Qualitätsverlust römische Kunst etc.

Nergal

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Die römischen Künstler der Antika haben ja großartiges geschaffen, es wird immer geschrieben das dies für die Kunst bis etwas über die Antike hinaus galt, fiel dann ab, um erst in der Renaisance wieder auf das selbe Niveau zu kommen.

Nun sehe ich mir unschöne Darstellungen Konstantins dG und anderes aus dieser Zeit, und finde dass der Abstieg wohl wesentlich früher passiert sein muß.

Was meint ihr?
 
Die römischen Künstler der Antika haben ja großartiges geschaffen, es wird immer geschrieben das dies für die Kunst bis etwas über die Antike hinaus galt, fiel dann ab, um erst in der Renaisance wieder auf das selbe Niveau zu kommen.

Einen interessanten Denkanstoß bietet dieser Artikel zum Buch von Paul Veyne "Die Kunst der Spätantike":

Mit 51 Abbildungen. Was um Himmels Willen ist bloß passiert - fragt man sich, wenn man mit wachen Augen durch römische Antikenmuseen läuft. Wieso verschwindet plötzlich und auf nimmerwiedersehen in spätrömischer Zeit der schöne Naturalismus, der aus Kaisern, Konsuln, deren Frauen und Kindern Menschen wie du und ich machte, nur ein wenig bigger than life, fast wie im Fernsehen? Was war nur der Grund für die Invasion des Vergröberten, des Karikaturhaften, des Abstrahierten, des Grotesken, des Simplifizierten überall in der spätantiken Kunst? Die Barbaren? Das Christentum? Nichts davon, sagt der große französische Althistoriker Paul Veyne, kein äußerer Grund, vielmehr eine der Kunst innewohnende Notwendigkeit ließ den Stil vom Hellenismus ins Mittelalter stürzen. Eine feinfühlige, genaue und gerechte Neuinterpretation der "Mutter aller Dekadenzepochen".

Wer eine neue Sichtweise auf die Kunst der Spätantike kennenlernen möchte, dem empfiehlt Christian Thomas das Paul Veynes Buch. Nach Ansicht des Rezensenten gelingt es Veyne, das vorherrschende Bild der eher anstößigen, uneleganten Kunst der Spätantike zu rehabilitieren. Mit Ironie kommt Veyne zu kultursoziologischen Einsichten, die die Epoche in ihrer Stilvielfalt und Durchlässigkeit zeigt, wie Thomas berichtet. Mit der These, dass die Mimesis in der Spätantike abhanden kommt, ohne jedoch die technische Kunstfertigkeit einzubüßen, hat Veyne den Rezensenten von seinem Buch auf jeden Fall überzeugt.

Paul Veyne - Die Kunst der Spätantike
 
Sehr deutlich wird der künstlerische Verfall bei Münzporträts. Vergleicht man die Münze mit dem Abbild des Hadrian mit der des Constantin so liegen Welten dazwischen. Constantins Bildnis hat keinerlei Personalgehalt. Es sieht aus wie konstruiert. Man kann sich das Aussehen des Kaisers überhaupt nicht vorstellen.
Auch in der Reliefkunst können die beiden Bilder von den Tetrarchen um Diokletian nicht mehr mit den plastischen Abbildungen am Friedensaltar des Augustus mithalten. Keiner der vier Kaiser besitzt individuelle Züge von den Größenverhältnissen der Köpfe zu den kleinen Beinen ganz zu schweigen. Noch schlimmer wird es in der Zeit des Theodosius. Zeitgleich mit dem Imperium zerfiel auch die darstellende Kunst.
 

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Ich habe gerade gelesen, dass die römische Kunst sich mehr oder weniger nur auf die antike griechische/hellenische Kunst gestützt hat und im Grunde nichts (oder kaum etwas) Eigenes erschaffen hat. Könnte man das wirklich so sagen? Mir fallen da z.B. die vielen römischen Marmorkopien diverser griechischer Bronzeskulpturen ein. Ist der Zerfall der Kunst eventuell auf diese geringe "Eigenleistung" zurückzuführen? (Mir ist natürlich schon klar, dass Kunst sich nicht nur durch die Plastiken definiert, aber das ist mir jetzt halt als Beispiel eingefallen).

