Vandalen und Goten - Glaubhafte Wanderungen

Nur lässt sich daraus keine Herkunft von Alarich oder Theoderich ableiten, noch nicht mal entfernt.
..die Cassiodorsche Konstruktion (leider verschollen) hatte sicher große mühe bereitet... :D ...allerdings gehe ich auch davon aus, dass sie eher für die gehobenen römischen Kreise und nicht für die gotischen Adelssippen gedacht war.
Und ja: es wird auch diskutiert, ob die Goten nicht überhaupt erst im 3. Jh. ungefähr im Donauraum als Großverband entstanden. -- nur wie dem auch sei: sie verwendeten eine ostgermanische Sprache, keine dakische, keine slawische etc.
 
Da machst Du es Dir zu einfach. Viele Ereignisse der früheren Gotengeschichte sind auch durch andere, ältere Autoren wie Ammianus Marcellinus oder auch den "Historia Augusta"-Autor belegt. Autoren also, die nicht in gotischen Diensten standen und die zu einer Zeit schrieben, als die Goten noch ausländische Barbaren waren, es also keinen Grund gab, ihre Geschichte aufzuhübschen. Aber auch spätere Autoren wie Zosimos oder Prokopios hatten, da sie nicht im gotischen Machtbereich lebten und nicht für gotische Auftraggeber arbeiteten, keinen Grund, die gotische Geschichte zu manipulieren.

Ist bei irgend einem der genannten von Skandinavien die Rede?


Grundsätzlich ja, da die Ehe Philipps mit einer Thrakerprinzessin beim griechischen Autor Athenaios belegt ist, wenngleich sie bei ihm Meda heißt und ihr Vater Kothelas.

Bei Jordanes geht die gotische Geschichte bis Philipp und Darios zurück, und zu Kämpfen mit ägyptischen Pharaonen. Zudem stammt das gotische Königshaus vom mäotische See, ehe es nach Skandinavien zog.

Ab wo wird es nun mythisch?
 
Sie beginnen ihre Erzählung der Jahrhunderte alten Geschichte des gotischen Volkes - welche dieses selbst noch gut kennt, da es seine Herkunft aus Skandinavien in Sagen überliefert - mit der wissentlich falschen Gleichsetzung von Geten und Goten?
Und diese traditionsbewussten Goten haben sie nicht am nächsten Baum aufgeknüpft??
Oder wussten die Goten plötzlich doch nicht mehr, wo sie herkamen?
Du hast doch selbst das Beispiel mit den Franken und dem Trojamythos gebracht. Die Franken haben den Verfasser der sogenannten Fredegar-Chronik auch nicht zwangsläufig am nächsten Baum aufgeknüpft. Außerdem haben Cassiodor/Iordanes ihre Werke nicht für die Goten verfasst, sondern für römische Leser. Die meisten Goten werden gar nicht mitbekommen haben, was ihnen da als Herkunft angehängt wird, und anderen, wie Theoderich und insbesondere Amalaswintha, denen an der Akzeptanz durch die romanische Bevölkerung gelegen war, werden alles gebilligt haben, was dazu beitragen konnte, das Ansehen und somit die Akzeptanz der gotischen Herren bei der stolzen und traditionsbewussten romanischen Bevölkerungsmehrheit zu heben.
 
Und ja: es wird auch diskutiert, ob die Goten nicht überhaupt erst im 3. Jh. ungefähr im Donauraum als Großverband entstanden. --

Genau das. Wie Franken, und Alemannen weiter westlich auch. Geschöpfe der römischen Welt.

nur wie dem auch sei: sie verwendeten eine ostgermanische Sprache, keine dakische, keine slawische etc.

Viele wissen wir ja nicht über das thrakische, also auch nicht über das dakische. Könnten wir thrakische Elemente im gotischen überhaupt identifizieren? Sind die Unterschiede so groß?
 
Du hast doch selbst das Beispiel mit den Franken und dem Trojamythos gebracht. Die Franken haben den Verfasser der sogenannten Fredegar-Chronik auch nicht zwangsläufig am nächsten Baum aufgeknüpft.

Dort wird auch nicht behauptet, dass die Franken selbst es am Lagerfeuer überliefert hätten.

Außerdem haben Cassiodor/Iordanes ihre Werke nicht für die Goten verfasst, sondern für römische Leser. Die meisten Goten werden gar nicht mitbekommen haben, was ihnen da als Herkunft angehängt wird

Jetzt mach die Goten nicht blöder, als sie sind.

, und anderen, wie Theoderich und insbesondere Amalaswintha, denen an der Akzeptanz durch die romanische Bevölkerung gelegen war, werden alles gebilligt haben, was dazu beitragen konnte, das Ansehen und somit die Akzeptanz der gotischen Herren bei der stolzen und traditionsbewussten romanischen Bevölkerungsmehrheit zu heben.

