Vorderösterreich im 18.Jh.

Da hast du aber eine gewaltige Recherche-Arbeit geleistet, Briso. Anscheinend hat dich die Landgrafschaft Breisgau mehrere Tage im Schlaf verfolgt!
Steht alles in einem Buch, also überschaubar und in 1 Stunde zu finden gewesen.:winke:

Das Thema kannte ich ja schon, musste nur noch auffrischen und auch im 1. Band überprüfen. (Ich hatte früher nur den 2. Band des zweibändigen Werkes.)

Ein Problem ist, dass im 1. Band ein Autor wegen der Steuerbeträge und Einkünfte für Österreich z.B. auf ein eigenes Werk aus den 1940ern verweist, das ich natürlich nicht so schnell zur Hand habe (Das dicke Buch zu VÖ, das ich zumeist bemühe ist aber auch in der 1.Auflage eher um die Jahrhundertmitte des vergangenen Jahrhunderts erschienen (!).). In vielen Büchern über das Breisgau etc. gerade aus den 1940ern und früher entdeckt man aber natürlich kaum was "Neues" im Vgl. zu dem angeführten Buch von Metz.
Man quält sich bei den alten Schinken durch hunderte von Seiten, um dann nicht mehr als ein paar nette Anhaltspunkte zu finden. (Deswegen bin ich jetzt auch bei Antiquariaten und Regionalgeschichtswerken vorsichtiger.) Vieles klingt auch sagenhaft, bzw. ist unbelegt.
 
Das genossenschaftliche Modell der Landgerichtsgemeinde wurde im
15.Jahrhundert ersetzt durch das der habsburgischen Landstände. Aus dem
Jahr 1460 stammt ein Vereinigungsbrief der Herren, Ritter, Knechte (also
des Adels) und der Städte des Lands Breisgaus, mit dem eine Art Landfrieden
beschlossen wurde.14 Das Land ist hier eine Einung, ein Bündnis der
Stände (freilich ohne die Prälaten). Das habsburgische Territorium konnte
auf einen genossenschaftlichen Konsens setzen, der durch das Wissen der
Mitglieder der Stände gefördert wurde, einer traditionellen rechtlichen
Einheit, eben dem Land Breisgau, anzugehören. So erklärt sich auch die
Aussage des Ensisheimer Kanzlers Isaac Volmar in einem staatsrechtlichen
Traktat von 1637, nur die Landgrafschaft bringe die mit Gütern in ihr vertretenen
Prälaten und Adeligen dazu, sich der österreichischen Herrschaft
zu unterwerfen.15 Die Region des vorderösterreichischen Breisgaus resultierte
nicht allein aus dem Machtwillen des Fürsten, sie war, pointiert
formuliert, auch eine Schöpfung der Stände und damit indirekt aller Bewohner.
16
hieraus

In Ehingen tagten die Landstände "Schwäbisch-Österreichs" wozu in dem Fall der Breisgau nicht gehörte.
Der Begriff "Vorderösterreich" ist überaus unscharf.
 
Irgendwo in den Gehirnwindungen habe ich auch noch, dass es in Ehingen Ansätze zu einer Universität gab. 18. Jahrhundert?

Das Kloster Zwiefalten unterhielt in Ehingen ein Gymnasium das zum Lyzeum ausgebaut wurde.
"Der geistige Mittelpunkt zwischen Alb und Bodensee"
 
Und weil eben Vorderösterreich von Brissotin genannt wurde:

Vorderösterreich sollte bereits vor dem bayerischen Erbfolgekrieg 1778/1779 an die Wittelsbacher gehen, im Gegenzug sollten die Österreicher Niederbayern und die Oberpfalz bekommen. Das verärgerte die Bevölkerung in Bayern so sehr dass Carl Theodor für mehrere Monate nach Mannheim flüchten musste da er in München Unruhen befürchtete. (Abgesehen davon scheint er sich in Mannheim ohnehin viel wohler gefühlt zu haben.)

Die Bewohner der bayerischen Stammlande wollten nicht verschachert werden. Das zeigt sich erneut als Carl Theodor einige Jahre später versucht Bayern gegen die Österreichischen Niederlande einzutauschen. Als er das Zeitliche segnete soll sich die bayerische Bevölkerung darüber gefreut haben. Solche Dinge vergisst eine bayerische Seele wohl nicht. ;)

Wobei ich mir bei diesem Beispiel durchaus bewusst bin dass einige Territorien (unter anderem das bayerische) aufgrund ihrer lange zurückreichenden Geschichte und der Formung aus einem Stammesherzogtum durchaus als besonders fruchtbar für so etwas wie Identitätsgefühl gesehen werden müssen. Ob man das für andere, neuere territoriale Konstrukte im HRR ebenso beobachten kann wage ich zu bezweifeln, doch freue ich mich schon auf viele Beispiele die hier zusammengetragen werden. :winke:
 
