War das Fränkische Reich zum Scheitern verurteilt?

Mit dem westfränkischen Reich habe ich meine Probleme, ob es als Fränkischer Staat bis heute durchgehalten hat und damit der Erbe der Franken ist.

Zum einen ist der fränkische Adel nach Neustrien gezogen und hat sich durch Heirat sehr schnell dadurch stark an die Gallo-Römische Bevölkerung angepasst.

Während der Regierungszeit Karl's des Einfältigen geht die Macht der Könige zurück. Und danach noch mehr, so das die Herzöge in Frankreich so stark wurden, das sie eigene Staaten hatten. Die Herzöge waren zu Zeiten Wilhelm des Bastard's stärker als der König von Frankreich, der seine Macht im grunde auf die Ile de France beschränkt sah. Hätten die Herzöge es darauf abgesehen, währe der König entmachtet worden.

Damit hat sich das Fränkische Reich in die Geschichte verflüchtigt, genauso wie später das HRRDN, nur hat es zum damals jeweiligen Zeitpunkt keiner gesehen oder sehen wollen, um die persönliche Machtlegimitation zu halten. Der Staat der Franken hat sich einfach auseinander entwickelt und die Reste weiterentwickelt.

Apvar
 
All das ändert aber nichts daran, dass der Fränkische Staat zumindest formell, verkörpert durch die Reihe legitimer Könige, durchgehend bestehen blieb.
 
Es ist keine Frage, dass man mit den Normannen im 11. und 12. Jahrhundert seine Probleme hatte. Gewonnen haben sie letzlich nicht.
 
Damit hat sich das Fränkische Reich in die Geschichte verflüchtigt, genauso wie später das HRRDN, nur hat es zum damals jeweiligen Zeitpunkt keiner gesehen oder sehen wollen, um die persönliche Machtlegimitation zu halten. Der Staat der Franken hat sich einfach auseinander entwickelt und die Reste weiterentwickelt.

Die fränkischen/französischen Könige blieben aber letztlich an der Spitze der Feudalordnung des westfränkischen/französischen Reichs, unabhängig davon ob Wilhelm der Bastard/der Eroberer bereit war das zu akzeptieren. Dessen Sohn Robert Kurzhose huldigte gegenüber Philipp I. für die Normandie. Auch die Plantagenets erkannten in mehreren Lehnseiden den französischen König als Oberherren ihrer vielen Lehen in Frankreich an.

Der Feudalismus wurde in Frankreich im 13. Jahrhundert zugunsten eines Monarchismus überwunden, welcher von Königen wie Philipp II. Augustus oder Ludwig IX. als Erneuerung der universellen Königsmacht der Karolinger verstanden wurde. Prinz Karl von Anjou hat man nicht umsonst diesen Namen gegeben.
 
Ethnogenesen sind komplexe und langwierige Prozesse mit langen Übergangsphasen und Zeitsäumen.
Richtig.
Und während der Übergangsphase sind eben sowohl die alten wie die neuen Aspekte vorhanden - es gibt da kein eindeutiges "entweder - oder"!

Dennoch wird Hugo Capet, der 987 den Thron bestieg, mit einigem Recht als "französischer König" bezeichnet
Mit einigem Recht, ja.
Aber mit einigem Recht kann man ihn auch als fränkischen König bezeichnen - das ist eben genauso gültig und sinnvoll.
Denn immerhin hat er sich selber so genannt, das halte ich für ziemlich wichtig.

Entscheidend ist immer auch die Fragestellung.
Man kann eine "Geschichte des Frankenreichs" schreiben und beginnt im 5. Jahrhundert und endet im 13. Jahrhundert, mit spezieller Berücksichtigung des ostfränkischen Reichsteils unter den Ottonen und Saliern. Und mitten drin finden wir dann Hugo Capet als (west-)fränkischen König).

Eine "Geschichte des französischen Königreichs" könnte dagegen durchaus mit Karl dem Kahlen starten und da wäre Hugo Capet ein früher französischer König.
Dito wird natürlich eine "Geschichte Deutschlands" die Ottonen und Salier beinhalten - und es wäre reine Geschmackssache des Autors, ob er bei Verweisen auf den Nachbarkönig Hugo Capet diesen als Westfranken oder Franzosen bezeichnet.

