Galakleidung im 18.Jh.

Brissotin

Aktives Mitglied
Hier soll es um die Galakleidung diverser europäischer Höfe im 18.Jh. gehen.
Ich kann selbstredend nicht von mir behaupten die Galakleidung sämtlicher Höfe zu kennen, was wahrscheinlich auch eine Herkulesaufgabe wäre. Zumindest ein wenig ließ aber doch die Ausstellung in Versailles u.a. zu zeremonieller Kleidung des 17. und 18. Jh. in diese Thematik hinein schnuppern.*

Was Galakleidung war und zu welchen Anlässen zu tragen, war extrem unterschiedlich von Hof zu Hof.
Selbst das Werk von Moser zu den Höfen "Das Teutsche Hofrecht" vermerkt dazu nur, dass man sich an den jeweiligen Höfen nach der Art derselben zu kleiden habe, was durch Abbildungen und andere Vorbilder genügend verdeutlicht werde.** Generelle Aussage lassen sich also kaum treffen.
So handelt es sich um ein schwieriges Mosaik, wozu man in den Quellen nur kleine Steinchen finden kann. Zu manchen kleineren Höfen ist die Quellenlage, gerade wenn sie nur sehr kurz existierten, ausgesprochen schlecht und unbefriedigend.

Es gab in Europa kaiserliche, königliche, fürstliche (der Kurfürsten, Herzöge, Land- und Markgrafen, Fürsten), gräfliche und diverse geistliche Höfe. Die Ausprägung der Zeremonien variierten. Es ist keineswegs so, dass kleine Höfe oder Höfe deren Souverän von geringem Rang war an zeremoniellem Aufwand den größeren Höfen (politisch) bedeutenderer Fürsten nachstanden. Auch in Deutschland finden wir in den Quellen große teilweise improvisierte Hofhaltungen bei Staaten von wenigen tausend Untertanen.

Man kann die Kleidung, die bei Hofe getragen wurde, wahrscheinlich kategorisieren, was dazu nützlich sein könnte, die Funktion und Rolle der Galakleidung zu veranschaulichen.

Meines Wissens gab es, ganz grob gesagt folgendes:
Gala-Kleidung
Demi-Gala
Ordenskleidung (teilw. mit Galakleidung identisch bzw. zur Gala zugelassen)
Jagdkleidung
Militärische Uniformen
Informelle Kleidung z.B. Negligé
"Höfische Alltagskleidung" (hat dafür jemand einen treffenden mögl. zeitgenössischen Ausdruck?)

Hat bis hierhin vielleicht schon jemand Ergänzungen oder Einwände?

In der Folge würde ich gern zusammentragen, welche Galakleidung von welchen Höfen bekannt ist.

* Gorquet-Ballesteros u.a.: "Fastes de cour et cérémonies royales : Le costumes de cour en Europe (1650-1800)" RMN, 2009
** F.K. Moser: "Das Teutsche Hofrecht" 1755/56 Leipzig/Frankfurt (Main)
 
@Brissotin

...Ordenskleidung (teilw. mit Galakleidung identisch bzw. zur Gala zugelassen)...


Vllt. noch ergänzend, die Kleidung der Weltgeistlichkeit.

M. :winke:
 
@Brissotin: "Informelle Kleidung z.B. Negligé"

Jetzt habe ich aber ein ziemlich großes Fragezeichen über dem Kopf stehen. Wo taucht man denn - außer im Schlafgemach - im Negligé auf? Und wie definierst du in diesem Zusammenhang "informell"? informell=nicht formell - also privat?
 
@Brissotin

...Ordenskleidung (teilw. mit Galakleidung identisch bzw. zur Gala zugelassen)...


Vllt. noch ergänzend, die Kleidung der Weltgeistlichkeit.

M. :winke:
Mist, das hatte ich übersehen. Generell möchte ich geistliche Kleidung ausnehmen. Das ist mir ein bisschen zu kompliziert. Falls sich dazu jemand auskennt, bitte einen eigenen Thread dazu machen.

