Wissenweitergabe historisch

So richtig zufrieden bin ich mit der Diskussion noch nicht.
Die Entwicklung der Schrift wurde überwiegend als die Wissensweitergabe förderlich bewertet.
Für die Dokumentation und Weitergabe von Informationen sind Schriftsysteme hilfreich.
Wie ist es aber mit der Weiterentwicklung und Veränderung von Wissen?
Manifestieren und konservieren alte Bücher und können sie uU eine zügige Weiterentwicklung behindern?
 
Wie ist es aber mit der Weiterentwicklung und Veränderung von Wissen?
Manifestieren und konservieren alte Bücher und können sie uU eine zügige Weiterentwicklung behindern?
Das ist an der Stelle definitiv die richtige Frage. Schrift fixiert zunächst mal Wissen. Um zu den wissenschaftlichen Ansätzen ganz zu Beginn des Threads zurückzukommen, von denen wir im Diskussionsverlauf leider etwas abgekommen sind, habe ich mal kurz gemalt, nachdem ich im Netz keine wirklich passende Grafik gefunden habe (ich hoffe man kann es lesen):
PICT0425.jpg
Wie man sehen kann, wird Wissen im Bereich der Kombination weiterverarbeitet. Hier entsteht also neues Wissen, neue Zusammenhänge (durch Verküpfen von Bekanntem und Neuem) werden entdeckt, es ergeben sich aber auch neue Fragestellungen. Hier setzt auch die Kodifikation, also die schriftliche Fixierung von Wissen an. Nachdem die Kombination aber sowohl auf individueller Ebene als auch auf Gruppenebene erfolgen kann, genauso wie die Kodifikation, muss nicht zwangsläufig alles richtig sein, was kodifiziert wird. Hier beginnt mit dem Lesen der Kreislauf dann wieder von vorne. Der Lesende sozialisiert also das Wissen des Buches, er bildet Metaphern, Hypothesen etc. und externalisiert so sein durch das Lesen neu erworbenes Wissen. Durch Reflexion und Interpretation leitet er die Kombination des erlesenen Wissens ein. Sprich: er setzt sich damit auseinander und wertet dabei eben auch in Dimensionen wie nützlich - unnütz, sinnvoll - Unsinn, interessant - uninteressant. Wie er dabei wertet hängt wiederum davon ab, was er bereits weiß, welche Erfahrungen er bisher gemacht hat, wie aufgeschlossen er gegenüber Neuem ist, wie reflexionsfähig usw. usf. Auf Ebene des Individuums entsteht hier also neues Wissen. Im Sinne von Wissen innerhalb einer Gruppe, kann auch neues Wissen entstehen, allerdings erst in einem neuen Wissenskreislauf der in der Gruppe durchlaufen wird. Konkret zu deiner Frage, ob alte Bücher, die Weiterentwicklung von Wissen behindern: ja, auf individueller Ebene kann das durchaus sein, muss aber nicht. Mit einem anderen Erfahrungshintergrund einer anderen Zeit und Kultur kann man so auch Wissen erweitern. Nachdem das Ganze (= die Gruppe) aber immer mehr ist, als die Summe seiner Teile (=Mitglieder): nein, alte Bücher behindern die Weiterentwicklung des Wissens nicht.
 
Mit einem anderen Erfahrungshintergrund einer anderen Zeit und Kultur kann man so auch Wissen erweitern. Nachdem das Ganze (= die Gruppe) aber immer mehr ist, als die Summe seiner Teile (=Mitglieder): nein, alte Bücher behindern die Weiterentwicklung des Wissens nicht.

Hmmmmmm.........
Gegenbeispiel gefällig?

obwohl das "heliozentrische Weltbild" als Denkmodell sogar eher älter ist, hat das "geozentrische" das Denken über mehr als ein Jahrtausend beherrscht.
 
Es gibt aber einige Geschichten von Uhrmachern, die geblendet wurden, damit sie niemandem anderen eine ähliche Uhr bauen konnten (Prag), ...
Damit ist sicher der ominöse Uhrmacher Hanuš gemeint? :grübel: Ein Uhrmacher, den es nie gegeben hat.
Geschichten und Märchen, ja! Aber immer noch sehr "haltbar". =)
 
Ich kenne einen Steinhaufen, Götzenaltar nennt ihn der Volksmund, ein Felsblock steht aufrecht, eine Kerbe ist in den Block geschnitten, durch sie fällt die Sonne an einem bestimmten Tag im Jahr, wann habe ich vergessen, ist auch unerheblich.
Für Saat und Ernte sind solche Termine aber überaus wichtig.