Keines dieser Bücher wäre in seiner Darstellung falsch, wenn es - wegen seiner generellen Fragestellung - einen Aspekt der Transformationszeit betont, der in den anderen Büchern andersrum gesehen wird. Das sind keine Widersprüche, sondern eben der Doppelnatur der Ethnogenese-Phase geschuldet.

Und darum, um auf die Grundfrage zurückzukommen:
Wenn jemand fragen würde: Heißt der letzte Frankenherrscher Sarkozy?
Dann würde ich antworten: Nein, die Frankenperiode ist längst vorbei.
Da aber gefragt wurde: Ist das Frankenreich gescheitert?
Da ist meine Antwort: Nein, es ist trotz aller Wandlungen und Umbenennungen immer noch präsent.
 
Hallo zusammen, ich lese diesen Thread nun ja schon eine Weile mit und würde das Pferd gerne anders aufzäumen:
Welche Kriterien erfüllen den das heutige Frankreich, bzw die einzelnen Entwicklungsschritte des regnum fracorum um mit dem Frankenreich der Merowinger/Karolinger identifiziert zu werden?

Nachdem hier ja so vehement für und gegen die Bezeichnung des Königs argumentiert wurde, würde ich gerne mal wissen wieso man nicht von einem Römischen Reich sprechen soll, zumindest und der den Kaisern, die sich als Imperator romanum und Augustus bezeichnen? Oder anders gefragt, ist die Römische Republik gescheitert? Wenn ja wieso, dem Namen und den Institutionen nach hat sie ja noch sehr lange Bestand gehabt.

Um also festzustellen ob das Frankenreich (welches denn überhaupt?) zum Scheitern verurteilt war oder gescheitert ist, sollte man erst einmal bestimmen, was das Frankenreich kennzeichnet? Für mich typisch für ein fränkisches Herrschaftsgebiet sind die Reichsteilung unter den Söhnen, insofern endet das Frankenreich mit der Einführung der Primogenitur und dem Verlust der Reichseinheit am Ende des 9. Jahrhunderts. Ab diesem Zeitpunkt würde ich die Übergangsphase zum Frankreich und letztendlich zum Nationalstaat ansiedeln.
 
Richtig.
Und während der Übergangsphase sind eben sowohl die alten wie die neuen Aspekte vorhanden - es gibt da kein eindeutiges "entweder - oder"!

Genau so habe ich das weiter vorn bereits beschrieben:

"Zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen dem 10. und 13. Jh. war unser Franke Franzose, sprach keine germanische sondern eine romanische Sprache, unterschied sich von seinem germanischen deutschen Kollegen jenseits des Rheins durch eine andere Identität. Bei all dem ist zu bedenken, dass der weit überwiegende Teil der Bevölkerung Frankreichs gallo-romanischer Herkunft war, der die Franken allmählich assimiliert und seine romanische Sprache durchgesetzt hatte. "

Ich denke, mehr lässt sich dazu nicht sagen. Man kann höchstens spekulieren, in welcher ungefähren Zeit dieser Schritt vom Frankenreich zum französischen Staat vollzogen war. Und da Frankreich heute kein Reich der Franken mehr ist, muss er zu irgendeinem nicht exakt bestimmbaren Zeitpunkt erfolgt sein.

Mit einigem Recht, ja.
Aber mit einigem Recht kann man ihn auch als fränkischen König bezeichnen - das ist eben genauso gültig und sinnvoll.
Denn immerhin hat er sich selber so genannt, das halte ich für ziemlich wichtig.

Auch die Ottonen nannten ihr Reich noch Regnum Francorum orientalium oder kurz Regnum Francorum. Dennoch wird kein Historiker auf die Idee kommen, die Ottonen und Salier als "Ostfränkische Könige" zu bezeichnen. Ein Mediävist sagte dazu: "Otto der Große hat Deutschland nicht vorgefunden, aber geholfen, es zu erschaffen."

Ähnlich sieht das auch beim dux francorum und späterem rex francorum Hugo Capet aus. Es gibt keine Publikation, die ihn als "fränkischen König" bezeichnen würde. Er steht am Anfang des werdenden französischen Staates, was selbstverständlich impliziert, dass fränkische Traditionsstränge noch reichlich vorhanden sind.

Dito wird natürlich eine "Geschichte Deutschlands" die Ottonen und Salier beinhalten - und es wäre reine Geschmackssache des Autors, ob er bei Verweisen auf den Nachbarkönig Hugo Capet diesen als Westfranken oder Franzosen bezeichnet.

