Deutsch-türkische Beziehungen in der Wilhelminischen Ära

Zeki

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Nachdem Bismarck aus Gründen der europäischen Stabilität das osmanische Reich eher zurückgehalten hat und allenfalls mal als Druckmittel benutzt hat kam ja in den Beziehungen mit Wilhelm II. eine Wende.
Plötzlich nährte sich Wilhelm II. dem osmanischen reich an, zeichnete sich sogar als osmanischen General.
ich habe da einige Frage:
Was hat es mit der Krise der deutsch-osmanischen Beziehungen 1909 auf sich?
Das mit der Bagdadbahn habe ich nicht so ganz verstanden, was das politisierende war. Es scheint mir doch eher so als ob die Deutschen eh nie ne Chance hatten.
Wurde Wilhelm II. für seine proosmanische Politik kritisiert, und wenn ja von wem?
Wie war die Entwicklung der deutsch-osmanischen Beziehungen bis zum Ausbruch des 1. Weltkrieges?

Vielen Dank schonmal für die Erleuchtung bei diesem nicht so populären Thema :)
 
ich habe da einige Frage:
Was hat es mit der Krise der deutsch-osmanischen Beziehungen 1909 auf sich?

Eigentlich war das mehr eine nur "befürchtete" Krise, äußerte sich Wilhelm II. doch Ende 1908 in der Weise, dass er 20 Jahre Bemühungen um das Osmanische Reich als Verbündeten 1908/09 als zerstört ansah.

Hintergrund war die
Bosnische Annexionskrise ? Wikipedia

wobei sich das Deutsche Reich in einer schwierigen Lage zwischen den Ambitionen seinen Bündnispartners Österreich-Ungarn (der Bosnien annektierte) und der dadurch verursachten Krise beim angestrebten Partner Osamnischen Reich sah. Man sah die deutsche Position in Konstantinopel als geschwächt an, da man sich auf die Seite Ö-U schlagen mußte.

Tatsächlich war das ein Intermezzo von einigen Monaten, schon bald intensivierten sich die Militärbeziehungen durch Entsendung von Ausbildern und der Lieferung von Waffen, wobei auch der deutsche Einbruch in die Marine-Beziehungen zwischen Großbritannien und dem Osmanischen Reich durch Lieferung von Kriegsschiffen gelang.

Die nächste Problematik stand allerdings schon vor der Tür, durch die italienischen Ambitionen auf osmanische Gebiete (wo man wiederum beide Seiten nicht verprellen wollte).
Italienisch-Türkischer Krieg ? Wikipedia


Eine online verfügbare Dissertation stellt das vertieft dar:
http://www.thesis.bilkent.edu.tr/0002417.pdf
EDİP ÖNCÜ:
THE BEGINNINGS OF OTTOMAN-GERMAN PARTNERSHIP:
DIPLOMATIC AND MILITARY RELATIONS BETWEEN GERMANY
AND THE OTTOMAN EMPIRE BEFORE THE FIRST WORLD WAR
2003.

und das Standardwerk:
Imperialismus und Gleichgewicht ... - Google Bücher
 
Zuletzt bearbeitet:
Vielen Dank für die Antworten Silesia :) geht das Buch von Schöllgen auch explizit auf die Intentionen und Gedanken der deutschen und der Türken bei den Beziehungen ein? Immerhin steht auch England dabei was irgendwie sich anhört als ob der Fokus auf England liegt.

kann mir vielleicht noch jemand bei den anderen Fragen helfen :) ?
 
Interessant in diesem Zusammenhang finde ich dieses Kapitel:

Schnittstellen: Gesellschaft, Nation ... - Google Bücher

Zwei Völker in Waffen. Türkisch-deutsche Interdependenzen beim nation building.

Weitere - weitläufigere - Infos im Forum u.a. hier:
http://www.geschichtsforum.de/f42/colmar-v-d-goltz-pascha-28762/


Mehr oder Tipps zum weiter recherchieren vielleicht auch hier:
Deutsche Militärmissionen im Osmanischen Reich ? Wikipedia

Dann erfährt man vielleicht hier noch einige Denkanstöße?
agahdarî.blogspot.com: Deutsch-türkische Beziehungen im Kaiserreich
Keine Ahnung, was das für eine Internetseite ist, aber der Text erscheint doch teilweise als Infoquelle tauglich, wenn man sich dabei bewusst ist, dass der Autor ein Kommunist/Sozialist ist, und daher evtl. einiges von dieser Warte aus, mit dieser Brille aus gesehen wird. Immerhin geben Fußnoten Einblicke darin, wie er zu seinen Infos gelangte.
 
