Innere und äußere Freiheit

Vielleicht noch eine Anmerkung aus der Hand, da nach wie vor die unterschiedlichen Definitionen von Freiheit hier die Runde machen.

Vom Freiheitsbegriff der Reformation war ja schon die Rede.

Der Freiheitsbegriff (im Sinne der Inneren Freiheit hjwiens) des 18. und 19. Jahrhunderts (Locke) unterschiedet sich wesentlich von dem des 20. Jahrhunderts und ist nicht vom Begriff des Eigentums und Eigentum-Erwerbs zu trennen.
"Nur das Eigentum erlaubt ein Leben nach eigener Fasson"

Mit anderen Worten, die Armut die mich zur täglichen Maloche zwingt, lässt keinen Raum für Freiheit.:motz:

Punkte die Ihr in Eure filosofischen Betrachtungen unbedingt einfliessen lassen solltet.
Bei Bedarf suche ich meine alte "Diskussionsliteratur" hervor, ist zwar verm. politisch gefärbt, aber so alt, dass sie hier zugelassen wäre.
 
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Der Freiheitsbegriff (im Sinne der Inneren Freiheit hjwiens) des 18. und 19. Jahrhunderts (Locke) unterschiedet sich wesentlich von dem des 20. Jahrhunderts und ist nicht vom Begriff des Eigentums und Eigentum-Erwerbs zu trennen.
"Nur das Eigentum erlaubt ein Leben nach eigener Fasson"

Mit anderen Worten, die Armut die mich zur täglichen Maloche zwingt, lässt keinen Raum für Freiheit.:motz:
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Bei Bedarf suche ich meine alte "Diskussionsliteratur" hervor, ist zwar verm. politisch gefärbt, aber so alt, dass sie hier zugelassen wäre.


Hannah Arendt "Über die Revolution" Piper München 1963
Seite 233:
.....Uns fällt es heute nicht ganz leicht zu verstehen, dass sich eine Revolution an dieser Frage entzünden konnte, weil uns der Zusammenghang von Freiheit und Eigentum nicht mehr selbstverständlich ist; wir können uns Freiheit auch in einer besitzlosen Gesellschaft vorstellen. Im 18. Jahrhundert aber, wie auch noch im 19. Jahrhundert, lag die Aufgabe der Gesetze primär darin, eigentum zu schützen, nicht Freiheiten zu garantieren, denn die Freiheit mi allen ihren Rechten und Privilegien war grundsätzlich durch Eigentum garantiert. Erst im 20. Jahrhundert, das die vollen staatsbürgerlichen Rechte von keinem Besitzstand mehr abhängig machte, hat man der Freiheit zugemutet, sich gegen Staat und Gesellschaft ohne den Schutz, den das Eigentum gewährt, zu behaupten. ....


Ein sehr wichtiger Punkt den da Hannah Arendt bringt, der insbesondere in der historischen Betrachtungsweise nicht außer Acht gelassen werden darf.
 
Soviel scheint klar: Für die Zeit um 1780, als Wieland sich zum "Verfassungspatriotismus" bekennt, muss man nicht nur die prekäre Relation zwischen dem HRRDN und den Partikularmächten anschauen, sondern auch zwischen den Schichten (Klassen), insbesondere zwischen Bürgertum bzw. Intelligenz und - zahlenmäßig weit überwiegend - Landbevölkerung differenzieren.

Sehr pauschal ausgedrückt, singt der zur Intelligenz gehörige Wieland ein Loblied auf den Status quo, weil darin faktisch der Durchgriff der Obrigkeit auf die bürgerlich-geistige Freiheit (seines Standes) bzw. die Entwicklung eines effektiveren Staatsapparats gehemmt ist. Das macht sogar das mediokre Regime von "kleinen Despoten" wie Carl Eugen erträglicher; notfalls kann jemand wie Schiller über die nächstgelegene Grenze fliehen.

Die elementaren Bedürfnisse von Bürgertum/Intelligenz scheinen in dieser Konstruktion so weit befriedigt, dass Wieland für den Erhalt des Status quo bzw. für allenfalls maßvolle Korrekturen eintritt. Dabei bleiben wenigstens zwei große Fragen offen:

  • Wie stellt sich die Situation auf der untersten Ebene dar, d.h. auf der des "Landmanns". Hat Wieland einen Blick dafür? Betrifft ihn das überhaupt?
  • Wie können Selbstgenügsamkeit und Erstarrung des Systems verhindert werden? Zwar vollziehen sich gesellschaftliche Veränderungen um 1780 scheinbar langsam, aber was ist, wenn sie sich beschleunigen?
Ich sehe die Zeit um 1780 als die eines Hoffnungsschimmers für die fortschrittlichen Kräfte an. Man darf nicht vergessen, dass 1780 Maria Theresia verstarb. Es mag etwas hart klingen, aber mit ihrem Tod war eine große Aufbruchstimmung verbunden. Von Joseph II. wurde ein ganz neuer Kurs erwartet und das wohl auch auf Reichsebene.
Mit der Aufhebung der Leibeigenschaft zumindest in den eigenen Ländern schien er die Erwartungen in ihn als einen Hoffnungsträger auch durchaus zu erfüllen. Das Reformprogramm, beachtet man, dass ihm nur 10 Jahre der Alleinregierung vergönnt waren, war beachtlich trotz Rückschlägen.

