Nibelungensage/Nibelungenlied

Das klingt interessant. Hast du Näheres dazu?

gerne:
Herwig Wolfram schrieb:
Was Vitigis für Uraias bedeutete, das war der Wesgotenkönig Theudis für seinen Neffen Hildebar und Großneffen Totila. DasAmt eines Schwertträgers ermöglichte eine gute Karriere. Aber das Startkapital seiner Inhaber war aufgrund ihrer Herkunft bloß gering. Theudis fand als Theoderichs Statthalter in Spanien Gelegenheit, eine besonders reiche Römerin zu heiraten, wodurch er sich über Connubium-Verbot und Standesunterschiede hinwegsetzte. Ähnlichen Reichtum muß Uraias, der Neffe des eben noch regierenden Königs, erheiratet haben. Zwischen ihm und Hildebad, der noch nicht das "große Geld" gemacht hatte, entbrannte daher ein Kampf auf Leben und Tod, dem Uraias zum Opfer fiel. Das Unheil entstand aus einer Begegnung ihrer beider Frauen, die an den Streit der Königinnen Brunhild und Kriemhild erinnert. Das Ende des Uraias wirkt wie der ´Siegfried-Tod´ der Heldensage. [Anmerkung S.510 Procopius, De bello Gothico III (VI) 1, 37 ff]

bzgl. der Heiden:
ich meinte übrigens mit den heidnischen Recken des Nibelungenlieds solche wie Hagen: Gefolgschaft geht über alles etc. - ein sonderlich christlicher Held ist er ja nicht. Vgl. hierzu auch das Nachwort der kommentierten Reklamausgabe des Nibelungenlieds; es sind eben die Untugenden der eigentlich heidnischen bzw. nicht genügend christlichen/gläubigen Recken, welche sie in ihr Unheil führt - in diesem Sinne soll das NL eine christliche Botschaft verbreiten (ich hab das jetzt sehr verkürzt dargestellt)
Für Abenteuer in fernen Ländern (Kreuzzugserfahrungen) bot der NL-Stoff keinen Anlaß - hingegen der Artus-Stoffkreis lässt diese zu, da die Helden erstens keiner fernen Vergangenheit angehören wie die Burgunderkönige und Etzel, und zweitens weil die Heldenfiguren kreuz und quer herumreisen mit ihren Heldentaten. Und dabei natürlich auch an die mohammedanischen "Heiden" geraten, welche im NL gar nicht erwähnt werden.
 
a) er kommt in der älteren Dichtung nicht vor
... die ja nun nicht gerade lückenlos erhalten ist.

b) er besetzt ein neugeschaffenes Amt, welches die älteren Dichter nicht kennen konnten.
1. Bei Wolfram besetzt er eben kein neugeschaffenes Amt, sondern ist nur Koch.
2. Auch wenn er im Nibelungenlied ein neugeschaffenes Amt besetzt, bedeutet das doch nicht, dass erst zusammen mit dem Küchenmeisteramt auch die Figur des Rumold erfunden wurde. Ebensogut könnte man argumentieren, dass Dietrich von Bern eine Erfindung des Hochmittelalters ist, weil er sich Zweikämpfe im hochmittelalterlichen Stil liefert. Stattdessen wirst Du mir doch zustimmen, dass die Sagen um Dietrich von den mittelalterlichen Dichtern jeweils an die Lebenswelt ihrer eigenen Gegenwart angepasst wurden. Warum muss das beim Rumold anders sein?

Das ist Unsinn. Der Küchenmeister ist kein hohes Hofamt, sondern Ausdruck der Inflation der Titelvergaben.
Gut, über die genaue Gewichtung mag ich jetzt nicht streiten. Aber Du wirst mir doch zumindest zustimmen, dass ein Küchenmeister mehr ist als ein bloßer Koch?

Etwas was unintersssant ist, wird nicht zitiert, gerade weil es uninteressant ist. Wolfram will seine Hörer doch unterhalten und nicht ermüden.
Heutzutage liest kaum noch jemand freiwillig außerhalb der Schule Goethe, mittlerweile viele Schüler angeblich nicht einmal mehr in der Schule. Goethe ist für das heutige Publikum uninteressant. Trotzdem werden Figuren wie der Faust oder das Gretchen und Elemente wie der Teufelspakt als bekannt vorausgesetzt, werden mit Ausdrücken wie "Gretchenfrage" oder "faustisch" aufgegriffen. Sogar die Hollywoodkomödie "Teuflisch" mit Brendan Fraser und Elizabeth Hurley verwertete Elemente des Fauststoffes - obwohl vermutlich kaum ein Amerikaner den "Faust" lesen würde.

Warum gibt es von Laurins Rosengarten 21 Handschriften, warum lässt Maximilian das aufwendige Ambraser Heldenbuch herstellen, wenn der Stoff so "out" ist?
Zum dritten Mal: Maximilian I. lebte nicht im frühen 13. Jhdt.! Geschmäcker und Moden ändern sich im Laufe der Jahrzehnte, erst recht der Jahrhunderte, wieder.

Du hast behauptet, zumindest wurdest du so offenbar nicht nur von mir, sondern auch von anderen, die dir widersprachen verstanden, dass der Raum Passau/Österreich peripher gelegen habe, was zeigte, dass die Nibelungen und Dietrichsepik - ausgerechnet in ihrer Blütephase - niemanden mehr interessiert habe. Dagegen konnte gezeigt werden, dass sie durchaus auch ihren Niederschlag bei Wolfram gefunden hat, der einer der bekanntesten Artusdichter ist. Vom Standpunkt der mittelhochdeutschen Literatur aus, sind auch Passau, Wien und natürlich Erfurt alles andere als Peripherien.
Ich habe bereits in meinem ersten Beitrag (#35) in diesem Thread vom Artusstoff geschrieben. Ich habe - möglicherweise zu Unrecht - vorausgesetzt, dass bekannt ist, wie sich die Artussage in Europa verbreitete. Wieso man mir immer unterstellt, ich würde behaupten, dass Passau-Wien für die mittelhochdeutsche Literatur unbedeutend seien oder politisch-geographisch in Deutschland peripherer seien als Lothringen, weiß ich nicht.
 
