ist das nicht auch zumindest teilweise ein von späterem (!) Wissen beeinflusstes Wunschdenken?
also bzgl. Wotan:
- 1 - wann wird diese Gottheit erstmals mit dem Totenheer, der wilden Jagd etc. in Verbindung gebracht?
- 2 - in welcher antiken oder kaiserzeitlichen Quelle wird Wotan als wilder Jäger dargestellt (oder mit sonstigen erst viel viel später belegten Eigenschaften ausgestattet)?
- 3 - welche altengl. und althochdeutsche Quelle erwähnt die später belegten Charakteristika sowie die wilde Jagd?
Über das Alter der Wodan-(Odin)-Verehrung bestehen Unstimmigkeiten. Einige Forscher halten den Gott für eine recht früh, andere für eine verhältnismäßig spät aus dem Südosten in die
Germania libera eingedrungene Erscheinung. Dass Kimbern und Teutonen Wodan verehrten, bestätigt vielleicht die Inschrift "Mercurio Cimbrio" auf einem Weihestein vom Heiligenberg bei Heidelberg. Auch bei dem großen Opfer der Kimbern und Teutonen nach der siegreichen Schlacht bei Arausio im Jahr 105 v. Chr. dürfte es sich um ein Wodansopfer gehandelt haben.
Weil die Stämme auf ihrem Weg vom Norden in den Süden nur teilweise germanisches Gebiet berührt hatten, vermutet man, Wodan sei ihnen bereits in den Ausgangsgebieten der Wanderung als einheimischer Gott vertraut gewesen. Nach anderer Auffassung gelangte er von den
Kelten (!) zu den germanischen Stämmen am Rhein und von dort zu den übrigen Stämmen.
In den spärlichen Quellen erscheint Wodan als eine dämonische, mit den Seelen der Toten und, als ihr Führer, mit dem Sturm verbundene Gestalt. Er ist in vielen Sagen und Legenden Führer des Totenheers und der Wilde Jäger. Die Germanen bezeichneten das Heer der Seelen als das "wütende" und dieses "wütende Heer" und Wodan - *
wodaz = wütend und *
wodjan = wüten - gehören unauflöslich zusammen. Aus diesem Bereich wurde Wodan allmählich herausgelöst und der Sturm- und Totengott stieg zum Himmelsgott auf, wobei er andere Götter wie Tyr/Ziu verdrängte.
Der Religionswissenschftler und skandinavische Mediävist Jan de Vries hält es nicht für unmöglich, den Wodan-Odins-Kult bis in die Bronzezeit zurückzuverfolgen, indem er auf die Felsbild-Darstellungen von großen Speerträgern in Südschweden und auf Odins Speer Gungnir hinweist. Frühe Wodanverehrung lässt sich mit einiger Sicherheit bei den Hariern, den Kimbern und Teutonen nachweisen und da die Harier als Teilvolk der Lugier ebenso wie Kimbern und Teutonen unter keltischem Einfluss standen, ist der Verdacht auf
keltischen Ursprung der Wodangestalt nicht ganz unbegründet.
Die älteste germanische Darstellung des Wodan als einäugiger Gott mit Andeutung einer Genealogie stammt aus der späten römischen Kaiserzeit und zeigt einen Bernsteinanhänger aus dem Grab des "Fürsten" von Haßleben, Kreis Erfurt.
Der ursprünglich für Ruhm und Krieg personifizierte Himmelsgott Tyr/Ziu/Tiwaz musste seine Bedeutung in der Zeit kriegerischer Ausbreitung an Wodan abgeben. Im Gegensatz zu den Wanen wurden die Asengötter von den Adligen und ihren Gefolgschaften verehrt und traten in den kriegerischen Zeiten der Völkerwanderung immer mehr in den Vordergrund - was nicht heißt, dass sie da erst entstanden - und drängten den alten Himmels- und Kriegsgott Ziu in den Hintergrund.
Interessant ist daher ein ganz anderer Aspekt der nordischen Mythologie, nämlich die Herkunft und Rolle der
Wanengötter und ihr Verhältnis zu den
Asen. Vielfach wird darin eine Spiegelung der sozialen Schichtung der Gesellschaft gesehen, wobei die Wanen vermutlich das ältere Göttergeschlecht waren. Zu den Wanen aus Wanaheim zählen die Fruchtbarkeitsgötter, die für Wachstum und Zeugung verantwortlich waren und vorwiegend von der bäuerlichen Bevölkerung verehrt wurden. Zu ihnen gehören vor allem Freyr, Njörd und Freyja, zu den Asen aus Asgard vor allem Wodan/Odin, Donar/Thor mit den zugehörigen Frauen und Verwandten. Sie wurden vorwiegend von der aristokratischen Elite und deren Gefolgschaften verehrt.
Verschiedentlich wird vermutet, dass der in der Edda geschilderte Wanenkampf auf eine Auseinandersetzung zwischen alteingesessener vorgermanischer bäuerlicher Bevölkerung und der Invasion germanischer Stämme hindeuten könnte. im Lauf der Jahrhunderte - so die Hypothese - kam es zu einem Ausgleich beider Bevölkerungselemente, sichtbar an der Verbindung von Asen und Wanen und deren gleichberechtigter Aufnahme in den Kreis der Asen.