Kreta im Abseits?

Ravenik

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Folgende Frage stellt sich mir schon lange:
Über die Geschichte der meisten Gegenden der antiken griechischen Welt wissen wir eigentlich relativ gut Bescheid. Doch da gibt es eine große Ausnahme: Kreta. Über die Geschichte dieser Insel in der Antike wissen wir so gut wie gar nichts, und vieles von dem bisschen, was wir wissen, stammt aus archäologischen Funden. Die antiken Historiker haben diese Insel fast vollkommen ignoriert. Das kann aber nicht daran liegen, dass es eine Insel war: Über etliche Inseln der Ägäis wie z. B. Lesbos oder Samos wissen wir auch relativ viel, von Sizilien mal ganz zu schweigen. Herodot z. B. hat ausführlich über die Geschichte des griechischen Festlandes, einiger Ägäisinseln und die Griechen Unteritaliens geschrieben, sogar die Geschichte Kyrenes hat er ausführlich dargestellt - aber zu Kreta schweigt er. Warum war die Insel in den Augen der antiken Griechen so uninteressant? Immerhin bestand sie aus zahlreichen Stadtstaaten, da muss sich doch auch etwas getan haben? Aber nicht nur für Historiker scheint sie uninteressant gewesen zu sein, sondern auch für die Politik: Die Athener z. B. wollten Sizilien erobern, aber für Kreta scheint sich niemand interessiert zu haben.
Hat jemand eine Erklärung, wieso diese Insel so ignoriert wurde?
 
Ich kann dir die Frage nicht genau beantworten, dazu müsste ich nochmal nachlesen, aber Kreta war in der Antike häufig in internen Bürgerkriegen gefangen, die die einzelen Städte gegeneinander führten. Zudem ist die Insel auch damals schon sehr karg und nicht sehr reich gewesen. Das hat Sie für andere wahrscheinlich uninteressant gemacht. Zudem gibt es schon Berichte über Kreta auch Platon und Aristoteles haben über Kreta geschrieben.
 
Kreta liegt ein ganzes Stück abseits vom restlichen Griechenland und überhaupt von anderem Land. Mit damaligen Mitteln der Seefahrt war es nicht ganz ungefährlich, dorthin zu segeln. Sizilien war zwar auch weit weg, aber durch die Nähe zu Italien besser erreichbar und außerdem sehr fruchtbar, was man von Kreta nicht behaupten kann. Allerdings bezeichnet sie schon Homer als Insel der hundert Städte, was schon für eine gewisse Bedeutung spricht.
Aber in der Blütezeit kretischer Kultur, der minoischen Epoche, wirde hauptsächlich die Linear A-Schrift verwendet, die bisher kaum entziffert ist, beruht sie doch nicht auf den indogermanischen Schriften. Daher konnten die Quellen in dieser Schrift auch noch nicht verwertet werden.
Mir ist aber auch nicht klar, warum in klassischer griechischer Zeit Kreta so unbedeutend war. Eine Vermutung: Es lag zu weit abseits, fern der Hauptverkehrsrouten über die Aegaeis (z.B. Peloponnes bzw. Festland zur Ionischen Küste), und wurde daher im restlichen Griechenland kaum wahrgenommen.
 
Eine Frage dazu: Hat man damals nach Kyrene den doch sehr weiten Küstenweg gewählt, oder eher die direkte Route über das Mittelmeer, wo man fast zwangsläufig auf Kreta anlegt? Gibt es dazu Informationen?
 