Zur Sache mit Hildebad: Diese Episode war geschichtlich aber schon arg unbedeutend, ich kann mir nicht wirklich vorstellen, dass sie in der Sagenwelt langfristig fortgelebt haben soll.

Für Abenteuer in fernen Ländern (Kreuzzugserfahrungen) bot der NL-Stoff keinen Anlaß - hingegen der Artus-Stoffkreis lässt diese zu, da die Helden erstens keiner fernen Vergangenheit angehören wie die Burgunderkönige und Etzel, und zweitens weil die Heldenfiguren kreuz und quer herumreisen mit ihren Heldentaten.
Der Artusstoff reicht doch auch in die Völkerwanderungszeit zurück. Dass er noch vor der angelsächsischen Zeit Britanniens, geschweige denn der normannischen, spielt, geht aus dem Umstand, dass Artus auch gegen die einfallenden Sachsen kämpft, klar hervor. In einigen Varianten kämpft er sogar gegen das Römische Reich. Ich vermute schon, dass den mittelalterlichen Hörern klar war, dass auch Artus der fernen Vergangenheit angehörte, auch wenn sie über die Geschichte Britanniens vermutlich nicht so detailliert Bescheid wussten.

ich meinte übrigens mit den heidnischen Recken des Nibelungenlieds solche wie Hagen: Gefolgschaft geht über alles etc. - ein sonderlich christlicher Held ist er ja nicht. Vgl. hierzu auch das Nachwort der kommentierten Reklamausgabe des Nibelungenlieds; es sind eben die Untugenden der eigentlich heidnischen bzw. nicht genügend christlichen/gläubigen Recken, welche sie in ihr Unheil führt - in diesem Sinne soll das NL eine christliche Botschaft verbreiten (ich hab das jetzt sehr verkürzt dargestellt)
Das gilt aber nur für das Nibelungenlied. Die Edda-Version des Stoffes ist noch viel heidnischer geprägt. Während z. B. im Nibelungenlied betont wird, dass die Bindung durch die christliche Ehe zwischen Ehemann und Ehefrau wichtiger sei als die zwischen der Ehefrau und ihren Verwandten, ist es in der Edda noch genau umgekehrt: Dort hält Gudrun trotz Sigurds Ermordung zu ihrer Verwandtschaft und rächt sie.
 
... die ja nun nicht gerade lückenlos erhalten ist.

Das ändert nichts daran, dass er ein neugeschaffenes Amt besetzt.


1. Bei Wolfram besetzt er eben kein neugeschaffenes Amt, sondern ist nur Koch.

So kann man nur argumentieren, wenn man den Kontext nicht zur Kenntnis nimmt. Er ist eben nicht einfach ein Koch, sondern
"als riet ein koch
den küenen Nibelungen,"

er ist ein Koch mit Beraterfunktion. Wo gibt es denn so etwas?
"Mit Rat und Tat beiseite stehen" gehört zu den Lehnsversprechen, die der Lehnsmann dem Lehnsherren macht.


2. Auch wenn er im Nibelungenlied ein neugeschaffenes Amt besetzt, bedeutet das doch nicht, dass erst zusammen mit dem Küchenmeisteramt auch die Figur des Rumold erfunden wurde.

Das Nibelungenlied ist ja nicht das einzige Zeugnis, welches die Nibelungentragödie darstellt. Außer dem Nibelungenlied kennt keine ältere Version einen Rûmolt, der versucht, die Nibelungen aufzuhalten.
Aber selbst wenn er nicht Eigengut des Nibelunglieddichters wäre, es würde nichts daran ändern, dass Wolfram Interesse am Nibelungenstoff zeigt, deine Behauptung, der Nibelungenstoff hätte nur noch in der Peripherie Interesse gefunden, wäre auch damit widerlegt.

Wenn du aber weitere Belege für die Abhängigkeit Wolframs vom Nibelungenlied brauchst, kann ich dir auch gerne weitere Belege liefern:

Parzival schrieb:
«ich wil lâzen dir zwei rîchiu lant,
dienstlîche immer dîner hant,
diu mîn vater und der dîne erwarp,
do der künec Isenhart erstarp,
Zazamanc und Azagouc.
(gemeint sind wahrscheinlich Salamanca und Zaragoza)
Nibelungenlied schrieb:
die arâbischen sîden, wîz alsô der snê, und von Zazamanc der guoten, grüen alsam der Klê (Str. 360)
[...]
von Azagouc der sîden einen wâfenroc si truoc (Str. 437)

Ebensogut könnte man argumentieren, dass Dietrich von Bern eine Erfindung des Hochmittelalters ist, weil er sich Zweikämpfe im hochmittelalterlichen Stil liefert.Stattdessen wirst Du mir doch zustimmen, dass die Sagen um Dietrich von den mittelalterlichen Dichtern jeweils an die Lebenswelt ihrer eigenen Gegenwart angepasst wurden. Warum muss das beim Rumold anders sein?
Im Gegensatz zu Theoderich taucht Rûmolt vorher nie auf. Und ausgerechnet diese Nebenfigur zitiert Wolfram im Parzival.


Gut, über die genaue Gewichtung mag ich jetzt nicht streiten. Aber Du wirst mir doch zumindest zustimmen, dass ein Küchenmeister mehr ist als ein bloßer Koch?