Das ist sicherlich richtig, denn Hugo Capet stand an der Schwelle zu einem neuen Staatsgebilde. Aus Sicht heutiger Historiker geht das Frankenreich mit dem Aussterben der letzten Karolinger und der Wahl Hugo Capets zum Rex Francorum dem Ende entgegen. Das renommierte Lexikon des Mittelalters bezeichnet Hugo Capet bereits als "französischen König" und das geschieht auch in anderen Veröffentlichungen. Hugo selbst wird sich vermutlich noch als Westfranke gefühlt haben und ihm war sicherlich nicht bewusst, dass spätere Chronisten die Thronfolge der Kapetinger als eine Zäsur betrachten würden, wie solche Zäsuren den Zeitgenossen meist nicht bewusst sind.

Was heißt das also? Was wir oben bereits mehrfach sagten. Zwischen dem 10. und 12. Jh. vollzog sich der mentale Wechsel vom Frankenreich hin zu einem Staat der Franzosen. Die Verschmelzung der germanischen Franken mit der gallo-romanischen Bevölkerung war zu diesem Zeitpunkt aber schon vollzogen.

Da aber gefragt wurde: Ist das Frankenreich gescheitert?
Da ist meine Antwort: Nein, es ist trotz aller Wandlungen und Umbenennungen immer noch präsent.

Dass es nicht gescheitert ist, sondern einen Transformationsprozess erlebte, da sind wir gewiss einer Meinung. Aber ob man sagen kann, dass es noch präsent ist, da habe ich doch große Zweifel. Ist denn das Frankenreich oder das Ostfränkische Reich bei uns noch präsen? Wir wissen, wie sich aus dem Frankenreich Deutschland und Frankreich entwickelt haben. Aber eine reale Präsenz kann man wohl kaum postulieren.
 
Ähnlich sieht das auch beim dux francorum und späterem rex francorum Hugo Capet aus. Es gibt keine Publikation, die ihn als "fränkischen König" bezeichnen würde.

Wiederholungen machen es nicht besser.

Hugo selbst wird sich vermutlich noch als Westfranke gefühlt haben und ihm war sicherlich nicht bewusst, dass spätere Chronisten die Thronfolge der Kapetinger als eine Zäsur betrachten würden, wie solche Zäsuren den Zeitgenossen meist nicht bewusst sind.

Meinst du mit deinen späteren Chronisten dein "renommiertes Lexikon des Mittelalters" ? Weil es dort 600 Jahre später so bezeichnet wird, muss es so sein? Wie du richtig schreibst, hat Hugo sich vermutlich als Franke gefühlt und wurde auch so genannt.

Was heißt das also? Was wir oben bereits mehrfach sagten. Zwischen dem 10. und 12. Jh. vollzog sich der mentale Wechsel vom Frankenreich hin zu einem Staat der Franzosen.

Der lässt sich nun mal nicht belegen. Für z.B. Hugo anscheinend nicht.

Dieter schrieb:
Die Verschmelzung der germanischen Franken mit der gallo-romanischen Bevölkerung war zu diesem Zeitpunkt aber schon vollzogen.

Und da haben wir doch das Problem. Die Franken waren längst keine Germanen mehr, falls sie es in Reinform jemals waren. Dort gedieh seit Chlodvig eine fränkische Kultur, die in ihrem westlichen Kernland eben nicht germanisch sprach, sondern Vulgärlatein, seit die Franken als Grenztruppen in römischen Diensten standen. Genau dies war aber im Kern DAS Frankenreich, kein holländisch redender wilder Germanenhaufen am Rhein, sondern eine aus diesen und den römischen Grenztruppen kondensierende
Gesellschaft. Wenn man einen Übergang sehen will, ist der viel früher anzusetzen.
 
Um also festzustellen ob das Frankenreich (welches denn überhaupt?) zum Scheitern verurteilt war oder gescheitert ist, sollte man erst einmal bestimmen, was das Frankenreich kennzeichnet? Für mich typisch für ein fränkisches Herrschaftsgebiet sind die Reichsteilung unter den Söhnen, insofern endet das Frankenreich mit der Einführung der Primogenitur und dem Verlust der Reichseinheit am Ende des 9. Jahrhunderts. Ab diesem Zeitpunkt würde ich die Übergangsphase zum Frankreich und letztendlich zum Nationalstaat ansiedeln.