@Brissotin: "Informelle Kleidung z.B. Negligé"

Jetzt habe ich aber ein ziemlich großes Fragezeichen über dem Kopf stehen. Wo taucht man denn - außer im Schlafgemach - im Negligé auf? Und wie definierst du in diesem Zusammenhang "informell"? informell=nicht formell - also privat?
Negligé war damals i.d.R. keine Schlafkleidung. "Negligé" meinte im 18.Jh. schlichte Kleidung, z.B. Frack (seit den 1760ern zunehmend verbreitet, aus England m.W. kommend), schlichte Weste, Hose, runder Hut.

Es gab bestimmte Kleidungsstücke, die z.B. der Mann im Bett trug. Da gab es Hemden, wobei m.E. neben dezidierten Hemden zum Schlafen auch einfach das Hemd des Tages Nachts noch anbehalten wurde. Dann gehörte zu der Kleidung im Bett noch eine Schlafmütze, die es in verschiedenen Formen gab und die gerade dort beliebt waren, wo die Schädel besonders häufig u.a. zum Tragen der Perücken kahl geschoren waren. (Vgl. mit Gemälden von Hogarth: File:William Hogarth by William Hogarth.jpg - Wikimedia Commons )
Obendrein wurden bestimmte Kamisöler auch im Bett getragen. Bisweilen hatte man im Bett auch bestimmte Halstücher oder Krawatten anstatt der formelleren Halsbinden (Stocks) angelegt.
Das ist natürlich auch wieder von der Heizbarkeit der Räume abhängig und von der Beschaffenheit der Betten.
In den Schlafgemächern wurden bis zu dem eigentlichen Ankleiden Morgen- oder Hausmäntel (Robe de Chambre, im Englischen Banyan) getragen. Diese hatten oftmals "falsche" Westen, die eingenäht waren.
 
Zu Frankreich:
Grossbritannien diente als Vorbild für die französische Mode, jedoch wurde das ganze immerzu "aufgepeppt": In Frankreich vertrat man die Meinung: Je bunter desto besser, während in Grossbritanien eher dunkle Töne vorherrschten. In Mode bei Frauen galt, oben Eng unten breit. Die berühmten Gestelle, die man unter den Röcken trug. Später kam dann die Mode wo man ein Kissen unter dem Rock am Gesäss trug, oder auch das Musselinkleid (eher gegen Ende 18 jahrhundert)
Allgemein, ob nun am Hof oder auf den Strassen (wers sich leisten konnte) kam noch das Schulterntuch auf, wodurch einfache Kleidung aufgepeppt wurde ;)
 
Englische Galakleidung

Zu Frankreich:
Grossbritannien diente als Vorbild für die französische Mode, jedoch wurde das ganze immerzu "aufgepeppt": In Frankreich vertrat man die Meinung: Je bunter desto besser, während in Grossbritanien eher dunkle Töne vorherrschten. In Mode bei Frauen galt, oben Eng unten breit. Die berühmten Gestelle, die man unter den Röcken trug. Später kam dann die Mode wo man ein Kissen unter dem Rock am Gesäss trug, oder auch das Musselinkleid (eher gegen Ende 18 jahrhundert)
Allgemein, ob nun am Hof oder auf den Strassen (wers sich leisten konnte) kam noch das Schulterntuch auf, wodurch einfache Kleidung aufgepeppt wurde
Was hat das nun mit der Galakleidung zu tun?

Hier übrigens eine Abbildung von Negligé vom guten Chodowiecki:
Lauenburger genealogischer Kalender für das Jahr 1781
Figur Nr. 3 trägt Negligé.:winke:

Hier sieht man englische Hofkleidung der Mitte des 18.Jh. für eine Dame, ich würde sagen, dass sie für Gala gedacht ist: Mantua - Victoria & Albert Museum - Search the Collections
Charakteristisch für England ist die Mantua.
 
@Brissotin:

Du liebe Zeit! Das hätte ich mir niemals unter Negligé vorstellen können. Ich finde ja, das sieht nicht sonderlich schlicht aus... :) Danke für die Erklärung.
 
@Brissotin:

Du liebe Zeit! Das hätte ich mir niemals unter Negligé vorstellen können. Ich finde ja, das sieht nicht sonderlich schlicht aus... Danke für die Erklärung.
Begriffe befinden sich eben in einem dauernden Wandel. Das ist auch zum Teil ein Problem mit der Galakleidung.

Beim Herrn kann der Begriff Habit zum Beispiel sowohl nur den Rock meinen als auch den gesamten Anzug.