Ja und nein. Darin liegt ja der Spott des Nibelungenleides.


Heutzutage liest kaum noch jemand freiwillig außerhalb der Schule Goethe, mittlerweile viele Schüler angeblich nicht einmal mehr in der Schule. Goethe ist für das heutige Publikum uninteressant. Trotzdem werden Figuren wie der Faust oder das Gretchen und Elemente wie der Teufelspakt als bekannt vorausgesetzt, werden mit Ausdrücken wie "Gretchenfrage" oder "faustisch" aufgegriffen. Sogar die Hollywoodkomödie "Teuflisch" mit Brendan Fraser und Elizabeth Hurley verwertete Elemente des Fauststoffes - obwohl vermutlich kaum ein Amerikaner den "Faust" lesen würde.

"Heutzutage" haben wir auch Schulpflicht und die Massenmedien Radio, Fernsehen und Internet.

Zum dritten Mal: Maximilian I. lebte nicht im frühen 13. Jhdt.! Geschmäcker und Moden ändern sich im Laufe der Jahrzehnte, erst recht der Jahrhunderte, wieder.
Das habe ich auch nicht behauptet. Ich frage nur, warum Maximilian im Ambraser Heldenbuch Stoffe aus dem 13. Jhdt. sammelt, die angeblich im 13. Jhdt. längst aus der Mode gekommen sein sollen.


Wieso man mir immer unterstellt, ich würde behaupten, dass Passau-Wien für die mittelhochdeutsche Literatur unbedeutend seien oder politisch-geographisch in Deutschland peripherer seien als Lothringen, weiß ich nicht.

Das könnte an diesen Aussagen liegen:

Das liegt wohl vor allem daran, dass der Artus-Sagenkreis den Nibelungen-Dietrich-Sagenkreis in der Gunst des Publikums allmählich verdrängt hat. Die Sagen um Dietrich & Co. waren einfach nicht mehr modern, insofern bestand kein Grund für eine Vermischung.

Da gibt es aber räumliche Unterschiede: Im 12.-14. Jhdt. entstanden neue Werke zum Dietrich-Nibelungen-Sagenkreis vor allem in Randgebieten (Skandinavien, Österreich). Im Großteil des deutschsprachigen Raumes dominierte die Artus-Sage.

Im Randgebiet war er eben noch populär. Hier war man eben (meiner Meinung nach zum Glück) "rückständig".

Für Dich als Bayerin mag es im Zentrum liegen, aber wenn man sich eine Karte des deutschen Raumes ansieht, liegt Passau doch eher peripher ...

Und da lagen Österreich und Passau noch peripherer als heute, wenn Du Dir die damalige Ausbreitung des HRR und des deutschsprachigen Raumes ansiehst.

Erst nachher hast du diese Aussagen in Stück weit relativiert. Wie sollten diese wohl bei anderen ankommen?!
 
Zur Sache mit Hildebad: Diese Episode war geschichtlich aber schon arg unbedeutend, ich kann mir nicht wirklich vorstellen, dass sie in der Sagenwelt langfristig fortgelebt haben soll.
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schwer zu sagen, was die Menschen im frühen Mittelalter bewog, bestimmte Stoffe und Themen zu verwenden - - wie auch immer: das Thema Weiberzwist führt dazu, dass sich hohe Herren gegenseitig morden taucht gelegentlich auf:
Hildebad / Uraias
Brunichildis / Fredegunde
Bzgl. Hildebad ist bemerkenswert, dass die äußeren Umstände der Zwistigkeit dem NL sehr ähneln.

Ob man im 12-13. Jh. Artus als Heldengestalt der frühen Völkerwanderungszeit noch kannte? Ich habe den Eindruck, dass die literarische Tafelrundenwelt quasi internationaler geworen ist, auch exotischer (voller keltischer und kreuzzugszeitlicher Accessoirs) und dass sie sich nicht wie das NL mit allgemein bekannten realen Herrschern (wie dem Hunnenkönig Etzel in Ungarn) befassen. (jedenfalls sind mir solche in Erec und Enite, Parzifal, Tristan nicht aufgefallen)

Was mir gerade noch einfällt: in der Figur des Etzel scheint nicht nur Attila, sondern auch Aetius verarbeitet zu sein.

Und ja klar: ich meinte mit dem, was ich zu den gleichsam unchristlichen Helden des NL geschriebent hatte speziell die des NL, die Varianten oder Versionen des Stoffs in der Edda hatte ich nicht gemeint.
 
Ob man im 12-13. Jh. Artus als Heldengestalt der frühen Völkerwanderungszeit noch kannte? Ich habe den Eindruck, dass die literarische Tafelrundenwelt quasi internationaler geworen ist, auch exotischer (voller keltischer und kreuzzugszeitlicher Accessoirs) und dass sie sich nicht wie das NL mit allgemein bekannten realen Herrschern (wie dem Hunnenkönig Etzel in Ungarn) befassen. (jedenfalls sind mir solche in Erec und Enite, Parzifal, Tristan nicht aufgefallen)

In den Wolframstoffen (Parzival, Willehalm, Titurel) kommen schon einige Personen vor, die realgeschichtliche Bezüge haben, z.B. Cidegast (Cid de Castilla?), Granoflanz (Gran Alfonso > Alfonso VI. von Kastilien?), Amfortas (hier sehe ich eher eine altfrz. Herleitung von [FONT=&quot]enferté[FONT=&quot](z)[/FONT][/FONT]) soll Alfonso I. el Batallador von Aragón sein. Willehalm oder Kyôt von Katelangen soll Wilhelm I. von der Dynastie derer von Guilhem sein. Zumindest letzteres dürfte communis opinio sein. Die Herleitung Cidegast und Granoflanz sind bestechend und was Amfortas als Alfonso I. angeht, so habe ich zwar schon häufiger die Behauptung gelesen, dass Alfonso in zeitgenössischen Dokumenten so genannt worden sei, aber bezeichnenderweise werden diese Dokumente nie vorgebracht.