Zuletzt bearbeitet:
Und weil eben Vorderösterreich von Brissotin genannt wurde:

Vorderösterreich sollte bereits vor dem bayerischen Erbfolgekrieg 1778/1779 an die Wittelsbacher gehen, im Gegenzug sollten die Österreicher Niederbayern und die Oberpfalz bekommen. Das verärgerte die Bevölkerung in Bayern so sehr dass Carl Theodor für mehrere Monate nach Mannheim flüchten musste da er in München Unruhen befürchtete. (Abgesehen davon scheint er sich in Mannheim ohnehin viel wohler gefühlt zu haben.)
Ich dachte der Carl Theodor wollte immer schon die Österreichischen Niederlande? Was wollte er denn mit Vorderösterreich?:grübel:

Davon habe ich ja noch nie etwas gelesen. :confused:
 
Steht unter anderem in seinem Wiki-Artikel, wenn ich später Zeit finde schaue ich Dir den Spindler durch (den müsste ich erst im Auto holen ), da ist immer mit weiterführender Literatur.
Ich bin nur erstaunt, weil davon nie was in der Literatur zu Vorderösterreich stand, die ich bis jetzt gelesen habe.

Der Sinn des Projekts hätte sich mir auch nicht erschlossen. Ich dachte, es ging Carl Theodor darum, wieder in seine Heimat (Bergen op Zoom) zu kommen und obendrein eine wirtschaftlich starke und territorial zusammenhängende Region zu erhalten. Vorderösterreich zumindest war beides nicht.
 
Ich bin nur erstaunt, weil davon nie was in der Literatur zu Vorderösterreich stand.

In der bayerischen Landesgeschichte ist das eigentlich immer erwähnt, glaube sogar in dem kurzen Aufsatz zu Carl Theodor in "Die Herrscher Bayerns". Vielleicht liegt es wirklich daran dass die gekränkte bayerische Seele nichts vergisst. :scheinheilig:
 
Der Sinn des Projekts hätte sich mir auch nicht erschlossen. Ich dachte, es ging Carl Theodor darum, wieder in seine Heimat (Bergen op Zoom) zu kommen und obendrein eine wirtschaftlich starke und territorial zusammenhängende Region zu erhalten. Vorderösterreich zumindest war beides nicht.

Es war wohl noch eine stattliche finanzielle Entschädigung im Gespräch da es sich bei der Oberpfalz (Eisen) und Niederbayern (fruchtbare Böden) um reiche Gebiete handelte.
 
Als Quelle sollte hier die Wiener Konvention vom 3. Januar 1778 einschlägig sein, Brissotin. Hier hilft wohl nur der originale Quellentext da sich die googelbaren Seiten widersprechen.
 
Ich hatte nachgeschlagen und für Carl Theodor war wohl Vorderösterreich nie zur Diskussion, jedenfalls nicht seinerseits. Von daher könnt ihr Bayern, Luki, beruhigt sein. Für solch eine kleine* und nicht eben reiche Provinz hätte er euch nicht getauscht.

Ich führe hier einmal auf, was Kreutz unter dem Stichpunkt "Erste Tauschpläne und der Bayerische Erbfolgekrieg" darstellte:

Am 30. Dezember 1777 war Max III. Joseph überraschend gestorben.

Carl Theodor und Joseph II. hatten sich bis dahin nicht über den Ländertausch einigen können. (Der Grund wird unten ganz klar - die Positionen waren offenbar zu unterschiedlich.)

Der Kurfürst von der Pfalz reiste rasch nach München, wo er am 2. Januar 1778 bereits eintraf. ** Die Beamten huldigten ihm dort als neuen Kurfürst von Bayern.

Gleichzeitig rückten 10.000 österreichischer Soldaten in Straubing und in den sulzburgischen Stammlanden ein.

Am 3. Januar zwang Kaunitz den pfälzischen Gesandten Ritter, die österreichischen Ansprüche auf die Grafschaft Mindelheim, den Straubinger Teil Niederbayerns und die böhmischen Lehen in der Oberpfalz anzuerkennen.
"Durch seine Unterschrift hoffte dieser [also Ritter], weiteren Annexionsgelüsten die Spitze abbrechen und durch sein Eingehen auf die Zumutungen Wiens, den Weg für den von Carl Theodor favorisierten Tausch Bayerns gegen die österreichischen Niederlande, das heutige Belgien, ebnen zu können."

Doch hatten sowohl Ritter als auch Carl Theodor die Rechnung ohne den Kaiser gemacht, der das, übrigens schon seit 1686 auf Wittelsbacher Seite geäußerte, Tauschprojekt zurückwies. Statt dessen gedachte Joseph II. dem pfälz. Kurfürst Gebiete im Breisgau zu überlassen.

