Hannibals Raffinesse

Ravenik schrieb:
Es war auch nicht so, dass Hannibal in Italien nie Verstärkung erhalten hätte, die kam schon (sogar mit Kriegselefanten), wenn auch erst später

Im Verhältnis was an Personal und Material für die Offensive gegen Sizilien aufgewendet wurde, war es im Verhältnis gesehen bescheiden.
 
Das Hannibal Städte belagern konnte, sah man ja an der Belagerung von Sagunt.
Dass Hannibal aber lieber auf Belagerungen verzichtete, kann man dann an seinem Handeln in Italien feststellen.

Die Frage, welches Verhältnis Hannibal zu Belagerungen allgemein hatte, wird ja nicht umsonst in der Forschung diskutiert.
 
Noch einmal zum Cuncator

Mir ist da noch eine interessante Annekdote zum Cuncatator eingefallen.
Als Hannibal und Quintus Fabius Maximus den Austausch von Gefangenen vereinbart hatten, lieferte Hannibal deutlich mehr Römer als abgemacht. Hannibal erwartete von der Gegenseite entsprechendes Lösegeld. Der römische Senat, stur un starrköpfig wie so häufig, lehnte vehement ab Der Cuncatator seinerseits betrachtete diese Frage als Ehrensache und zahlte aus eigener Tasche. Damit geriet er einmal mehr ins Kreuzfeuer der römischen Kritik.
 
Naja, das ist übertrieben. Der römische Senat bestand nicht aus Berufssoldaten, sondern großteils aus Reichen, die im Laufe ihrer politischen Karriere auch immer wieder militärische Aufgaben wahrnahmen bzw. wahrnehmen mussten. So unterschiedlich war die Zusammensetzung von Senat und karthagischem Rat letztlich gar nicht, in beiden Gremien dominierten oft Leute, die in erster Linie die Interessen ihres Standes vertraten, und in beiden Staaten gab es Auseinandersetzungen zwischen Aristokraten und Vertretern der breiten Masse.
Natürlich war es überspitzt formuliert, bewusst überspitzt. Ich wollte eben verdeutlichen, dass die Karthager im Fall der Fälle eben nicht alles auf eine Karte setzten und im Zweifelsfall wirtschaftlichen Interessen den Vorrang gaben. Aber gerade das war in einem Konflikt mit Rom fatal.

Es war auch nicht so, dass Hannibal in Italien nie Verstärkung erhalten hätte, die kam schon (sogar mit Kriegselefanten), wenn auch erst später.
Jap, aber es waren zu wenige und es war zu spät.

Und noch einmal: Was genau hätte Hannibal mit der Verstärkung anfangen sollen, wenn sich die Römer nicht mehr zur Schlacht stellten?
Ewig konnte Rom ja auch keiner Schlacht aus dem Weg gehen, gerade dann nicht, hätte das Bundesgenossensystem richtig zu wanken angefangen. Hannibal musste ja Teile seines Heeres in der eroberten Städten zurücklassen, die Verstärkungen wären da mehr als hilfreich gewesen. Wer weiß was passiert wäre, wenn Hannibal es geschafft hätte durch noch massivere Verheerungen der Landschaft die Bundesgenossen zum Abfallen zu zwingen. Und nicht zu vergessen, wäre dies auch ein psychologisches Signal an die Römer und alle Bundesgenossen gewesen
 
Zu geringer Nachschub für Hannibal

Schon im 4.Kriegsjahr hat der Rat der Stadt Karthago beschlossen gehabt, eine Expeditionsstreitmacht nach Sardinien, dort tobte gerade ein Aufstand, zu schicken. Des Weiteren sollte Hasdrubal in Spanien unterstützt werden. Hannibal wurde ein, im Verhältnis betrachtet, kleiner Verband, 4.000 Numider und 20 Elefanten und 1000 Talente Silber, bewilligt. (1)


Mir diesen Verstärkungen ging Hannibal dann gegen Nola vor. Die karthagischen Hoffnungen Sardinien wiederzugewinnen mussten noch im Jahre 215 v.Chr. zu Grabe getragen werden, da die karthagischen Truppen den Römern unterlagen. Diese Truppen wären in Italien, genauso wie die später auf Sizilien eingesetzten, besser bei Hannibal verwendet worden.


(1) Livius 23,13,7 und Livius 23,32,5-7
Zonares 9,3,7
Eutrop 3,11,3-5
 
Man muss sich bei der ganzen Geschichte allerdings schon fragen, woher die Informationen über die Beschlüsse des karthagischen Rates eigentlich gekommen sein sollen, egal, ob sie nun von Livius oder einem anderen Autor Jahrhunderte später zitiert wurden. Man kann davon ausgehen, dass hier etliche schriftstellerische Freiheiten in Anspruch genommen wurden.
 
