Militärmacht zu Beginn des 1. Weltkrieges

Ich stehe zugegebenermaßen auf diesem Gebiet mit Quellen relativ blank dar. Aber waren es tatsächlich die Schlachtschiffe der Hochseeflotte, die die Briten dazu brachten, der Fernblockade den Vorzug gegenüber einer Nahblockade zu geben?

Die Verluste durch Artilleriegefechte waren in ihrer Wertung immer noch höher angesetzt, als durch Minen oder Torpedos.
Und in der Nordsee, vor allem im südlichen Bereich bzw. im Einzugsbereich des schnellen Zugriffes der Hochseeflotte hatte die britische Flotte nicht immer Erfolge. Die Angriffe der Hochseeflotte auf die britische Küste 1914/15 kamen die Engländer erstmal nicht bei. Das Doggerbank- Gefecht 1915 sollte hierbei nicht Überbewertet werden, so waren auf beiden Seiten die modernen Schlachtkreuzer arg in Mitleidenschaft gezogen worden, der Untergang der Blücher war taktischer Einsatzfehler der dt. Admiralität, vergleichbar mit den Verlusten der englischen Black Prince, Defence und Warrior 1916, die so in der Flotte auch nicht aufgestellt werden durften. Ich drifte schon wieder ab ...

Zur Fernblockade ist zu sagen, das hohe Verluste durch Kleinkampfmittel im Vorfeld des Krieges nicht objektiv einschätzbar waren, die Fernblockade der Engländer aber schon vor dem Krieg beschlossene Sache war. Somit fällt dies als Begründung weg.

Und die geplante Anlandung der Engländer über die Nordsee stammt ja nicht von mir. Von daher kannst Du deinen Gegengedanken freien Lauf lassen. ;)
 
Magst Du mir hier einmal auf Pferd helfen? Gesetzt dem Fall, die Grand Fleet hätte die Hochseeflotte geschlagen. (Realistisches Worst Case Szenario: 4-5 der deutschen Schlachtkreuzer weg, alle sechs Vor-Dreadnoughts, bummelig ein Drittel bis die Hälfte der Nach-Dreadnoughts und ein Drittel der leichten Kräfte, der Rest ziemlich zerfleddert: Wie hätte das den Krieg abkürzen sollen? Die Rolle der Hochseeflotte für das weitere Durchhalten des DR nach dem Juni 1916 halte ich für marginal, die Briten kontrollierten die Nordsee und hätten auch bei einer Eliminierung der deutschen Schlachtflotte keine Not gehabt, dichter unter der deutschen Küste zu operieren. Da sich die Heere dieser Welt traditionell einen Dreck um ihre jeweiligen Marinen scheren, hätten die Infanteristen in ihren Gräben wahrscheinlich nach einem "wen wundert's" weitergemacht mit Tagesdienst.

Köbis hat schon darauf hingewiesen, dass der Minenkrieg und die Minensperren ohne die HSF als "fleet in being" nicht haltbar gewesen wären. Wäre die HSF nach der Papierlage am Skagerrak - da folge ich zahlenmäßig Deiner Beschreibung - zertrümmert worden, wäre auch der Zugang in die Ostsee nicht wirksam zu versperren gewesen. Wesentliche Auswirkungen sind mE nicht in möglichen Landungen in der Ostsee zu sehen, sondern in der gewaltsamen Öffnung eines Versorgungskanals für Russland. Auch das hat Köbis bereits angesprochen.

Geht man zu den psychologischen Auswirkungen über, wäre die zertrümmerte HSF über die Häfen auch im Reich nicht zu verheimlichen gewesen, anders als die Frontlage, die völlig undurchsichtig blieb. Die Friedensdiskussionen im Reich - siehe 1917 - hätten einen völlig anderen Kontext erfahren. Die Beseitigung der im Kleinkrieg nicht mehr zu haltenden Minensperren hätte der Grand Fleet die deutsche Küste aufgeschlossen. Wenn man so will, sind das reziproke Überlegungen zur HSF, wie sie in mehreren Untersuchungen zur deutschen Marinepolitik mit dem Istzustand 1916/18 - Wert der nicht zertrümmerten HSF - enthalten sind.

