Wieso war Napoleon bei den Franzosen so beliebt?

Joy030599

Neues Mitglied
Hallo! :)
Ich habe irgentwie nicht ganz verstanden, wieso Napoleon bei den Franzosen so beliebt war, weil er ja eigentlich wieder eine absolutische Herrschaft aufbaute.
Liebe Grüße Joy :winke:
 
Um zu verstehen, weshalb Napoleon schon während seines "Aufstieges zur Macht" im Volk so beliebt war, musst du dir vorallem die militärischen Siege Napoleons anschauen und die miserable Situation, in der sich Frankreich innenpolitisch befand.

Erste kleinere Erfolge Napoleons waren etwa die Eroberung von Toulon 1793 (die Stadt war während des Bürger- und Koalitionskrieges von Briten und Aufständischen besetzt) und die Niederschlagung des Royalistenaufstandes 1795 in Paris, wodurch N. den Konvent vor einer eventuellen Auflösung bewahrte.

Zu einer "wirklichen Berühmtheit" wurde er allerdings erst durch seinen Italienfeldzug 1796/97: Das Direktorium schickte ihn mit einer recht "ausgemergelten" Armee nach Norditalien, um die Feinde im Koaltionskrieg zu schwächen. Womit allerdings die wenigsten rechneten war, dass Napoleon in kurzer Zeit eine Velzahl von Siegen davon trug, den Feind aus Italien vertrieb, Tochterrepubliken gründete und am "Frieden von Campo-Formio" maßgeblich beteiligt war.
Die Innenpolitik zu dieser Zeit war im Volke dagegen eher unpopulär, mit N. hatte man wieder eine schillernde Bezugsperson, die durch ihre Siege zum Volkshelden wurde.

Der "Ägyptenfeldzug" 1798/99 war dagegen eher ein Reinfall: N. konnte zwar in Ägypten mehrere Siege verbuchen, sein Vorstoß in Syrien blieb aber vor Akkon stecken und der Großteil der französischen Flotte wurde in der Bucht von Abukir vernichtet. Trotzdem litt die Popularität N. nicht unter diesem Feldzug, er wurde wie ein wahrer Sieger in der Heimat begrüßt.

Dein Punkt das Napoleon wieder eine Art Diktatur eingeführt hat ist zwar berechtigt, du musst dir aber anschauen, wie die politische Situation in der Zeit war: Das Direktorium um Barras versuchte seine Macht durch Staatsstreiche zu sichern und ließ politische Gegner aus Regierung und Parlament ausschließen - die Demokratie war also schon vor Napoleon stark angeschlagen.

Dazu kam auch noch, dass sich viele Franzosen nach der Zeit des Terrors und der Direktoriumsherrschaft wieder "ordentliche und geordnete" Verhältnisse wünschten, die letzten Jahre waren recht chaotisch zugegangen.
 
Alles richtig, Julian J.
Zum anderen muss man aber auch schauen, wann Napoleon denn wohl den Zenit seiner Beliebtheit erreichte.

Als das Direktorium 1799 gestürzt wurde, war es offenbar nicht mehr sonderlich beliebt und hatte seinen letzten Kredit beim Volk verspielt.

Das zum einen. Zum anderen gelang es ja Bonaparte in den ersten Jahren seiner Herrschaft offenbar die Diktatur, welche er anstrebte und auch erreichte, vor den Augen der Bevölkerung recht gut zu verschleieren.

Die Friedensschlüsse von Lunnéville 1801 und Amiens 1802 ließen Bonaparte als einen Friedensstifter dastehen. Er erreichte scheinbar, was den vorigen republikanischen Regierungen nicht vergönnt war: Frieden.
Nach etwa 10 Jahren Krieg hatte Frankreich, neben den ständigen Unruhen im Inneren, den Krieg satt und Bonaparte schien der Mann zu sein, der für den Frieden arbeitete und im Falle eines erneuten Krieges diesen so geschickt wie schon den 1. und 2. Koaltionskrieg beenden würde.

In dieser Phase der recht allgemeinen Zustimmung für seine Herrschaft gelang es Bonaparte in Frankreich eine Monarchie zu errichten, weil er, so wirkt es, der einzige Mann war, dem man das dann auch durchgehen ließ. (Außerdem hatte er ja seine politischen Gegner entfernt.)
 
Nicht zu vergessen:

der Code Civil (gleiche Rechte für Alle)
und eine Währungsreform mit wertstabilem Silbergeld.

Karsten
 
Bonaparte hatte das Glück, in einer historisch excellenten Situation in die "Kombinationen von Sieyès zu laufen". Nach einigen, man kann ruhig sagen, ruhmreichen Schlachten erschien er als der "Degen", der, nachdem Konkurrenten wie Moreau oder Bernadotte abgewinkt hatten, die Republik "retten" könne.
In der Tat konnte er mit einer Militärdiktatur für stabile politische Verhältnisse sorgen. Er bewies Instinkt, indem er die Ergebnisse der Revolution für seine Interessen ausnutzte und so den Eindruck erweckte, er wäre der Vollender der Revolution.

