Kirchenglocken in den Weltkriegen?

klaus trophob

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Mich würde interessieren, wofür genau das Material der beschlagnahmten Kirchenglocken gebraucht wurde. Meine Vermutung ist ja, dass es um das Kupfer ging, da nur Bronzeglocken beschlagnahmt wurden und die Stahlglocken unbehelligt blieben. Wofür also wurde Bronze, bzw. Kupfer und Zinn in den Weltkriegen benutzt?
Vermutungen: Patronenhülsen? Elektrische Leitungen?

Es wäre schön, wenn sich jemand fände, der nicht nur weitere Vermutungen äußern kann, sondern belegte Informationen. Vielen Dank schon mal.
 
Es ging um die Bronze an für sich, man kann die Metalle einer Legierung nicht einfach wieder trennen. Kanonenmaterial...
 
Im Maschinenbau wurden Bronze zur Herstellung von Gleitlagern verwandt. Gleitlager ? Wikipedia
Diese werden in z.B. Dampf-Lokomotiven benötigt um die Vorwärts/Rückwärtsbewegung der Kolbenstange in eine Drehbewegung über die Treibstange auf die Rädern zu erzeugen. Dampflokomotive ? Wikipedia
Die Bronze nutzt sich in den Gleitlagern ab. Dazu ist sie auch da, um ein Verklemmen von Stahlteilen zu verhindern.
In den Kriegen ist die Eisenbahn stark gefordert gewesen, dadurch wurde viel Bronze für die Eisenbahn benötigt, da die Heere ja immense Mengen an Materialien aller Art benötigten. Und die Strecken, auf denen die Bahn fuhr war auch deutlich länger.
Der Mangel an Bronze führte dazu, das im 2. WK sogenannte Kriegslokomotiven entwickelt wurden. Kriegslokomotive ? Wikipedia
Dazu wurden viel an Bronze eingespart, die Lokomotiven wurden auf Verschleiss gebaut, d.h. sie wurden auf eine Kurze Lebenszeit hin konstruiert.

Bronze ist als Material zur Geschützherstellung in den Weltkriegen aus der der Mode gewesen.

Apvar

P.S. @ Lili, um Bronze zu trennen braucht man keine konzentrierte Salpetersäure, Ammoniak genügt zum Entzinken. www.kupfer-institut.de/front_frame/pdf/entzinkung.pdf Danach braucht das Kupfer nur eingeschmolzen werden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zünder und Führungsringe von Granaten waren überwiegend aus Bronze, Messing und Kupfer. Und davon wurden Unmengen verbraucht.
 
Der Mangel an Bronze führte dazu, das im 2. WK sogenannte Kriegslokomotiven entwickelt wurden. Kriegslokomotive ? Wikipedia
Dazu wurden viel an Bronze eingespart, die Lokomotiven wurden auf Verschleiss gebaut, d.h. sie wurden auf eine Kurze Lebenszeit hin konstruiert.
Diese Begründung höre ich das erste Mal und sie geht auch nicht aus dem verlinkten Wiki-Artikel hervor.

Kriegsloks sind die konsequente Weiterentwicklung von "entfeinerten" Loks unter Verwendung von heimischen Werkstoffen anstelle von Importstoffen. Wurden also anfangs bei einer Baureihe einzelne Baugruppen weggelassen (z.B Windleitbleche) oder durch anderes Material ersetzt (z.B. Stahl statt Kupfer bei der Feuerbüchse) und Herstellungsschritte rationalisiert, so wurde später die Baureihe mit einer ganzen Reihe von Veränderungen neu entworfen und gebaut. Deswegen heißen die ersteren noch ÜK (Übergangskriegslok) unter Beibehaltung der Baureihe während später neue Bezeichnungen gewählt wurden.

Der Begriff Kriegslok ist dabei insofern irre führend, als damit sowohl neue Entwicklungen wie auch bekannte Baureihen bezeichnet wurden. Letztlich bedeutet es nur, dass diese Baureihen Stahl- und andere Kontingente zugewiesen bekamen.

Einige der Entwicklungen während des Krieges sind bewusst auf Verschleiß gemacht worden (z.B. die stählerne Feuerbüchse, wo erst die Reichsbahn Ost Jahre nach dem Krieg eine zufrieden stellende Lösung fand), in einigen Fällen wurde eine vereinfachte Wartung im Osten einer Betriebsmittelersparnis vorgezogen (z.B. bei der Erwärmung von Kesselspeisewasser durch den Abdampf) und einiges war einfach für das Personal lästig (z.B. der Wegfall der Windleitbleche, was trotz der niedrigeren Geschwindigkeiten im Krieg die Sicht beeinträchtigt und schlichtweg ungesund für das Personal ist).