Es ist nun eine Frage der subjektiven Einschätzung, was man dann für Folgen annehmen würde. Meine Überzeugung ist, dass durch die nicht zu verschleiernde totale Niederlage zur See erheblicher Druck erzeugt worden wäre. Scheer konnte diesem Tag den Krieg beschleunigt verlieren, Jellicoe hätte ihn abkürzen können.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zum Sieg der Alliierten trugen vor allem die Briten durch ihre Kreditwürdigkeit in den USA bei. Ohne Großbritannien und seine finanzielle Bürgschaft für Frankreich in den USA hätte das Deutsche Reich, nachdem Russland ausgeschieden war, über Frankreich früher oder später gesiegt.
Das bedingungslose Neutralhalten Londons wäre der Schlüssel zum Sieg gewesen. Nicht im Westen angreifen! Das die Franzosen eher defensiv agierten, wusste man. Im Osten gegen Russland die Entscheidung suchen. Das Russland durch einen Sieg über Deutschland an Macht gewann, hätte den Briten sicher am wenigsten gepasst.
Aber es gab da diesen Plan, der zweifellos das Prädikat dumm verdient.
 
Rurik schrieb:
Zum Sieg der Alliierten trugen vor allem die Briten durch ihre Kreditwürdigkeit in den USA bei. Ohne Großbritannien und seine finanzielle Bürgschaft für Frankreich in den USA hätte das Deutsche Reich, nachdem Russland ausgeschieden war, über Frankreich früher oder später gesiegt.

Die von dir erwähnte Kreditwürdigkeit war zwischenzeitlich aber schwer gefährdet, da Wilson ziemlich sauer über die Blockade war, dadurch amerikanische Interessen geshädigt wurden und deshalb sprach er zwischenzeitlich die Empfehlung aus, Großbritannien keine Kredit mehr zu bewilligen.

Rurik schrieb:
Das bedingungslose Neutralhalten Londons wäre der Schlüssel zum Sieg gewesen.

Entscheidend wäre gewesen, die USA aus dem Krieg herauszuhalten. Großbritannien hatte es bis 1918, trotz Blockade, nicht vermocht den Sieg zu erzwingen. Erst die gigantischen wirtschaftlichen und personellen Ressourcen der USA gaben den alles entscheidenden Auschlag für die Sache der Allierten.

Rurik schrieb:
Das die Franzosen eher defensiv agierten, wusste man.

Woher? Der Plan XVII hatte mehr offensive Komponenten als defensive.


Rurik schrieb:
Das Russland durch einen Sieg über Deutschland an Macht gewann, hätte den Briten sicher am wenigsten gepasst.

Dann war es vielleicht keine so gute Idee der Briten, an der Seite der Russen in den Krieg zu ziehen? Es war ja mehr oder weniger bekannt, dass das deutsche Heer zuerst Frankreich angreift und wenn die Rechung der Alliierten aufgegangen wäre, die Russen ins Deutsche Reich einmarschiert wären und den Sieg errungen hätten.
 
Woher? Der Plan XVII hatte mehr offensive Komponenten als defensive.

Richtig. Und damit war es ein "Plan für alle Fälle". Siehe
Doughty, French Strategy in 1914: Joffre's Own, JoMH 2003, S. 427.

Die Aussage, die Westfront hätte beim "Großen Aufmarsch Ost" gehalten, ist Spekulation. Das Joffre bei entblößter Westgrenze zur großen Offensive übergegangen wäre, wird nicht bezweifelt.
 
Die von dir erwähnte Kreditwürdigkeit war zwischenzeitlich aber schwer gefährdet, da Wilson ziemlich sauer über die Blockade war, dadurch amerikanische Interessen geshädigt wurden und deshalb sprach er zwischenzeitlich die Empfehlung aus, Großbritannien keine Kredit mehr zu bewilligen.

Und diese Gefährdung musste die Kreditgeber in den USA geradezu panisch gemacht haben. Wilson konnte sich schließlich nicht damit durchsetzen. Ein Nichtweiterzahlen der Kreditsummen hätte eine Niederlage der Alliierten wahrscheinlich gemacht. In diesem Falle hätte sich die Frage gestellt, wer zahlt dann die bereits gewährten Kredite an Frankreich und Großbritannien zurück? Die USA konnten gar nicht anders, als weiterzahlen und letztendlich auch offen in den Krieg eintreten. Der uneingeschränkte U-Boot-Krieg war da letztendlich nur ein Vorwand, zumal er ohnehin bei Kriegsende, egal wer siegt, aufgehört hätte. Die Kreditrückständebestanden weiter.
Nur nebenbei: Wo blieb die Empörung der neutralen USA, als die Alliierten am 11. März 1915 verkündeten, alle Warenbewegungen zu und von den Mittelmächten zu verhindern? Es wurden neben den feindlichen Häfen nun auch neutrale blockiert. Zwar nannte Wilson das britische Vorgehen rechtswidrig, verlangte jedoch keine Rücknahme.
Ab Ende 1915 öffneten die Briten auf den angehaltenen neutralen Schiffen sogar die Post, einschließlich amerikanischen Briefsendungen. Im Juli 1916 gaben die Engländer ein Schwarze Liste heraus, in der alle neutralen Firmen verzeichnet waren, die mit den Mittelmächten Handel trieben. Britischen Firmen wurde anhand dieser Liste verboten, mit den dort verzeichneten Firmen, unter anderem amerikanischen, zu handeln. Zwar wirbelte das in Amerika etwas Staub auf, am Ende hielt man sich den Briten gegenüber weiter zurück. Die vom Kongress geforderte Sperrung amerikanischer Häfen für alliierte Schiffe wurde nie umgesetzt.
Was Kongress und Wilson so alles sagten… Am Ende wollte man nur sein Geld zurück.

