Schlachten, die Weltgeschichte geschrieben haben.

Um mal zur Ausgangsfrage zurückzukehren: Bei aller Bedeutung für Polen halte ich es für fraglich, ob die Schlacht an der Weichsel wirklich für die Weltgeschichte relevant war.

Sie wäre es dann, wenn Lenins Ideen realisiert worden wären, daß die Rote Armee erst Polen besiegt und komplett unterwirft, und dann nach Berlin weitermarschiert und dort für eine kommunistische Machtübernahme sorgt. So eine Entwicklung hätte die Weltgeschichte natürlich ganz entscheidend verändert.

Ich glaube aber nicht, daß die Westalliierten das zugelassen hätten. Sie waren zwar - selber vom Weltkrieg erschöpft - nicht bereit gewesen, Polen in seinem Krieg gegen die SU mit Truppen zu unterstützen. Nicht zuletzt, weil dieser Krieg ja im Kern ein völlig überzogener Eroberungskrieg war, in dem Polen sich weite Gebiete außerhalb des eigentlichen polnisch besiedelten Territoriums sichern wollte. Diese imperialen Ambitionen haben die Westalliierten nicht interessiert.

Wenn aber umgekehrt die SU versucht hätte, Polen komplett zu schlucken oder gar Deutschland zu besetzen - das hätte der Westen nicht akzeptieren können. Und trotz ihrer allgemeinen Kriegsmüdigkeit hätte er auch die Machtmittel gehabt, um eine solche Expansion zu stoppen.

M. E. hätte eine polnische Niederlage "nur" dazu geführt, daß Polen schon 1920 auf "seine" Ostgebiete hätte verzichten müssen und als deutlich kleinerer Staat zwischen Deutschland und der SU verblieben wäre. Grundsätzlich hätte das den weiteren Geschichtsverlauf für den Rest der Welt nicht sehr beeinflußt, vielleicht hätte Polen nach den erneuten Grenzverschiebungen des zweiten Weltkriegs nicht viel anders ausgesehen als heute.
 
Also, ich weis nicht so recht was man von solchen Listen halten soll. Sie kommen mir ziemlich Europazentriert vor. In Asien gab es doch wohl auch wichtige Schlachten, in denen Geschichte geschrieben wurde. Ebenso im präkolumbianischen Amerika oder dem vorkolonialen Afrika. Nur das wir vielleicht keine schriftlichen Quellen dazu haben.

Apvar
 
In Asien gab es doch wohl auch wichtige Schlachten, in denen Geschichte geschrieben wurde. (....) Nur das wir vielleicht keine schriftlichen Quellen dazu haben.

Du siehst den Widerspruch? ;-)

Im Ernst, es gab halt keine Schlachten, die die Weltgeschichte beeinflusst haben: Die weltgeschichtlich wichtige Kolonisation ging eben von Europa aus; ob davor Stamm A den Stamm B besiegt hat, oder Stamm C ganz Australien oder Suedamerika beherrscht hat, ist unbedeutend geblieben: Sie haben nicht Einfluss auf den Verlauf der Weltgeschichte ausgeuebt, schon gar nicht bis heute.

Gruss, muheijo
 
Das kann man nie wissen! Vielleicht wurde in Amerika in grauer Vorzeit nach einer verlorenen Schlacht ein Volk vernichtet, das sich andernfalls so weit entwickelt hätte, dass es den Spaniern Paroli hätte bieten können.

Aber von solchen Listen halte ich auch nichts, die Zusammenstellungen sind schon sehr willkürlich. Welthistorisch bedeutsam war z. B. auch jedes Gefecht, mit dem Dschingis Khan zum Einiger der mongolischen Stämme wurde, denn der anschließende Mongolensturm hat ganz Asien und Teile Europas verändert. Oder was ist mit der Schlacht von Mantzikert? Sie leitete den Niedergang des byzantinischen Reiches und somit letztlich den Vorstoß der Türken nach Europa ein. Hingegen halte ich die Schlacht von Tours und Poitiers für deutlich überbewertet, da sie vermutlich nur die Abwehr eines sarazenischen Raubzuges war und nicht einer großangelegten Invasion.
 