Ich weiß freilich nicht, wieviel davon Wieland schon durch den Kopf ging. Aber gerade seinesgleichen wie J.G. Jacobi gehörten zu den großen Bewunderern des neuen, vielversprechenden Kaisers, der eventuell das Positive am Heiligen Römischen Reich, was heute von Historikern weit stärker als noch vor 60 und mehr Jahren betont wird, verwendete, um die ganze Gesellschaft fortschrittlich zu beeinflussen.
 
Wenn ich Dich richtig verstehe, verknüpfst Du diese Hoffnungen mit einem "Reform"-Fürsten. Ein solcher soll mit kraftvoller Reformpolitik für zeitgemässe Modernisierungen sorgen (1).

Wielands Verfassungspatriotismus speist sich aber gerade aus der Abwehr fürstlicher Machtansprüche durch die landständische Vertretungen (2).

Zwischen (1) und (2) scheint mir ein gewisses Spannungsverhältnis zu bestehen: fürstliche Machtpolitik konnte doch auch dann blockiert werden, wenn sie "vernünftige Reformziele" verfolgte.

Ich wähle mal ein Beispiel, das lediglich das Konfliktmuster verdeutlichen soll: angenommen ein Reform-Fürst hätte die Gewerbefreiheit einführen wollen. Er hätte damit rechnen müssen, dass jene Stände, die durch eine solche Reform Konkurrenz bekommen, in der landständischen Vertretung opponieren und dort mit jenen koalieren, die ihre Besitzstände in anderen Fragen gefährdet sehen.

Das führt zu den (verfassungspatriotischen) Fragen, wie reformfähig die landständische Vertretungen selbst waren und wie deren Reformfähigkeit gestärkt werden konnte; im Nachgang zu der Frage, ob solche Reformen an der landständischen Verfassung realistisch waren.

Die Fürsten selbst beschäftigten sich vielleicht eher mit der Frage, wie durch das Fokussieren notwendiger Reformpolitik die landständische Vertretungen entmachtet werden konnten.
 
Ich sehe die Zeit um 1780 als die eines Hoffnungsschimmers für die fortschrittlichen Kräfte an. Man darf nicht vergessen, dass 1780 Maria Theresia verstarb. Es mag etwas hart klingen, aber mit ihrem Tod war eine große Aufbruchstimmung verbunden. Von Joseph II. wurde ein ganz neuer Kurs erwartet und das wohl auch auf Reichsebene.
Mit der Aufhebung der Leibeigenschaft zumindest in den eigenen Ländern schien er die Erwartungen in ihn als einen Hoffnungsträger auch durchaus zu erfüllen. Das Reformprogramm, beachtet man, dass ihm nur 10 Jahre der Alleinregierung vergönnt waren, war beachtlich trotz Rückschlägen.

Ich weiß freilich nicht, wieviel davon Wieland schon durch den Kopf ging. Aber gerade seinesgleichen wie J.G. Jacobi gehörten zu den großen Bewunderern des neuen, vielversprechenden Kaisers, der eventuell das Positive am Heiligen Römischen Reich, was heute von Historikern weit stärker als noch vor 60 und mehr Jahren betont wird, verwendete, um die ganze Gesellschaft fortschrittlich zu beeinflussen.


Heute sieht man aber bei Joseph den Beginn, dass sich die großen Territorial-Staaten aus dem Reich zurückzogen.
Kausalkette von Joseph zum Reichsdeputationshauptschluss.
Was zumindest im Rückblick recht schlüssig wirkt.
 
Heute sieht man aber bei Joseph den Beginn, dass sich die großen Territorial-Staaten aus dem Reich zurückzogen.
Kausalkette von Joseph zum Reichsdeputationshauptschluss.
Was zumindest im Rückblick recht schlüssig wirkt.
Mag sein. Aber das war 1780 noch nicht abzusehen. Meines Erachtens war da schon die Hoffnung vorhanden, dass dieser Kaiser etwas für das Gesamtreich änderte. Maria Theresia wurde da eher als Hemmschuh angesehen. Ihr Gatte Franz I. hingegen schien sich reichspolitisch nicht durchgesetzt zu haben - verfolgte aber auch nur kaum selber heute deutlich erkennbare Ziele in der Reichspolitik.