Was mir gerade noch einfällt: in der Figur des Etzel scheint nicht nur Attila, sondern auch Aetius verarbeitet zu sein.

Warum?
 
Im Gegensatz zu Theoderich taucht Rûmolt vorher nie auf. Und ausgerechnet diese Nebenfigur zitiert Wolfram im Parzival.
Das legt aber den gegenteiligen Schluss nahe, den Du ziehst: Das Nibelungenlied und der Parzival entstanden in etwa zeitgleich, jedenfalls entstand der Parzival nicht viel später als das Nibelungenlied. Wenn der Nibelungenlieddichter die Figur des Rumold erst erfunden hat, dann konnte Wolfram doch nicht voraussetzen, dass sie seinen Hörern schon bekannt war. Was bringt eine Anspielung, wenn das Publikum sie nicht versteht und verwirrt den Kopf schüttelt? Wenn Wolfram also davon ausging, dass die Figur seinen Hörern grundsätzlich bekannt war, dann muss es sie schon länger gegeben haben.

Aber selbst wenn er nicht Eigengut des Nibelunglieddichters wäre, es würde nichts daran ändern, dass Wolfram Interesse am Nibelungenstoff zeigt, deine Behauptung, der Nibelungenstoff hätte nur noch in der Peripherie Interesse gefunden, wäre auch damit widerlegt.
Wolfram mag interessiert gewesen sein, aber sein Publikum offenkundig nicht. Wieso hat er denn sonst nur kurz auf den Nibelungenstoff angespielt, statt ihn ausführlich zu verarbeiten? Wieso hat das keiner seiner Kollegen im Westen und Zentrum Deutschlands getan, wenn er noch so populär war? Jeder dichtete über Artus, aber keiner nützte die Marktnische Nibelungen?
Aber auch Wolfram muss nicht unbedingt am Stoff interessiert gewesen sein. Er wäre weder der erste noch der letzte Dichter der Weltgeschichte, der in seinen Werken mit seinem umfangreichen Wissen angeben wollte.

Das habe ich auch nicht behauptet. Ich frage nur, warum Maximilian im Ambraser Heldenbuch Stoffe aus dem 13. Jhdt. sammelt, die angeblich im 13. Jhdt. längst aus der Mode gekommen sein sollen.
Na weil sie im 15. Jhdt. wieder in Mode gekommen sind.

Das könnte an diesen Aussagen liegen: [...] Erst nachher hast du diese Aussagen in Stück weit relativiert. Wie sollten diese wohl bei anderen ankommen?!
Ich habe überhaupt nichts relativiert. Ich zitiere meinen ersten Beitrag in diesem Thread:
Das liegt wohl vor allem daran, dass der Artus-Sagenkreis den Nibelungen-Dietrich-Sagenkreis in der Gunst des Publikums allmählich verdrängt hat. Die Sagen um Dietrich & Co. waren einfach nicht mehr modern, insofern bestand kein Grund für eine Vermischung.
Da habe ich bereits das geschrieben, was ich seither auch geschrieben habe: Dass der Artus-Sagenkreis den Nibelungen-Dietrich-Sagenkreis in der Gunst des Publikums allmählich verdrängt hat. Dass der Artusstoff aus dem Westen kam und nicht in der Mitte Deutschlands entstanden ist, habe ich (leider offenbar irrtümlich) als bekannt vorausgesetzt. Somit ist auch klar, dass der Raum Passau-Wien und Skandinavien für die Verbreitung Randgebiete waren.
Dass man mir plötzlich unterstellt hat, ich würde hier behaupten, gewisse Räume seien literarisch unbedeutend gewesen oder würden politisch-geographisch peripherer liegen als die Gebiete im Westen Deutschlands, kann ich mir nur so erklären, dass sich manche nicht die Mühe gemacht haben, meine Beiträge ordentlich zu lesen.

Ob man im 12-13. Jh. Artus als Heldengestalt der frühen Völkerwanderungszeit noch kannte? Ich habe den Eindruck, dass die literarische Tafelrundenwelt quasi internationaler geworen ist, auch exotischer (voller keltischer und kreuzzugszeitlicher Accessoirs) und dass sie sich nicht wie das NL mit allgemein bekannten realen Herrschern (wie dem Hunnenkönig Etzel in Ungarn) befassen. (jedenfalls sind mir solche in Erec und Enite, Parzifal, Tristan nicht aufgefallen)
Sowohl der Artusstoff als auch das Nibelungenlied sind eine Vermischung aus den völkerwanderungszeitlichen Ursprüngen der Sagen mit zeitgeschichtlichen Elementen. Einen echten Unterschied kann ich da nicht erkennen.
 
Zuletzt bearbeitet:
weil Aetius dafür gesorgt hatte, dass die unbotmäßig gewordenen Burgunder mittels hunnischer Hilfstruppen ziemlich platt gemacht wurden - - irgendwo bei H. Wolfram, aber auch in mediävistischer Sekundärliteratur, habe ich das gelesen (muss ich die quellen jetzt stundenlang suchen gehen?)

Die Intention der Kontroverse um eine Nebenfigur im NL (Rumolt) verstehe ich noch nicht so ganz.

Attila als Hunnenkönig mischte die Welt seiner Zeit ganz ordentlich auf, kein Wunder, dass er posthum jahrhundertelang für Sagenstoff Anlaß bot - nach meiner Kenntnis verarbeitet die Artus-Epik der altfranzösischen sowie mittelhochdeutschen Literatur keine solchen "weltgeschichtlichen" Figuren.