Danke Galeotto für die Beispiele. Ich finde ja besonders das Münzportrait fast schon erschreckend schlecht gemacht... diese Starreit erinnert mich irgendwie an den archaischen Stil.
 
Ich habe gerade gelesen, dass die römische Kunst sich mehr oder weniger nur auf die antike griechische/hellenische Kunst gestützt hat und im Grunde nichts (oder kaum etwas) Eigenes erschaffen hat. Könnte man das wirklich so sagen? Mir fallen da z.B. die vielen römischen Marmorkopien diverser griechischer Bronzeskulpturen ein. Ist der Zerfall der Kunst eventuell auf diese geringe "Eigenleistung" zurückzuführen?
Ich bin skeptisch. Mag sich die römische Kunst auch an der griechisch-hellenistischen orientiert haben - ihr Handwerk haben die Künstler der römischen Zeit ja doch gelernt, wie die Münzen und Skulpturen der späten Republik und frühen Kaiserzeit zeigen. Außerdem ging die bildende Kunst auch im hellenistischen Osten nieder. (Ich spreche ausdrücklich von der bildenden Kunst, denn um die Literatur war es doch besser bestellt, wenn auch keine Werke wie in der goldenen und silbernen Latinität mehr geschaffen wurden.)
 
Es ist in der Tat so, dass man in der Wissenschaft sehr gerne die Ansicht vertritt, die römische Kunst sei nur eine Kopistenkunst gewesen. Das ist aber sicherlich nicht der Fall gewesen. Die zahlreichen Kopien sind nicht anders als heute zu sehen. Sie gehörten zum antiken Bildungsprogramm und wer es sich leisten konnte, der holten sich eben eine Marmorkopie des Diskuswerfers von Myron usw.
Wir wissen z.B. dass viele Werke, die von den Römern kopiert worden waren ihre Vorlage in Bronze hatten. Der Umgang mit Stein und Bronze ist allein von der Statik her ein vollkommen unterschiedlicher. So stellen sich hier ganz andere Probleme, wenn man das Werk in Stein übertragen möchte, denn einmal sind die Eigenheiten des Steins zu berücksichtigen, wie z.B. Adern und Sprünge, andererseits sind auch gewisse Dinge im Stein statisch nicht umsetzbar, so dass hier andere Lösungen gefunden werden mussten und was die bekannten Stützen anbetrifft, so mussten diese ja auch so integriert werden, dass sie keinen zu störenden Eindruck hinterließen.
Hinzukommt, dass die Arbeit des Kopisten viel aufwendiger ist, als die des Originalkünstlers. Wenn der eine ungünstige Materialeigenschaft entdeckte, dann ist er dem Problem einfach ausgewichen, idem er seine Werkidee veränderte. Ein Kopist, dessen Auftraggeber auf möglichst identische Umsetzung des Originals Wert legt, kann sich das nicht leisten. Kopisten haben sich auch häufig der Gipsabgüsse als Vorlagen bedient.

Eine weitere Leistung der römischen Kunst, die die griechische nie erreicht hat, ist das hohe Maß der Individualität, v.a. in der Porträtkunst. Die alten Charakterköpfe der Römer, mit schiefen und verbissenen Mündern, Falten und Narben im Gesicht, Nasen aller Art, von denen die wenigsten wirklich schön waren usw., hat es bei den alten Grieche nicht gegeben. Auch die Darstellung des Hässlichen, wie die bekannte trunkene Alte hätte man bei den Griechen eher nicht gefunden.
Sicherlich hat die römsiche Kultur einen gewaltigen Kulturimport aus Griechenland erlebt, aber sie hat daraus Eigenes geschaffen, das römischer Charakteristik entsprach und sich schließlich auch darüber hinaus erhoben. Wer nur die Tatsache des Kopierens sieht, hingegen die deutlichen Unterschiede bei genauerem Hinsehen übersieht, wird selbstverständlich das nicht erkennen können.
 
Schlecht würde ich nicht sage, eher typisch und wenig reflektiert, einfach im Mainstream eben, der aber nicht immer richtig sein muss.
 