Das kann man nie wissen! Vielleicht wurde in Amerika in grauer Vorzeit nach einer verlorenen Schlacht ein Volk vernichtet, das sich andernfalls so weit entwickelt hätte, dass es den Spaniern Paroli hätte bieten können.
Theoretisch ja. Aber praktisch ist kaum anzunehmen, daß ein Volk die Spanier abgewehrt hätte, daß nicht einmal mit seinem Nachbarvolk fertig geworden ist.

Der ganze Spekulatius über wichtige Ereignisse kann natürlich nie zuverlässig sagen, wie die Entwicklung ohne dieses Ereignis gewesen wäre. Und trotzdem ist es ein wesentlicher Teil der Historikerarbeit, wesentliche und weniger wesentlichen Faktoren zu unterscheiden. Und Listen mit "TOP-X-Ereignissen" sind letztlich nur eine etwas unterhaltsamere Form dieser ganz normalen Forschungsarbeit und nicht per se unseriöser als diese.

Welthistorisch bedeutsam war z. B. auch jedes Gefecht, mit dem Dschingis Khan zum Einiger der mongolischen Stämme wurde, denn der anschließende Mongolensturm hat ganz Asien und Teile Europas verändert.
Jedes Gefecht einer längeren Entwicklung aufzuführen bringt natürlich wenig - aber eine große Schlacht als Symbol für die mongolische Expansion wäre wohl schon hoch oben auf der Top-Schlachtenliste.

Oder was ist mit der Schlacht von Mantzikert?
Auch eindeutig hoch oben auf der Liste, aber wahrscheinlich finden sich doch mehr als 10-15, die einfach noch mehr Wichtigkeit ins Feld führen können.

Hingegen halte ich die Schlacht von Tours und Poitiers für deutlich überbewertet, da sie vermutlich nur die Abwehr eines sarazenischen Raubzuges war und nicht einer großangelegten Invasion.
Was die Schlacht selber betrifft gebe ich Dir recht. Sie steht eben quasi als Symbol dafür, daß Europa den bis dato stetigen Vormarsch der Sarazenen militärisch stoppen und letztlich umdrehen konnte.
Und das ist natürlich eine der wichtigsten historischen Wegscheiden überhaupt - wenn nicht dieses christliche Kerneuropa überlebt hätte (was in der Zeit der Angriffe von Sarazenen, Wikingern und Ungarn so sicher nicht war), dann wäre die Weltgeschichte völlig anders verlaufen.

Generell kann man "Wichtigkeit für die Weltgeschichte" letztlich fast nur eurozentrisch sehen - eben weil Europa im 19. Jahrhundert eine solche weltweite Dominanz etablieren konnte. Selbst das riesige Mongolenreich wird da vergleichsweise zur regionalen Episode.
 
... es hängt stark von der perspektive ab, welche schlachten weltgeschichtlich entscheidend waren. derzeit ist wohl alles weltgeschichtlich entscheidend, was uns dahin gebracht hat, wo wir uns heute mit unserer geschichtskonstruktion und den davon abhängigen wertemaßstäben befinden, und dass ist noch stark europazentriert.
europa bedeutet die welt - wahrscheinlich sind wir zu dieser vorstellung auch wegen europäischer kolonisationsgeschichte hingelangt, bei der wir annehmen, dass europa überall erfolgreich sowohl im militärischem, als auch im kulturellem sinne überlegen war und sich durchgesetzt hat.
für mich persönlich ist die auseinandersetzung zwischen karthago und rom sehr entscheidend für die nachwelt. rom hat europa vorkreiert, ohne rom -kein europa im heutigen sinne, hätte karthago die auseinandersetzung gewonnen, wie wäre europa heute, welche werte und arroganzen hätte man dann wohl in die welt kolonisiert??
 
Ja, der Thread ist uralt, aber ich habe mir ihn gerade komplett durchgelesen und da fällt mir auf das Incheon (Operation Chromite) fehlt. Diese verhinderte die vollsändige Eroberung Südkoreas durch Nordkorea und damit eine entscheidene Machtverschiebung in Südostasien und führte letztendlich auch zum chinesischen Eingreifen (Überschreiten des Yalu und zurückwerfen der UN-Truppen) und damit zum ersten Auftreten Chinas als militärischer Machtfaktor in Asien.
 
