Auch wenn es sachlich nichts mit der Diskussion über die inhaltliche Angemessenheit des besprochenen Buches zu tun hat, muss ich doch widersprechen:
Die Lehrpläne der Bundesländer für den Geschichtsunterricht geben exakte Lernziele vor und beschreiben, was der Schüler nach Abschluss eines bestimmten Themas gelernt haben soll. Das ist selbstverständlich auch mit einer "Deutung" bzw. einem Urteil verbunden, sonst brauchte es keinen exakt formulierten Lernzielkanon geben.
Das ist sachlich falsch, was ich am Lehrplan für Geschichte Sek II des Landes NRW verdeutlichen möchte. Dieser gibt lediglich zu erwerbende Kompetenzen vor und beschränkt sich darauf, die Erarbeitung von "sechs Dimensionen der historischen Erfahrung" verpflichtend zu machen, die da sind: "Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur/Zivilisation, Umwelt, soziale Beziehungen" (S. 16).
Verknüpft werden sollen diese Dimensionen mit einer Behandlung folgender "Zeitfelder": "Alte Geschichte, Mittelalter und frühe Neuzeit, das "lange" 19. Jahrhundert, Geschichte des 20. Jahrhunderts und Zeitgeschichte" (S. 26).
Zudem sollen in der Oberstufe "alle vier Handlungs- und Kulturräume angemessen berücksichtigt" werden. Diese sind: "Geschichte außereuropäischer Kulturen, europäische Geschichte, deutsche Geschichte, Orts- und Regionalgeschichte" (S. 26).
Verpflichtend ist außerdem, dass die "Grundformen der historischen Untersuchung" berücksichtigt werden, "und zwar die gegenwartsgenetische, diachrone und synchrone Untersuchung. Auch die Untersuchung eines historischen Falls und die perspektivisch-ideologiekritische Untersuchung müssen innerhalb der Oberstufensequenz berücksichtigt werden" (S. 44f.).
exakte Lernziele [...] und [das], was der Schüler nach Abschluss eines bestimmten Themas gelernt haben soll.
werden an keiner Stelle im Lehrplan vorgegeben, so dass es auch keinen
exakt formulierten Lernzielkanon
gibt. Die Aufgabe, diesen zu erstellen wird vielmehr in die Verantwortung der einzelnen Schule gelegt, der ein breiter Freiraum eingeräumt wird:
"Der Lehrplan eröffnet für die Bildung der Gesamtsequenz einen der Geschichtskurse von Stufe 11/I bis 13/II einen weiten Gestaltungsfreiraum [...]. Das Ausfüllen dieses Freiraumes kann aber nicht allein in der individuellen Entscheidung des Kurses bzw. der Fachlehrerin oder des Fachlehrers liegen, sondern ist zunächst Aufgabe der Schule, d.h. der Fachkonferenz." (S. 72)
Wenn sich die Fachkonferenz also begründet gegen den Einsatz eines genehmigten Schulbuches entscheidet, weil ihr dessen Inhalte als in der Sache falsch erscheinen, so befindet sie sich damit also sehr wohl auf dem Boden der für sie verpflichtenden Lehrpläne, die die Deutungshoheit mit -wie ich meine - gutem Grund aus ihrer Hand in die der qualifizierten Kräfte vor Ort gegeben haben.
Alle Zitate nach: Richtlinien und Lehrpläne für die Sekundarstufe II - Gymasien/Gesamtschule in Nordrhein-Westfalen. Hg. vom Ministerium für Schule und Weiterbildung, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 1999.