Auch in der Malerei kann man von einer völlig eigenständigen römischen sprechen. Besonders die perspektivische Darstellung findet man in keiner vorherigen Kultur. Diese Kunst war auch im Mittelalter wieder völlig verschwunden und erlebte erst im 15. Jh. eine Wiederauferstehung.
Ich kann Amalaswinthas Beitrag nur bestätigen. Die individuellen Porträts der Skulpturen hatte in der frühen und mittleren Kaiserzeit eine einzigartige Qualität erreicht. Was Götterfiguren betraf so kann man durchaus von einer Übernahme der griechischen Kunst sprechen bei realen Persönlichkeiten haben die Römer aber neue Maßstäbe gesetzt.

Man kann eigentlich vom totalen Niedergang der Künste in der christlichen Epoche des Reiches sprechen.
 
Ich will den Niedergang der darstellenden Kunst nicht in Abrede stellen, aber Galeottos Beispiele sind schon etwas extrem. Die Reliefs am Konstantinsbogen z. B. sehen nicht so viel schlechter aus als z. B. die auf der Trajanssäule. Auch die Münzporträts der frühen Kaiserzeit waren keineswegs alle so schön wie das von Hadrian.

Eingesetzt hat der Niedergang der Künste aber schon in der Zeit der Soldatenkaiser, also vor der christlichen Epoche. Man sehe sich z. B. Büste und Münze des Gallienus an: Gallienus ? Wikipedia
 
Ich will den Niedergang der darstellenden Kunst nicht in Abrede stellen, aber Galeottos Beispiele sind schon etwas extrem. Die Reliefs am Konstantinsbogen z. B. sehen nicht so viel schlechter aus als z. B. die auf der Trajanssäule. Auch die Münzporträts der frühen Kaiserzeit waren keineswegs alle so schön wie das von Hadrian.

Eingesetzt hat der Niedergang der Künste aber schon in der Zeit der Soldatenkaiser, also vor der christlichen Epoche. Man sehe sich z. B. Büste und Münze des Gallienus an: Gallienus ? Wikipedia
Da gebe ich Dir recht ,dass mit den Soldatenkaisern bereits der Verfall begann. Dein Beispiel Konstantinsbogen hinkt aber etwas. Ein Großteil der Reliefs stammen von Bauwerken aus der Zeit Trajans ,Hadrians und Marc Aurels. Nur die in Sockel stammen aus der Ära des Constantin.
Die Münzporträts der frühen Kaiserzeit waren alle auf hohem Niveau. Es hängt natürlich vom Erhaltungszustand ab. Ich habe aber bewusst zwei gut erhaltene Münze des Konstantin gezeigt.
 
Ich will den Niedergang der darstellenden Kunst nicht in Abrede stellen, aber Galeottos Beispiele sind schon etwas extrem. Die Reliefs am Konstantinsbogen z. B. sehen nicht so viel schlechter aus als z. B. die auf der Trajanssäule. Auch die Münzporträts der frühen Kaiserzeit waren keineswegs alle so schön wie das von Hadrian.

Eingesetzt hat der Niedergang der Künste aber schon in der Zeit der Soldatenkaiser, also vor der christlichen Epoche. Man sehe sich z. B. Büste und Münze des Gallienus an: Gallienus ? Wikipedia

Der Konstantinsbogen ist ein schlechtes Beispiel, da man ihn teilweise mit Elementen älterer Bauwerke ausstattete.

Konstantinsbogen ? Wikipedia

Von anderen Bauwerken unterscheidet er sich aber vor allem dadurch, dass etliche Teile des Zierrats sowie die kannelierten korinthischen Säulen aus älteren Denkmälern und Gebäuden stammen.

Irgendwo habe ich noch ein Buch, in dem eine Skizze darstellt, welche Bauteile aus welcher Zeit stammen. Falls ich das richtig in Erinnerung habe, waren einige Bauteile bereits um die 200 Jahre alt, als sie im Konstantinsbogen "gebraucht" eingebaut worden sind.
 
Von Gallienus gibt as aber auch einige recht gute Porträtköpfe wie diesen. Offenbar waren noch einige Bildhauer zur alten Qualität fähig. Von den christlichen Kaisern sind mir aber keine vergleichbar guten Porträts bekannt.
 