Ich beschäftige mich schon seit Jahrzehnten mit Kriegsgeschichte, "Schlachten die die Weltgeschichte entscheiden"
finde ich höchst! spekulativ.
Bei Kriegen/Konflikten gibt es so viele verschiedene Einflussmöglichkeiten!!
Das ist schon fast wie bei einigen Science-Fiction Romanen ( lese ich sehr gerne) mit was wäre wenn Themen.
Da Schlachten im Krieg stattfinden, gibt es da auch noch die Entscheider!
Menschen geben die Befehle und Anweisungen für Krieg und Frieden, dann kommen noch die Völker hinzu.
Ich tendiere weniger zu Schlachten, als eher zu Kriegen und Personen die die Weltgeschichte bestimmen.
Als Beispiel möchte ich hier den siebenjährigen Krieg und den amerikanischen Bürgerkrieg anführen.
Beide wurden meiner Meinung nach mehr von den jeweiligen Führen als von den geführten Schlachten beeinflusst.

Aber dies hier ist nur meine persönliche Meinung!
 
Auf die politische Führung

In dem Fall würde ich das unterchreiben, sonst hätte ich jedenfalls im Hinblick auf den amerikanischen Bürgerkrieg widersprochen.

Ich tendiere weniger zu Schlachten, als eher zu Kriegen und Personen die die Weltgeschichte bestimmen.
Und ich würde hier noch die demographischen und ökonomischen Grundlagen ergänzen wollen, der Vorstellung folgend, dass diverse populär als Entscheidungsschlachten angesehene Schlachtereignisse eigentlich nur den Schlusspunkt einer längeren Gesamtentwicklung markieren.

Mein Paradebeispiel wäre da Poltawa.
Wird in der Literatur immer wieder zum Wendepunkt des großen nordischen Krieges stilisiert oder wurde es mindestens früher.
Aber wenn man es aus anderer Perspektive betrachtet, ist das eigentlich nur der Punkt an dem offensichtlich wird, dass Schwedens demographische und wirtschaftliche Möglichkeiten seinem Großmachtsanspruch, bzw. den Karl XII. nicht gerecht werden konnte, respektive der Anspruch beides deutlich überforderte.

Wobei sich natürlich nicht bestreiten lässt, dass es durchaus einzelne Schlachtenereignisse gab, die ohne wenn und aber die Geschichte massiv beeinflussten, vor allem vor dem Hintergrund feualer Verhältnisse, in denen der zufällige Tod eines einzigen Herrschers in der Schlacht die politische Landkarte völlig auf den Kopf stellen konnte.
 
]In dem Fall würde ich das unterchreiben, sonst hätte ich jedenfalls im Hinblick auf den amerikanischen Bürgerkrieg widersprochen.


Und ich würde hier noch die demographischen und ökonomischen Grundlagen ergänzen wollen, der Vorstellung folgend, dass diverse populär als Entscheidungsschlachten angesehene Schlachtereignisse eigentlich nur den Schlusspunkt einer längeren Gesamtentwicklung markieren.

Mein Paradebeispiel wäre da Poltawa.
Wird in der Literatur immer wieder zum Wendepunkt des großen nordischen Krieges stilisiert oder wurde es mindestens früher.
Aber wenn man es aus anderer Perspektive betrachtet, ist das eigentlich nur der Punkt an dem offensichtlich wird, dass Schwedens demographische und wirtschaftliche Möglichkeiten seinem Großmachtsanspruch, bzw. den Karl XII. nicht gerecht werden konnte, respektive der Anspruch beides deutlich überforderte.

Wobei sich natürlich nicht bestreiten lässt, dass es durchaus einzelne Schlachtenereignisse gab, die ohne wenn und aber die Geschichte massiv beeinflussten, vor allem vor dem Hintergrund feualer Verhältnisse, in denen der zufällige Tod eines einzigen Herrschers in der Schlacht die politische Landkarte völlig auf den Kopf stellen konnte.[/QUOTE]

Das hatte ich mit die Völker gemeint,

Ich hatte noch was hinzugesetzt, das betrifft Deine letzte Aussage

Ja, Schweden hat einfach seine Kräfte überschätzt/überdehnt, da gibt es in der Geschichte schon einige Beispiele.
 
Genauso wie Schlachten sind meiner Meinung nach auch militärische Führer zu bewerten.
Bei der Bewertung von Feldherren muß man sich vorher schon auf bestimmte Parameter einigen.
Den besten Feldherren gibt es nicht.
Lee z.B war ein Passivgeneral und Rommel ein Aktivgeneral.