Man muss sich bei der ganzen Geschichte allerdings schon fragen, woher die Informationen über die Beschlüsse des karthagischen Rates eigentlich gekommen sein sollen, egal, ob sie nun von Livius oder einem anderen Autor Jahrhunderte später zitiert wurden. Man kann davon ausgehen, dass hier etliche schriftstellerische Freiheiten in Anspruch genommen wurden.


Es ja bekannt, das im Zuge der dritten militärischen Auseinandersetzung zwischen Karthagern und Römern, die Stadt Karthago im Jahre 146 v.Chr., durch die römische Raserei, auch für antike Verhältnisse außerordentlich brutal, restlos zerstört worden war und eben damit ging natürlich erhebliches Quellmaterial verloren. Es bleibt aber kaum etwas anderes übrig, als auf die verbleibenden antiken Gewährsleute zurückzugreifen, um ein wenig Licht ins Dunkle zu bringen.

Aus diesem Grunde ist es sicher hilfreich eben verschiedene Quellen zu nutzen, Quellenkritisch vorzugehen etc.etc.. Zonares steht beispielsweise sicher nicht unbedingt im Verdacht, den Karthagern Negatives nachsagen zu wollen. Polybios hingegen ist ein ausgesprochener Fan der Römer; kein Wunder bei seiner Biograhie.
 
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Aus diesem Grunde ist es sicher hilfreich eben verschiedene Quellen zu nutzen, Quellenkritisch vorzugehen etc.etc.. Zonares steht beispielsweise sicher nicht unbedingt im Verdacht, den Karthagern Negatives nachsagen zu wollen. Polybios hingegen ist ein ausgesprochener Fan der Römer; kein Wunder bei seiner Biograhie.

Es sollte uns aber klar sein, dass es wohl schon in der Antike keine Primärquellen gab. Die Archive wurden zerstört, man hört auch nichts mehr darüber. Außerhalb der Archive dürften die Karthager den Römern kaum ihre Ratsentscheidungen mitgeteilt haben. Daher ist anzunehmen, dass praktisch alle Aussagen der Autoren darüber ihrer Fantasie entspringen. Egal wie Zonaras eingestellt war, er lebte 1300 Jahre nach den Ereignissen. Viel mehr als sich auf die bekannte römische Geschichtsschreibung zu beziehen, blieb ihm doch auch nicht.
 
Dann sind Werke über die karthagische Geschichte, beispielsweise Werner Huss sein Buch "Die Karthager", in denen u.a eben auch Ratsentscheidungen vorgestellt werden, Fantasyromane?:grübel:

Interessant in diesem Kontext ist, das beispielsweise Poybios oder auch Livius den römischen Annalisten und Senator Quintus Fabius Pictor als Quelle verwendet haben. Pictor hatte aktiv im 2.Punischen Krieg gegen Hannibal gekämpft. Es darf bezeifelt werden, ob seine Darstellung der Punischen Kriege dann aucgh nur halbwegs objektiv war und auf seine Darstellung fußt das Werk von Polybios, der während des 3.Punischen Krieges sich im Stabe von Scipio befand und der restlosen Zerstörung Karthagos beiwohnte.
 
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Dann sind Werke über die karthagische Geschichte, beispielsweise Werner Huss sein Buch "Die Karthager", in denen u.a eben auch Ratsentscheidungen vorgestellt werden, Fantasyromane?:grübel:

Wieso das denn? Huss versucht an Hand der vorhanden Quellen eine Geschichte der Karthager zu schreiben. Er ist sich aber der unsicheren Quellenlage bewusst, was er auch des öfteren betont.
 
In meiner Semesterarbeit beschäftige ich mich mit dem 3. Punischen Krieg.
Nun kam mir die Frage auf, wieso kriegt Hannibal keine Unterstützung aus Karthago.
Hannibal soll Nordafrikas Kernland retten. Er kehrt zurück in die Heimat, wütend auf die eigene Regierung. Titus Livius : „Jetzt rufen sie mich offen zurück, SIE die durch Verweigerung von Truppen und Geld mich schon lange zurückzerren. Besiegt haben mich nicht die Römer, die ich schon so oft geschlagen habe, sondern der Senat von Karthago mit seinem Parteienhass“.
Das habe ich im Internet gefunden.
Kann mir jemand helfen?
 