Hoffnung kam noch einmal nach Lunéville und Amiens auf, als Europa befriedet schien, wenn er denn gewollt hätte ...

Solange das Abenteuer gut ging, ein Sieg dem anderen folgte, das Gold nach Frankreich rollte, der Ruhm der französischen Adler nationale Seelen erfüllte, war alles in Ordnung. Aber als die Kontinentalsperre ihre negative Wirkung auch für die französische Industrie zeigte, als die Aushebungen immer jüngere Jahrgänge "griffen" war es vorbei. Das zeigte sich bei der Nichtverteidigung von Paris 1814, man hatte einfach "die Schn..... voll" und auch bei seiner Rückkehr von Elba. Seinem begeistertem Marsch nach Paris, vor allem von der Armee getragen, wich bald Ernüchterung. Kaum jemand nahm ihm seinen Friedenswillen ab ...
Der Rest ist Mythos.

Grüße
excideuil
 
Nicht zu vergessen:

der Code Civil (gleiche Rechte für Alle)
und eine Währungsreform mit wertstabilem Silbergeld.
Gab es nicht "gleiche Rechte für Alle", so dehnbar der Begriff auch ist, schon seit dem Inkrafttreten der Menschen- und Bürgerrechte? Zumindest theoretisch?

Wichtig fände ich noch, dass sich Bonaparte eben gut vor dem Volk vermarkten konnte und es ihm gelang die öffentliche Meinung weitesgehend für sich zu gewinnen.
So verzieh man ihm auch manchen Faux pas und die oppositionellen Salons konnten ihm nicht viel anhaben.
 
@brissotin

Hast Recht, er konnte sich vermarkten und hatte Charisma.
Es gelang ihm, den Franzosen wieder eine Identität zu geben
nach all den unsicheren Zeiten zuvor. Auch in den deutschen
Gebieten war er anfangs der Hoffnungsträger (siehe Goethe).

Karsten
 
Nicht zu vergessen:

der Code Civil (gleiche Rechte für Alle)
und eine Währungsreform mit wertstabilem Silbergeld.

Karsten

Napoleon hat keine Währungsreform durchgeführt, die neue Währung Franc zu 100 Centimes wurde bereits 1795 als Nachfolger des Livre eingeführt. Und Gold und Silber in Form von Münzen waren (sind) zu allen Zeiten wertstabil.

Grüße
excideuil
 
Wir hatten das auch im Unterricht dieses Jahr und natürlich haben sich die militärischen erfolge und das taktische Geschick darauf ausgewirkt, aber es kam auch noch hinzu dass N. auch an vorderster Front mitkämpfte und sich nicht auf die Faule Haut legte.
 
... aber es kam auch noch hinzu dass N. auch an vorderster Front mitkämpfte und sich nicht auf die Faule Haut legte.

Das war ein wichtiger Grund für Napoleons militöärischen Erfolg. Seine Soldaten liebten ihn, weil er sowohl eine menschlihe als auch soldatische Vorbildfunktion erfüllte und seine Truppen auf Gewaltmärschen und an vorderster Front begleitete. Auch wenn die Propaganda hier etwas nachhalf, so sind seine Verdienste und Talente in dieser Hinsicht unbestritten.
 
Das ist Unsinn und auch nicht Aufgabe eines Feldherrn.

Das mag sein, aber ohne zweifel ist eine Befehlsperson höher beim Befehlsempfänger angesehen, wenn seine Befehle nicht nur aus der Theorie begründet sind, sondern auch aktiv über die Aktion bescheid weiß.

Sprich, ein Meister der nicht aktiv weiß, was der Geselle tun soll, wird es schwer haben den Gesellen zu lehren, oder?
 
Zuletzt bearbeitet:
Das ist Unsinn und auch nicht Aufgabe eines Feldherrn. Typen wie Blücher, der als 72jähriger immer noch persönlich draufhauen wollte, sind da Ausnahmen.

Da hast du Recht, aber gerade das trug Napoleon die Bewunderung seiner Soldaten ein, die ihm daher so blindlings folgten, wie das bei einer Existenz auf dem Feldherrnhügel wohl nicht geschehen wäre. Das sind aber auch die Dinge, die letztlich die Faszination und das Charisma Napoleons begründet haben.
 
Dass Napoleon selbst vorne dabei war, wüsste ich nicht, wenn man mal von der Brückenszene bei Arcole absieht. Und da war er noch jung.

Bei Toulon hat er wohl selbst die Kanonen geladen, u.U. war er auch teilweise bei Angriffen auf Toulon vorne mit dabei - aber da war er noch juenger.

Dennoch erfreute er sich einer grossen Beliebtheit bei seiner Armee, mit dazu beigetragen hat wohl sein ausgezeichnetes Gedæchtnis - er hat sich immer wieder bestimmter Soldaten erinnern kønnen, teilte deren Ængste und Nøte, gab Belohnungen und Orden usw., so was kommt gut an. Die Næhe zur Truppe war sicher eine seiner Stærken, ob nun gespielt, oder echt oder propagandistisch aufgepæppelt.

Mir fællt noch "N bei den Pestkranken von Jaffa" ein - zwar nicht an der Front, aber der Mann, der sich kuemmert...