Im Übrigen, Generäle sind selten gute Politiker
 
Zuletzt bearbeitet:
Weiß nicht, ob man Lee und Rommel überhaupt sinnvoll miteinander vergleichen kann, schon aus dem Grund heraus, dass Lee den halben amerikanischen Bürgerkrieg hindurch Oberkommandierender der Konföderierten war und damit auf einer anderen strategischen Ebene zu agieren hatte als Rommel, der stets nur sein eigenes Kriegstheater im Blick behalten musste (und sich im Hinblick auf die Logistik bereits damit überfordert zeigte)

Ich bin mir auch nicht so sicher ob man Lee tatsächlich als "Passivgeneral" bezeichnen kann.
Ich würde Lee eher so umschreiben wollen, dass er dazu neigte aus der strategischen Defensive heraus auf taktischer und operativer Ebene mitunter ziemlich offensiv zu handeln.
 
Weiß nicht, ob man Lee und Rommel überhaupt sinnvoll miteinander vergleichen kann, schon aus dem Grund heraus, dass Lee den halben amerikanischen Bürgerkrieg hindurch Oberkommandierender der Konföderierten war und damit auf einer anderen strategischen Ebene zu agieren hatte als Rommel, der stets nur sein eigenes Kriegstheater im Blick behalten musste (und sich im Hinblick auf die Logistik bereits damit überfordert zeigte)

Ich bin mir auch nicht so sicher ob man Lee tatsächlich als "Passivgeneral" bezeichnen kann.
Ich würde Lee eher so umschreiben wollen, dass er dazu neigte aus der strategischen Defensive heraus auf taktischer und operativer Ebene mitunter ziemlich offensiv zu handeln.

Ja, ich habe Lee als Passivgeneral bezeichnet, weil er wider besseres Wissen häufiger zu Infantriefrontalangriffen
neigte wenn er nicht weiter kam. Das sollte jemand mit den Fähigkeiten die Ihm zugeschrieben werden nicht tun.

Rommel, naja, ein Panzergeneral der passiv agiert wäre so eine Sache. Ich beziehe mich da eher auf den Westfeldzug
bei dem Rommel bei einigen Gegenstößen schon mal zur Panik neigte und Du hast da auch die Logistik erwähnt.

Der Vergleich sollte eher taktischer Natur sein, Vergleich ist in sofern möglich, da beide Generäle auch vorne führten.

Allerdings sind die von mir eingesetzten Begriffe Passiv und Aktiv schnell misszuverstehen, ich kann gerade schwierig beschreiben, was ich damit meine.

Aber wie wollen wir eine echte Bewertung durchführen?
Bei dem Thema objektiv zu urteilen ist ein heißes Eisen.
Wahrscheinlich wird man nur ein paar wenige Grundzüge finden.
 
Ja, ich habe Lee als Passivgeneral bezeichnet, weil er wider besseres Wissen häufiger zu Infantriefrontalangriffen
neigte wenn er nicht weiter kam. Das sollte jemand mit den Fähigkeiten die Ihm zugeschrieben werden nicht tun.

Stellt sich allerdings die Frage, was ihm an anderen Möglichkeiten so blieb.

Lee hatte ja durchaus auch die etwas undankbare Aufgabe eine Bürgerkriegsarmee zu führen, deren Rekruten relativ schlecht ausgebildet in den Kampf geschickt wurden, was sicherlich ein Manko war, wenn es darum ging kompliziertere Angriffsoperationen zu führen.

Ich wäre auch bei den ihm zugeschriebenen Fähigkeiten etwas vorsichtig, weil sein Ruf ja doch sehr stark darauf beruht die Unionstruppen immer weider trotz Unterzahl zurückgeworfen zu haben.
Allerdings sollte man das, denke ich vor dem Hintergrund einer Waffentechnik, die insgesamt schon Tendenzen zeigte den Verteidiger zu begünstigen, vor dem Hintergrund, dass er sich als Verteidiger sehr oft das Schlachtfeld aussuchen konnte und die Nordstaatler es im Süden logistisch etwas schwerer hatten nicht überbewerten.

Damit will ich Lee nicht das militärische Verdienst absprechen die größeren Unionsarmeen in Teilen sehr gut ausmanövriert zu haben, aber die Grenzen zeigten sich dann doch, bei seinen eigenen Offensivbemühungen.
Insofern halte ich Lee ohnehin für etwas überbewertet, was sich wahrscheinlich dadurch ergibt, wenn man nur auf die Zahlen schaut.
 
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