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Worauf willst Du eigentlich mit Deiner ständigen Betonung des Christentums hinaus? Es waren doch sicherlich nicht ab Konstantin I. plötzlich alle Künstler Christen (und deswegen unfähig?). (Es gab auch noch lange heidnische Schriftsteller.)
 
Worauf willst Du eigentlich mit Deiner ständigen Betonung des Christentums hinaus? Es waren doch sicherlich nicht ab Konstantin I. plötzlich alle Künstler Christen (und deswegen unfähig?). (Es gab auch noch lange heidnische Schriftsteller.)
Es ist einfach offensichtlich, dass genau in dieser Epoche die Kunst sich völlig veränderte. Das kann teilweise durchaus am Christentum liegen. Die Darstellung von idealisierten Götterfiguren verschwand. Auch begann eine gewisse Prüderie, die den nackten Menschen nicht mehr darstellte. Man wollte offenbar auch keine anbetungswürdige Menschendarstellung. Sicher gab es noch längere Zeit Künstler die zu Besserem fähig waren aber offenbar erhielten sie keine Aufträge mehr. Offenbar gaben sie aus diesem Grund ihre Fähigkeiten nicht mehr an den Nachwuchs weiter. Dann geraten Fertigkeiten sehr schnell in Vergessenheit.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das erklärt aber nicht die Verschlechterung der Münzporträts, da wurde fast immer nur der Kopf der abgebildeten Person gezeigt. Und bei den Römern war es seit jeher unüblich, reale Menschen als Nacktstatuen darzustellen (mir fällt als Gegenbeispiel auf die Schnelle nur Commodus als Hercules ein), so etwas kam nur manchmal bei hellenistischen Herrschern vor. Heiden gab es auch noch lange genug, also grundsätzlich hätte noch ein Markt für nackte Göttinnen vorhanden sein müssen.
 
Die Nacktheit bezog sich auch nicht direkt auf Herrscher obwohl es auch von denen Akte gab. Nacktheit zeigte die Göttlichkeit des Kaisers.
In der heidnischen Zeit war ein Heer von Bildhauern mit Götterstandbildern befasst, diese Aufträge fielen in der christlichen Zeit völlig weg. Folglich wurden immer weniger Bildhauer ausgebildet da sie schlicht arbeitslos geworden wären.
Schau Dir mal den christlichen Theodosius an. Der Kaiser ist als Person gar nicht zu erkennen.
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/0/0b/Theodosius-1-.jpg
Julian Apostata, der das Heidentum wiederbeleben wollte ließ sich wieder in alter Manier mit individuelleren Zügen darstellen.
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/4/40/Sarapis_priest_Louvre_Ma1121.jpg
 
Dann behauptest Du also, dass die christlichen Kaiser bewusst primitiv dargestellt werden wollten, während der Heide Iulianus auf eine sorgfältige Statue Wert legte? Gewagte These ...
Aber dieser Typ sieht auch nicht gerade schlecht aus: Koloss von Barletta ? Wikipedia
Constans I. kann sich auch sehen lassen: File:Emperor Constans Louvre Ma1021.jpg - Wikipedia, the free encyclopedia
Leo I. scheint nur schlecht erhalten zu sein, wirkt ansonsten aber nicht schlecht: File:Leo I Louvre Ma1012.jpg - Wikipedia, the free encyclopedia

Außerdem: Die Tetrarchen entstanden noch in heidnischer Zeit ...
 
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Von den Louvre-Büsten sind sehr viele nicht antik. Bei dem Constans scheint mir nur der Körper echt zu sein. Das letzte Beispiel ist mit seinen völlig überdrehten Augen auch nicht gerade ein Meisterwerk.
Es gab sicher auch noch Künstler die etwas drauf hatten aber sie bekamen wohl keine öffentlichen Aufträge mehr. Offenbar wollte man sich gezielt von der heidnischen Zeit abgrenzen. Der Kaiser wird zu einem maskenhaften Wesen, er soll offenbar als Person nicht mehr kenntlich sein ebenso wie Gott, der gar nicht dargestellt werden durfte. Der Mensch ist nur noch als Institution durch Herrscherinsgnien zu erkennen. Nur noch das Amt muss erkennbar sein. Dabei ging im Lauf der Zeit immer mehr künstlerisches Wissen verloren.
 
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