Wenn man dann auch noch bspw. unzeitgenössische Begriffe für etwas verwendet, wird es eigentlich in der Regel noch komplizierter, weil man dann nur noch aneinander vorbeiredet. Manche heutige Autoren nennen den Leibrock z.B. "Jacke", auch wenn das eben doch ziemlich weit an dem Kleidungsstück vorbei geht.
Im Englischen spricht man bei vielen Formen des männlichen Rockes schlicht vom "Coat".

Manche damalige Bezeichnungen starben mit dem Kleidungsstück aus wie z.B. der Justaucorps, im Deutschen "Leibrock" genannt. Er wurde auch in der offiziellen Kleidung vom Habit oder Fraque ersetzt.

Da kann es schonmal leicht zu Missverständnissen kommen.
Von daher sind Bildquellen natürlich nie verkehrt, um eine Mode und die entsprechenden Kleidungsstücke zu beschreiben. Natürlich gehört dann noch zum richtigen Beschreiben der Bildquellen, dass man die zeitgenössischen Bezeichnungen kennt und die Abbildungen auch "lesen" kann. :fs:
 
Der Pfälzische Hof um die Mitte des Jahrhunderts

Schlaglichtartig bekommt man recht gute und detailierte Informationen rund um schillernde Feste, wobei der ganze Hof in Galakleidung zu erscheinen hatte und durch die Bedeutung des Ereignisses von der Seite des Hofes selbst genauso wie von ausländischen Beobachtern Aufzeichnungen dazu entstanden sind.

Eine solche Feierlichkeit war die Doppelhochzeit zu Mannheim von 1742, das wohl größte Fest, das Mannheim in seiner kurzen Zeit als Residenzstadt erleben durfte. Die Anzahl der Hochzeitsgäste und Gastgeber aus fürstlichen Familien war bedeutend: Kurfürst Karl III. Philipp von der Pfalz, Karl Albrecht Kurfürst von Bayern und nunmehr König von Böhmen, ein päpstlicher Gesandter (man brauchte ja einen päpstlichen Dispens), Kurfürst Clemens August von Köln, Herzog Carl Theodor (einer der Bräutigame selbst) von Pfalz-Sulzbach, Herzog Clemens Franz von Bayern (der andere Bräutigam), Prinz Theodor von Bayern (Bischof von Freising, Regensburg und Lüttich), ein Nassauer Prinz, Prinz Wilhelm von Hessen-Kassel und natürlich diverse Prinzessinnen usf..

Der ehemalige Erzieher des Herzogs Clemens Franz von Bayern, der Felix Andreas Oefele hieß, berichtet uns von der Hochzeitskleidung des Herzogs von Bayern:
"Nachmittags kleydete sich der Herzog in die Spanische Manteltracht, aus einem reichen Silberstück mit goldenen Borten; mit rothem Taffetas ausgeschlagen..., den Degen an der Seite und mit dem collier de l'ordre angethan. Der Huet war mit einer kostbaren agraffe gezieret und mit weissen Strausfedern ordensmäßig geschmükket."
*

Man darf sich dieses Gewand mit Abstrichen ähnlich vorstellen wie das, welches die Kaiser auf den offiziellen Staatsporträts trugen. Bsp.: Datei:Martin van Meytens 006.jpg ? Wikipedia
Ob der gesamte pfälzische Hof - also der bedeutende Adel desselben - ähnlich dem Kaiserhof zu Wien, wie dieser zu solchen Anlässen verfuhr, abgestuft nach Rang im spanischen Mantelkleid erschien, kann ich nicht sagen. Ich würde aber annehmen, dass Carl Theodor seinem Verwandten an Pracht der Hochzeitskleidung zumindest nicht nachstand.

