Schwert des Ritters aus Fischbein

Brissotin

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Ich lese derzeit die Spiegel-Geschichte-Ausgabe zu den Staufern.*

Die übrigen Artikel, die ich bis jetzt las, waren ganz unterhaltsam und informativ. Das Interview mit Prof. Stefan Weinfurter fand ich ganz gut.

Aber der Artikel zu den Rittern ist sehr widersprüchlich. (Frank Thadeusz: "Kapitel III Alltag im Stauferreich - Ritter Gnadenlos") Im ersten Teil werden alle möglichen Fakten zusammengworfen und das wird dann im zweiten Teil weitesgehend widersprochen, bzw. die Aussagen des ersten Teils (S.94-95) relativiert. Der Einsatz von Bliden bspw. wird im Zusammenhang mit dem Wort "Überraschungsangriff"(S.97) verwendet, was ich sehr seltsam fand.
Von daher hielt ich den Artikel eher für um reißerische Effekte bemüht als für sachlich.

Dennoch musste ich an einer Stelle aufhorchen, da dort für mich etwas ganz unbekanntes vorkam.

In einem Abschnitt ging es um das Turnierwesen der Ritter und darum, dass die Exkommunikation durch die Kirche dazu geführt habe, dass die Massenturniere ("Massenkeilereien" (laut Text) womit wohl Buhurt gemeint ist) verschwunden seien und durch "zivilere" Formen abgelöst worden sein.
Nun kommt die Passage, die mich irritierte:
"Nun droschen die Wettkämpfer mit stumpfen Schwertern aus Fischbein aufeinander ein."
(S.95)

Wie sahen denn solche Schwerter aus? Der Griff wird ja wohl nicht aus Fischbein gemacht sein.

Ich selbst kenne Fischbein als Material, habe selbst mal welches in den Händen gehabt.

Der Vorteil von Fischbein ist, dass es schwer bricht bei großer Flexibilität. V.a. als Versteifung für Korsetts(der FNZ z.B.), aber auch in anderen Bereichen fand es Verwendung.

Wie kann ich mir nun dieses Schwert vorstellen? Wurden die Klingen nur aus Fischbein gemacht? Man muss ja dann die einzelnen Stäbchen zusammen verkleben. Aber wie soll man das in Form kriegen?:confused:
Gibt es, ich wage es ja kaum zu hoffen, erhaltene Originale dieser Schwerter?


* Der Spiegel: Geschichte Nr 4 2010 "Die Welt der Staufer - Von Barbarossa bis Friedrich II.: Kaisermacht im Mittelalter"
 
Ich kenne zwar stumpfe Turnierwaffen und auch solche aus Holz, aber "Fischbein" als Material ist mir noch nie untergekommen, weder in Texten noch in Sammlungen.

Vieleicht weiss Thimo mehr dazu.
 
Mal abgesehen davon, dass ich bis jetzt nicht einmal genau wusste, was Fischbein sein soll, kann ich vielleicht doch etwas beitragen.
Mein erster Weg führte mich über Google natürlich zu Wikipedia, zum Artikel über den Buhurt. Auch dort war von Waffen aus Fischbein die Rede, doch der Artikel wurde erst vor kurzem geändert, d.h. es könnte schon aus dem Spiegel-Artikel entnommen worden sein.

Dafür habe ich hier eine Seite gefunden, in der schon in einem Forenbeitrag von Anfang April über Waffen aus Fischbein geschrieben wurde.

Waffen und Rüstungen im Mittelalter (etwa in der Mitte des Textes):
Es gab zwei Formen dieses Wettstreites:
Das Turnier (mehrere berittene Gruppen) und das Gestech (der Kampf einzelner Ritter). Außerdem gab es noch den Fußkampf innerhalb eines - durch Absperrungen begrenzten - Raumes. Manchmal benutzt man im 13. Jahrhundert hierzu Waffen aus Fischbein, aber richtig 'Spaß' schienen nur die scharfen Waffen gemacht zu haben.

Solche Fischbeinwaffen dürfte es also tatsächlich gegeben haben. Allerdings interessiert mich auch, wie sie ausgesehen haben mögen und wie sie eingesetzt wurden :confused:
 
Fischbein besteht aus den Barten der Bartenwale.

So ganz genau kann ich z.B. die chemische Zusammensetzung auch nicht erläutern.

Eigentlich ist es, wie bei deinen Fingernägeln, Horn.
Hauptbestandteil ist Keratin, eine Eiweißsubstanz.
Das Ganze ist elastisch, beim Grönlandwal können die Barten 4.5 m lang werden.