Weshalb überhaupt sollte die Herkunft von den Geten Prestige geben?
So richtig prominent waren die ja nicht gerade...

Nachtrag:
Dann könnten sie auch eine alte, skandinawische Herkunftsage gebilligt haben? oder Siege gegen Pharaonen?
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Franken haben den Verfasser der sogenannten Fredegar-Chronik auch nicht zwangsläufig am nächsten Baum aufgeknüpft.
:D ...nicht viel schmeichelhafter ist die sagenhafte Herkunft der Merowingersippe... ob sich Chlodwig gefreut hat, dass seine Urväter unehelich von einem dem Meer entsteigenden "Quinotaurus" abstammen sollen?... :D

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aber lassen wir doch wenigstens ein gutes Haar am Iordanes: aus seinem Text kann man lesen, wie sich zu Theoderichs Zeit der gelehrsame Versuch, die Goten in die römische Geschichte zu integrieren (und sie als gleichwertig darzustellen), gestaltete - mit allen Ungeschicklichkeiten und Schnörkeln. So gesehen ist die Getica zunächst ein Text seiner Entstehungszeit und liefert damit Hinweise darauf, wie und warum man eine Herkunftssage konstruieren wollte.
 
Viele wissen wir ja nicht über das thrakische, also auch nicht über das dakische. Könnten wir thrakische Elemente im gotischen überhaupt identifizieren? Sind die Unterschiede so groß?
:grübel:... willst du das verschollene thrakische in die Nähe germanischer Sprachen rücken? ...also wenn ja, dann würden dadurch germanische Sprachen wohl älter, als sie sind?
 
:grübel:... willst du das verschollene thrakische in die Nähe germanischer Sprachen rücken? ...also wenn ja, dann würden dadurch germanische Sprachen wohl älter, als sie sind?

Wieso älter? Wenn Jordanes glaubwürdig ist, siedelten die Goten schon 400 v.Chr. am Schwarzen Meer, wenn sie mit Phillipp II. zu tun hatten. Zumindest irgendwas müssen diese Leute wohl gesprochen haben.
 
Weshalb überhaupt sollte die Herkunft von den Geten Prestige geben?
So richtig prominent waren die ja nicht gerade...
dazu hatte ich folgendes gelesen und schon zuvor kurz zusammengefasst:
mit dem ethnografischen und "sprachwissenschaftlichen" Kenntnisstand des frühen 6. Jh. - es ging ja darum, den Amalern einen geradezu biblischen Stammbaum anzudichten (viele viele Generationen) und diesen "irgendwie" pseudohistorisch zu stützen. Da schien den Gelehrten wohl die Abfolge:
(1) skand. Herkunft in grauer Vorzeit
(2) -> lange südosteurop. getische Geschichte (wobei die namentlich bekannten realen getischen Könige elegant weggelassen wurden) als Lückenfüller (dazu die nette Episode mit den haljarunnae)
(3) -> Vormachtstellung in der Region (Ermanarichs Riesenreich)
(4) -> einige Windungen wegen der peinlichen hunnischen Dominanz
(5) -> die großen Amaler, die das Westreich retten
Scandza ist doch auch eine schön exotische und dankenswert unüberprüfbare Herkunftslegende :)
 
Das ist allerdings pure Spekulation. Ebenso gut kann man annehmen, dass Cassiodor dem Theoderich ein altes Adelsgeschlecht andichten wollte.
Für eine skandinavische Abstammung gibt es auch archäologisch nicht den geringsten Hinweis.
Berig, der die Goten aus Skandinavien geführt haben soll, wird von Iordanes gar nicht den Amalern zugeordnet.

Ist bei irgend einem der genannten von Skandinavien die Rede?
Nein, aber z. B. von Ermanarich, den Du, obwohl oder eher gerade weil er auch bei Iordanes erwähnt wird, anscheinend auch eher als fiktive Sagengestalt verwirfst.

Bei Jordanes geht die gotische Geschichte bis Philipp und Darios zurück, und zu Kämpfen mit ägyptischen Pharaonen. Zudem stammt das gotische Königshaus vom mäotische See, ehe es nach Skandinavien zog.

Ab wo wird es nun mythisch?.
Ich habe nie behauptet, dass die gotische Stammessage von der Herkunft aus Skandinavien wahr ist, sondern nur bezweifelt, dass sie eine Erfindung von Cassiodor/Iordanes ist. Historisch belegt durch andere Autoren sind die Goten erstmals im Weichselgebiet (falls sie mit den von Tacitus genannten Gotonen identisch sind, wovon anscheinend die meisten Wissenschaftler ausgehen) oder andernfalls in Südosteuropa durch spätantike römische Autoren. Aus sprachlichen Gründen können sie aber keine Daker/Thraker gewesen sein, sondern Germanen.
 