Immerhin haben wir noch einen Hinweis von diesem Ereignis. Die Galakleidung der Gäste soll unvergleichlich prachtvoll gewesen sein. Oefele weiß auch noch zu berichten:
"In weß Pracht der ganze Hof, sich befunden, ist nit wohl zu beschreiben, und haben sich manche Cavaliers sovihl Kleyder, als das Fest Tage dauern sollen, angeschaffet."
**

Zur Einordnung dieser Aussage Oefeles nutzt sicherlich ein Eindruck von der Dauer solcher Veranstaltungen. Mitte Januar hatten die Festivitäten in Mannheim mit dem teiweise prächtigen Einzug der hohen Hochzeitsgäste begonnen. So war Kurfürst Karl Albrecht mit über 180 Personen und 14 sechsspännigen Kutschen wahrhaft königlich am 16. Januar eingetroffen. Sein Bruder Clemens August war einen Tag zuvor, aber ohne Gepränge, in Mannheim angekommen. Die Festlichkeiten erstreckten sich bis zum 30. Januar als die beiden Brautpaare den künftigen Kaiser nach Frankfurt begleiteten. Die Kaiserwahl hatte natürlich zuvor dem Fest die Krone aufgesetzt.

* zitiert nach: Ralf Richard Wagner: "Ohne Brautschau in den Hafen der Ehe - Die Hochzeit von Kurfürst Carl Theodor und Elisabeth Augusta in Mannheim"
in: "Schlösser - Baden-Württemberg" 2/99, Staatsanzeiger, Stuttgart
S. 19
** ebenda S. 21
 
Meines Wissens gab es, ganz grob gesagt folgendes:
Gala-Kleidung
Demi-Gala
Ordenskleidung (teilw. mit Galakleidung identisch bzw. zur Gala zugelassen)
Jagdkleidung
Militärische Uniformen
Informelle Kleidung z.B. Negligé
"Höfische Alltagskleidung" (hat dafür jemand einen treffenden mögl. zeitgenössischen Ausdruck?)

Hat bis hierhin vielleicht schon jemand Ergänzungen oder Einwände?


Ich hab eine Frage. :D

Was ist denn unter "Demi-Gala" zu verstehen?
"demi" heißt im Französischen "halb". Hat das in der Sache hier eine Bedeutung? Wenn ja, was ist eine halbe Gala? :confused:
 
Ich hab eine Frage.

Was ist denn unter "Demi-Gala" zu verstehen?
"demi" heißt im Französischen "halb". Hat das in der Sache hier eine Bedeutung? Wenn ja, was ist eine halbe Gala?
Eine "halbe Gala" wurde an zweitrangigen Festtagen getragen.

Ich könnte mir vorstellen, dass die Hochzeitsfeierlichkeiten anlässlich der Vermählung von Erzherzogin Maria Josepha mit Kurprinz Friedrich August (II.) 1719 in Wien darunter fallen. Kaiser Karl VI. unterband die große Galakleidung mit spanischer Manteltracht, weil er den Bräutigam dessen für nicht wert erachtete. (De jure war er ja nur Kurprinz, also scheinbar zu gering an Rang im Vergleich zu einer Kaisertochter.)
 
Demi-Gala 2. Teil

Ich muss mal schauen, ob es die digitalisierten kompletten Stiche der "Galerie des Modes et des Costumes" noch online gibt. Wenn ja, werde ich ein Anschauungsbeispiel zumindest schonmal für Demi-Gala des letzten Jahrhundertviertels verlinken können.

"habit de demi-gala (28).
Costume for somewhat less formal events. It is made of less rich fabrics and has more modest trimmings than costumes made for grand gala."
*
Diese Definition bezieht sich allerdings auf den französischen Hof, welche in dem Zeitschnitt worauf sich die Definition bezieht (1778-1787), keine Manteltracht oder dergleichen spezielle Hofkleidung hatte.

* Stella Blum: "Eighteen-Century French Fashions in Full Color - 64 Engravings from the "Galerie des Modes", 1778-1787" Dover Publications, 1982
S. XIV
 
Gala am Kaiserhof 18.Jh.

Ich erlaube mir einmal mich selbst zu zitieren:

Grundsätzlich finde ich dazu folgendes für die erste Hälfte des 18. Jh.:

"Für den Wiener Hof waren je nach Anlaß und Aufenthaltsort des Hofes zwei verschiedene Kleiderarten vorgeschrieben. Weilte der Kaiser auf der Hofburg, wurde bei offiziellen Funktionen das Spanische Mantelkleid verlangt. ... Ein Schneider benötigte für ein "Spanisch Hoff Cavallier Klaidt" 28 Ellen Seide und 86 Ellen Spitze.
... Weniger formell ging es auf dem Lande zu ... Dann trugen die Kavalliere am Hof normale zeitgenössische Kleidung, welche am Hof als "à la campagne" oder "Deutsches Habit" bezeichnet wurde."