Kennzeichnend für das Frankenreich sind zunächst die namengebenden germanischen Franken, die Gallien eroberten und später weite Teile Europas. Man könnte also sagen, dass mit dem Verschwinden der Franken als eigenständiges ethnisches Element auch das Reich der Franken wenn nicht unterging, so doch einen Prozess der Wandlung erlebte.

Ferner gelten die Karolinger als große fränkische Dynastie. Daher lassen viele das Frankenreich mit dem Aussterben der Karolinger enden. Ferner muss man wohl auch typisch germanische Herrschaftsstrukturen und deren allmähliches Verschwinden bedenken sowie die Verschmelzung von Franken und gallo-romanischer Bevölkerung zu einem neuen Volk, nämlich dem der Franzosen.
 
Was heißt das also? Was wir oben bereits mehrfach sagten. Zwischen dem 10. und 12. Jh. vollzog sich der mentale Wechsel vom Frankenreich hin zu einem Staat der Franzosen. Die Verschmelzung der germanischen Franken mit der gallo-romanischen Bevölkerung war zu diesem Zeitpunkt aber schon vollzogen.

Philipp II. August beanspruchte die Nachkommenschaft sowohl in dynastischer wie auch rechtlicher Hinsicht von Karl dem Großen. Er begründete den Kreis der zwölf Pairs der in den legendären Paladinen Karls des Großen sein Vorbild hatte. Ludwig VIII. wurde seine karolingische Abkommenschaft anerkannt und er machte die fleur-de-lys zum Wappen seines Königreichs, welche der Legende nach der Merowinger Clodwig bei seiner Taufe von einem Engel überreicht wurde. Sein jüngster Sohn wurde Karl genannt, wie auch sein Halbbruder so im Diminutiv hies. Von einen "mentalen Wechsel" zeugt sowas nicht gerade.

Was stimmt ist, dass im Frankreich des 13. Jahrhunderts eine bewusste Trennung sowohl in staatlicher wie auch auf national-völkischer Ebene von den Teutonen und Engländern eintrat. Propagandistisch wurde das bereits vom Hofkaplan Philipps II., Wilhelm dem Bretonen, in seiner La Philippide begonnen. Allerdings wurde dies von den Zeitgenossen nicht als ein Bruch oder Trennung von ihren bisherigen fränkischen Traditionslinien aufgefasst, eher als deren Erneuerung. Der Bretone lies Philipp II. seine Ritter als Nachkommen der Trojaner ansprechen, dem im Mittelalter üblicherweise postuliertem Urstamm der Franken.

Schlacht bei Bouvines ? Wikipedia
Dekretale Per Venerabilem ? Wikipedia
Ludwig VIII. (Frankreich) ? Wikipedia
 
Und da haben wir doch das Problem. Die Franken waren längst keine Germanen mehr, falls sie es in Reinform jemals waren. Dort gedieh seit Chlodvig eine fränkische Kultur, die in ihrem westlichen Kernland eben nicht germanisch sprach, sondern Vulgärlatein, seit die Franken als Grenztruppen in römischen Diensten standen. Genau dies war aber im Kern DAS Frankenreich, kein holländisch redender wilder Germanenhaufen am Rhein, sondern eine aus diesen und den römischen Grenztruppen kondensierende
Gesellschaft. Wenn man einen Übergang sehen will, ist der viel früher anzusetzen.

Das ist so nicht richtig. Das Gebiet der salischen Franken (ich nehme an, daß du das als "westliches Kernland" meinst) war bis auf das westliche Randgebiet germanisch und blieb es. Wenn Franken die Sprache der Römer lernten, dann ist noch lange nicht gesagt, daß sie diese auch als ihre Muttersprache betrachteten. Die Franken waren als Föderaten mit der Sicherung der römischen Reichsgrenze beauftragt. Der Föderatenstatus beinhaltete aber auch eine innere Selbstverwaltung des Stammesgebietes, so daß eine Romanisierung nicht zwingend war. Sie fand nur dort statt, wo die Franken nicht die Bevölkerungsmehrheit stellten - also im gallo-römischen Raum. Im heutigen Flandern, dem Kerngebiet der salischen Franken hingegen stellten sie die Bevölkerungsmehrheit, weil Rom hier Franken in einem durch ständige germanische Raubzüge nahezu entvölkerten Gebiet ansiedelte. Rom betrieb hier eine kluge Besiedungspolitik, um aus Ödland wieder eine blühende Landschaft zu machen.
Die Franken, die sich im gallo-römischen Raum ansiedelten und die Sprache der dortigen Bevölkerung als ihre Muttersprache annahmen gingen dagegen in diesem Volk auf. Deren Nachkommen würde ich nicht mehr als "Franken" im eigentlichen Sinne ansehen.
 