Daneben gibt es aber auch Entwicklungen, die sich bewährt haben. So z.B. selbsttragende Tender, bei denen die Materialersparnis durch eine größere Länge erkauft wurde (Wannen- und Steifrahmentender). Die Ausrüstung mit größeren Drehscheiben in weiten Teilen des Netzes gab dies aber auch her (verglichen mit der Situation 25 Jahre vorher). Oder die Entwicklung von winterfesten "Norweger"-Führerhäusern, die zusätzlich in Verbindung mit den neuen Tendern eine erhöhte Rückwärtsgeschwindigkeit auch von Schlepptenderloks erlaubte (85 statt 50 km/h).

Desweiteren sorgte der Krieg für eine komplette Umstellung auf die Schweißtechnik, was Kosten drückte, Gewicht sparte und somit einen echten Fortschritt bedeutete.

Solwac
 
Hier das Bild einer Kriegslok mir Dora-Geschütz. Gut erkennbar das Kanonenrohr.
 

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Nachdem das ein Dora-Geschützwagen ist glaube ich das kaum. Dieses Geschütz wurde nicht einfach mit einer Lok durch die Gegend gezogen sondern musste zerlegt auf fünf Güterzügen transportiert werden. Lediglich die Geschützposition konnte - mit beträchtlichem Aufwand - auf der Schiene verändert werden. Dementsprechend oft kam der Dora-Geschützwagen auch zum Einsatz (einmal).
80-cm-Kanone (E) ? Wikipedia
 
Durch den Krieg bedingt, war ein deutlicher Anstieg am Verbrauch der Buntmetalle zu sehen. Zum einen für Munition, zum anderen durch deutlich größere Anzahl an Lokomotiven. Um dem entgegen zu wirken wurden die Lok's erst entfeinert, dann kamen die die ÜK's und zum Schluss die Kriegslokomotiven. Es wurden auch teilweise Lokomotiven erbeutet und von der DRB (Deutsche Reichsbahn) benutzt. Aber der Bedarf stieg stark an. Und im Krieg wurden fiele Lokomotiven im Rahmen von Luftangriffen zerstört. Kriegswirtschaft ist immer auch Mangelwirtschaft. Und wenn nur Lebensmittel fehlen.

Apvar
 
Diese Begründung höre ich das erste Mal und sie geht auch nicht aus dem verlinkten Wiki-Artikel hervor.

...
Im Museum für Verkehr und Technik in Berlin steht eine (oder mehrere?) Kriegslocks. Ich bin zuletzt vor einigen Jahren da gewesen, meine mich jedoch zu erinnern, dass dort ein Kommentar in der Richtung angebracht war, dass diese Locks zwar nur für kurze Lebensdauern ausgelegt worden waren, im nachhinein Viele von Ihnen eine erstaunlich lange Dienstzeit absolvierten, sei es in der Ostdeutschen Reichsbahn oder als Beutelokomotiven in verschiedenen Ostblockländern. Gemeint sind übrigens gewöhliche Dampflocks aus Massenproduktion und nicht die hochwertigen Dieselelektrischen Wehrmachtslokomotiven für Sondernutzungen die oben angesprochen werden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hier das Bild einer Kriegslok mir Dora-Geschütz. Gut erkennbar das Kanonenrohr.
Wie schon bemerkt, dies ist "nur" das Geschütz. Gut erkennbar sind die beiden parallelen Gleise, die durch die enorme Breite benötigt wurden. Genau deshalb wurde die D 311 (spätere V 188) als Doppellok konzipiert. Es war übrigens für lange Zeit die einzige dieselelektrische Baureihe einer Streckenlok in Deutschland obwohl die (west-)deutsche Industrie reichlich exportierte.