Entscheidend wäre gewesen, die USA aus dem Krieg herauszuhalten. Großbritannien hatte es bis 1918, trotz Blockade, nicht vermocht den Sieg zu erzwingen. Erst die gigantischen wirtschaftlichen und personellen Ressourcen der USA gaben den alles entscheidenden Auschlag für die Sache der Allierten.

Das hätte man ohnehin nicht können. Die USA mussten in den Krieg eingreifen um ihre vergebenen Kredite nicht zu verlieren.

Woher? Der Plan XVII hatte mehr offensive Komponenten als defensive.

Einen Plan haben und diesen umzusetzen sind zwei Paar Schuhe. Zwar sah Plan Acht ein offensives Vorgehen vor, jedoch wurde dies von Joffre nur sehr zögerlich umgesetzt. Die französische Armee zog am 8. August in Mühlhausen ein, wo sie von der Bevölkerung bejubelt wurde, aber kurz darauf musste sie sich wieder zurückziehen. In der Schlacht von Mörchingen-Saarburg am 20. August holten sich die Franzosen dann blutige Nasen und mussten sich bis über die Grenze zurückziehen. Dabei verloren sie 150 Geschütze und 20000 Mann. Und es kam noch schlimmer. So z.B. die Schlacht von Charleroi.

Dann war es vielleicht keine so gute Idee der Briten, an der Seite der Russen in den Krieg zu ziehen? Es war ja mehr oder weniger bekannt, dass das deutsche Heer zuerst Frankreich angreift und wenn die Rechung der Alliierten aufgegangen wäre, die Russen ins Deutsche Reich einmarschiert wären und den Sieg errungen hätten.

Für Russland wäre Großbritannien wahrscheinlich nicht in den Krieg eingetreten. Es war die Verletzung der belgischen Grenze und damit das Aushebeln des Gleichgewichts in Europa. Ein Deutsch-Russischer Krieg hätte die Grenzen im Osten verschoben. Ein „Kleinerwerden“ Frankreichs und „Größerwerden“ Deutschlands lag dagegen so gar nicht im britischen Interesse und hätte früher oder später einen Deutsch-Britischen Konflikt unausweichlich gemacht. Somit sehe ich den britischen Kriegseintritt als den einzig überlegten und logischen in diesem Krieg.

Richtig. Und damit war es ein "Plan für alle Fälle". Siehe
Doughty, French Strategy in 1914: Joffre's Own, JoMH 2003, S. 427.

Die Aussage, die Westfront hätte beim "Großen Aufmarsch Ost" gehalten, ist Spekulation. Das Joffre bei entblößter Westgrenze zur großen Offensive übergegangen wäre, wird nicht bezweifelt.

Aber, diese angefangene Offensive Joffres war von Anfang an unglücklich, selbst ohne ein Äquivalent zum Wunder an der Marne. Zudem hätten die Briten gefehlt.
Die Westgrenze zu entblößen wäre natürlich sträflich gewesen.

Warum soll ich denn im Rahmen von Wahrscheinlichkeiten nicht spekulieren? Das macht die Sache doch interessant. Zum Beispiel, was hätten die Briten getan, wenn Frankreich in ein sich im Westen defensiv auftretendes Deutschland einmarschiert wäre? Sicher wären sie nicht auf der Seite des Aggressors offen in den Krieg eingetreten. Eine Seeblockade hätte es somit vorerst nicht gegeben.
 