@Barbarossa:
Ich schrieb oben von Chlodvigs Reich. Der saß aber längst in Paris, und nicht in einem Ödland an der belgischen Grenze. Er stützte sich auf gallo-römische Bischöfe und Teile der alten Verwaltung.
Und genau das ist die Frage: Was ist denn zu Chlodvigs Zeiten noch von einem "germanischen" (bewusst in "") Frankenreich übrig gewesen?

Nebenbei: Ob man im 4.Jhd. noch von einer "klugen Besiedlungspolitik" der Römer sprechen kann, oder eher von einem Hinnehmen der Gegebenheiten, ließe sich ebenfalls diskutieren.
 
Ferner gelten die Karolinger als große fränkische Dynastie.

Das mag ja sein,daß die Karolinger noch Franken waren, aber schon das Karolingerreich würde ich nicht mehr als fränkisches Reich sondern als multiethnisches Universalgebilde ansehen,welches eigene ,nichtfränkische Traditionen begründete-Stichwort karolingische Renaissance- um alle darin vereinten Stämme und Völkerschaften auch zu integrieren.Spätestens mit dem imperialen Anspruch Karls des Großen kann man daher m.E. nicht mehr vom Frankenreich sprechen.
Das Ende des Frankenreiches wäre damit in der Merowingerepoche anzusetzen,in dem sich der Übergang vom Stammeskönigtum zum Universalreich vollzogen hat.
 
@Barbarossa:
Ich schrieb oben von Chlodvigs Reich. Der saß aber längst in Paris, und nicht in einem Ödland an der belgischen Grenze.?
Das ist mir schon klar. Ich wollte nur klarstellen, daß das Gebiet der salischen Franken keineswegs romanisiert wurde und habe die Hintergründe dafür durchleutet.

Er stützte sich auf gallo-römische Bischöfe und Teile der alten Verwaltung.
Und genau das ist die Frage: Was ist denn zu Chlodvigs Zeiten noch von einem "germanischen" (bewusst in "") Frankenreich übrig gewesen?
Er eroberte nichtgermanische, katholische Gebiete, bei denen Chlodwig annehmen mußte, daß sich trotz regem Zuzugs von Franken an der grundsätzlichen Bevölkerungsstruktur und -kultur nichts wesentliches ändern würde. Die Frage, die er sich stellen mußte war: wie festigt man als König auch in diesen Gebieten seine Königsherrschaft. Mit dem Übertritt zum Katholizismus bei gleichzeitiger Fixierung als Oberhaupt der Reichskirche ging er einen Kompromiß mit der Kurie ein. Selbstverständlich mußten dann auch Bischöfe aus den neuen Provinzen in sein Gefolge aufgenommen werden, da er sich im Wesentlichen auf diese bereits bestehenden Strukturen stützen wollte und mußte. Die Frage, ob ein solches Reich noch als "Frankenreich" im eigentlichen Sinne anzusehen ist, würde ich mit -ja- beantworten, denn alle wichtigen Regierungsoberhäupter waren stets Franken - die Könige und auch die Hausmeier (z. B. die Karolinger).
 
Das mag ja sein,daß die Karolinger noch Franken waren, aber schon das Karolingerreich würde ich nicht mehr als fränkisches Reich sondern als multiethnisches Universalgebilde ansehen,welches eigene ,nichtfränkische Traditionen begründete-Stichwort karolingische Renaissance- um alle darin vereinten Stämme und Völkerschaften auch zu integrieren.Spätestens mit dem imperialen Anspruch Karls des Großen kann man daher m.E. nicht mehr vom Frankenreich sprechen.
Das Ende des Frankenreiches wäre damit in der Merowingerepoche anzusetzen,in dem sich der Übergang vom Stammeskönigtum zum Universalreich vollzogen hat.