Würde man das, überhaupt kalendarische Aufzeichnungen (Stonehenge), siehe auch renas Überlegungen, als Beginn einer Schriftlichkeit/Lesbarkeit akzeptieren?

Ich störe mich ein wenig an dem Begriff "Schriftlichkeit". Dein Stein bzw. Stonhenge ist doch eher eine Art Rechner und "liest" die Sonne aus. Das Ergebnis ist entweder Sonne scheint durch, oder nicht. Also ein Rechner der nur eine Funktion, nämlich die Kalenderfunktion hat. Genau genommen ein Analogrechner, obwohl ich mich auf zwei Zustände beschränkt habe - die Sonnenumlaufbahn ist ja nicht diskret.

Abgesehen vom Kult (Stonhenge) ist das simple Datenverarbeitung. Am Schluss hast die den Code "Sonne scheint durch" und du und die Alten können diesen Code entschlüsseln und die Radieschen aussäen (wird das neuerdings auseinander geschrieben :confused:) . Dein Enkel kann es wahrscheinlich nicht entschlüsseln und deshalb wächst nur Unkraut :pfeif:

Alphabete sind auch Zuordnungsvorschriften und haben mit unserem Fall - Sonnenstand ablesen - etwas gemeinsam, es ist aber, denke ich nicht das gleiche.

In gewisser Weise ist Sonhenge "moderner" als Schrift, sie ist nämlich eine automatische Datenverarbeitungsanlage, es muss nur ab und zu ein Techniker vorbeikommen und die Anlage warten und dann funzt das schon von alleine, vorausgesetzt der Strom fällt nicht aus ... ääh ... die Sonne scheint.

Oder so ein Dau von Nachwuchspriester kann mit den Ergebnissen nichts anfangen :D
 
Zuletzt bearbeitet:
Der Themenkomplex "Erinnern und Vergessen" verknüpft mit Weitergabe von Wissen und bewußtem Vergessen von überholtem Vorstellungen, hat sich in den letzten Wochen zu einem Knäuel in meinem Kopf verwickelt, so daß ich es am liebsten strangübergreifend diskutieren möchte.
Da in diesem Thread schon einige Theorie gepostet wurde, versuche ich mich an dieser entlangzuhangeln.
Wie man sehen kann, wird Wissen im Bereich der Kombination weiterverarbeitet. Hier entsteht also neues Wissen, neue Zusammenhänge (durch Verküpfen von Bekanntem und Neuem) werden entdeckt, es ergeben sich aber auch neue Fragestellungen.
Beim Lesen eines Buches oder einem Gespräch über einen mir unbekannten Sachverhalt, finde ich leichter Zugang zum Thema, wenn ich Fragmente wiedererkenne und an diese anknüpfen kann.

Hier setzt auch die Kodifikation, also die schriftliche Fixierung von Wissen an. Nachdem die Kombination aber sowohl auf individueller Ebene als auch auf Gruppenebene erfolgen kann, genauso wie die Kodifikation, muss nicht zwangsläufig alles richtig sein, was kodifiziert wird. Hier beginnt mit dem Lesen der Kreislauf dann wieder von vorne. Der Lesende sozialisiert also das Wissen des Buches, er bildet Metaphern, Hypothesen etc. und externalisiert so sein durch das Lesen neu erworbenes Wissen. Durch Reflexion und Interpretation leitet er die Kombination des erlesenen Wissens ein. Sprich: er setzt sich damit auseinander und wertet dabei eben auch in Dimensionen wie nützlich - unnütz, sinnvoll - Unsinn, interessant - uninteressant. Wie er dabei wertet hängt wiederum davon ab, was er bereits weiß, welche Erfahrungen er bisher gemacht hat, wie aufgeschlossen er gegenüber Neuem ist, wie reflexionsfähig usw. usf. Auf Ebene des Individuums entsteht hier also neues Wissen. Im Sinne von Wissen innerhalb einer Gruppe, kann auch neues Wissen entstehen, allerdings erst in einem neuen Wissenskreislauf der in der Gruppe durchlaufen wird. Konkret zu deiner Frage, ob alte Bücher, die Weiterentwicklung von Wissen behindern: ja, auf individueller Ebene kann das durchaus sein, muss aber nicht. Mit einem anderen Erfahrungshintergrund einer anderen Zeit und Kultur kann man so auch Wissen erweitern. Nachdem das Ganze (= die Gruppe) aber immer mehr ist, als die Summe seiner Teile (=Mitglieder):

