Livius habe ich auch schon komplett gelesen! Toll, dass Du Dir ein so umfangreiches Werk auch antust!
Die wissenschaftliche Qualität schwankt leider stark. Das liegt auch daran, dass Livius für sein Werk unterschiedlich qualitative Quellen verwendet hat - von Polybios (gut) bis zu Valerius Antias (Mist). So unkritisch, wie das immer behauptet wird, war er allerdings auch wieder nicht. Er meldet wiederholt Zweifel an der Überlieferung an, und wenn seine Vorlagen zu einem Ereignis voneinander abweichen, folgt er zwar meist einer davon, fasst aber auch kurz die andere zusammen.
Grundsätzlich sind von seinem Werk leider nur zwei Blöcke erhalten, die römische Frühgeschichte bis zum 3. Samnitenkrieg und die Geschichte vom 2. Punischen Krieg bis zum 3. Makedonischen Krieg.
Der wissenschaftliche Wert des ersten Blocks ist gering: Livius schildert einfach die traditionellen römischen Überlieferungen, wie er sie in der von ihm benützten älteren Literatur vorgefunden hat, aber historisch haltbar ist wohl nur wenig davon. Aus der Frühgeschichte sind nur wenige Ereignisse als historisch gesichert einzustufen. Anderes, wie der Sturz der Monarchie, der Krieg gegen Porsenna, die Erlassung des Zwölftafelgesetzes oder die Eroberung Roms durch die Gallier, hat zwar einen historischen Kern, ist aber arg sagenumwoben. Historisch einigermaßen zuverlässig ist Livius' Schilderung erst ab etwa 350 v. Chr.
Viel zuverlässiger ist der zweite Block, wobei aber der Wert eben von der benützten Quelle abhängt. Z. B. schildert Livius im 2. Punischen Krieg nach Cannae noch einige weitere kleinere Schlachten der Römer gegen Hannibal in Italien, die für die Römer siegreich verlaufen sein sollen, von der modernen Forschung allerdings als zur Ehrenrettung Roms erfunden eingestuft werden. Trotzdem kann man die Darstellungen des 2. Blocks grundsätzlich ernst nehmen und sie tatsächlich als Geschichtswerk lesen.