*

Bei den Mengen von Spitze, die erwähnt sind, kann man also von überaus kostbaren Kleidern ausgehen, die im Falle der Angehörigen des Kaiserhauses dadurch nochmals teurer ausfielen, da dann Goldspitze etc. zur Anwendung kamen. Aber schon die gewöhnlichen Kavaliere trugen schwarzen Damast und "Brocat".

Neben den zwei Formen gab es noch ein Zwischending, wie mir scheint. Es wurde nämlich anlässlich der Vermählung der Kaisertochter Maria Josepha mit dem Kurprinzen und polnischen Prinzen Friedrich August in der Favorita zwar Gala getragen, aber dennoch "à la campagne". D.h. dann wohl, dass die Hofkleidung des "Deutschen Habit" dann aus extra wertvollen Stoffen zusammen mit den Ordensbändern, Orden und derlei getragen wurde.

Als Quelle für die Mengen an Spitze auf dem Spanischen Hofkleid für die Herren gibt Elisabeth Mikosch an:
Meisterstückbuch von Johannes M. Wolfsegger, Linz 1724, Steiermärkisches Landesmuseum Graz veröffentlicht im Ausstellungskatalog des Stadtmuseums Linz, Figurinen nach alten Schnittbüchern, Linz 1968, S.68


*
Elisabeth Mikosch: "Denn Europa ist begierig dies Fest zu sehen - Kleideraufwand und Kleiderzeremoniell bei den Hochzeitsfeierlichkeiten in Dresden im Jahre 1719." S.138
In: "Saxonia (Band 1) - August der Starke und seine Zeit" (Hrsg.: Verein für sächsische Landesgeschichte) Sächsisches Druck- und Verlagshaus, Dresden, 1995
*

Die spanische Manteltracht wurde also nur recht zurückhaltend getragen und unbedingt nur zu wirklich wichtigen Anlässen.
Die Vermählung des Erzherzogs Joseph mit der Prinzessin Isabella von Parma war offenbar ein solcher Anlass. Man erkennt auf dem Gemälde aus der Schule von Martin van Meytens von 1762/63 sehr schön die oben beschriebenen schwarzen Mantelkleider bei den Hofchargen.
The World of the Habsburgs - Werkstatt des Hofmalers Martin van Meytens: Hoftafel zu Ehren des Brautpaares Kaiser Joseph II. und Isabella von Parma in der Großen Antecamera der Hofburg zu Wien im Oktober 1760, um 1762/63, Öl auf Leinwand
Typisch für das damalige Zeremoniell war das Vorlegen der Speisen vor den kaiserlichen Hoheiten durch Hofkavaliere, nicht durch Bediente (eine Prozedur, die am Rudolstädter Hof bspw. erst in den 1780ern abgeschafft wurde).
Man erkennt sehr schön wie eine Hoftafel bisweilen aussah: die höchsten Persönlichkeiten aßen bei Tische und der übrige Hof sah stehend zu.

* http://www.geschichtsforum.de/404111-post133.html
 
Galakleidung am pfälzischen Hof im 18.Jh.

Ob der gesamte pfälzische Hof - also der bedeutende Adel desselben - ähnlich dem Kaiserhof zu Wien, wie dieser zu solchen Anlässen verfuhr, abgestuft nach Rang im spanischen Mantelkleid erschien, kann ich nicht sagen. Ich würde aber annehmen, dass Carl Theodor seinem Verwandten an Pracht der Hochzeitskleidung zumindest nicht nachstand.
Einen Hinweis dazu fand ich in einem weiteren Fachartikel zu Carl Theodor.
Am Mannheimer Hof herrschte ein Zeremoniell nach habsburgisch-burgundischem Vorbild, was auf eine Verbreitung des Mantelkleides für die Galakleidung hindeuten würde. Porträts zeigen den Kurfürsten in der Regel allerdings entweder in ziviler, schlichter Kleidung, im Hermelinmantel (wie auf dem Bild der Anna Dorothea Therbusch: File:Anna Dorothea Therbusch - Kurfürst Karl Theodor von der Pfalz - WGA22211.jpg ? Wikimedia Commons ) oder aber im üblichen Gewande mit Rüstung und Feldherrenattributen.
Anlässe, bei denen die Galakleidung in Frage kam, waren die Höhepunkte des jährlichen Festkalenders:
die Karwoche mit der Fußwaschungszeremonie am Gründonnerstag,
das Fronleichnamsfest,
die Feste der kurpfälzischen Orden (da wohl im Ordensgewand),
am großartigsten aber die Feierlichkeiten anlässlich der Namens- und Geburtstage der Kurfürstin und des Kurfürsten im November, Dezember und Januar, die 5 bis 6 Tage dauerten.
"Galaempfänge, große Gratulationen im Thronsaal, Festmessen in der Jesuitenkirche, Opern-, Theateraufführungen, Konzerte, Feuerwerke und Prunkjagden gehörten zum Programm."
*