Gruss, muheijo
 
@baltcbirdy

Das Napoleon in Schlachten in vorderster Front die Position seiner Truppen und den Schlachtverlauf selbst aufklärte, ist nicht nur durch Zeitzeugen belegt, sondern auch in Chroniken erwähnt.
Z.B. in der Chronik der Stadt Freyburg, wo er nach der Völkerschlacht bei Leipzig den Übergang seiner Truppen über die Unstrut persönlich überwachte, zwei Ponton - Brücken schlagen ließ und beständig um die Stadt, die Aufstellung seiner Sicherungstruppen kontrollierte. Hier ist in der Chronik verbürgt, dass er den Übergang des Hauptteiles seiner Truppen an der Zeddenbacher Mühle in Freyburg beobachtete, obwohl Kanonenkugeln ganz dicht bei ihm einschlugen.
Gleiches kann man auch in den Memoiren seiner Soldaten lesen.

Da hätte sich wohl Weichwurst - Talleyrand vor Angst in seine intrigengefledderte Bischofsmütze verkrochen! :rofl:
 
@ LaGalopine

Sehr interessant.
Über solche Verfolgungsgefechte erfährt man ja immer recht wenig. Mir war auf dem Weg nach Hanau eigentlich nur das Gefecht an den Hörselbergen präsent.

Aber ich will das Thema hier auch nicht allzusehr ausbreiten.

Dass Kanonenkugeln auch Oberkommandierende treffen konnten, ist ja allgemein bekannt. Dafür mussten sie ja nichtmal bei Angriffen, wie es Blücher tat, mitreiten.
Der Gefahr sah sich wahrscheinlich fast jeder Feldherr ausgesetzt.
 
@muheijo

Ein Grund für die Beliebtheit Napoleons bei seinen Soldaten und wohl bis heute auch, nicht nur bei Franzosen, unterstreicht am besten die oft in Bildern und Dioramen abgebildete Anekdote mit dem Vorposten, die erzählt wie er mit seinen Soldaten umging:

Vorpostendienste waren in der französischen Armee eine ernste Sache. Nicht nur dass man von einem feindlichen Piquet überfallen und gefangen genommen werden konnte und deshalb ein wachsames Auge haben musste. Der Kaiser selbst, mit wenig Schlaf zufrieden, pflegte zu fast jeder Tageszeit seine Vorposten persönlich zu inspizieren.
So kam es dass Napoleon eines Morgens einen Grognard seiner geliebten Alten Garde auf Vorposten schlafend in einem Heuhaufen antraf.
Als dieser erschreckt erwachte und seinen Kaiser vor sich sah, die Bärenfellmütze wieder zurechtrückte und eine Meldung stammelte, entschuldigte er sich damit, dass der Marsch am Vortage ihm so anstrengend war, dass er eingeschlafen sei.
Napoleon soll sein Gewehr genommen haben und ihm gesagt haben: "...ich habe meine Soldaten so sehr marschieren lassen, dass sie im Angesicht des Feindes in den Schlaf fallen!" Der Alte erzählte später, dass Napoleon mit seinem Gewehr im Arm so lange selbst auf Vorposten gestanden haben soll, bis der Alte ausgeschlafen hatte.

Seine Marotte, sich nur mit ein, zwei Offizieren in Begleitung durch die Nacht bewegt zu haben und so seinen Soldaten auf den Zahn zu fühlen, wird schließlich auch durch seinen Kammerdiener Constant in dessen Memoiren bestätigt, der ihm seinen Imbiss überall hinterher tragen musste und sich auch darüber beklagte, dass Napoleon schon mal in unbekanntem Gelände vom Schlaf übermannt wurde, sich schlafend niederlegte und erst aufwachte, als bereits die Kugeln pfiffen.
 
Alles schöne Geschichten (die mich irgendwie an all die gut erfundenen Stories über FdG erinnern)

Gelesen habe ich mal
"Die Herberge in den Cevennen", ist verdammt lange her,
Details weiß ich kaum mehr,
ein napoleonischer Soldat versucht noch schnell die Cevennen zu durchqueren, bevor die Nachricht von der Niederlage des Kaisers in Waterloo die Bevölkerung erreicht, da er damit rechnet dann massakriert zu werden.

Die Cevennen, man wird es wissen, sind mitten in Frankreich.

Also ganz soooo groß kann die Liebe nicht mehr gewesen sein.
 
Das Volk sieht gern zu solchen Persönlichkeiten wie Napoleon auf, erstens seine Siege, später die geordneten Verhältnisse, die er Frankreich brachte.

Sein Charisma und politisches Talent erledigten dann das übrige. Aber auch hier wieder zu sehen, sobald der Druck auf die Bevölkerung härter und die Niederlagen häufiger worden schwingt die Stimmung sofort um.


Aber wohl auch bemerkenswert, wie viele Personen, die in ähnlicher Lage wie Napoleon waren wusste auch N nicht, wann die Kräfte überspannt sind. Beispiel Russlandfeldzug.

Das eine ist wohl nicht ohne das andere denkbar.
 
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