Und diese Gefährdung musste die Kreditgeber in den USA geradezu panisch gemacht haben. Wilson konnte sich schließlich nicht damit durchsetzen. Ein Nichtweiterzahlen der Kreditsummen hätte eine Niederlage der Alliierten wahrscheinlich gemacht. In diesem Falle hätte sich die Frage gestellt, wer zahlt dann die bereits gewährten Kredite an Frankreich und Großbritannien zurück? Die USA konnten gar nicht anders, als weiterzahlen und letztendlich auch offen in den Krieg eintreten. Der uneingeschränkte U-Boot-Krieg war da letztendlich nur ein Vorwand, zumal er ohnehin bei Kriegsende, egal wer siegt, aufgehört hätte. Die Kreditrückständebestanden weiter.
Nur nebenbei: Wo blieb die Empörung der neutralen USA, als die Alliierten am 11. März 1915 verkündeten, alle Warenbewegungen zu und von den Mittelmächten zu verhindern? Es wurden neben den feindlichen Häfen nun auch neutrale blockiert. Zwar nannte Wilson das britische Vorgehen rechtswidrig, verlangte jedoch keine Rücknahme.
Ab Ende 1915 öffneten die Briten auf den angehaltenen neutralen Schiffen sogar die Post, einschließlich amerikanischen Briefsendungen. Im Juli 1916 gaben die Engländer ein Schwarze Liste heraus, in der alle neutralen Firmen verzeichnet waren, die mit den Mittelmächten Handel trieben. Britischen Firmen wurde anhand dieser Liste verboten, mit den dort verzeichneten Firmen, unter anderem amerikanischen, zu handeln. Zwar wirbelte das in Amerika etwas Staub auf, am Ende hielt man sich den Briten gegenüber weiter zurück. Die vom Kongress geforderte Sperrung amerikanischer Häfen für alliierte Schiffe wurde nie umgesetzt.
Was Kongress und Wilson so alles sagten… Am Ende wollte man nur sein Geld zurück.

Wenn Du den Kriegseintritt der USA diskutieren möchtest, wäre es aus Gründen der Übersichtlichkeit besser, hier fortzusetzen (bisherige Beiträge können umgegliedert werden):
http://www.geschichtsforum.de/f62/eintritt-der-usa-den-ersten-weltkrieg-5092/

Nur soviel: (1.) die Masse der britisch-französischen Kriegsfinanzierung lief über die jeweiligen Einflussgebiete und Mutteländer, in den Binnenwirtschaften ab. Die USA stellten einen Anteil, der im Wesentlichen die Handelsbilanzdefizite gegenüber den USA abdeckten.

Der Anteil der USA ist (2.) wiederum zu unterteilen: die Masse der Kriegsfinanzierung, die über die Kapitalmärkte in den USA abgezogen wurden, ergab sich nach dem Kriegseintritt der USA, also für 1917/18. Die zuvor gezogene Verschuldung ist angesichts der Wirtschaftsstärke der USA vernachlässigbar - selbst bei einem Totalverlust und einer Vollabschreibung der Summen hätte das für die US-Volkswirtschaft kein wesentliches Problem dargestellt. Wenn also überhaupt, dann kann man hier - so auch die nachlaufenden Untersuchungsausschüsse, da die Kriegsfinanzierung in den USA später politisch instrumentalisiert wurde und in der Wertung scharf umkämpft war - von bestimmten Interessengruppen ausgehen, die den Kriegseintritt betrieben. Diese Interessengruppen hatten aber nicht das Privileg, die Politik zu dominieren. Es gab übrigens auch gegenläufige Interessengruppen, die den Kriegseintritt im deutschen Interesse trotz der Entwicklung 1917 zu verhindern versuchten, sowie starke pazifistische Gruppen. Hier tobte ein politischer Kampf, den man nicht einfach zur Seite wischen kann.

Von einem Automatismus und einem Scheinargument des UBoot-Krieges kann somit keine Rede sein, dazu finden sich auch in seriösen Untersuchungen (zB Wilson-Biographien, Auswertungen der Quellen wie die Lansing-Papers) keine Hinweise. Glücklicherweise ist man da heute in der historischen Aufarbeitung auch etwas weiter als die Untersuchungsausschüsse bis die die 1930er.
 
Aber, diese angefangene Offensive Joffres war von Anfang an unglücklich, selbst ohne ein Äquivalent zum Wunder an der Marne. Zudem hätten die Briten gefehlt.
Die Westgrenze zu entblößen wäre natürlich sträflich gewesen.

Der Große Ostaufmarsch hätte aber die weitgehende Entblößung der Westgrenze bis auf einen kleinen Bruchteil des Heeres vorgesehen.

Die von Joffre angefangene Offensive betraf ein Drittel des frz. Heeres, und ist ohne die Masse des Zentrum, ohne den rechten Flügel und ohne die Reservearmee erfolgt.