Dass gleichsam zur Darstellung der Macht und Herrlichkeit von Herrschern im NL auch exotische feine Stoffe, dem Zeitkolorit der Entstehungszeit entsprechend auch arabische Spezialitäten erwähnt werden, ist eine rhetorische erzählerische Maßnahme. In diesem Sinn sind Drachenhort bzw. Nibelungengold ebenso Machtsymbole wie das Aufzählen von Vasallen oder die Erwähnung weitgereister Kostbarkeiten.
 
Sowohl der Artusstoff als auch das Nibelungenlied sind eine Vermischung aus den völkerwanderungszeitlichen Ursprüngen der Sagen mit zeitgeschichtlichen Elementen. Einen echten Unterschied kann ich da nicht erkennen.
Ja und nein - irgendwie beides.
Natürlich vermischen beide Stoff- und Themenkreise völkerwanderungszeitliche und zeitgeschichtliche Elemente. Aber ich halte es für einen Unterschied, dass der NL-Stoff "weltgeschichtlich" bedeutende Themen verwendet, während der Artus-Ursprung eher "regional" wurzelt. Einen brit.-röm. Warlord, der kurzfristig der sächsischen Ausbreitung Widerstand leistete, aber nirgendwo genauer überliefert ist (man weiß ja nicht allzuviel vom historischen Ar[c]turius), halte ich für ein doch anderes Thema als einen Hunnenkönig, der biz zu den katalaunischen Feldern vordrang. Ohne deswegen eine Kontroverse zu beginnen: ich halte das für einen Unterschied in der Wahl des Personals der literarischen Verarbeitungen.
 
Das legt aber den gegenteiligen Schluss nahe, den Du ziehst: Das Nibelungenlied und der Parzival entstanden in etwa zeitgleich, jedenfalls entstand der Parzival nicht viel später als das Nibelungenlied. Wenn der Nibelungenlieddichter die Figur des Rumold erst erfunden hat, dann konnte Wolfram doch nicht voraussetzen, dass sie seinen Hörern schon bekannt war. Was bringt eine Anspielung, wenn das Publikum sie nicht versteht und verwirrt den Kopf schüttelt? Wenn Wolfram also davon ausging, dass die Figur seinen Hörern grundsätzlich bekannt war, dann muss es sie schon länger gegeben haben.

Die Lieder wurden für einen kleinen Kreis von Grafen und Königen gespielt, das Nibelungenlied wird auf etwa 1190 datiert, Parzival auf nach 1203 (Erwähnung der Belagerung Erfurts), es liegt also ein gutes Jahrzehnt zwischen der Entstehung der beiden Texte.
Nichtsdestotrotz: Selbst wenn Wolfram das Nibelungenlied nicht gekannt hätte, was aufgrund der verschiedenen Nibelungenliedzitate im Parzival eigentlich nicht zur Diskussion stehen dürfte: Deine Behauptung, die Nibelungen-Dichtung sei außer Mode geraten und hätte nur noch Dichter in der Peripherie interessiert dürfte mit den Zitaten ad acta gelegt sein.

Wolfram mag interessiert gewesen sein, aber sein Publikum offenkundig nicht.
Woraus schließt du das? Hast du erhaltene Äußerungen von seiten des Publikums, die du uns vorenthältst? Warum ignorierst du, dass die Blüte des Nibelungen- und Dietrichsstoffs mit der Blüte der mhd Epik und Lyrik korrespondiert?

Wieso hat er denn sonst nur kurz auf den Nibelungenstoff angespielt, statt ihn ausführlich zu verarbeiten? Wieso hat das keiner seiner Kollegen im Westen und Zentrum Deutschlands getan, wenn er noch so populär war? Jeder dichtete über Artus, aber keiner nützte die Marktnische Nibelungen?
Aber auch Wolfram muss nicht unbedingt am Stoff interessiert gewesen sein. Er wäre weder der erste noch der letzte Dichter der Weltgeschichte, der in seinen Werken mit seinem umfangreichen Wissen angeben wollte.

Ich weiß ehrlich nicht, was du willst: Was ist den mit dem Nibelungenlied? Mit Dietrichs Flucht? Mit der Rabenschlacht? Sind das alles nichtexistente Werke? Warum gibt es denn vom Nibelungenlied drei bekannte Dialektale weitgehend vollständig erhaltene Fassungen, die Hss A, B und C?


Na weil sie im 15. Jhdt. wieder in Mode gekommen sind.

Nach dem Motto "Upps, da war ja noch was..."?


Ich habe überhaupt nichts relativiert. Ich zitiere meinen ersten Beitrag in diesem Thread:

Da habe ich bereits das geschrieben, was ich seither auch geschrieben habe: Dass der Artus-Sagenkreis den Nibelungen-Dietrich-Sagenkreis in der Gunst des Publikums allmählich verdrängt hat. Dass der Artusstoff aus dem Westen kam und nicht in der Mitte Deutschlands entstanden ist, habe ich (leider offenbar irrtümlich) als bekannt vorausgesetzt. Somit ist auch klar, dass der Raum Passau-Wien und Skandinavien für die Verbreitung Randgebiete waren.

Daran krankt doch deine ganze Argumentation, an der Behauptung, dass Passau und Wien "Randgebiete" gewesen seien.

Dass man mir plötzlich unterstellt hat, ich würde hier behaupten, gewisse Räume seien literarisch unbedeutend gewesen oder würden politisch-geographisch peripherer liegen als die Gebiete im Westen Deutschlands, kann ich mir nur so erklären, dass sich manche nicht die Mühe gemacht haben, meine Beiträge ordentlich zu lesen.