Kann mir jemand vielleicht die Frage kurz und direkt beantworten warum Hannibal keine Verstärkung aus Karthago bekam? Ich habe auch gelesen das der Senat eher Truppen nach Spanien schickte, anstatt Hannibal zu untersützen - Warum?
Danke :)
 
Eine kurze und direkte Antwort dazu gibt es nicht, weil wir kein Protokoll einer Sitzung des karthagischen Senats vorliegen haben, in der über diese Frage diskutiert und entschieden worden wäre. Man kann letztlich nur spekulieren. Hypothesen gibt es mehrere, z. B. dass etliche der karthagischen Aristokraten dem Hannibal feindlich gesinnt waren und daher sein Scheitern in Italien nicht ungern sahen, oder dass sie lieber Truppen nach Spanien schickten, um die dortigen Silberminen zu sichern. Aber beweisen lässt sich keine dieser Annahmen.

Im Übrigen stimmt es gar nicht, dass er keine Verstärkung bekam. Ihm über den Seeweg Verstärkung zu schicken, war aber auch gar nicht so einfach, da die Römer die Seeherrschaft hatten.
 
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Zwei Ideen:

In Italien war man zwar in der Offensive, aber in Spanien lag das wichtigste überseeische Herrschaftsgebiet, das Karthago damals kontrollierte. Die Kontrolle dieser Ressourcen waren für den Bestand der karthagischen Herrschaft ungemein wichtig.

Auch war es riskant, neue Truppen nach Italien zu schicken; der Seeweg war immer noch von den Römern beherrscht, und der Landweg war lang; v.a. aber bestand hier die Gefahr, dass das Entsatzkorps von den Römern angegriffen und vernichtet wurde, bevor es sich mit Hannibal vereinigen konnte.
 
Eine kurze und direkte Antwort dazu gibt es nicht, weil wir kein Protokoll einer Sitzung des karthagischen Senats vorliegen haben, in der über diese Frage diskutiert und entschieden worden wäre. Man kann letztlich nur spekulieren. Hypothesen gibt es mehrere, z. B. dass etliche der karthagischen Aristokraten dem Hannibal feindlich gesinnt waren und daher sein Scheitern in Italien nicht ungern sahen, oder dass sie lieber Truppen nach Spanien schickten, um die dortigen Silberminen zu sichern. Aber beweisen lässt sich keine dieser Annahmen.

Im Übrigen stimmt es gar nicht, dass er keine Verstärkung bekam. Ihm über den Seeweg Verstärkung zu schicken, war aber auch gar nicht so einfach, da die Römer die Seeherrschaft hatten.

Unstrittig ist aber, das die Verstärkung aus Karthago, gemessen an den Möglichkeiten dieser Metropole, als sehr gering zu veranschlagen ist. Man hat lieber Nebenkriegssschauplätze auf Sardinien und Sizilien eröffnet, anstatt erst einmal den übermächtigen römischen Gegener zu besiegen. Und das war nun einmal nach lage der Dinge eben nur in Italien zu bewerkstelligen.
 
"Besiegen" ist relativ. Auf dem Schlachtfeld hatte man die Römer in Italien mehrmals besiegt, jetzt stellten sie sich in Italien nicht mehr zur Schlacht. Die Frage, ob ein direkter Angriff auf die Stadt Rom erfolgversprechend gewesen wäre, wurde (auch in diesem Forum) schon öfters kontrovers diskutiert (und ich sage: Vermutlich nicht). Sehr wohl zur Schlacht stellten sich die Römer in Spanien, das sie den Karthagern abzunehmen versuchten. Die Karthager konnten jetzt also weitere Truppen nach Italien schicken, damit sie dort mit Hannibal nutzlos herumhingen, während die Römer ihnen Spanien wegnahmen, oder sie konnten versuchen, Spanien zu halten und dort die Römer "auszubluten", sowie ihnen ihre Provinzen wegzunehmen. Spanien war immerhin ein wichtiges Rekrutierungsreservoir für Söldner und auch finanziell wegen seines Silbers wichtig, um die Söldner bezahlen zu können.
Also ganz so sinnlos erscheint mir die karthagische Strategie nicht. Letztlich konnten sie nur auf Zeit setzen und hoffen, dass die Römer irgendwann doch kriegsmüde werden und einen Vergleichsfrieden schließen würden. Ein römisches Scheitern in Spanien und der Verlust von Sizilien und Sardinien hätten diese Kriegsmüdigkeit bestimmt gefördert.
 
Ich denke, dir ist klar, was ich mit besiegen meine.

Ich will jetzt keine neue Diskussion, ob ein Angriff auf Rom nach dem grandiosen Sieg Hannibals bei Cannae erfolgsversprechend gewesen wäre oder nicht, eröffnen. Ich teile da eher deine Meinug. Klar ist aber auch, das es Hannibal zu dem fraglichen Zeitpunkt an Personal und vor allem Material für ein so großes Unternehmen wie der Belagerung Roms fehlte. Hier wäre die Heimatstadt gefragt gewesen. Auch wäre interessant zu wissen, in was für einem Zustand die Befestigungsanlagen Roms 216 v.Chr. sich befanden.
 
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