Die (systematische) Verwendung im Mittelalter für Turnierwaffen halte ich für schlecht recherchierten Mumpitz des "Spiegels", kommerziellen Walfang gab es da noch gar nicht.
 
Ich hab mal "Turnierwaffen aus Fischbein" bei Google eingegeben und bin dann, neben einem Hinweis aus diese Diskussion, auf folgendes Buch gestossen "Das Höfische Leben zur Zeit der Minnesänger". Dort steht (aus meiner Sicht) so ziemlich jedes Detail zu Turnieren aus dieser Zeit. Vom ganzen Zeug was so ein Ritter trug, über die Waffen bis hin zum Turnier selbst. Die einzigen Hinweise auf Fischbein darin beziehen sich auf Lanzenschäfte (S.22), Fischbeinbelegte Handschuhe (S.50) und Tragebäume aus Fischbein (S.466) um die Toten dann wegzutragen. Da hier so ziemlich jede Kleinigkeit aufgeführt ist, erscheint mir das Fehlen von "Fischbein-Schwertern" doch zumindest bedenklich.
 
Vom ganzen Zeug was so ein Ritter trug, über die Waffen bis hin zum Turnier selbst. Die einzigen Hinweise auf Fischbein darin beziehen sich auf Lanzenschäfte (S.22), Fischbeinbelegte Handschuhe (S.50) und Tragebäume aus Fischbein (S.466) um die Toten dann wegzutragen.
Vielen Dank für die Mühe.

Auch das mit den Lanzenschäften klingt ja doch recht interessant.
Und ich frage mich, wie man das fertigen konnte.
 
Ich komm' aus einer etwas anderen Richtung und gebe gleich zu, daß ich von Walen keine Ahnung habe. Ich hab' nur die BBC Doku zum Ritter, der im ersten Teil besagten Spiegel Artikels erwähnt wird gesehen, und denke nun, daß da vielleicht irgendjemand eine etwas ungenaue Übersetzung für "Whalebone" angewendet haben könnte.

Das lässt sich zwar als "Fischbein" übersetzen, aber wenn ich das richtig verstehe, dann wird in Deutschland unter "Fischbein" in erster Linie, die "Zähne" des Wals verstanden, wohingegen das englische Wort sowohl die Zähne als auch das "Elfenbein" beinhaltet. Was in Deutschland unter "Fischbein" verstanden wird, wird auch gesondert als "Baleen" bezeichnet, weswegen es sich meines Erachtens nach eher um Schwerter aus den eigentlichen Knochen des Wals handeln könnte. Leider fehlen mir für diese These auf die Schnelle die entsprechenden Referenzen.

Das einzige, das ich kurzfristig finden konnte bezieht sich darauf, daß solche Schwerter mit Pergament überzogen wurden und dann silbern angemalt wurden. Wenn ich andere Links- im groben Überblick- richtig verstehe, dann wurden solche Schwerter aus Walknochen in erster Linie zur Übung verwendet, was aber meines Erachtens nach nur dort ging wo Wale strandeten- dieser Zusatz nur, weil viele Hinweise auf die Nutzung durch neuseeländische Maoris kamen.

Vielleicht kann @ balticbirdy etwas mehr über die tatsächliche Verwendung von gestrandeten Walen sagen, und somit das Ganze etwas eingrenzen. :winke:
 
Vielleicht kann @ balticbirdy etwas mehr über die tatsächliche Verwendung von gestrandeten Walen sagen, und somit das Ganze etwas eingrenzen. :winke:

Wenn mal einer strandete, hat man ihn sicher ausgeschlachtet und verwertet. Aber das kam so selten vor, dass es meist extra in den Chroniken erschien. Über gestrandete Großwale besitzen wir deshalb Aufzeichnungen seit etlichen Jahrhunderten.

Wenn es um "bone" im Zusammenhang mit dem Gebrauch als Schwert ging, hätte man sich genauso gut die Schenkelknochen von Rindern oder Pferden um die Ohren hauen können, bestimmt eine lustige Vorstellung bei den hochedlen ritterlichen Herren.
Es wäre hilfreich zu erfahren, welches Wort dazu ("Fischbein") konkret in den Originalquellen (Gibt es die?) verwendet wurde.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn mal einer strandete, hat man ihn sicher ausgeschlachtet und verwertet. Aber das kam so selten vor, dass es meist extra in den Chroniken erschien. Über gestrandete Großwale besitzen wir deshalb Aufzeichnungen seit etlichen Jahrhunderten.

Wenn es um "bone" im Zusammenhang mit dem Gebrauch als Schwert ging, hätte man sich genauso gut die Schenkelknochen von Rindern oder Pferden um die Ohren hauen können, bestimmt eine lustige Vorstellung bei den hochedlen ritterlichen Herren.
Es wäre hilfreich zu erfahren, welches Wort dazu ("Fischbein") konkret in den Originalquellen (Gibt es die?) verwendet wurde.