Nachdem das ein Dora-Geschützwagen ist glaube ich das kaum. Dieses Geschütz wurde nicht einfach mit einer Lok durch die Gegend gezogen sondern musste zerlegt auf fünf Güterzügen transportiert werden. Lediglich die Geschützposition konnte - mit beträchtlichem Aufwand - auf der Schiene verändert werden. Dementsprechend oft kam der Dora-Geschützwagen auch zum Einsatz (einmal).
80-cm-Kanone (E) ? Wikipedia
Die fünf Güterzüge waren für Geschütz, Nachschub, Personal und das Gleismaterial der Schießstellung nötig. Der Geschützwagen allein wog "nur" wenig mehr als ein normaler Güterzug (1350t im Vergleich zu 1200t).

Solwac
 
Im Museum für Verkehr und Technik in Berlin steht eine (oder mehrere?) Kriegslocks. Ich bin zuletzt vor einigen Jahren da gewesen, meine mich jedoch zu erinnern, dass dort ein Kommentar in der Richtung angebracht war, dass diese Locks zwar nur für kurze Lebensdauern ausgelegt worden waren, im nachhinein Viele von Ihnen eine erstaunlich lange Dienstzeit absolvierten, sei es in der Ostdeutschen Reichsbahn oder als Beutelokomotiven in verschiedenen Ostblockländern. Gemeint sind übrigens gewöhliche Dampflocks aus Massenproduktion und nicht die hochwertigen Dieselelektrischen Wehrmachtslokomotiven für Sondernutzungen die oben angesprochen werden.
Ich meinte die Aussage zur Bronze. ;)

Richtig ist natürlich, dass die langfristige Haltbarkeit zweitrangig war. Die Bundesbahn konnte ziemlich schnell nach dem Krieg auf sie verzichten, die Reichsbahn Ost musste dagegen viele Maschinen in ihr Reko-Programm aufnehmen und hatte große Probleme damit.

Solwac

P.S. Bitte keine Locks, das tut beim Lesen weh! :cry:
 
Hiernach:
Jonas Scherner
Bericht zur deutschen Wirtschaftslage 1943/44
Eine Bilanz des Reichsministeriums für Rüstung und Kriegsproduktion
über die Entwicklung der deutschen Kriegswirtschaft bis Sommer 1944
VfZ 2007, S. 499ff.

... waren die Kirchenglocken insbesondere für den Engpass "Zinn" bedeutend (Jahresverbrauch 1942/1943 über 5000 to, davon ca. 1500 to. Importe aus Portugal). Die Steigerung beim Zinn 1942/42 um rd. 50% wird insbesondere dem Kirchenglocken-Programm zugeschrieben.
 
Hiernach:
Jonas Scherner
Bericht zur deutschen Wirtschaftslage 1943/44
Eine Bilanz des Reichsministeriums für Rüstung und Kriegsproduktion
über die Entwicklung der deutschen Kriegswirtschaft bis Sommer 1944
VfZ 2007, S. 499ff.

... waren die Kirchenglocken insbesondere für den Engpass "Zinn" bedeutend (Jahresverbrauch 1942/1943 über 5000 to, davon ca. 1500 to. Importe aus Portugal). Die Steigerung beim Zinn 1942/42 um rd. 50% wird insbesondere dem Kirchenglocken-Programm zugeschrieben.

Kann man das allein mit Kirchenglocken ausgleichen? Die bestehen ja nicht zur Gänze aus Zinn sondern nur zu einem gewissen Teil.
 
Kann man das allein mit Kirchenglocken ausgleichen? Die bestehen ja nicht zur Gänze aus Zinn sondern nur zu einem gewissen Teil.

Die Steigerung von 50% wird wesentlich der Einsammlung der Kirchenglocken zugeschrieben. Es geht dann also um einige Hundert Tonnen.

Da Zinn in geringen Mengen Legierungen zugesetzt wurde (mittlerer Panzer ca. 1-2 kg), sind das schon beachtenswerte Auswirkungen. Beim Kupferprogramm wurde auch alles weitere Mögliche eingesammelt, dort ging es um erheblich größere Mengen.

Der Bericht, in dem die Aussage enthalten ist, ist eine Primärquelle und stammt vom Reichsministeriums für Rüstung und Kriegsproduktion, August 1944 für die Jahre 1942/44.
 
Ich habe für die Zeit des 1. WK gelesen (sorry, ich weiß nicht mehr wo), dass man eher an der Bronze der Kirchenglocken interessiert war, da diese Bronze eine besondere Härte aufwies. Diese wurde für Geschützmäntel und Führungsringe verwendet, wie hier bereits erwähnt wurde. Also weniger eine Aufspaltung in Kupfer und Zinn.
 
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