Wenn es euch wirklich interessiert lese ich es nochmal nach, habe mir auf dem letzten Kretaurlaub einen geschichtsband zu Kreta gekauft, der nicht nur die minoische Zeit sondern bis in die Moderne behandelt.
Gebt mir ein bischen Zeit nochmal reinzuschauen.
Aber generell weiß man schon etwas über kreta zu allen Epochen, sowohl zur griechischen Blütezeit als auch zur römischen Zeit.
Kreta war auch durch die geographie immer in vile Einzelstaaten zersplittert, sie hatten keine großen rohstoffe und waren durch innere Kriege eher arm. Das hat Sie nie zur Großmacht werden lassen. Aber es ist auch nicht so das sich niemand dafür inetressiert hat. Es gab regen Kontakt zu Sparta, die auch dann und wann eingegriffen haben. Sizilien ist mit Syrakus eine Ausnahme, weil Syrakus natürlich sehr groß und sehr mächtig war und in einer Liga mit Athen und Sparta gespielt hat.
kreta ist nie kolonie einer der großen städte geworden, weil sie ja schon vorher immer griechisch war und es keinen Platz mehr für eine neue kolonie gab. Wenn man Handel treiben wollte dann machte man das eben mit den vorhandenen Staaten. Kreta ist griechisches Kernland. Athen hat ja auch nirgendwo sonst in Griechenland eine wirkliche Kolonie gehabt. Kolonie gründet man in der Fremde.
Kreta hatte also lange keine strategische bedeutung und taucht oberflächlich nicht in der Geschichte auf. Zudem ist es ja auch imer Zufall welche Schriften überleifert worden sind. Vileicht aht es große schriften über kreta gegeben die aber verloren sind.
Die Entfernung hat sicher keine Rolle gespielt, wenn die minoer von kreta aus ein großes Handelsreich per Schiffahrt erschließen konnten wird das 1000 Jahre später den Griechen sicher auch gelungen sein die insel gut zu erreichen.
 
Die Entfernung hat sicher keine Rolle gespielt, wenn die minoer von kreta aus ein großes Handelsreich per Schiffahrt erschließen konnten wird das 1000 Jahre später den Griechen sicher auch gelungen sein die insel gut zu erreichen.

Mag sein, aber die Kreter mussten wegen der einsamen Lage sowieso immer aufs offene Meer, da hatten sie kaum eine Wahl. Die anderen Poleis hatten genug Land in Reichweite, da mussten sie nicht unbedingt sich den Gefahren des offenen Meeres aussetzen, um gerade nach Kreta zu fahren.
 
Soweit weg leigt Krta auch wieder nicht, über Kythera und Antikythera z.b. sind die Distanzen ja gar nicht mehr hoch und die griechen waren durchaus in der Lage Hochseeschiffahrt zu betreiben und nicht immer nur an der Küste entlang zu fahren. Die Entfernungen nach Kreta waren nicht anders als zu vielen anderen Inseln der Agäis und z.B deutlich kürzer als die Überfahrt von Griechenland nach Italien.
 
Vor allem schafften es die Kreter schon in minoischer Zeit, von ihrer Insel aus andere Länder zu erreichen, da muss das später umgekehrt erst recht möglich gewesen sein.
 
Zwei Bücher würde ich nennen:

Theocharis E. Detorakis, Geschichte von Kreta: umfaßt den Zeitraum von den Anfängen bis zum 2. Weltkrieg; etwas oberflächlich und etwas, ähm, patriotisch, aber eben ein weiter Überblick kompakt zusammengefaßt

Angelos Chaniotis, Das antike Kreta: kleines Taschenbuch aus der C.H. Beck Wissen-Reihe, sehr zu empfehlen
 
Hallo,
das Schiff ist doch eigentlich die einzige Möglichkeit eine sehr große Menge Waren schnell zu transportieren. Das ist auch heute noch so. Und Abseits liegt Kreta eigentlich nicht, hier mal aus der Wiki zu den Entfernungen.

