Zitat von Cicero

C.Cethegus

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Abend zusammen,

ich bin auf ein Zitat von Cicero gestoßen, was sehr gut zur aktuellen deutschen Situation passt.

Aber bevor ich es verwende, würde ich gerne das lateinische Original kennen und etwas zum Kontext wissen.

Das Zitat: Der Staatshaushalt muss ausgeglichen sein. Die öffentlichen Schulden müssen verringert werden. Die Arroganz der Behörden muss gemäßigt und kontrolliert werden. Die Zahlungen an ausländische Regierungen müssen reduziert werden, wenn der Staat nicht Bankrott gehen will.

Ich hoffe ihr könnt mir weiter helfen!

br, C.Cethegus
 
Über das Thema, das alte Rom habe keine oder eben viel Ahnung von Volkswirtschaft gehabt, könnte ein neuer Thread erstellt werden, wenn denn schon nicht ein solcher vorhanden ist. Nur kurz: Zwei Lager von angesehenen Historikern streiten schon seit Ewigkeiten über diese Frage, Primitivisten (Rom sei in seiner Geldwirtschaft "primitiv" gewesen; Max Weber oder M. I. Finley waren u.a. Vertreter) versus Modernisten (Rom sei durchaus mit modernen volkswirtschaftlichen Gesellschaften vergleichbar; Eduard Meyer oder Michael Rostovtzeff als Vertreter).

Das Zitat stammt nicht erwiesenermaßen von Cicero, sondern wurde ihm bisher nur zugeschoben. (Vgl. http://www.tulliana.eu/documenti/Gazette IV Curiosa ENG.pdf) Von daher kann ich dir auch kein Original nennen. Gemunkelt wird, dass es aus Ciceros "De re publica" stammt und 55 v.Chr. entstanden sein soll.

Inhaltlich könnte es sich auf den Streit zwischen Cicero und seinem Opponenten Piso, ein römischer Konsul, beziehen, der wie viele andere Mitglieder der ordo senatorius in Saus und Braus - sprich "verschwenderisch" - lebte, was Cicero zum Anlass genommen haben könnte, ihn und die anderen zu rügen.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Ich habe zwar noch nicht alles von Cicero gelesen und auch schon wieder manches vergessen, aber dieses Zitat ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unecht. In "De re publica" kommt es nicht vor, ebensowenig in meinem Alternativfavoriten "De officiis", obwohl dort durchaus von Schulden die Rede ist, allerdings in anderem Zusammenhang.

Es handelt sich bei diesem Zitat um ein Internetphänomen und zugleich um ein erschreckendes Beispiel für den sorglosen Umgang mit Zitaten und Internet"quellen". Massenhaft tauchte es seit ein paar Jahren im Internet auf und wird seither inflationär zitiert, nicht nur im Internet, in Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln und in Politikerreden, sondern sogar in etlichen Büchern - und auch da stets ohne ordentliche Quellenangabe, sondern nur mit einem allgemeinen Hinweis auf Cicero oder das www.
Soweit es sich nachvollziehen lässt, scheint es in seinen Grundzügen aus einem englischsprachigen Historienroman aus den 60ern zu stammen und wurde ein paar Jahre später von einem US-Abgeordneten etwas abgewandelt und ausgebaut in einer Rede zitiert, woraufhin es in den USA kursierte, ehe es in jüngerer Vergangenheit übersetzt und in den deutschsprachigen politischen Diskurs aufgenommen wurde.
 
Über das Thema, das alte Rom habe keine oder eben viel Ahnung von Volkswirtschaft gehabt, könnte ein neuer Thread erstellt werden, wenn denn schon nicht ein solcher vorhanden ist. Nur kurz: Zwei Lager von angesehenen Historikern streiten schon seit Ewigkeiten über diese Frage, Primitivisten (Rom sei in seiner Geldwirtschaft "primitiv" gewesen; Max Weber oder M. I. Finley waren u.a. Vertreter) versus Modernisten (Rom sei durchaus mit modernen volkswirtschaftlichen Gesellschaften vergleichbar; Eduard Meyer oder Michael Rostovtzeff als Vertreter).

Meinungen und Einschätzungen dazu mag es geben, alldieweil mir fehlt der historische Beleg. In anderen Fakultäten wie Philosophie, Politologie, Literatur/Rhetorik, Geographie, Astronomie, Medizin, Jura, Mathematik und einigen Ingenieurwissenschaften, kann man sehr wohl ganzheitliche, modellgestützte Erklärungsansätze in der Antike erkennen. Für die Wirtschaftswissenschaften, die im Übrigen weit über die Geldpolitik hinausgehen, fehlt mir jedoch ein solches Verständnis. Vielleicht wurde aber das entsprechende Werk nur nicht überliefert. Die Römer haben sicher viel experimentiert und auch oft die richtigen Schlüsse gezogen, aber das scheinen mir doch eher singuläre Erkenntnisse gewesen zu sein, denen eine ganzheitliche Sicht fehlt. Zumindest ist mir kein römischer Gelehrter bekannt, der sich grundlegende Gedanken darüber gemacht hätte, was ein Markt ist, welche Märkte eine Volkswirtschaft hat und welche Wechselwirkungen bestehen könnten. In anderen Fakultäten hat man dagegen sehr wohl versucht, die Dinge grundlegend zu verstehen.