Joffres Intention im August und auch sein tatsächliches vorsichtiges Vorgehen war darauf gerichtet, bis zur Klarheit über sein Zentrum und seinen rechten Flügel abzuwarten (und bestätigte Informationen über die Stärke des deutschen Vorgehens über Belgien zu gewinnen - das dauerte mehrere Wochen bis Anfang der letzten Dekade August 1914).

siehe auch hier.
http://www.geschichtsforum.de/f62/schlieffen-plan-und-marneschlacht-40244/index5.html
 
Rurik schrieb:
Für Russland wäre Großbritannien wahrscheinlich nicht in den Krieg eingetreten. Es war die Verletzung der belgischen Grenze und damit das Aushebeln des Gleichgewichts in Europa. Ein Deutsch-Russischer Krieg hätte die Grenzen im Osten verschoben. Ein „Kleinerwerden“ Frankreichs und „Größerwerden“ Deutschlands lag dagegen so gar nicht im britischen Interesse und hätte früher oder später einen Deutsch-Britischen Konflikt unausweichlich gemacht. Somit sehe ich den britischen Kriegseintritt als den einzig überlegten und logischen in diesem Krieg.

Großbritannien war zu jener Zeit zwar durchaus das eine oder andere Mal über Russland stark verärgert, aber letzten Endes war man sich nur zu sehr darüber bewußt, das man auf das Wohlwollen Russlands für den Erhalt seiner Kolonien in Asien angwiesen war.

Das britische Kabinett hat bis zu letzt übrigens darüber diskutiert, ob für Großbritannien tatsächlich eine Pflicht bestünde, Belgiens Unabhängigkeit zu verteidigen. Das Interesse am Erhalt Frankreichs auf dem Kontinent war deutlich größer und ja, man wäre auch für Frankreich in den Krieg gegangen. Die Gründe dafür hast du schon selbst genannt.

Rurik schrieb:
Das hätte man ohnehin nicht können. Die USA mussten in den Krieg eingreifen um ihre vergebenen Kredite nicht zu verlieren.

Das ist natürlich spekulativ. Fakt ist, das man es von deutscher Seite den Amerikanern sehr leicht gemacht hat den Briten und Franzosen zur Hilfe zu kommen.

Rurik schrieb:
Einen Plan haben und diesen umzusetzen sind zwei Paar Schuhe.

Sicher, aber nichts destotrotz ist Plan XVII der zum Kriegsbeginn aktuelle operative Plan für die französische Armee gewesen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Sicher, aber nichts destotrotz ist Plan XVII der zum Kriegsbeginn aktuelle operative Plan für die französische Armee gewesen.

Tatsächlich kann man auch die Vorgänge in Elsass-Lothringen und die Erfolge des linken deutschen Flügels gegen das zögerliche Vorgehen der frz. Armee (Erklärung siehe oben) recht nüchtern bewerten.

Eine wichtige Folge, mglw. auch der euphorischen Bewertung der Grenzkämpfe auf deutscher Seite geschuldet, war der Ansatz der 6. Armee (und unterstellten 7.) gegen deine Festungslinie von Nancy-Epinal. Damit waren überlegene deutsche Kräfte festgelegt, die im Zentrum und an der Marne fehlten.

Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man meinen, Joffre habe diese Abläufe und das Festfahren des linken deutschen Flügels abseits der entscheidenden Brennpunkte provoziert.

Ganz nett zusammengefasst:
Schlacht in Lothringen ? Wikipedia
"Die Schlacht in Lothringen wurde oft als Musterbeispiel für die Überlegenheit des deutschen Soldaten angeführt. Trotz schlechter Führung hätten diese weit überlegene französische Eliteeinheiten in einer Frontalschlacht geschlagen und zum Rückzug gezwungen.
Zudem hatte die französische Führung keine Absicht gezeigt, die Schlacht bis zur Entscheidung durchzukämpfen, sondern bereits in den Mittagsstunden des 20. August den Rückzug befohlen. ... Tatsächlich war die Schlacht ein taktischer Sieg für die Deutschen, der aber nur dann strategische Bedeutung erlangt hätte, wenn man nach dem Beginn des französischen Rückzuges unverzüglich mindestens eine der beiden Armeen vom linken Flügel des deutschen Heeres abgezogen und dem rechten Flügel, auf dem unweigerlich die Entscheidung fallen mußte, nachgeführt hätte. Der Durchbruch durch die Festungslinie mußte dagegen scheitern. Tatsächlich genügten ab Ende August geringe französische Deckungskräfte, um zwei starke deutsche Armeen zu neutralisieren. Dies war ein, wenn nicht der entscheidende Faktor für den französischen Sieg in der Schlacht an der Marne."
 