Wozu ich nebenbei anmerken möchte, dass teilweise wegen der winterlichen Witterung gerade den Feuerwerken wiederholt ein Strich durch die Rechnung gemacht wurde.

* Stefan Mörz: "Monsieur verdienten es, als Privatmann geboren zu sein - Vor 275 Jahren geboren: Kurfürst Carl Theodor von Pfalz-Bayern"
in: "Schlösser - Baden-Württemberg" 1/99, Staatsanzeiger, Stuttgart
S. 4
 
Gala und Bürgerliche?

Ich hatte mich in den letzten Tagen gefragt, ob Bürgerliche wohl zur Gala zugelassen waren.

Das ist allgemein davon abhängig, wie mir scheint, wieviel Adel ein Hof hatte.

Vom Bayreuther Hof habe ich bereits einen Hofkalender* aus der Mitte des 18.Jh. gesehen, der die Vermutung nahelegte, dass die Kammerherren an diesem Hofe hauptsächlich oder durchweg Bürgerliche waren. Die Kammerherren durften oder mussten vielmehr bestimmt an den Galatagen auftreten.
Es ist wohl anzunehmen, dass diese Kammerherren die übliche Galakleidung getragen haben.

Am Hof von Sachsen-Weimar nahm man es recht genau.
J.M. Lenz war beispielsweise kurz nach seiner Ankunft in Weimar in einem roten Domino zur Redoute bei Hofe erschienen. Nachdem er mit einem Fräulein von Losperg getanzt hatte, wurde scheinbar bekannt, dass er ein Nichtadeliger war.
"Lenz tanzte frisch weg. Auf einmal desorganisierte sich der Hofball. Es wurde ruchbar, dass ein bürgerlicher Wolf unter die Adelsherde geraten sei. Kammerherr von Einsiedel begibt sich atemlos zum Herzog herauf und erzählt ihm die Geschichte. Dieser lässt Lenz ruhig kommen und weist ihn zurecht."
**
Johann Wolfgang Goethe schrieb dazu an Frau von Stein:
"Lenzens Eselei von gestern Nacht hat ein Lachfieber gegeben. Ich kann mich garnicht erholen."
***

Offenbar war die übliche Kleidung an den deutschen Höfen für Bürgerliche schwarz, wie wir einem Briefe von Friedrich Schiller an seinen Freund Körner vom 22. Juli 1787 entnehmen können.
"...
Das schwarze Kleid hätte ich entbehren können. Ich kann im Frack zum Herzog und der Herzogin. Annonciert werde ich heute. ..."
Mit dem Frack meint Schiller meines Erachtens einen recht informellen Frack, wahrscheinlich einen blauen entsprechend der damals üblichen Werthermode. Es könnte auch sein, dass es ein Fraque degagé ist, der wirklich nur zu sehr inoffiziellen Anlassen gestattet war.

*
Hierin war ein Verzeichnis der aktuellen Hofchargen.
**
Karl Eduard Vehse: "Der Hof zu Weimar - Privat" (Original um 1855) Anaconda, Köln, 2011
S. 123
***
ebenda ebenfalls S. 123
****
ebenda S. 139
 
Ei, da schau mal einer an! 1787 wurden in Wien die Hofkleider abgeschafft!