Soweit meine ich die Theorie verstanden zu haben, sie gilt doch für schriftlich fixiertes Wissen = Bücher genauso wie für nur mündlich weitergegebenes Wissen.
Ich bin mir nicht sicher, ob bei meiner derzeitigen Hauptfrage die Unterscheidung implizites und explizites Wissen weiterhilft. Es fällt mir schwer, sie theoretisch zu formulieren, darum möchte ich ein Beispiel aus einem anderen Thread zur Verdeutlichung anführen. Ich hoffe Minotaurus, du nimmst es mir nicht übel.

nein, alte Bücher behindern die Weiterentwicklung des Wissens nicht.

Ob es an den alten Büchern liegt, dass diverse Vorstellungen über "Rasse" noch in vielen Köpfen spuken, weiß ich nicht, vielleicht wurden Klischees auch mündlich weitergegeben.
Muß man erst unbewußt verinnerlichtes (implizites?) veraltetes Wissen an die Oberfläche holen, es bewußt bearbeiten oder ist es für das Gruppenwissen der nächsten Generation besser, es zu vergessen und auf ein natürliches Aussterben zu setzen.
Und inwieweit sind Bücher als manifestiertes Wissen dabei hinderlich? Dabei meine ich nicht alte Bücher die quellenkritisch von Historikern gelesen werden. :winke:
 
Damit ist sicher der ominöse Uhrmacher Hanuš gemeint? :grübel: Ein Uhrmacher, den es nie gegeben hat.
Geschichten und Märchen, ja! Aber immer noch sehr "haltbar". =)


Keine Ahnung auf was Du hier anspielst, aber die Vorgänge um Böttcher zB sind meines Wissens unbestritten.

Also, was sollen Namen, das Faktum gab es.
 
Ich störe mich ein wenig an dem Begriff "Schriftlichkeit". Dein Stein bzw. Stonhenge ist doch eher eine Art Rechner und "liest" die Sonne aus. Das Ergebnis ist entweder Sonne scheint durch, oder nicht. Also ein Rechner der nur eine Funktion, nämlich die Kalenderfunktion hat. Genau genommen ein Analogrechner, obwohl ich mich auf zwei Zustände beschränkt habe - die Sonnenumlaufbahn ist ja nicht diskret.

Abgesehen vom Kult (Stonhenge) ist das simple Datenverarbeitung. Am Schluss hast die den Code "Sonne scheint durch" und du und die Alten können diesen Code entschlüsseln und die Radieschen aussäen (wird das neuerdings auseinander geschrieben :confused:) . Dein Enkel kann es wahrscheinlich nicht entschlüsseln und deshalb wächst nur Unkraut :pfeif:

Alphabete sind auch Zuordnungsvorschriften und haben mit unserem Fall - Sonnenstand ablesen - etwas gemeinsam, es ist aber, denke ich nicht das gleiche.

In gewisser Weise ist Sonhenge "moderner" als Schrift, sie ist nämlich eine automatische Datenverarbeitungsanlage, es muss nur ab und zu ein Techniker vorbeikommen und die Anlage warten und dann funzt das schon von alleine, vorausgesetzt der Strom fällt nicht aus ... ääh ... die Sonne scheint.

Oder so ein Dau von Nachwuchspriester kann mit den Ergebnissen nichts anfangen :D


Rechner oder Schrift. Binär, 10 Ziffern oder 27 Buchstaben
Für mich ist die Weitergabemöglichkeit entscheidend.
Ob einer jetzt als "Operateur" ausgebildet wird, oder die Buchstaben lernt, ist im Endeffekt zweitrangig.
 
