus dem Jenseits, den Prokop in seinem Schlusswort als Fürsten der Dämonen bezeichnet in seiner Geheimgeschichte?

@Dieter: Im Übrigen weiß ich nicht, wo Du „immer häufiger“ Glorifizierungen der Germanenreiche findest. Wäre schön, wenn Du das auflisten könntest. Hier habe ich jedenfalls nichts dergleichen gefunden.


Der politische und militärische Erfolg des Frankenreichs spricht Bände im Hinblick auf eine gelungene Staatsgründung.
Deine vielgepriesenen Franken waren ein wilder blutgieriger Haufen, als sie 539 n. Chr. in Italien einfielen. Eigentlich den Ostgoten Waffenhilfe versprechend, opferten sie Frauen und Kinder (Erstlingsopfer) --- als katholische Christen! Sie wandten sich gegen die Ostgoten; und nicht nur gegen die: die Franken überrannten auch die Byzantiner. Und warum? Sie wollten eigentlich nur plündern. Die politischen Auseinandersetzungen zwischen Ostgoten und Byzantinern und die Waffenhilfe (von Witigis bezahlt) waren ihnen völlig egal. Ebenso kamen nach dem Fall des Ostgotenreiches die Herzöge Leuthari und Butilin nach Italien, um im zerstörten Land noch ein wenig zu plündern.
 
@Dieter # 106
Eigentlich wurde ja danach gefragt, wie so eine Völkerwanderung abläuft. Inzwischen hat Dieter eine Analyse daraus gemacht, warum die germanischen Reiche auf römischen Boden scheiterten, allerdings dabei mehr den Eindruck hinterlassen, dass es ihm nur um die Fehler der Völker geht (hinterher ist man immer schlauer!).

Weitergehend sollte man dazu aber auch beachten, welche Zeitgenossen entsprechende Konstellationen schufen, die zur Vernichtung dieser Reiche führten. Theoderich hatte es mit einem Chlodwig zu tun, dessen Expansionsdrang nicht aufzuhalten war, die nachfolgenden Ostgotenkönige, die Vandalen und am Rande auch die Westgoten mit einem Justinian, der seinen Großmachtstraum vom alten römischen Reich verwirklichen wollte, koste es, was es wolle.

Das Zitat aus Prokops Vandalenkrieg, das Dieter bringt, passt genauso gut auf die Römer. Die Vorwürfe sind austauschbar.

Und dass die Ostgoten keine Unterstützung aus der italischen Bevölkerung erhielten, stimmt so nicht pauschal. Neapel inkl. römischer Bevölkerung z. B. leistete erbitterten Widerstand, bis Belisar durch die Wasserleitung eindrang. Den Fehler, den die Ostgoten sich u. a. leisteten hieß Theodahad. Der „König von Tuscien“ hatte längst vor (bevor er König wurde), sein Herrschaftsgebiet an Byzanz zu verhökern und sich ein warmes Plätzchen am Kaiserhof zu sichern; sein Schwiegersohn ging zu Belisar über. Solche Fehler wieder auszubügeln, ist etwas fast Unmögliches für Nachfolger.

Das immer wieder herbeigezerrte Heiratsverbot als Fehler war ein von den Römern auferlegtes Verbot, an das sich die Germanen hielten. M. W. stammte es aus der Zeit des Theodosius.
 
Hey, Leute, müssen wir hier wirklich darum streiten, wer damals "recht hatte" und welcher Stamm der mörderischste war? Als 500 Jahre später die Wikinger durch die Welt zogen, haben die sich genauso benommen. Die Auswüchse, die hier angesprochen worden sind, haben nichts mit den Völkern zu tun, sondern mit dem Kriegszustand. Ohne in die Tagespolitik abgleiten zu wollen: Man muss nur ein paar Jahre zurückdenken, um die Erkenntnis bestätigt zu finden, dass Kriege, die über längere Zeit andauern, sich "verselbständigen" und unmenschliche Züge annehmen (obwohl: unmenschlich?). Wenn wir über die Zeit der Völkerwanderung reden, dann reden wir über fast zwei Jahrhunderte des Kriegszustands. Was sollte denn da anderes herauskommen als ungehemmte Gewalt?

Das alles gibt aber keine Antwort auf die Frage, warum die Wanderungen begonnen haben und wie sie organisatorisch bewältigt wurden.

MfG
 
Das alles gibt aber keine Antwort auf die Frage, warum die Wanderungen begonnen haben und wie sie organisatorisch bewältigt wurden.
MfG
Da hast Du im Prinzip Recht, einige Beiträge konnten aber nicht unwidersprochen bleiben, auch wenn sie mit der eigentlichen Frage nichts zu tun haben. Warum die Wanderungen begannen, stand allerdings auch so noch nicht zur Debatte.

Auch wenn man die Wanderungen der Kimbern und Teutonen nicht zur eigentlichen Völkerwanderung zählt, die Ursachen waren wahrscheinlich ursprünglich in allen Fällen die gleichen (den militärischen Auslöser durch die Hunnen lassen wir hier außen vor): Hungersnöte.