Dank dir für den Hinweis- ich wusste nicht, daß das so selten passiert ist. :rotwerd:

Leider weiß ich auch nicht, wie es sich da mit den Originalquellen verhält- ich hatte einfach nur nach "whalebone" als Begriff gegoogelt und bin dabei über ein paar Hinweise gestolpert, aber da ich im Moment mal wieder dabei bin mobiles Internet zu benutzen und das ewig dauert, bin ich leider zu faul nach Originalem zu suchen. So wie ich vorgegangen bin, war die einzige Übersetzung, die mir zu "Fischbein" einfiel eben "Whalebone"- nachdem @ Brisso die Korsetts erwähnt hatte, was mich zu der Annahme verleitete, daß es sich dabei um eine zu eng gefasste Übersetzung handeln könne. Sonntag bin ich das blöde mobile Internet wieder los und schaue dann mal was sich finden lässt. :winke:
 
Was mir nicht in den Kopf wil, ist der Grund, warum man ausgerechnet Fischbein, Walknochen oder andere Knochen nehmen sollte um beim "prügeln" das Verletzungs-/Tötungsrisiko zu senken.
Worum ging es denn bei einem Turnier? Wenn man mal vom Unterhaltungswert absieht doch hauptsächlich darum zu zeigen, wie man mit seiner Ausrüstung einen in etwa gleichgerüsteten/gleichstarken Gegner besiegen konnte. Also theoretisch etwa das, was heutzutage unter Übung/Manöver abläuft. Nur heftiger.
Mit dabei eine Reihe von Möglichkeiten die theoretisch auch auf dem "echten" Schlachtfeld passieren konnten (Tod auf verschiedene Weise, Gefangenname mit Verlust aller Ausrüstungsteile + zusätzlichem Auslösen der eigenen Person).
Da das Schwert ja die Waffe des Ritters schlechthin war, warum sollte er sie in einem Kampf der fast den realen Bedingungen entsprach gegen etwas anderes eintauschen was völlig anders in der Hand liegt (Gewicht, Elastizität, Ergebnis beim Gegner)?
"Nur" weil die Kirche das forderte? Man nahm doch schon stumpfe Waffen.
 
"Whalebone" bezeichnet auf Englisch die Walbarten. Die Verwendung eines solches Material für ein Übungs- oder Turnierschwert ist irgendwie nachvollziehbar, da es ein flexibles, relativ leichtes und trotzdem widerstandfähiges Material ist. In ähnlicher Form hat sich bei den Japanern das Shinai aus Bambus als Schwert für das Kendo durchgesetzt. Die sonst verwendeten Boken aus Holz sind immer noch sehr gefährlich im Vergleich.

Ich glaube aber nicht, dass diese "Fishbeinschwerter" allzu stark verbreitet gewesen sind. Vielleicht hat man solche tatsächlich in England verwendet wo man näher an der Quelle war.

Und wenn ja, dann glaube ich dass dieses wohl eher in den Zeiten der letzten Turniere gewesen sein muss, als diese um 1500 nochmals in Mode kamen, jedoch viel von ihrem ursprünglichen Charakter verloren hatten.

Im Hochmittelalter galt es für viele Ritter schon als Zumutung ein Stumpfes Schwert führen zu müssen. Eine Art Theaterdegen aus bemalten Pergament wäre wohl untragbar gewesen.

Es gab bei Turnieren immer zahlreiche Tote und Verletzte und um die Verbote der Kirche hat man sich in dieser Hinsicht einen feuchten Kehricht gekümmert. Der m.W. schlimmste Zwischenfall ging zudem nicht auf die Bewaffnung zurück sondern auf den Erstickungstod etlicher Teilnehmer an einem heissen Sommertag.
 
Zum Thema Fischbein, war dieses offensichtlich schon im Mittelalter ein Handelsgut. Aus der englischen Wikipedia:

"The first mention of Basque whaling was made in 1059,[2] when it was said to have been practiced at the Basque town of Bayonne. The fishery spread to the Spanish Basque region in 1150, when King Sancho the Wise of Navarre granted petitions for the warehousing of such commodities as whalebone (baleen).[2] At first, they only hunted the whale they called sarda, or the North Atlantic Right Whale, using watchtowers (known as vigias) to look for their distinctive twin vapour spouts.
By the 14th century they were making "seasonal trips" to the English Channel and southern Ireland. "


Holländer, Franzosen und Briten haben dann im 17 Jahrhundert die Basken verdrängt und ihrerseits mit dem Wahlfang im großen Stil angefangen.
 