Der Themenkomplex "Erinnern und Vergessen" verknüpft mit Weitergabe von Wissen und bewußtem Vergessen von überholtem Vorstellungen,

Ob es an den alten Büchern liegt, dass diverse Vorstellungen über "Rasse" noch in vielen Köpfen spuken, weiß ich nicht, vielleicht wurden Klischees auch mündlich weitergegeben.
Muß man erst unbewußt verinnerlichtes (implizites?) veraltetes Wissen an die Oberfläche holen, es bewußt bearbeiten oder ist es für das Gruppenwissen der nächsten Generation besser, es zu vergessen und auf ein natürliches Aussterben zu setzen.
Und inwieweit sind Bücher als manifestiertes Wissen dabei hinderlich? Dabei meine ich nicht alte Bücher die quellenkritisch von Historikern gelesen werden. :winke:

Etwas "neues" entdecken, erfinden, usw. ist in aller Regel damit verbunden, dass mit "altem" gebrochen werden muss.
Wobei etwas "praktisches" Beispiel: die Sense gegen die Sichel, sich deutlich schneller etabliert und durchsetzt, wie etwas "theoretisches" das Beispiel "heliozentrisches" oder "geozentrisches" Weltbild. Was zunächst reine Worte sind, ohne jede Bedeutung für den Einzelnen.
Und dementsprechend, siehe Beispiel, auch mal ein Jahrtausend braucht, um sich durchzusetzen.
 
Meiner Erfahrung nach ist der Homo Sapiens sehr konservativ im Denken. Neues wird erst einmal darauf hin abgeklopft, was für Ungemach es bringen könnte, und dass man eventuell lieb gewonnene Gewohnheiten ändern müsste. Es ist offenbar sehr schwierig, sich die zukünftige Situation realitätsnah vorzustellen.

Wenn das Neue hingegen ersteinmal greifbar vorhanden ist, jucken die alten Argumente niemanden mehr bzw. werden als lächerlich empfunden.
 
Soweit meine ich die Theorie verstanden zu haben, sie gilt doch für schriftlich fixiertes Wissen = Bücher genauso wie für nur mündlich weitergegebenes Wissen.
Ja und sowohl für Individuen als auch für Gruppen. Das ist quasi die Eier legende Woll-Milch-Sau unter den soziologisch-psychologischen Schemata ;)

Ob es an den alten Büchern liegt, dass diverse Vorstellungen über "Rasse" noch in vielen Köpfen spuken, weiß ich nicht, vielleicht wurden Klischees auch mündlich weitergegeben.
Ok, jetzt verstehe ich, worauf du hinaus wolltest. Ich hatte deine Frage globaler verstanden und weniger darauf bezogen, wie lange es dauert bis Wissen in allen Köpfen angekommen ist.

Den Zugang zur Weitergabe der Rassentheorie findet man mE weniger bei alten Büchern, damit würdest du ja voraussetzen, dass jeder der der Rassentheorie nach wie vor anhängt, ein einschlägiges Buch gelesen hätte. Ich würde den Zugang hier anders suchen.

Muß man erst unbewußt verinnerlichtes (implizites?) veraltetes Wissen an die Oberfläche holen, es bewußt bearbeiten oder ist es für das Gruppenwissen der nächsten Generation besser, es zu vergessen und auf ein natürliches Aussterben zu setzen.
Ersteres, aber ich bleibe mal direkt bei der Rassentheorie und hole ganz weit aus (ich hoffe mal, ich mache jetzt nicht noch mehr Knoten in dein Kneuel):

Die Rassentheorie war direkt mit ihrer Entwicklung mit einer Rangordnung (eine sog. scala naturae) der nach subjektiven Äußerlichkeiten festgelegten Menschenrassen verbunden, bei der der Schwarze die unterste Stufe darstellte und damit dem Tier am nächsten war (vor der Aufklärung unterteilte man eher nach Religion oder Stand, die Ureinwohner der in der Frühen Neuzeit entdeckten Länder wurden oft als "edle Wilde" dargestellt und weniger als viehische und minderwertige Kreaturen wie mit der Rassentheorie der Aufklärung). Je nach Zeitgeist und Land verändert sich die Einteilung der Rassen, eines bleibt aber: die Rangordnung, wobei die eigene "Rasse" immer oben steht. Soweit mal zur grundsätzlichen Kernaussage.