Die von Joffre angefangene Offensive betraf ein Drittel des frz. Heeres, und ist ohne die Masse des Zentrum, ohne den rechten Flügel und ohne die Reservearmee erfolgt.

Joffres Intention im August und auch sein tatsächliches vorsichtiges Vorgehen war darauf gerichtet, bis zur Klarheit über sein Zentrum und seinen rechten Flügel abzuwarten (und bestätigte Informationen über die Stärke des deutschen Vorgehens über Belgien zu gewinnen - das dauerte mehrere Wochen bis Anfang der letzten Dekade August 1914).

siehe auch hier.
http://www.geschichtsforum.de/f62/schlieffen-plan-und-marneschlacht-40244/index5.html

Ich habe noch immer am tatsächlichen Offensiv"willen" der französischen Armee meine Zweifel. Joffre, der vorher vorsichtig agierte, um die Lage abzuwarten, müsste plötzlich zu rasantem Vorgehen wechseln. Da bin ich skeptisch. Wer erst einmal auf dem Stuhl sitzt, kommt so schnell nicht wieder hoch. Er wäre, wenn auf vorgehend, vorsichtig geblieben. Joffre selbst war vom Charakter her ein Mann bedächtigen Vorgehens.
Am 24. August (Anfang der letzten Dekade August 1914) teilt Joffre dem Kriegsminister mit, dass der Generalangriff (Grenzschlachten) definitiv gescheitert ist und sich die Alliierten auf die Defensive beschränken müssten. Bis dahin hatte Frankreich bereits um die 260000 Soldaten verloren. Dies zu einem Zeitpunkt, wo der deutsche Einmarsch in Belgien knapp drei Wochen zurücklag und der rechte Flügel des deutschen Heeres gerade aus Belgien heraustrat.
Den Franzosen wäre ihr Plan XVII bei tatsächlicher Ausführung meiner momentanen Meinung nach übler bekommen, als den Deutschen ihr Schliefenplan.

Achtung Milchmädchenrechnung: Die Schlacht bei Tannenberg war am 30. August geschlagen, da wären dann Kräfte für den Westen freigeworden. Joffre hätte sich sehr warm anziehen müssen.
 
Großbritannien war zu jener Zeit zwar durchaus das eine oder andere Mal über Russland stark verärgert, aber letzten Endes war man sich nur zu sehr darüber bewußt, das man auf das Wohlwollen Russlands für den Erhalt seiner Kolonien in Asien angwiesen war.

Das britische Kabinett hat bis zu letzt übrigens darüber diskutiert, ob für Großbritannien tatsächlich eine Pflicht bestünde, Belgiens Unabhängigkeit zu verteidigen. Das Interesse am Erhalt Frankreichs auf dem Kontinent war deutlich größer und ja, man wäre auch für Frankreich in den Krieg gegangen. Die Gründe dafür hast du schon selbst genannt.

Worauf ich hinaus möchte ist, dass Großbritannien daran gelegen war, keine zu starken Machtverschiebungen auf dem Kontinent zustande kommen zu lassen. Also ein Sieg 1914 Frankreichs über Deutschland wäre auch nicht gerade im Sinne eines neutralen Englands gewesen. Ein Sieg Russlands über Deutschland wäre den britischen Kolonien in Asien vielleicht sogar noch gefährlicher geworden. Das Deutsche Reich war nie wirklich ein Gegner auf den Weltmeeren. Russland dagegen brauchte keine Flotte. Es käme auch so nach China, Persien und Afghanistan. Indien wäre dann in der Zange. Frankreich könnte gleichzeitig in Europa zur napoleonischen Größe zurückkehren.
 
Im Prinzip war Großbritannien, spätestens seit 1907, in einer Mächtegruppe integriert und deshalb ist es eigentlich schwer vorstellbar, das die Briten neutral geblieben wären. Und das es durch einen Krieg zu einer gewissen Verschiebung der Macht kommen würde, ist auch klar. So wurden nach Kriegsende die Deutschen als Machtfaktor zur See für viele Jahre ausgeschaltet. Aber es blieb das Potenzial einer Großmacht erhalten; sehr zum Ärger Frankreichs.


Die Zeiten eines Salisbury, der Großbritannien stets im Hintergrund der Mächtebeziehungen gehalten hatte, waren definitv vorbei. Grey und Co. hatten keine großen Bedenken hinsichtlich einer Verbindung und deren Rückwirkungen mit Russland. Ja, sie haben sogar mit den Meerengen gewunken, um in Nahen Osten eine Einigung zu erreichen. Unter Salisbury unvorstellbar.