Kreta liegt 160 Kilometer südlich des griechischen Festlands. Sie ist die größte griechische Insel und nach Zypern die zweitgrößte des östlichen Mittelmeeres. Die Insel hat eine gestreckte Form, sie misst in Ost-West-Richtung über 260 Kilometer bei einer größten Breite von 60 Kilometern. An ihrer schmalsten Stelle (bei Ierapetra) ist Kreta 12 Kilometer breit. Kreta liegt auf dem 34. und 35. nördlichen Breitengrad und zwischen dem 23. und 26. östlichen Längengrad. Die Entfernung zu Afrika beträgt 300 Kilometer, zu Asien 175 Kilometer und zum europäischen Festland 100 Kilometer.

Von Kreta aus sollte also Europa und die Levante in einem Tag per Galeere/Triere zu erreichen sein, Afrika in zwei. Das müsste doch eigentlich eher für Kreta als Handelsplatz sprechen als dagegen und mit Handel kommt immer Bedeutung. Warum gab es kein Syrakus auf Kreta, rivalisiernde Stadtstaaten gab es auf Sizilien ja auch genug.
Gruß, Theoderich
 
Folgende Frage stellt sich mir schon lange:
Über die Geschichte der meisten Gegenden der antiken griechischen Welt wissen wir eigentlich relativ gut Bescheid. Doch da gibt es eine große Ausnahme: Kreta. Über die Geschichte dieser Insel in der Antike wissen wir so gut wie gar nichts, und vieles von dem bisschen, was wir wissen, stammt aus archäologischen Funden.

Diesen Eindruck habe ich ebenfalls, allerdings ist die Zeit der minoischen Hochkultur in den letzten 100 Jahren nach den Ausgrabungen von Arthur Evans um 1900 vielfach beschrieben und analysiert worden. Die Ägypter haben uns in dieser Hinsicht wertvolle schriftliche Hinweise hinterlassen und auch auf Kreta selbst vermitteln die Tontafeln in Linear-B manche wichtigen Erkenntnisse - leider können wir Linear-A, also die Sprache der minoischen Kreter, noch immer nicht verstehen.

Zwischen 1200 und 800 v. Chr. gab es in Griechenland und der Ägäis nach dem Seevölkersturm die berüchtigten "Dark Ages", in denen man auch vom griechischen Festland nichts hört. Darauf folgten auf Kreta mehrere Poleis, die sich häufig bekämpften, und da auch die kretische Wirtschaft keine berühmte Exportware produzierte, auch keine politischen Mächte von Kreta aus in Griechenöand eingriffen, hatten die antiken Historiker kein besonderes Interesse an Kreta. Zur Zeit des Hellenismus fällt Kreta eher durch Piraterie als kulturellen Glanz auf, was die Römer dann ja auch veranlasste, die Insel 69 v. Chr. zu erobern.

Nach der römischen Eroberung fügten sich die Kreter ohne Widerstand ins Römische Reich ein und die Insel zählte zu den friedlichsten Provinzen im Reichsverband. Kein Wunder also, dass wir auch aus römischer Zeit nur wenig von Kreta hören.

In die historischen Annalen gelangte die Insel erst wieder Mitte des 17. Jh., als die Türken das venezianische Kreta nach mehrjährigen Kämpfen eroberten. Aber da war die Antike schon seit über 1000 Jahren vorbei.
 
Nach der römischen Eroberung fügten sich die Kreter ohne Widerstand ins Römische Reich ein und die Insel zählte zu den friedlichsten Provinzen im Reichsverband. Kein Wunder also, dass wir auch aus römischer Zeit nur wenig von Kreta hören.

Das ist im Übrigen mit Sizilien ganz ähnlich: Bis zur römischen Eroberung wissen wir recht viel über die Insel, dann ist für Jahrhunderte Ruhe, abgesehen von den ciceronischen Reden contra Verrem.
 
Sizilien war aber auch Schauplatz zweier Sklavenkriege sowie Stützpunkt von Sextus Pompeius. Auf Kreta hingegen scheint wirklich nichts los gewesen zu sein.

Weiß eigentlich jemand, wieso Kreta mit der Kyrenaika im Römischen Reich zu einer Provinz zusammengefasst wurde, die dann obendrein auch noch von Gortyn aus regiert wurde?
 