Was spricht denn diese Kernaussage an, bzw. was löst sie aus? Zum einen doch Gruppenzugehörigkeit in Verbindung mit gleichzeitiger Ausgrenzung anderer und dann natürlich ein "besser als"-denken. Hier ist dieses "besser als"-denken im sozialpsychologischen Sinne aber nichts anderes als der positivistische Ausdruck einer Urangst, nämlich der Existenzangst. Wenn sich jemand in einem solchen Zusammenhang als "besser als" betrachtet, dann weil er eine Bedrohung wahrnimmt. Schaut man sich nun die unterschiedlichen Ausprägungen der Rassentheorie an, dann stellt man fest, dass die Bedrohung immer direkt mitgeliefert wird. Sei es die "jüdische Weltverschwörung", sei es der kostbare Lebensraum, der durch "die minderwertige slawische Rasse" besiedelt wird und den "man" so dringend braucht. Durch die Gemeisame Vermittlung des Überlegenheitsanspruchs und der existenziellen Bedrohung und die damit ausgelöste Urangst sitzt das erstmal tief im Bewusstsein. Das Wissen ist durch diese Verknüpfung implizit sozialisiert. Man weiß es eben, dass die Juden böse und die Slawen minderwertig sind. Auch wenn man es nicht im wissenschaftlichen Sinne erklären kann. die Vermittlung dieses Wissens ist noch nicht so lang her. Meinen Großeltern wurde genau das noch eingeimpft.

Im Zusammenhang mit der Weitergabe dieses Wissens gibt es nun mehrere verschiedene Wege.
Möglichkeit 1: die Großelterngeneration hält die Rassentheorie weiter für richtig. Damit gibt diese Generation die erlernte Urangst aus Überzeugung an die Elterngeneration weiter.
Möglichkeit 2: die Großelterngeneration reflektiert entsprechend und lernt, dass die Rassentheorie falsch ist. Bewusst gibt die Großelterngeneration die Rassentheorie nicht mehr weiter, gibt aber mit großer Wahrscheinlichkeit unbewusst oder unterschwellig Teile der Rassentheorie weiter. Nur mal ein paar in den Raum geworfene Beispiele: Kinderspiele ("Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?"), Kinderlieder ("Zehn kleine Negerlein"), Vorleben der gelernten Angst (das ist nichts das man aus Vernunftgründen einfach so ablegen kann und gerade Knder nehmen Angsterscheinungen bei Eltern sehr genau wahr). Die Elterngeneration übernimmt hier also implizites Wissen der Großelterngeneration, dass bei ihnen selbst nie explizit war und auch bei ihren Kindern als implizites Wissen durch Sozialisation aufgenommen wird.

Wir haben in der Großelterngeneration zwei grundsätzliche Ausprägungsformen zur Rassentheorie. Salopp gesagt "ja, war ein Schmarrn die Nummer, brauchen wir nicht" und "nein, ist ne gute Sache".

Dann lassen wir mal die Elterngeneration erwachsen werden. Als Voraussetzung muss hier wieder eine Auseinandersetzung mit der Rassentheorie erfolgen, sonst ist das einzige, das passiert, ein erneutes Aufleben der Rassentheorie unter geänderten Voraussetzungen, weil das Wissen an der Stelle noch in allen Köpfen implizit oder gar explizit vorhanden ist und nicht durch entsprechende Reflexion bearbeitet wird. Genau das ist auch der Grund, warum es so absolut wichtig ist, eine aktive Erinnerungspolitik im Zusammenhang mit der NS-Zeit zu betreiben, weil es noch ein ordentlich langer Weg ist, bis der ganze Unfug, der damals in die Köpfe gepflanzt wurde aus dem kollektiven Gedächtnis verschwunden ist. Aber ich schweife gerade ab... Auch bei der Elterngeneration gibt es wieder mehrere Möglichkeiten:
Möglichkeit 1a): die Elterngeneration hält die Rassentheorie weiter für richtig. Damit gibt diese Generation die erlernte Urangst aus Überzeugung an die Kindergeneration weiter.
Möglichkeit 1b): die Elterngeneration reflektiert entsprechend und lernt dass die Rassentheorie falsch ist. Eine bewusste Weitergabe erfolgt hier nicht mehr, eine unbewusste, unterschwellige aber vergleichbar wie unter Möglichkeit 2 der Großelterngeneration.
Möglichkeit 2a): die Elterngeneration reflektiert das implizit erworbene Wissen während der Kindheit anhand des neu gelernten und kommt zu dem Schluss, dass die Rassentheorie in der herkömmlichen, üblicherweise aber in einer auf den Zeitgeist modifizierten Form richtig ist und genau das wird an die Kinder weitergegeben.
Möglichkeit 2b): die Elterngeneration reflektiert das implizit erworbene Wissen während der Kindheit anhand des neu gelernten und findet es genau richtig, so wie es die Großelterngeneration gemacht hat (das ist die Sorte, die sich gerne echauffiert, was denn so schlimm am Begriff "Neger" sein soll und Kinderspiele wie "Wer hat Angst vorm Schwarzen Mann?" als harmlos bezeichnet ;)) und werden es genauso machen wie ihre Eltern.
Möglichkeit 2c): die Elterngeneration reflektiert das implizit erworbene Wissen während der Kindheit anhand des neu gelernten und entdeckt zusätzlich noch versteckten, also bisher impliziten Rassismus und reflektiert dieses Wissen entsprechend und wird diese Reflexionsergebnis nicht mehr an die Kindergeneration weitergeben.