Ebenso gilt, das ein Lansdowne und Balfour eine ganz andere Politik fuhren. Dieses Gespann war gegenüber Russland deutlich reservierter und vorsichtiger, da sie wußten, was von russischen Zusagen zu halten war. Sie waren auch gegenüber dem Kaiserreich nicht so negativ engestellt, wie die Liberalen.
 
Im Prinzip war Großbritannien, spätestens seit 1907, in einer Mächtegruppe integriert...
Das liest sich für mich ein wenig zu harmonisch. Selbst im Krieg, wo es eigentlich um alles ging, gab es immer wieder heftige Diskrepanzen zwischen den Alliierten. Was sie zusammenhielt war, dass sie nun mal schon in einem Boot saßen.
Frankreich war für England sicher kein Wunschpartner. Allerdings hatte sich Deutschland durch seine vorangegangene, unberechenbare Politik selbst ins Aus geschossen und daher die Aufgabe der Neutralität Englands provoziert. Ich meine, bei einem Nichangreifen im Westen hätte Deutschland an Berechenbarkeit gewonnen. Vor allem wäre klar geworden, dass es dort keine Machtverschiebungen anstrebt. Lag eigentlich auch nicht im deutschen Interesse.
Aber, es gab da ja diesen Schlieffenplan, der an Dummheit kaum zu schlagen ist.
Der Plan XVII der Franzosen war zumindest ein Mal-Abwarten-Plan und dann mal schauen, was, wie und weiß noch nicht.
 
So war es aber. Harmonie hin oder her, die Briten unter einer liberalen Regierung war definitiv nicht willens, beispielsweise eine Vereinbarung mit dem Deutschen Reich, die Beziehungen haben sich am Vorabend der Katastrophe ja merklich entspannt gehabt, die auch nur den Hauch gegen Frankreich oder Russland missverstanden werden könnte. Man war entschlossen, an diesem informellen Bündnis festzuhalten. So wurde ja auch auf Drängen der Russen mit diesen über eine Marinekonvention, die gegen das Deutsche Reich gerichtet gewesen wäre, in London verhandelt. Natürlich gab es Reibereien, aber der Kitt der ausgeprägten Antipathie gegenüber das Deutsche Reich sorgte schon für einen Zusammenhalt. Und natürlich gab es da auch noch gewisse imperiale Interessen Großbritanniens in Persien, Indien….
 
Wenn eine ausgeprägte Antipathie gegenüber dem Deutsche Reich der Kitt für den Zusammenhalt der Alliierten war, dann ist die Konsequenz, dass Deutschland auf dem diplomatischen Parkett eigentlich nie eine Chance hatte.
Da man spätestens seit ihrem Eintritt in den Krieg die USA zu den Alliierten zählen muss, war der uneingeschränkte U-Boot-Krieg folglich nicht falsch, denn Antipathien entstehen nicht von heute auf morgen. Ich will sagen, als Unsympath ist es müßig, sich um Beliebtheit zu bemühen. Man ist der Fiesling und wird verprügelt. Man kann nur versuchen, sein Fell so teuer wie möglich zu verkaufen.
Folglich: "Deutschland wurde in seine Rolle gedrängt."
 
Wenn eine ausgeprägte Antipathie gegenüber dem Deutsche Reich der Kitt für den Zusammenhalt der Alliierten war, dann ist die Konsequenz, dass Deutschland auf dem diplomatischen Parkett eigentlich nie eine Chance hatte.
Da man spätestens seit ihrem Eintritt in den Krieg die USA zu den Alliierten zählen muss, war der uneingeschränkte U-Boot-Krieg folglich nicht falsch, denn Antipathien entstehen nicht von heute auf morgen. Ich will sagen, als Unsympath ist es müßig, sich um Beliebtheit zu bemühen. Man ist der Fiesling und wird verprügelt. Man kann nur versuchen, sein Fell so teuer wie möglich zu verkaufen.
Folglich: "Deutschland wurde in seine Rolle gedrängt."

Jetzt bitte keinen Rundumschlag, der die Rolle der USA inkl. Uboot-Krieg, Finanzierung usw. gleich mit einbezieht.:winke:

Auch die Haltung der Briten war komplizierter und global differenzierter, als Deine Rechnung oben zum europäischen Gleichgewicht suggeriert.
 
