Von Franken und Sonderwegen
Die zeitgenössischen Quellen sprechen hier eine eindeutige Sprache. Die Bevölkerung des Römischen Reichs war katholisch und betrachtete die arianischen Germanen als Ketzer. Insofern gab es stets einen Gegensatz, der erst überwunden wurde, nachdem z.B. Westgoten, Burgunder oder Langobarden das Bekenntnis wechselten.
Nein! Die vorherrschende Religion wurde katholisch erst nach Kaiser Theodosius I. Davor war vor allem die Osthälfte arianisch. Die westliche Bevölkerung & Oberschicht engagierte sich im Konfessionsstreit lange nicht so wie jene des Ostteiches. Die Donatisten waren in Africa die vorherrschende christliche Gruppierung, bis sie in der Zeit des Augustinus endlich gewaltsam gebrochen werden konnte. Wie andere christliche Konfessionen lebte sie dennoch weiter und litt genau wie die Katholiken unter vandalischer Repression, ehe mit der Rückkehr des Ostreiches die Kaiser des Ostens ihre Unterdrücker wurden.
Fakt: Der Gegensatz entstand erst später und überschichtete die Gemeinsamkeit als sich auf Christus berufenden Konfessionen erst ab etwa 400. Da die Goten bereits vorher ihre Weichen in arianische Richtung gestellt hatten, begannen sie sich langsam ins Abseits zu stellen, nachdem die Masse der „romanischen Bevölkerung“ auf Kurs gebracht worden war. Die „gemeinsame Konfession“ wirkte umso stärker verbindend, je mehr die staatliche römische Macht wegbröckelte.
... Das Frankenreich hingegen war kein typisches Reich der Völkerwanderung, denn ein "wanderndes" Volk finden wir dort nicht, sondern eine allmähliche Espansion von den rheinischen Stammsitzen aus.
Franken gab es auf römischem Boden bereits länger und sie bildeten die Grundlage der Salfranken, die Keimzelle des Merowingerreichs. Schon Kaiser Konstantin akzeptierte kleine fränkische Föderatengruppen linksrheinisch. Das entstehende merowingische Frankenreich hatte gerade Probleme mit ihren östlichen Mitfranken. Sie waren
nicht der Kern der merowingischen Gründung, sondern definitiv nur ihr Annex. Die Macht des so gegründeten Frankenreiches basierte auf den Eroberungen im Westen. Östlich des Rheins findet sich kein fränkisches Zentrum, keine zielstrebige Politik von Integration und Landesausbau über einen sehr langen Zeitraum. Auch ihre Eroberungen etwa der Alemannia oder die ehemals chattischen Landschaften, noch eine Durchdringung des ehemaligen Reiches der Thüringer, die ebenfalls schon Chlodwig als Reich vernichtet hatte (und nach deiner Theorie dann wohl besonders fest hätte sein sollen, da in der „Heimat verwurzelt“). Das von den Ostgoten an die Franken abgetretene Gebiet zwischen Donau und Alpen wurde ebenfalls so vernachlässigt, dass dort das Volk der Bajuwaren erblühen konnte (wenn auch in Abhängigkeit!). Das Frankenreich wurde von einem erobernden König geschmiedet und nicht durch ein eroberndes Volk wie in anderen Fällen der Völkerwanderungszeit!
Fazit: Die rheinischen Stammsitze bildeten keinen besonderen Machtfaktor innerhalb der fränkischen Reichsbildung. Man exponiert sich wohl kaum mit der Aussage, dass die Gebiete östlich des Rheins kaum besser als Kolonien behandelt wurden. Vielleicht war es nicht viel mehr als ein Rekrutierungspool, der bei Bedarf verwendet wurde. Die angebliche „Sonderrolle“ der Franken beruht also nur auf einer gefühlten Verwurzelung und einer nachträglichen Wahrnehmung!
Der Übertritt der Franken vom Arianismus zum Katholizismus der unterworfenen Bevölkerung zählt allgemein zu den stabilisierenden Faktoren ihrer Reichsgründung.
Das ist so nicht Richtig! Die Merowingerdynastie vereinte unter ihren Bannern sowohl Heiden, als auch Christen aller Konfessionen. Die Dynastie legte sich religionspolitisch erst endgültig fest, nachdem Chlodwig die Taufe nach katholischem Ritus empfangen hatte. Sie gingen offiziell nicht den Umweg über den Arianismus, obwohl sie sicherlich bereits mit diesem in engeren Kontakt gekommen waren. Und sei es über die thüringische Mutter des Chlodwig oder seine ostgotische Verschwägerung! Der Schritt stabilisierte danach durchaus entscheidend die fränkische Reichsgründung und die merowingische Dynastie.
Schön passt bei Erwähnung der frühen „Merowingerfrauen“ und der salfränkischen Föderatenzeit die Episode um Chlodwigs Vater, König Childerich! Childerich war ein König der Salfranken (linksrheinische Franken) und wurde laut Gregor von Tours von den Franken vertrieben. Er floh zu den Thüringern, wo er seine spätere Frau Basena kennen lernte. Die Franken erbaten sich von Rom einen neuen König und es wurde der Heermeister für Gallien, Aegidius als solcher eingesetzt.
Dieser Aegidius ist genau jener Römer, der sich später mit der Zentrale überwarf und dessen gallischer Machtbereich zur Grundlage des Reiches von Soissons werden sollte. Der Sohn des Aegidius ist genau jener Syagrius, der in Soissons als König der Römer den letzten romanischen Sprengsel des römischen Reiches in Gallien regieren sollte. Syagrius wurde durch Chlodwig und seine Franken besiegt und getötet, sein Reich jenem des Chlodwig angeschlossen.
Um zu Chlodwigs Vater zurückzukommen: Er wurde aus dem Exil zurückgerufen und wieder als fränkischer König eingesetzt. Er war mit Aegidius verbündet und so kämpften Franken neben „reströmischen Truppen“ in Gallien gegen einige Konkurrenten, darunter Burgunder und Westgoten.
Man sieht also schon früh den Schwerpunkt der Merowinger in Gallien und nicht östlich des Rheins. Childerichs Frau war eine ehemalige thüringische Königin gewesen. Die reinen „Weibergeschichten“ des Gregor von Tours bei dieser Episode hatten gewiss auch machtpolitische Hintergründe und Konsequenzen. Denn vor Childerich hinterließen die Salfranken eher geringes historisches Echo und der Aufstieg seines sehr zielstrebigen und wenig skrupellosen Sohnes Chlodwig zum Beherrscher Galliens verlief beeindruckend schnell.