In der Elterngeneration haben wir jetzt schon fünf Ausprägungsformen: "Nein, war kein Schmarrn die Nummer, brauchen wir sehr wohl, allerdings anders als bisher", "Ja war ein Schmarrn die Nummer, Mama und Papa haben wie immer recht", "Ja, war ein Schmarrn die Nummer und zusätzlich gibts noch a bisserl mehr, was wir auch nicht mehr brauchen" sowie "Nein, ist ne gute Sache" und "Nein, ist keine gute Sache, brauchen wir nicht mehr".

Ich erspare es uns mal auch nich die Kindergeneration erwachsen werden zu lassen, ich denke, jetzt dürfte klar sein, wie die Weitergabe von entsprechendem impliziten Wissen läuft und wie lange es wohl dauern wird, bis derartige Theorien, die an entsprechende Urängste appellieren, wirklich aus den Köpfen verschwunden sind. Einen entsprechenden Umwelteinfluss habe ich aus Vereinfachungsgründen mal ausgeblendet, insbesondere weil der Haupteinfluss auf die kindliche Entwicklung üblicherweise durch die Eltern erfolgt. Die (gesellschaftliche) Kunst ist es nun, die Gruppe der ewig Gestrigen (1a) und die Gruppe der Neo-Gestrigen (2a) möglichst klein zu halten und die reflektierten Gruppen entsprechend zu stärken, wobei die Passt-schon-Gruppe (2b) auch nicht unbedingt zu unterfüttern ist. Das funktioniert am besten durch die gezielte Auseinandersetzung mit dem Thema und einer Reflexion unter Anleitung und das passiert üblicherweise in der Schule. Nachdem Lehrer ebenfalls obigen Schema unterworfen sind, die Großelterngeneration schon lange in Pension ist, und die Elterngeneration in den nächsten Jahren den Sprung machen drüfte, sind mit einer ebenfalls sehr hohen Wahrscheinlichkeit entsprechend reflektierte Lehrkräfte an den Schulen, die auch eine Reflexion bei denen steuern können, wo dies durch das Elternhaus nicht geleistet werden kann. (ich gehe einfach mal davon aus, dass Geschichtslehrer der Kindergeneration 2c sein müssen - alles andere würde an der Stelle schlicht nicht in meine Vorstellungswelt passen)

Und inwieweit sind Bücher als manifestiertes Wissen dabei hinderlich?
Gar nicht, vielmehr sind sie im Reflexionsprozess förderlich. Ein original 30er Jahre Büchlein zur Rassenlehre eignet sich allerdings erst in einem fortgeschrittenen Reflexionsstadium. Entsprechende Quellen mit Hintergrundfakten ergänzt, wie in Geschichtsbüchern oder auch bei der bpb sind auch nutzlich, um den Reflexionsprozess überhaupt erst einzuleiten.
 
Heute sind Bürger mancher Schwellenländer dafür berüchtigt, dass sie alles kopieren, was sie in die Finger kriegen.

Ist interessant,
das östliche Wiedergeburtsdenken, das ein "geistiges Eigentum" gleich gar nicht kennt.

Hat das wirklich mit Wiedergeburtsdenken zu tun? Oder nicht einfach nur mit Geschäftssinn und krimineller Energie?

Ein Bekannter, der beruflich häufig in China ist, behauptete - ich weiß nicht wie viel Chinesisch er kann, aber im Zweifel keines - dass es in China keinen Unterschied zwischen kopieren und lernen gebe, es sei dasselbe Wort.
 
Hallo

@EQ
dass es in China keinen Unterschied zwischen kopieren und lernen gebe, es sei dasselbe Wort.

da könnte was dran sein. Ich habe mal gelesen, oder in einem Film wurde das gesagt,das bei den Chinesen die Scvhüler (z.B. Malerei) die Bilder ihrer Meister immer wieder kopiert hätten um dan dann als Meister ihren eigenen Stil entwickln zu können.

mfg
schwedenmann
 
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