Es haben dich mehrere Mitschreiber deiner Auffassung nach falsch verstanden, das kann ja nicht allein daran liegen, dass die Empfangsanlagen falsch eingestellt waren.
 
Die Intention der Kontroverse um eine Nebenfigur im NL (Rumolt) verstehe ich noch nicht so ganz.[/Quote9

Rûmolt ist der Beleg dafür, dass Parzival aus dem Nibelungenlied zitiert haben muss.

Dass gleichsam zur Darstellung der Macht und Herrlichkeit von Herrschern im NL auch exotische feine Stoffe, dem Zeitkolorit der Entstehungszeit entsprechend auch arabische Spezialitäten erwähnt werden, ist eine rhetorische erzählerische Maßnahme.

Das ist richtig, es ist aber doch erstaunlich, das fremdländische Ortsnamen völlig falsch geschrieben gleich wiedergegeben werden.
 
Rûmolt ist der Beleg dafür, dass Parzival aus dem Nibelungenlied zitiert haben muss.
daran habe ich auch keine Zweifel - amüsant ist nebenbei, dass der vermeintliche Analphabet Wolfram von Eschenbach diese Detailkenntnis des NL haben musste (was wiederum für die Bekanntheit desselben spricht). Lohnenswert ist übrigens der Besuch des schönen Museums in Wolframseschenbach.
 
Die Lieder wurden für einen kleinen Kreis von Grafen und Königen gespielt, das Nibelungenlied wird auf etwa 1190 datiert, Parzival auf nach 1203 (Erwähnung der Belagerung Erfurts), es liegt also ein gutes Jahrzehnt zwischen der Entstehung der beiden Texte.
Meist wird das Nibelungenlied eher auf das frühe 13. Jhdt. datiert. Philipp von Schwaben wurde jedenfalls erst 1196 Herzog von Schwaben und 1198 König. (Edit: Das "Küchenmeisteramt" hat er laut Wikipedia vermutlich 1202 geschaffen.)
Und was den "kleinen Kreis" betrifft: Es erschien nicht als Hörspiel, das sich die Grafen aus dem Internet herunterladen konnten. Da musste schon eine ganze Weile vergehen, bis Wolfram davon ausgehen konnte, dass die Figur des Rumold seinen adligen Hörern bekannt war.

Deine Behauptung, die Nibelungen-Dichtung sei außer Mode geraten und hätte nur noch Dichter in der Peripherie interessiert dürfte mit den Zitaten ad acta gelegt sein. [...] Woraus schließt du das? Hast du erhaltene Äußerungen von seiten des Publikums, die du uns vorenthältst? Warum ignorierst du, dass die Blüte des Nibelungen- und Dietrichsstoffs mit der Blüte der mhd Epik und Lyrik korrespondiert?"
Das schließe ich aus dem Umstand, dem Du und die anderen hier immer ausweichen: Wieso schrieben Wolfram und alle seine bekannten Kollegen aus West- und Zentraldeutschland nur Werke über den Artusstoff, wenn der Nibelungenstoff noch so populär war? Und wieso entstanden die Bearbeitungen des Nibelungenstoffes des 13. Jhdts. (Nibelungenlied, Thidrekssaga, Lieder-Edda) alle in (von Frankreich und Westdeutschland aus gesehen!) peripheren Gebieten? In Gebieten, in denen Artusbearbeitungen erst später entstanden?
Das mit den Zitaten habe ich in Beitrag #88 erklärt.

Nach dem Motto "Upps, da war ja noch was..."?
So ähnlich lief es zu etwa derselben Zeit auch mit dem wiedererwachten Interesse an den Autoren der Antike abseits von Vergil und Aristoteles. Oder waren Homer, Cicero, Plautus & Co. etwa auch zwangsläufig das ganze Mittelalter hindurch populär und vielgelesen, weil sie in der Renaissance wieder populär waren?

Daran krankt doch deine ganze Argumentation, an der Behauptung, dass Passau und Wien "Randgebiete" gewesen seien.
Willst Du abstreiten, dass sie es vom Herkunftsgebiet und von der Verbreitungsrichtung des Artusstoffes aus gesehen waren?

Es haben dich mehrere Mitschreiber deiner Auffassung nach falsch verstanden, das kann ja nicht allein daran liegen, dass die Empfangsanlagen falsch eingestellt waren.
Na jedenfalls habe ich nie behauptet, dass Passau in Deutschland geographisch peripherer lag als Aachen, wie mir u. a. unterstellt wurde.
Aber die beiden Rotbewerter (wer auch immer sie nun wirklich gewesen sein mögen) z. B. waren möglicherweise eher damit beschäftigt, möglicherweise ihre Kommentare für die fast zeitgleichen Bewertungen zum selben Beitrag inhaltlich und von der Wortwahl her (13:15: "gib doch einfach mal zu, das andere recht haben."; 13:28: "Du würdest mehr Größe zeigen, wenn du einmal zugeben könntest, dass du im Unrecht bist.") aufeinander abzustimmen als meine Beiträge ordentlich zu lesen.

Rûmolt ist der Beleg dafür, dass Parzival aus dem Nibelungenlied zitiert haben muss.
Oder dafür, dass sie schon in älteren Vorlagen existierte, die beide Dichter kannten (und aus denen sie eventuell - freilich nicht wortwörtlich - zitierten).

Die Intention der Kontroverse um eine Nebenfigur im NL (Rumolt) verstehe ich noch nicht so ganz.
Es geht um die Frage, ob man aus der beiläufigen Erwähnung des Rumold im "Parzival" ableiten kann, dass der Nibelungenstoff im frühen 13. Jhdt. in ganz Deutschland beim Publikum noch genauso populär war wie der Artusstoff.