Vernderung der Hof-Etikette in Wien. Wien, den 7ten Febr. 1787. (Journal des Luxus und der... \ Jahrgang 2 \ Mrz \ Journal des Luxus und der... \ ) - Journals@UrMEL

Unsere Damen werden nun, so wie die Herren, nach Belieben in modernem, leichten, geschmackvollen Anzuge nach Hof gehen.

Ausserdem heißt es, dass vorher Ausländerinnen aus Mangel an einem vorgeschriebenen Kleid an Galatagen nicht bei Hofe erscheinen konnten.
 
Ei, da schau mal einer an! 1787 wurden in Wien die Hofkleider abgeschafft!
Da sieht man mal, es ging mit allem nach dem Fürstenbund bergab, selbst mit der Galakleidung!=)

Gut dazu passt ja, was wir vom Weimarer Hof wissen. Der Herzog Carl August soll sich nach der Schweizreise im Stil wie Karl XII. die Haare abschneiden gelassen haben. (Wobei Karl XII. auch nebenher Perücken besaß. Eine hat sich erhalten. Er ließ sich aber mit kurzhaariger Sturmfrisur malen.)
Carl August selbst dazu am 27. Februar 1780:
"Ich bin acht Tage in Neuheiligen bei den Grafen Werthers* gewesen, und als ich zurückkam, schnitt ich mir die Haare ab. Dieses ist die nouvelle du jour, die den meisten Lärm macht."
**

Allerdings soll Goehte 1779 seinerseits einen Wandel vollzogen haben. Nach der Schweizer Reise soll er plötzlich in bestickter Weste und "Staatskleider"n erschienen sein. Fortan war er beim Herzog noch stärker als auch politischer Berater aktiv, wurde Kanzler. Dies wurde offenbar auch durch die Kleidung unterstrichen. Bis zu seiner Nobletierung 1782, zählte er Amt im Staate zwar weit oben standen, aber dennoch zu der adeligen Gesellschaft mit ihrer Abgegrenztheit zum Rest der Gesellschaft nicht gehörten.

* Die Gräfin Werthern soll ähnlich zum Herzog gestanden haben wie Goethe zur Frau von Stein. (nach Vehse)
** Allerdings scheint das mit den kurzen Haaren keineswegs von Dauer gewesen zu sein. Man siehe bspw. dieses später entstandene Porträt: File:Carl August sitzend.jpg - Wikimedia Commons
 
Galakleidung am Kaiserhof im späten 18.Jh.

Ausserdem heißt es, dass vorher Ausländerinnen aus Mangel an einem vorgeschriebenen Kleid an Galatagen nicht bei Hofe erscheinen konnten.

Interessanter finde ich fast für diesen Thread die Bemerkung:
"... daß ferner bey der hier gewöhnlichen einzigen Gala am Neujahrstage ..."
Was mag das heißen?
Gab es ehedem nur noch - also "einzig" - am Neujahrstag Gala? Oder heißt es, dass man am Neujahrtage "einzig", das heißt rund um die Uhr, Gala zu tragen habe? Oder heißt es, dass die Gala "einzigartig", z.B. einzigartig prachtvoll in der Welt, sei?:grübel:

Im Ernst: ich denke der Erlass passt in das Spargehabe von Joseph II. und seinem Rationalismus. Wenn er eine Gemahlin gehabt hätte, deren Gebiet ja die Festlegung der Damenkleidung für ihren Hof gewesen wäre, wäre die Anweisung nicht so ausgefallen.

Das mit der Abschaffung des Kniefalles vor dem Kaiser und seiner Familie klingt ein bisschen nach entweder Unverständnis über die antiquierte Handlung oder Resignation, weil diese Prozedur einem Anspruch des Kaisertums verschuldet war, der sich, erst recht seit dem Fürstenbund, nicht mehr realisieren ließ.
Dass man in Berlin z.B. schon früher davon abgerückt war (dem Kniefall), besagt für mich, angesichts der geringen Achtung auf das Zeremoniell beim Alten Fritz, nicht viel.

Den Text mit der Beschreibung des Hofkleides ist sehr interessant und gehört hier abgetippt.
 
Zuletzt bearbeitet:
@Brissotin

Eine Frage, konnten im 18. Jh die hoffähigen Offiziere oder beurlaubten Offiziere es frei entscheiden, ob sie Hof-Gala tragen wollten oder Uniform?