Schon richtig, dass die Basken damit früh angefangen haben. Andererseits waren die westeuropäischen Bestände des Nordkapers nicht so groß und schnell ausgerottet.

Erst im 17. Jahrhundert nahm man den Walfang wieder auf und "entdeckte" in der Arktis mit dem Grönlandwal lukrative Jagdgründe. Andere große Walarten (Finnwal), die man heute noch (oder besser wieder) in der Biskaya nicht selten antrifft, waren mit den damaligen Methoden nicht zu erbeuten. Sie sind zu schnell und versinken, wenn sie getötet sind.

Aber wie ich schon sagte, ich halte die ganze Geschichte von den Waffen aus Fischbein für ein Missverständniss.
 
Größtenteils ja, aber nicht nur. Auch der Elfenbein von Walrus und Wal wird als "Whalebone" bezeichnet. Dabei handelt es sich eher um einen Überbegriff als um eine genaue Bezeichnung. :winke:

Mit Walelfenbein ist, zur Information, nur der Stosszahn des Narwals gemeint. Ganz selten gelangten diese "Einhornreliquien" von den Grönlandwikingern nach Europa, dann waren sie etwas für die königliche Schatzkammer und nix für den Turnierplatz.
 

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Mit Walelfenbein ist, zur Information, nur der Stosszahn des Narwals gemeint. Ganz selten gelangten diese "Einhornreliquien" von den Grönlandwikingern nach Europa, dann waren sie etwas für die königliche Schatzkammer und nix für den Turnierplatz.

Danke für die Korrektur. Und da fehlte ein Teil bei meinem Satz, und ein Komma. :rotwerd: Sowohl Elfenbein von Wal/rus, als auch Wal-Knochen werden als "Whalebone" bezeichnet, war das was ich sagen wollte. Deswegen ist es halt eher ein Überbegriff als eine genaue Bezeichnung.
 
1) Der Spiegel-Artikel war wirklich nicht sehr gut recherchiert, -wie oben schon angemerkt- sehr konfus; und allgemein sollte man sich bei geschichtlichen Fachfragen nun mal nicht an Journalisten wenden, sondern an Fachleute, also Historiker bzw. in diesem Fall speziell Waffenhistoriker.

Die Spiegel-Geschichte Magazine sind zwar nicht ganz so schlimm wie P.M. History und Wikipedia, aber dennoch: Vorsicht ist immer geboten - gerade auch bei den 'Experten' in Internet-Foren. Hier wird leider ein unglaubliches Ausmaß an Unsinn verbreitet, und allzu häufig erliegen viele Schreiber der Versuchung, den einfachen Blick in das richtige Fachbuch durch die Anwendung 'moderner' Logik und wilde Spekulationen zu ersetzen ...

2) Konkret zum Thema 'Turnierschwerter aus Fischbein':

> diese Angabe bezieht sich auf ein (bereits seit über einem Jahrhundert bekanntes und vielfach publiziertes) Dokument über Ausrüstungen fuer ein Turnier Edwards I. von England, abgehalten in Windsor im Juli des Jahres 1278:
"... xxxviii. glad' fact de Balen & Parcoment ..." (in etwa: '38 Schwerter gemacht von Walbarte und Pergament'), diese wurden noch versilbert.

> Erhalten haben sich leider keine Exemplare, daher lässt sich über deren Aussehen und Konstruktion nichts sagen, bzw. nur vorsichtig spekulieren...
> Genauso unsicher ist, ob derartige Objekte nur im mittelalterlichen Grossbritannien (und Frankreich) oder auch in anderen Gebieten Europas in Gebrauch waren.

> Einen guten Überblick zum Thema Fischbein/Walbarte/baleen/whalebone als Material für Waffen und Harnischteile (zumindest im mittelalterlichen Grossbritannien, aber mit Diskussion zum Material selbst) geben zuletzt:

Ralph Moffat, James Spriggs & Sonia O'Connor, 'The use of Baleen for Arms, Armour and Heraldic Crests in Medieval Britain', in: The Antiquaries Journal, Vol. 88 (September 2008), S. 207-215.

> Als Überblick zu Waffen und Harnischen in dieser Zeit (mit Angaben zu weiterführender und verlässlicher bzw. aktueller Literatur) zuletzt:

Dirk Breiding, 'Harnisch und Waffen des Hoch- und Spätmittelalters', in: AufRuhr 1225! Ritter, Burgen und Intrigen (Ausstellungskatalog, LWL-Museum für Archäologie - Westfälisches Landesmuseum Herne) Mainz 2010, S. 129-146.

Hoffe, das hilft ein wenig weiter?
 
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