Attila als Hunnenkönig mischte die Welt seiner Zeit ganz ordentlich auf, kein Wunder, dass er posthum jahrhundertelang für Sagenstoff Anlaß bot - nach meiner Kenntnis verarbeitet die Artus-Epik der altfranzösischen sowie mittelhochdeutschen Literatur keine solchen "weltgeschichtlichen" Figuren.
Ja und nein - irgendwie beides.
Natürlich vermischen beide Stoff- und Themenkreise völkerwanderungszeitliche und zeitgeschichtliche Elemente. Aber ich halte es für einen Unterschied, dass der NL-Stoff "weltgeschichtlich" bedeutende Themen verwendet, während der Artus-Ursprung eher "regional" wurzelt. Einen brit.-röm. Warlord, der kurzfristig der sächsischen Ausbreitung Widerstand leistete, aber nirgendwo genauer überliefert ist (man weiß ja nicht allzuviel vom historischen Ar[c]turius), halte ich für ein doch anderes Thema als einen Hunnenkönig, der biz zu den katalaunischen Feldern vordrang. Ohne deswegen eine Kontroverse zu beginnen: ich halte das für einen Unterschied in der Wahl des Personals der literarischen Verarbeitungen.
Eine weltgeschichtliche Figur ist Artus natürlich nicht - zumal man ja nicht einmal weiß, ob und wer tatsächlich hinter der Sagenfigur stand. Aber für Britannien (das vom Hunnensturm unberührt blieb) war Artus trotzdem die zentrale Figur, und seine Taten wurden noch gewaltig aufgebauscht - bis hin zur Unterwerfung Westeuropas und einem Feldzug gegen Rom. Ob die Dichter des Hochmittelalters sich noch darüber im Klaren waren, dass Etzel in der historischen Realität die weitaus wichtigere Figur war?
 
Zuletzt bearbeitet:
(1)
Aber die beiden Rotbewerter (wer auch immer sie nun wirklich gewesen sein mögen) z. B. waren möglicherweise eher damit beschäftigt, möglicherweise ihre Kommentare für die fast zeitgleichen Bewertungen zum selben Beitrag inhaltlich und von der Wortwahl her (13:15: "gib doch einfach mal zu, das andere recht haben."; 13:28: "Du würdest mehr Größe zeigen, wenn du einmal zugeben könntest, dass du im Unrecht bist.") aufeinander abzustimmen als meine Beiträge ordentlich zu lesen.

(2)
Es geht um die Frage, ob man aus der beiläufigen Erwähnung des Rumold im "Parzival" ableiten kann, dass der Nibelungenstoff im frühen 13. Jhdt. in ganz Deutschland beim Publikum noch genauso populär war wie der Artusstoff.

(3)
Eine weltgeschichtliche Figur ist Artus natürlich nicht - zumal man ja nicht einmal weiß, ob und wer tatsächlich hinter der Sagenfigur stand. Aber für Britannien (das vom Hunnensturm unberührt blieb) war Artus trotzdem die zentrale Figur, und seine Taten wurden noch gewaltig aufgebauscht - bis hin zur Unterwerfung Westeuropas und einem Feldzug gegen Rom. Ob die Dichter des Hochmittelalters sich noch darüber im Klaren waren, dass Etzel in der historischen Realität die weitaus wichtigere Figur war?
(1)
sowas ist ärgerlich, vor allem in einer gerade laufenden Diskussion, die noch nicht entschieden ist - - wie auch immer: von mir sind die nicht gekommen. Ich habe bisher erst 3 oder 4 mal was bewertet, und zwar grün, und nicht anonym - wenn ich mal was "be-roten" sollte, dann mit der geografischen Ortsangebe dekumatland, damit man weiß, woher es kommt.

(2)
ein ritter so geleret waz
daz er in den buochen laz
ich bin davon überzeugt, dass die Autoren der hochmittelalterlichen Epik gar nicht so unbelesen waren, sondern "die Literatur" ihrer Generation und mancherlei davor recht gut kannten - - damit stellt sich natürlich die Frage, ob solch ein Querverweis in Wolframs Parzifal eine Beiläufigkeit oder vielleicht eine kleine satir. Spitze ist.

(3)
das ist erstaunlich, dass es ausgerechnet der Artus war, der so ein literar. Nachleben erhielt - der heilige Germanicus mit seinem Halleluja-Sieg oder der Warlord Vortigern hätten eigentlich ebenso literarisiert werden können, wurden es aber nicht. Kein Wunder, dass später, bereichert um allerlei zauberische Merlins etc., die Legenden sprießten.
Die Epiker des hohen Mittelalters werden wohl gewußt haben, dass Etzel-Attila keine Märchengestalt war: der furchterregende Begriff die Hunnen wurde ja auf allerhand, was Angst oder Ärger machte, angewendet (die Awaren, die Ungarn, die goldene Horde)
 
Die Epiker des hohen Mittelalters werden wohl gewußt haben, dass Etzel-Attila keine Märchengestalt war: der furchterregende Begriff die Hunnen wurde ja auf allerhand, was Angst oder Ärger machte, angewendet (die Awaren, die Ungarn, die goldene Horde)
Da stimme ich Dir zu. Nur hielt man auch Artus für real. Immerhin wurde in Canterbury sogar sein Grab "gefunden". Die Frage ist also nicht, ob die Epiker Etzel für eine Sagengestalt hielten, sondern ob sie sich darüber im Klaren waren, dass er auch real sehr bedeutend war, Artus hingegen nicht.

Aber welchen Germanicus meinst Du? Den Märtyrer des 2. Jhdts.? Wie kommst Du auf den?
 