Was das Fake-Zitat angeht, so ist das ohnehin nicht voll zutreffend. Ein Aussenhandelsbilanzdefizit mag es ja gegeben haben, aber eine Staatsverschuldung? Die Verschuldung von Kommunen war definitiv ein Problem, aber fehlten für eine Verschuldung des römischen Zentralstaates über offene Forderungen aus Tagesgeschäft hinaus nicht schon alleine die notwendigen Instrumente? Obwohl, in der Republik gab es sowas wie Kriegsanleihen, indem temporär Zusatzsteuern auf den Ager Publicus erhoben wurden, die allerdings zurückzuzahlen waren.

Eine Wirtschaftspolitik gab es partiell eindeutig, aber nicht auf Basis einer mindestens rudimentären Wirtschaftswissenschaft oder wengistens "Wirtschaftsphilosophie". Oder hab ich was übersehen?
 
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agricola schrieb:
Eine Wirtschaftspolitik gab es partiell eindeutig, aber nicht auf Basis einer mindestens rudimentären Wirtschaftswissenschaft oder wengistens "Wirtschaftsphilosophie". Oder hab ich was übersehen?

Ich möchte kein Fass aufmachen, deshalb nur in aller Kürze. Nehmen wir zum Beispiel den Einfluss des Kaisers und seiner Berater auf die Wirtschaft etc.:
Für Eingriffe in die Wirtschafts- und Sozialpolitik waren zwar eigentlich Sonderemissäre, Präfekte, Provinzstatthalter und Prokuratoren zuständig, jedoch kam auch der ungewöhnlich erscheinende Fall zustande, dass Kaiser eingriffen. In der Regel ging es um Steuererlasse, Abgaben von Privilegien, Bekämpfung der Missstände und Schulden sowie Abgabenforderungen. Kaiser mussten oft ad-hoc Entscheidungen treffen – wurden somit gezwungen in ihrer Regierungspraxis unterschiedliche Schwerpunkte zu setzen, was gegen eine kontinuierliche Wirtschaftspolitik, die aus Staatlichkeit und erkennbaren wirtschaftspolitischen Leitlinien besteht, spricht.

Dennoch ist das Streben nach Prosperität (Periode des wirtschaftlichen Aufschwunges) der Wirtschaft erkennbar. Gesetze und Verordnungen von Domitian und Hadrian zeigen dies deutlich, aber auch die Form der Landnutzung. Der Historiker Jochen Bleicken macht überdies deutlich, dass die Kaiser über verschiedene Berater verfügten, die jederzeit für Ratschläge bezüglich der Steuer- und Baupolitik sowie weiterer Ebenen abrufbar waren. (S. Bleiken, Jochen: Zum Regierungsstil des römischen Kaisers. Eine Antwort auf Fergus Millar, in: DERS., gesammelte Schriften II, Stuttgart 1998. S. 850)
Weiterhin wurden im zweiten Jahrhundert Correctores eingesetzt, um Finanzen in den jeweiligen Provinzen zu überprüfen.

Man darf einem Kaiser und seinem Beraterstab unterstellen, dass sie sich über Marktmechanismen im Klaren waren, was aber empirisch veranlagt wurde und nicht durch eine wirftschaftstheoretische Schulung geschah.
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Es kommt natürlich darauf an, wie eng man Begriffe wie Volkswirtschaftslehre und Finanzwissenschaften anwenden möchte. Aber Gedanken über wirtschaftliche Zusammenhänge und ihre Auswirkungen auf das Steueraufkommen hat man sich auch schon in der Antike gemacht. Z. B. analysierte Xenophon in seinem Werk "Wege" die Wirtschaft Athens mit ihren Stärken, Schwächen und Potentialen und die Lage der Staatseinkünfte und machte Vorschläge zur Ankurbelung der Wirtschaft und Erhöhung der Steuereinnahmen und sonstigen Staatseinkünfte. Aus heutiger Sicht wirken die meisten seiner Vorschläge zwar eher naiv und unrealistisch, aber er hatte zumindest schon ein Verständnis dafür, wie geographische, klimatische und demographische Faktoren die Wirtschaft beeinflussen und wie wiederum das Abgabenaufkommen von der Wirtschaftslage abhängt und man durch politische Entscheidungen das eine wie das andere beeinflussen kann.

Die Römer waren sich z. B. über die negativen Auswirkungen ihrer negativen Handelsbilanz im Handel mit dem Osten, vor allem den Edelmetallabfluss, im Klaren. Dass an der Ostgrenze Importzölle von bis zu 25% erhoben wurden (normalerweise betrugen die Zollsätze ca. 2 - 2,25%), mag auch ein Versuch gewesen sein, die Importe zu beschränken.
 
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