Vielen Dank schon mal für die Literatur.
Das Buch Imperialismus und Gleichgewicht habe ich mir gestern noch ausgeliehen :) und auch Dank an dich lynxxx werde mir demnächst das Kapitel per Fernleihe in der Uni bestellen und den text vom Braunus habe ich auch kopiert.

Ich habe hier aus einer Bibliographie das hier entdeckt:
Neulen, Hans Werner: Adler und Halbmond. Das deutsch-türkische Bündnis 1914-1918, Frankfurt a. M. 1991.

kennt jemand dieses Buch? Bezieht es sich ausschließlich auf die Zeit während des Krieges?
 
Zeki schrieb:
Nachdem Bismarck aus Gründen der europäischen Stabilität das osmanische Reich eher zurückgehalten hat und allenfalls mal als Druckmittel benutzt hat kam ja in den Beziehungen mit Wilhelm II. eine Wende.

Es ging Bismarck nicht um die europäische Stabilität, sondern immer und auschließelich um die Sicherheit des Deutschen Reiches. Er wollte verhindern, es ist ihm ja auch gelungen, das Frankreich und Großbritannien miteinander in Konflikt geraten, denn dann könnte Frankreich sich dem Zarenreich annäheren und dies hätte dann keine Motivation gehabt, um sich mit dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn zu einem Dreibund zusammenzuschließen. Das ist nur ein Beispiel, von Bismarcks Überlegungen.
 
Es ging Bismarck nicht um die europäische Stabilität, sondern immer und auschließelich um die Sicherheit des Deutschen Reiches.

Ganz drastisch kann man auch da wieder auf die Situation 1887 hinweisen: Rußland wird in der offensiven Komponente des Rückversicherungsvertrages (Ganz Geheimes Zusatzprotokoll: Anspruch auf Bulgarien und Inbesitznahme der Dardanellen) auf das Osmanische Reich fixiert, gleichzeitig wird zwischen England/Ö-U/Italien das Mittelmeerabkommen geschmiedet).

In Briefen sah Bismarck den daraus möglichen Krisenfall relaxt und sogar als vorteilhaft für das Deutsche Reich an: Mediator zwischen Rußland und England, Krisenmanagement und danach fester Pakt mit einer Seite, der man sich hätte zuneigen können. Die Inbesitznahme der Dardanellen durch Rußland hätte wahlweise eine der beiden Großmächte fest an das Deutsche Reich gebunden. Dabei äußerte er sogar, den "Vorgang" vorteilhaft Österreich-Ungarn verkaufen zu können: schließlich würde das optionale Bündnis ganz langfristig den Kriegsfall mit Frankreich aussparen.

Das Osmanische Reich spielte dabei für ihn eine völlig nachrangige Rolle, bzw.: gar keine.
Von nur störenden Berlin-Bagdad-Phantasien ganz zu schweigen.
 
In Briefen sah Bismarck den daraus möglichen Krisenfall relaxt und sogar als vorteilhaft für das Deutsche Reich an:....

Ganz genau: Das Deutsche Reich sollte gemäß Bismarcks Intention möglichst "lange am Feuer stehen und sich die Hände wärmen."
 
Ganz genau: Das Deutsche Reich sollte gemäß Bismarcks Intention möglichst "lange am Feuer stehen und sich die Hände wärmen."

Feuer ist gut, auch andere brutzelten am Grill! =)

Pikanterweise - ohne voneinander zu wissen - ging Salisbury auf die Politik Bismarcks mit einer schriftlich überlieferten Haltung ein, durch die England "nur die etwas gefährdeten Kastanien Bismarcks rette" und die etwas "die Spannung von seiner Ostgrenze nehme".

Für Salisbury kam es darauf an, "weder Bismarcks Kastanien aus dem Feuer zu holen, noch aus Furcht davor die eigenen [englischen] Interessen zu vernachlässigen."

(Krausnick, Rückversicherungsvertrag und Optionsproblem, in: Hallmann, S. 411.)
 
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