Aber welchen Germanicus meinst Du? Den Märtyrer des 2. Jhdts.? Wie kommst Du auf den?
ups, hab ich da Namen verwechselt? den Märtyrer des 2. Jh. meine ich nicht.
Ambrosius Aurelianus?
irgendwas von einem spätröm. General, der zweimal nach Britannien übersetzte und dort gegen Sachsen aushalf, meine ich mal gelesen zu haben.
 
Die Frage ist also nicht, ob die Epiker Etzel für eine Sagengestalt hielten, sondern ob sie sich darüber im Klaren waren, dass er auch real sehr bedeutend war, Artus hingegen nicht.
ich halte für wahrscheinlich, dass sie die histor. Bedeutung Attilas kannten - beim mit allerlei Märchenelementen, Wundern etc. ausgestatteten Artus-Stoff, der literar. im beginnenden 12. Jh. oder etwas eher auftauchte, scheinen dagegen die exotisch-wundersamen Elemente vorherrschend zu sein.
 
Ich meinte das eher andersherum: Waren sie sich darüber im Klaren, dass Artus (im Gegensatz zu Etzel) real eher unwichtig war?

Ambrosius Aurelianus kenne ich schon. Der ist ja auch in die Artus-Sage eingegangen, wo er der Onkel von Artus war. In der Sage galt er allerdings als Sohn von Konstantin, der meist mit dem historischen weströmischen britannischen Usurpator Konstantin III. (407-411) identifiziert wird, der ebenfalls einen Sohn Constans (Kaiser 410-411) hatte.

Konstantin, König der Briten, wurde von Pikten erdolcht. Er hinterließ drei Söhne: Constans, Aurelius Ambrosius und Uther Pendragon. Nun übernahm Vortigern die eigentliche Macht, holte zur Unterstützung Angeln und Sachsen nach Britannien und setzte Constans, der sich in ein Kloster zurückgezogen hatte, als Marionettenherrscher ein, ließ ihn aber später von Pikten ermorden und regierte selbst.
Vortigern war dreifach bedroht: Von Norden fielen die Pikten und Scoten ein, die Sachsen unter Hengist und Horsa hatten in Kent ein eigenes Königreich gegründet, und in Gallien bereiteten sich Uther und Ambrosius, die seit Constans' Ermordung in der Bretagne im Exil lebten (Uther wurde bereits dort geboren), auf eine Invasion vor. Seine Druiden rieten ihm deshalb, in seiner Heimat Südwales einen starken Turm zu errichten und sich in diesem zu verschanzen, bis die Zeiten wieder besser würden. Vortigerns ältester Sohn Vortimer erhob sich gegen seinen Vater und bekämpfte dessen sächsische Bundesgenossen. Er stürzte seinen Vater und wurde selbst König, doch bald wurde er von seiner sächsischen Stiefmutter vergiftet, und Vortigern wurde erneut König. Seine Herrschaft dauerte insgesamt 40 Jahre. Dann kehrten Aurelius Ambrosius und Uther Pendragon mit einem Heer zurück und besiegten ihn, seine Söhne, u.a. Catigern und Faustus, und die Sachsen in langen Kämpfen. Vortigern verschanzte sich in seinem Turm, doch Ambrosius und Uther brannten ihn nieder, und Vortigern kam in den Flammen um. Der grausame Sachsenherzog Hengist (sächsisch "Hengst"), dessen Tochter Rowena Vortigern geheiratet hatte, wurde hingerichtet. Vortigerns Sohn Paschent floh nach Deutschland, von wo aus er gegen Ambrosius und Uther intrigierte.
Nun bestieg Aurelius den Thron.
In Irland gab es einen gewaltigen heidnischen Steinkreis, den "Ring der Riesen". Aurelius wollte ihn nach Britannien überführen als Denkmal für die im Kampf gegen die Sachsen Gefallenen. Uther heuerte dafür Aurelius' Berater Merlin an, der seinen druidischen Zaubermantel über das Monument breitete und es nach Britannien fliegen ließ, wo es als Stonehenge bekannt wurde.
Aurelius wurde von einem den Feinden ergebenen Arzt vergiftet und in der Mitte von Stonehenge beigesetzt. Nun wurde Uther König.

Ob Ambrosius Aurelianus eine historische Figur war, ist unsicher. Wenn ja, dann war er der Nachfolger Vortigerns und fiel gegen die Sachsen.
 
Ich meinte das eher andersherum: Waren sie sich darüber im Klaren, dass Artus (im Gegensatz zu Etzel) real eher unwichtig war?

ich glaube, dass sich schon im Mittelalter der historische Kern von Artus und Beowulf ins gänzlich sagenhafte einer unbestimmbaren grauen Vorzeit verflüchtigt hatte, wie sich natürlich auch Siegfried ganz ins märchenhafte verflüchtigt hat - daher nehme ich an, dass für Artus nebst Tafelrunde eben nicht mehr der Nachhall historischer Ereignisse zählte; also wurde der historische Kern irgendwann uninteressant. In diesem Sinne haben die hochmittelalterlichen Epiker das Potenzial ihrer Stoffe durchaus richtig eingeschätzt.

Danke für die Infos zum Ambrosius!
In den Nachwörtern von irgendwelchen nicht ganz ernst zu nehmenden "historischen Romanen" über das frühmittelalterliche Britnnien hatte ich mal irgendwas von einem röm. General, dann besagtem Ambrosius usw. gelesen - ansonsten das, was in H. Wolframs "das Reich und die Germanen" sowie in Pohls "Völkerwanderung" über England steht. Wie auch immer: es ist erstaunlich, dass ausgerechnet Artus als einziger unter den regionalen Warlords ein solches Nachleben erhielt.
 
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