Die Frage gilt auch für Regimentsinhaber einheimischer und Regimenter anderer Staaten?

M.
 
@Brissotin
1.
Eine Frage, konnten im 18. Jh die hoffähigen Offiziere oder beurlaubten Offiziere es frei entscheiden, ob sie Hof-Gala tragen wollten oder Uniform?

2.
Die Frage gilt auch für Regimentsinhaber einheimischer und Regimenter anderer Staaten?

M.
1.
Kommt auf den Hof an. Wenn ich mich recht entsinne, gestattete es schon Franz I. Stephan, dass am Kaiserhof Uniform getragen werden durfte. Leider war nicht davon die Rede, ob dies auch für die Große Gala galt.

Ich denke, dass die Offiziere wahrscheinlich ohnehin nicht das Geld gehabt hätten, zur Zeit der spanischen Manteltracht, sich eine solche anzuschaffen. Das heißt m.E., dass sie mit dem "Rest" um dem Kern des Hofes, der in dieser besonderen Hofkleidung gewandet war, herum standen. Die meisten Offiziere konnten ja auch nicht die hohen Orden erlangen, welche eine entsprechende Ordenskleidung mit sich brachten, die scheinbar theoretisch zu einigen Galaanlässen auch getragen wurde.

Zu anderen Höfen fehlt mir zum Thema Uniform und Galakleidung schlicht die Kenntnis. Ich schätze, dass es in Deutschland mindestens 40 halbwegs bedeutende Höfe gab.

2.
Die Regimentsinhaber waren ja in der Regel Fürsten oder dergleichen. Ausgenommen ist natürlich Preußen, wo es neben der königlichen Familie und den Familien einiger mehr oder minder abhängiger Herrscherhäuser (Anhalt-Dessau, Württemberg, Hessen-Darmstadt, Sachsen-Weimar ...) kaum genügend hohen Adel trotz einer beachtlichen Zahl an Regimentern gab.
Auf den Gemälden von van Meytens anlässlich der Vermählung von Erzherzog Joseph (II.) sieht man ja nur kaum Uniformen. (Irgendwo hatten wir den Quellengehalt und die Aussagekraft dieser wichtigen Gemälde schonmal diskutiert.)
Es ist daher schwer zu sagen, wie es um ausländische Offiziere stand und ob diese mit Uniformen erschienen.
Es gibt ein Gemälde von Hauzinger, welches Marie Antoinette und Louis XVI beim Empfang ihres Bruders Erzherzog Maximilian Franz zeigt. Dieser trägt meines Erachtens, wenn auch mit Borte besetzte, Zivilkleidung. Datei:Marie Antoinette Adult7.jpg ? Wikipedia Wahrscheinlich war er inkognito gereist.

Hm, ich habe einige Zitate von Empfängen fremder Fürsten, Grafen, Prinzen etc. zu Rudolstadt vorliegend, wozu es auch Galatage gab. Zur Kleidung der hohen Gäste wird dort aber nichts gesagt. Diese Fürsten etc. waren aber in der Regel Regimentsinhaber.
Ich weiß nicht, ob man Uniformen an einem fremden Hof als Affrond empfunden hätte. Getragen wurden sie ja im Ausland schon. So kennen wir die Abbildung eines britischen Offiziers in der Suite von Friedrich II. auf dem einen berühmten Gemälde aus der letzten Zeit des Königs. Außerdem erwähnt Casanova einmal einen jungen Mann in ausdrücklich deutscher (vielleicht österreichischer ?) Uniform, der ihm in Italien kurz vor seiner Begegnung mit der C begegnet sei.

In wie weit die Fürsten es überhaupt gern sahen, wenn um sie herum Uniformen getragen wurden, ist ja sehr unterschiedlich. Friedrich II. wie auch Joseph II. trugen ja fast nur Uniform. Von ihrem Zeitgenossen König Gustaf III gibt es kaum erhaltene Uniformen, dafür aber massig Hofkleidung und auch auf den Porträts (wohl einer der meistgemaltesten Herrscher) sieht man ihn fast nur in Zivil. Bei einem mir erinnerlichen Treffen mit Katharina II. von Russland trug er jedenfalls definitv Zivilkleidung (der Habit ist komplett erhalten).
 
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