Das britische Weltreich war zur Jahrhunderwende eigentlich überdehnt und die Briten waren nicht mehr so ohne weiteres in der Lage seinen kolonialen Bestand zu sichern. Es bedurfte eines globalen Interessenausgleiches mit den Nationen, die den Briten genaus dies bieten konnten. Es wurde sich sehr entgegenkommend mit den USA arrangiert,1902 folgte Japan, 1904 Frankreich und 1907 schließlich Russland. Es war schon eine Meisterleistung der britischen Diplomatie sich mit diesen Konkurrenten auszugleichen. Das Deutsche Reich konnte dergleichen nicht bieten und trat als Herausforderer auf. Stichworte sind hier beispielsweise der Flottenbau oder die Bagdabahn. Aber das ist eine überaus komplexe Materie, die sich nicht umfassend in wenigen Sätzen darstellen läßt.
 
Ich habe noch immer am tatsächlichen Offensiv"willen" der französischen Armee meine Zweifel. Joffre, der vorher vorsichtig agierte, um die Lage abzuwarten, müsste plötzlich zu rasantem Vorgehen wechseln. Da bin ich skeptisch. Wer erst einmal auf dem Stuhl sitzt, kommt so schnell nicht wieder hoch. Er wäre, wenn auf vorgehend, vorsichtig geblieben. Joffre selbst war vom Charakter her ein Mann bedächtigen Vorgehens.
Am 24. August (Anfang der letzten Dekade August 1914) teilt Joffre dem Kriegsminister mit, dass der Generalangriff (Grenzschlachten) definitiv gescheitert ist und sich die Alliierten auf die Defensive beschränken müssten. Bis dahin hatte Frankreich bereits um die 260000 Soldaten verloren. Dies zu einem Zeitpunkt, wo der deutsche Einmarsch in Belgien knapp drei Wochen zurücklag und der rechte Flügel des deutschen Heeres gerade aus Belgien heraustrat.
Den Franzosen wäre ihr Plan XVII bei tatsächlicher Ausführung meiner momentanen Meinung nach übler bekommen, als den Deutschen ihr Schliefenplan.

Achtung Milchmädchenrechnung: Die Schlacht bei Tannenberg war am 30. August geschlagen, da wären dann Kräfte für den Westen freigeworden. Joffre hätte sich sehr warm anziehen müssen.

Die Zweifel sind natürlich als Meinung zu akzeptieren, ich halte sie aber nicht für berechtigt. Bei Joffres Meldung und der Verlustzahl von 260.000 musst Du berücksichtigen, in welcher Situation er sich als Nachrichtengeber befand. Es handelte sich auch nicht um den "Generalangriff", sondern einen Vorstoß bei noch unklarer Lage bzgl. des deutschen Schwerpunktes. "Tasten" wäre da die richtige Umschreibung.

Der Verlust - auch bei Herwig, Marne 1914 sind die 260T zu finden - war niedriger, knapp 207T. Joffre wollte sofort die Zuführungen aus den Kasernen haben, rd. 180T, fertig Ende August 1914. Bei der Zahl sollte man fairerweise auch die deutschen August-Verluste nennen: über 200T (Herwig nennt auch für diese Seite ca. 260T).

Das hielt sich die Waage, und steht im Gegensatz zur unmittelbaren deutschen Nachkriegszeit-Berichterstattung.
 
Das britische Weltreich war zur Jahrhunderwende eigentlich überdehnt und die Briten waren nicht mehr so ohne weiteres in der Lage seinen kolonialen Bestand zu sichern. Es bedurfte eines globalen Interessenausgleiches mit den Nationen, die den Briten genaus dies bieten konnten. Es wurde sich sehr entgegenkommend mit den USA arrangiert,1902 folgte Japan, 1904 Frankreich und 1907 schließlich Russland. Es war schon eine Meisterleistung der britischen Diplomatie sich mit diesen Konkurrenten auszugleichen. Das Deutsche Reich konnte dergleichen nicht bieten und trat als Herausforderer auf. Stichworte sind hier beispielsweise der Flottenbau oder die Bagdabahn. Aber das ist eine überaus komplexe Materie, die sich nicht umfassend in wenigen Sätzen darstellen läßt.

Da bin ich auf Deiner Seite. Deshalb meinte ich auch, dass der britische Kriegseintritt der einzige mit folgerichtiger Überlegung war.

"Tasten" wäre da die richtige Umschreibung.
Das Problem sehe ich gerade in diesem "Tasten". Wie wollte Joffre aus diesem Tasten herauskommen? Der deutsche rechte Flügel befand sich wenigstens von vornherein in einer gewaltsamen Bewegung. Joffre hätte sich festgefahren, bevor er überhaupt ordentlich in Bewegung gekommen wäre.
Den Plan XVII sehe ich eher als Verlegenheitsplan, weshalb ich annehme, die Franzosen wären aus ihrem verlustreichen Tasten nicht hinausgekommen. Joffre wird vom Charakter her zwar als beliebt aber auch behäbig beschrieben.
 
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