Schon vor dem imperialen Anspruch Karls titulierte sich dieser als rex francorum et langobardorum et patritius/patricius romanorum.
Letzteres dürfte aber auf die Bewohner der Stadt Rom bezogen gewesen sein. Vielleicht können wir uns über die leges der Germanenreiche ein wenig der Frage nähern, wie lange man von Frankenreich sprechen kann.
Im Lex Burgundionem werden, genauso wie in den westgotischen Gesetzen Römer und Burgunder/Westgoten etc. getrennt.
In den fränkischen Gesetzen habe ich einen derartigen Passus nicht gefunden, ich habe sie aber auch nur sehr oberflächlich daraufhin untersucht. Es ist jedoch bezeichnend, dass nach der Eroberung der muslimisch beherrschten Septimania durch die Franken das westgotische Gesetz dort wieder Gültigkeit hatte. Warum setzen die Franken einen Gesetzescodex wieder inkraft, der ihnen "fremd" ist und zu einem untergegangenen Königreich gehört?
 
...Es ist jedoch bezeichnend, dass nach der Eroberung der muslimisch beherrschten Septimania durch die Franken das westgotische Gesetz dort wieder Gültigkeit hatte. Warum setzen die Franken einen Gesetzescodex wieder inkraft, der ihnen "fremd" ist und zu einem untergegangenen Königreich gehört?

Ich muß sagen, das ist mir jetzt auch neu.
Andererseits waren die Franken ja nicht an diesem Zusammenbruch des Westgotenreiches beteiligt. Für die christlichen Machthaber im Mittelalter galten Gebiete, die von Nichtchristen beherrscht waren, als "herrenlos".
Galt daher dieses ehemals westgotische Gebiet bei den Franken möglicherweise noch immer als westgotisch?
:grübel:
 
Es war ja nicht nur Septimanien,sondern auch andere (Stammes)Gebiete des Karolingerreiches hatten eigenes Recht , das statt oder neben der lex salica/lex ribuaria galt.Sogar in den capitulare saxonicum gibt es Hinweise auf die Fortgeltung sächsischen Rechts ,das später als lex saxonum codifiziert wurde.
Wir haben also eine föderative Rechtsordnung mit starken,nebeneinander geltenden Partikularrechtsordnungen und einem als Klammer fungierenden Reichsrecht

Das deutet,ebenso wie die Titelführung darauf hin, daß sich die Karolinger eben nicht mehr als Herrscher eines fränkischen Reiches sondern eines föderativen unversalen Imperiums verstanden.
Damit müßte man das Ende des Frankenreiches wohl in der Merowingerzeit ansetzen.
 
Das Problem mit dem fränkischen Recht (also der Lex Salica) ist meines erachtens für unseren Fall hier auch noch vorhanden. Wenn ich mich richtig erinnere wird zumindest bei der Bestrafung von Tötungsdelikten ein Unterschied zwischen Galloromanen und Franken gemacht. Die Franken sind dabei "teurer" also höher eingeschätzt. Noch "wertvoller" sind allerdings die Tischgenossen des Königs, also die Oberschicht im Merowinger Reich. Zu dieser Oberschicht gehörten aber sicherlich auch der römische Bischoff bzw. hochrangiger Klerus, da über die Kirche das Reich mit verwaltet wurde. Insofern hat man einerseits eine deutliche Trennung von Franken und Galloromanen und andereseits aber eine Integration der galloromanischen Oberschicht in die Hierarchie des neu entstandenen Frankenreichs. Da durch den Rückzug des Römischen Reichs schon vorher das Kirchenrecht an Bedeutung hinzugenommen hat, kann ich mir vorstellen, dass es in den eroberten Gebieten (Syagrius-Reich udn später dann Burgund, Septimanien und Tolosanisches Reich) die Praxis bebehalten wurde neben den römischen Recht die damals lokalen germanischen Rechtsordnungen weiter zu benutzen, denn das kannte man ja auch aus seiner eigenen Kernregion so. Zumal es auch eher unwahrscheinlich ist, dass sich allzuviele Franken in den eroberten Gebieten niedergelassen haben, schließlich war der Volksstamm, wie bei allen Germanenstämmen, nur von begrenzter Zahl und hatte dazu noch seine "Heimat" nicht verlassen, sondern nur zusätzliche Gebiete erorbert.
Nimmt an die Rechtsaufteilung so an wie ich sie nun skizziert habe, so denke ich, dass es schon relativ früh (also noch zur Merowingerzeit) einen föderativen Charakter in den fränkischen Gebieten gab. Allerdings fehlen mir die Mittel um einen 100% Beweis zu erbringen, das die einzelnen Gesetzte unter der Merowingerzeit beibehalten wurden.
 
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