Carl Theodor allerdings lehnte alle alternativen Tauschvorschläge von Joseph II. ab.

Nun ging es um die Meinung des scheinbar künftigen Erben Bayerns, dem Herzog Karl II. August von Pfalz-Zweibrücken. Unter anderem durch die Beeinflussung der Kurfürstin Maria Anna wies er die erzwungene Konvention vom 3. Januar ab.
***

* Immerhin flächenmäßig größer als Württemberg, aber er hätte wohl nicht gesamt Vorderösterreich, sondern nur den Breisgau erhalten.
** Das nur mal zum Thema, man hatte damals lange Reisezeiten. ;) Die Information vom Tod des bayerischen Vetters kam nach Mannheim und der pfälz. Kurfürst schaffte es binnen weniger als 2 Tagen offenbar, und das im Winter, nach München.
*** "Lebenslust und Frömmigkeit, Kurfürst Carl Theodor zwischen Barock und Aufklärung", Handbuch und Ausstellungskatalog, hier: Handbuch, Pustet, Regensburg 1999
hier: Wilhelm Kreutz: "Außenpolitik und diplomatische Beziehungen bis 1789" S. 221
 
Vielen Dank für die Mühen die Du Dir gemacht hast. :friends: Hattest Du auch Gelegenheit einen Blick auf die Wiener Konvention zu werfen? Wenn nicht dann schaue ich dass ich das nächste Woche vielleicht mal hinbekomme, die ist scheinbar nirgends online in digitalisierter Form verfügbar.
 
Hattest Du auch Gelegenheit einen Blick auf die Wiener Konvention zu werfen? Wenn nicht dann schaue ich dass ich das nächste Woche vielleicht mal hinbekomme, die ist scheinbar nirgends online in digitalisierter Form verfügbar.
Nein, die fand ich nicht. Ich hatte nur den Text von Kreutz (Uni Mannheim) zur Hand. Kann aber noch in den Ausstellungsband schauen.
Interessant wäre, ob sich auf der Konvention wirklich nur die Unterschrift Ritters befindet, so klingt es ja bei Kreutz. Wenn man sich anschaut, wie rasch die Unterschrift erfolgte, muss man fast davon ausgehen, dass sie ohne Rücksprache - nur einen Tag nach der Ankunft des Kurfürsten in München ! - mit dem Herrscher erfolgt war.
 
Unruhen in Vorderösterreich Mitte 18.Jh.

Wenn auch eher übergreifend über Jahrhunderte, habe ich gestern was dazugelernt, was ganz gut zu diesem Thread passt.

Dr. Thomas Steffens hielt im Alemannischen Institut Freiburg folgenden Vortrag: Herrschaftspraxis auf dem Land. Die Familie Stürtzel von Buchheim als „March-Herren“ (1491–1790)

Besonders spannend für mich war das Verhältnis zwischen Leibeigenen und Grundherren. Neben dem Bauernkrieg gab es die größten Unruhen Mitte des 18.Jh.. Es ist interessant, dass ähnlich wie dann später bei Joseph II. die Reformbestrebungen der Funke im Pulverfass waren. Maria Theresia führte ja in den 1740er und 1750er Jahren umfassende Verwaltungsreformen durch. Die Bauern wurden scheinbar hellhörig, als das Gerücht die Runde machte, die Landesherrin würde die Lehensverhältnisse und ähnliches einer strengeren Überprüfung unterziehen. Dadurch sahen sich die Bauern dazu motiviert angebliche Missstände durch die Herrschaft anzuprangern, v.a. wo man Verstöße gegen die alte Urkunde aus den 1430ern wähnte. Die Frondienste waren ein Hauptpunkt des Anstoßes. So währte der Streit zwischen den Stürzels und ihren Leibeigenen von 1742 bis 1755. Die langen Jahre in denen Abgaben verweigert wurden, haben die ohnehin schon prekäre finanzielle Lage der Grundherren weiter verschärft bis ihre Güter unter eine Zwangsverwaltung gestellt wurden.
Offenbar waren aber nicht nur die Stürzels sondern weite Gebiete im Breisgau von den Unruhen betroffen, die entsprechend den Akten bis hin zu Handgreiflichkeiten und dem Einsatz von Militär auf obrigkeitlicher Seite reichten.

In Biographien oder dergleichen über Maria Theresia habe ich noch nie davon gelesen wie destabilisierend die Reformpläne von Maria Theresia auf die Grundherrschaft wirkten. Vielleicht geht das aus neben außenpolitischen Aspekten geraden in den ersten Jahren ihrer Herrschaft unter.

Hat sich jemand schonmal damit beschäftigt? Gab es ähnliche Unruhen wie nahe Freiburg auch in Österreich (meinetwegen Steiermark und Tirol)?
 
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