Weiß eigentlich jemand, wieso Kreta mit der Kyrenaika im Römischen Reich zu einer Provinz zusammengefasst wurde, die dann obendrein auch noch von Gortyn aus regiert wurde?

Da werde ich mal noch etwas gucken, denn das ist ein wichtiger Punkt für zukünftige Forschungen meinerseits. Die Kyrenaika ist so eine Art griechischer Insel in Nordafrika, da hat man das wohl am ehesten mit der nächsten griechischen Ecke zusammengepackt, eben Kreta.

Ich könnte mir auch denken, daß auch in klassischer und hellenistischer Zeit Kreta eine wichtige Brücke zur Kyrenaika darstellte.
 
Ich könnte mir auch denken, daß auch in klassischer und hellenistischer Zeit Kreta eine wichtige Brücke zur Kyrenaika darstellte.
Diese wichtige Brücke hatte vermutlich schon in vorhellenistischer, also bereits in minoischer Zeit bestanden. Ich bin ja kein Seebär, sondern eine ausgesprochene Landratte, aber wenn man sich auf einer Seekarte die Strömungsverhältnisse im Mittelmeer mal so ansieht, dann hat die minoische Handelsflotte auf ihrem Weg nach Ägypten den Hafen des heutigen Alexandria vermutlich nicht direkt angelaufen, sondern vielmehr den leichteren (Um)Weg über die Cyrenaika genommen.
Ob es dort auch minoische Stützpunke gab, davon ist mir leider nichts bekannt. Aber nach dem Sturm der Seevölker geriet ohnehin sehr vieles in Vergessenheit und diese ganze Region versank über mehrere dunkle Jahrhunderte im Dornröschenschlaf (siehe Titel dieses Threads).

Aber zum Glück bin ICH ja jetzt da. Wenn ihr irgendwas nicht wisst, dann fragt mich einfach. :D *Ironie aus*
 
Nun, es gab ja "Eingeborene" dort, aber war die Gegend vor der Gründung Kyrenes von Interesse für die Griechen? Rohstoffe, Absatzmärkte?

Und die Minoer haben wirklich Alexandria angesteuert?????????????? Oder habe ich das verkehrt verstanden?
 
Ob es dort auch minoische Stützpunke gab, davon ist mir leider nichts bekannt.

Man müßte mal gucken, ob es Verwaltungstexte gibt, in denen die Kyrenaika irgendwie auftaucht?

Da Kyrene im 7. Jhdt. v. Chr. gegründet wurde, wird es kaum zuverlässige Quellen über Kontakte mit der dortigen Gegend davor geben.

Nein, zuverlässige Quellen wären ja auch ein Traum. Aber man könnte ja gucken, ob im Umfeld des Trojanischen Krieges irgendetwas erwähnt wird, vielleicht kam Odysseus ja mal vorbei, Hesiod erzählt irgendetwas über die "berühmten Pferde der Kyrenaika", in den Olympischen Siegerlisten taucht einer von dort auf, oder aber es gibt archäologische Quellen, die massive Handelskontakte, Kulturkontakte oder andere Kontakte bezeugen können, irgendetwas in dieser Art?
 
Erwähnungen der Kyrenaika bei Homer und Hesiod kenne ich nicht. Olympiasieger von dort mag es gegeben haben, aber die kamen, da keine Nichtgriechen teilnehmen durften, mit Sicherheit aus einer der dortigen griechischen Kolonien, belegen also keine vertieften Kontakte für die Zeit vor ihrer Gründung.
 
Tja, um eine Rückkehr zur Frage nach der Zusammelegung von Kreta und der Kyrenaika als römische Provinz hinzukriegen: in hellenistischer und klassischer Zeit wird es Verbindungen gegeben haben, für die Zeit davor haben wir keine Quellen.
Trotzdem reichen diese Verbindungen in römischer Zeit aus.
 
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