Titus Livius schreibt:
Die Kimbern, Teutonen, Tiguriner und Ambronen, die von den äußersten Grenzen Galliens auf der Flucht waren, da der Ozean ihre Wohnsitze überflutet hatte, suchten auf der ganzen Erde nach neuen Wohnsitzen…

Gab es erst eine Zeit, in der das Meer zurückgewichen war, weite Sandstrände entstanden und der fast ständig wehende Westwind den Sand ins Landesinnere trug, was nicht gerade zur Fruchtbarkeit der Böden beitrug (man fand Spuren davon), so folgte dann ab 130 v. Chr. wiederum ein Anstieg des Meeresspiegels und höhere Sturmfluten waren die Folge. Insoweit könnte stimmen, was von Livius überliefert wurde.

Negative klimatische Bedingungen werden daher der Erstauslöser für das Wandern der Stämme gewesen sein.

Und wie verzweifelt die Menschen während der Völkerwanderung sein konnten, darüber hat uns Jordanes in seiner Gotengeschichte berichtet in dem Kapitel „Übergang über die Donau“ XXVI.

Da geschah es, wie gewöhnlich bei noch nicht recht sesshaften Völkern, dass Hungersnot unter ihnen ausbrach. Daher ersuchten ihre Fürsten und Herzöge, die über sie statt der Könige herrschten, nämlich Fritigern, Alatheus und Safrak, aus Mitleid mit ihrem bedrängten Heere die römischen Heerführer Lupicinus und Maximus um Eröffnung eines Marktes. Aber wozu triebt nicht der „verruchte Hunger nach Gold“? Aus Habsucht verkauften diese Heerführer nicht nur Fleisch von Schafen und Rindern, sondern bald auch von verendeten Hunden und unreinen Tieren zu hohen Preisen, so dass sie einen Sklaven gegen einen einzigen Laib Brot, oder 10 Pfund gegen ein Stück Fleisch eintauschten. Als aber den Goten die Sklaven und die Gerätschaften ausgingen, forderte der habgierige Kaufmann bei der drückenden Not die Söhne als Zahlung. Indem die Eltern diese hergaben, sorgten sie nur für das Wohl der Kleinen. Denn sie hielten es für besser, dass sie ihre Freiheit, als ihr Leben verlören, wenn nämlich einer lieber aus Barmherzigkeit verkauft wird, wo er doch Nahrung erwarten kann, als für den Hungertod aufbewahrt.
Die Episode endet mit dem Verrat und der Ermordung der Goten beim römischen Gastmahl. Fritigern entkommt und stachelt die Seinen zur Rache an. Jordanes schreibt dazu:
Jener Tag nahm den Goten den Hunger und den Römern die Sicherheit. Nunmehr begannen die Goten nicht mehr als Fremdlinge und Ausländer, sondern als Bürger und Herren über die Besitzer des Landes zu herrschen…
 
Deine vielgepriesenen Franken waren ein wilder blutgieriger Haufen, als sie 539 n. Chr. in Italien einfielen.

Hier geht es darum, dass die Franken einen Staat schufen, der 1500 Jahre Bestand hatte und trsansformiert noch heute existiert, denn Frankreich ist der unmittelbare Fortsetzer des Frankenreichs in gleichen geografischen Grenzen mit gleicher Bevölkerungsbasis.

Das blieb allen ostgermanischen Völkerwanderungsreichen verwehrt und daher muss man die fränkische Staatsgründung als eine erfolgreiche betrachten, wobei subjektive Beurteilungen wie "blutgieriger Haufen" im Rahmen einer nüchternen Analyse nichts zu suchen haben.
 
Hier geht es darum, dass die Franken einen Staat schufen, der 1500 Jahre Bestand hatte und trsansformiert noch heute existiert, denn Frankreich ist der unmittelbare Fortsetzer des Frankenreichs in gleichen geografischen Grenzen mit gleicher Bevölkerungsbasis.

Das blieb allen ostgermanischen Völkerwanderungsreichen verwehrt und daher muss man die fränkische Staatsgründung als eine erfolgreiche betrachten, wobei subjektive Beurteilungen wie "blutgieriger Haufen" im Rahmen einer nüchternen Analyse nichts zu suchen haben.

Da muss ich jetzt widersprechen. Sowohl Deutsche als auch Franzosen betrachten Karl den Großen als Teil ihrer Geschichte. Aus dem fränkischen Reich ist nicht nur Frankreich sondern auch das "Heilige römische Reich deutscher Nation" hervorgegangen, das - formal - bis Anfang des 19. Jahrhunderts bestanden hat. Das deutsche Kaisertum hat letztlich genau in dem Gedanken, die Rechtsnachfolge des römischen Reiches zu sein, seine Legitimation gesehen. Frankreich und deutsches Reich wiesen lediglich verschiedene Verfassungen auf: Frankreich war seit der römischen Kaiserzeit zentral regiert und verwaltet, während östlich des Rheins seit jeher dezentrale Herrschaftsstrukturen existierten. Hier kann man "Reste" der früheren Stammesstrukturen vermuten. Genau genommen hat sich das bis heute erhalten. Stichwort: Föderalismus.

MfG
 
Das finde ich nun aber arg mutig den deutschen Föderalismus und den französischen Zentralismus so weit in der Vergangenheit zu suchen. Die Wurzeln des französischen Zentralismus liegen im absolutistischen Zeitalter, als der französische König den Adel an den Hof band und die Wurzeln des deutschen Föderalismus dürften in der Politik der Besatzungsmächte nach dem WK II liegen.
 
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