Ich denke, man muss Joseph II. unterschiedlich bewerten und wahrscheinlich auch das, was er wollte, von dem trennen, was er erreichte. Sowohl mit dem bayerischen Ländertausch als auch mit seinem Verlangen sich stärker in Schwaben zu engagieren, wäre er ja bzw. Österreich tiefer in andere Reichskreise hinein gewachsen.

Die Entmachtung der Landstände in Österreich war aber schon vor 1780 weitesgehend abgeschlossen.
Das Verhalten gegenüber den Reichsständen ist noch schwerer zu durchschauen, weil da eben viele Absichten nicht durchdrangen.
 
Zwischen (1) und (2) scheint mir ein gewisses Spannungsverhältnis zu bestehen: fürstliche Machtpolitik konnte doch auch dann blockiert werden, wenn sie "vernünftige Reformziele" verfolgte.
Das ist sicherlich so.

Ich muss nochmal nachschlagen, wer denn Joseph II. so umjubelte. Leider habe ich derzeit dafür nicht genug Zeit.:red:
 
Ich denke, man muss Joseph II. unterschiedlich bewerten und wahrscheinlich auch das, was er wollte, von dem trennen, was er erreichte. Sowohl mit dem bayerischen Ländertausch als auch mit seinem Verlangen sich stärker in Schwaben zu engagieren, wäre er ja bzw. Österreich tiefer in andere Reichskreise hinein gewachsen.

Als das nicht wie gewünscht klappte, sah man in Wien wohl das Reich zunehmend als hinderlich für die Habsburger Hausmachtpolitik.

Das Verhalten gegenüber den Reichsständen ist noch schwerer zu durchschauen, weil da eben viele Absichten nicht durchdrangen.

Zustimmung.
 
Auch wenn das nicht an die damalige Diskussion anknüpft, stelle ich mich doch mal hierhin mit meiner Frage:

Ich finde keinen Beleg (bei oberflächlicher Suche) für das Rousseau zugeschriebene Zitat:

"Die Freiheit des Menschen besteht nicht darin, daß er tun kann, was er will, sondern daß er nicht tun muß, was er nicht will."

Ist das eine Zusammenfassung einer ursprünglich komplexeren Formulierung aus der Feder Rousseaus oder ist das mal wieder so ein Spruch, der einem berühmten Namen angehängt wird?
 
Ist das eine Zusammenfassung einer ursprünglich komplexeren Formulierung aus der Feder Rousseaus oder ist das mal wieder so ein Spruch, der einem berühmten Namen angehängt wird?
« Je n'ai jamais cru que la liberté de l'homme consistât à faire ce qu'il veut, mais bien à ne jamais faire ce qu'il ne veut pas, et voilà […] » (aus: Les rêveries du promeneur solitaire, z.B. @ Gallica S. 166)
 
Auch wenn das nicht an die damalige Diskussion anknüpft, stelle ich mich doch mal hierhin mit meiner Frage:

Ich finde keinen Beleg (bei oberflächlicher Suche) für das Rousseau zugeschriebene Zitat:

"Die Freiheit des Menschen besteht nicht darin, daß er tun kann, was er will, sondern daß er nicht tun muß, was er nicht will."

Ist das eine Zusammenfassung einer ursprünglich komplexeren Formulierung aus der Feder Rousseaus oder ist das mal wieder so ein Spruch, der einem berühmten Namen angehängt wird?

Dieses Zitat ist hochgradig irreführend.

Im Sinne des "Gesellschaftsvertrags" sollte folgendes ergänzt werden, um die Identität zwischen individueller und kollektiver Freiheit bei Rousseau zu verstehen.

" Man ist frei, obwohl man den Gesetzen unterworfen ist, man ist nicht frei, wenn man einem Menschen gehorcht, weil ich dann dem Willen eines anderen gehorche. Gehorche ich aber dem Gesetz, so gehorche ich nur dem öffentlichen Willen, der ebenso mein Wille ist wie der Wille von wem auch immer." (Herb: Jean Jaques Rousseau: Vom Gesellschaftsvertrag, in: Brocker: Geschichte des politischen Denkens, S. 306).

Und als Ergänzung sei auf Axel Honneth: Das Recht der Freiheit, verwiesen, in der er die Genese des Freiheitsbegriff beschreibt.

Diese Zentralität der "Freiheit" für die Konstitution der bürgerlichen Gesellschaft ist in der neuzeitlichen Entwicklung angelegt, die eine neue Form von individueller und kollektiver Identität hervorgebracht hat, wie Taylor ausführt (Quellen des Selbst. Zur Entstehung der neuzeitlichen Identität).
 
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