Ich habe nie behauptet, dass die gotische Stammessage von der Herkunft aus Skandinavien wahr ist, sondern nur bezweifelt, dass sie eine Erfindung von Cassiodor/Iordanes ist.
und genau das ist ja die interessanteste Frage, die durch die Getica aufgeworfen wird: was daran ist spätrömische gelehrsame Erfindung, was ist "gotisch"?
es heißt ja, dass der Auftrag gegebenworden sei (von Theoderich), die alten Stammessagen zusammen zu fassen und in eine quasi zivilisierte form zu bringen.
diese Episode mit den "gotischen Hexen" - haljurunnae, sprachl. verwandt mit den Helrunen - erwähnt immerhin ein gotisches Wort, da dürfte eine römische Konstruktion unwahrscheinlich sein (und dass diese prekäre Verwandtschaft mit den unliebsamen Hunnen gotischerseits mit Zauberei erklärt wird *), ist schon beinahe rührend)
sodann einige Namen der gewiß überwiegend fiktiven bzw. halt sagenhaften amalischen Genealogie, ebenfalls gutenteils germanisch (teils sogar keltisch? vgl. Wolfram) sind.


*) nekromantische gotische Hexen (Haljurunen) werden in die mäotischen Sümpfe gejagt, wo sie sich mit bösen Geistern vermischen und so die Hunnen zeugen :)
 
Zuletzt bearbeitet:
Jetzt mach die Goten nicht blöder, als sie sind.
Tue ich das? Ich bezweifle doch nur, dass der Durchschnittsgote, der irgendwo in Norditalien auf einem ihm zugewiesenen Landgut gelebt hat, lateinische Geschichtswerke gelesen hat.

Weshalb überhaupt sollte die Herkunft von den Geten Prestige geben?
So richtig prominent waren die ja nicht gerade...
Die "Getica" sollte doch die römischen Leser überzeugen, also konnte man nicht zu dick auftragen. Wenn man die Goten von den Trojanern hergeleitet hätte, hätte das eher Zweifel erweckt als wenn man sie mit einem Volk gleichsetzt, das ohnehin von verschiedenen Autoren immer wieder mit den Goten verwechselt worden war. Außerdem ging es vermutlich weniger um eine Abstammung von einem an sich ruhmreichen Volk, sondern eher um eine möglichst lange Geschichte. Griechen und Römer waren begierig danach, alles bis in möglichst weite Vorzeit zurückführen zu können - sowohl ihre eigenen Familienstammbäume als auch den Ursprung ihrer Städte/Staaten. (Das ging sogar so weit, dass man, obwohl man sich darüber im Klaren war, dass die griechischen Kolonien in Süditalien erst ab dem 8. Jhdt. v. Chr. gegründet worden waren, später manchen von ihnen trotzdem eine Gründung in mykenischer Zeit nachsagte und fingierte, dass sie ab dem 8. Jhdt. lediglich erneuert worden seien.) Alter bedeutete Prestige. Die überlieferte getische Geschichte reichte bis ins 6. Jhdt. v. Chr. zurück, also wesentlich weiter als die der Goten. Und durch weitere Kunstgriffe konnten Cassiodor/Iordanes den Goten eine Vergangenheit anhängen, die mindestens so alt war wie die der Römer.
 
Tue ich das? Ich bezweifle doch nur, dass der Durchschnittsgote, der irgendwo in Norditalien auf einem ihm zugewiesenen Landgut gelebt hat, lateinische Geschichtswerke gelesen hat.

Damit tust du es doch auch. Den Durchschnittsgoten kenne ich nicht. Aber der gotische Adel, der sich noch zu sehr über die allzu römische Erziehung von Amalswintas Kindern aufregte, dem dürfte man kaum einen solchen Bären aufgebunden haben.

Die "Getica" sollte doch die römischen Leser überzeugen, also konnte man nicht zu dick auftragen. Wenn man die Goten von den Trojanern hergeleitet hätte, hätte das eher Zweifel erweckt als wenn man sie mit einem Volk gleichsetzt, das ohnehin von verschiedenen Autoren immer wieder mit den Goten verwechselt worden war. Außerdem ging es vermutlich weniger um eine Abstammung von einem an sich ruhmreichen Volk, sondern eher um eine möglichst lange Geschichte. Griechen und Römer waren begierig danach, alles bis in möglichst weite Vorzeit zurückführen zu können - sowohl ihre eigenen Familienstammbäume als auch den Ursprung ihrer Städte/Staaten. (Das ging sogar so weit, dass man, obwohl man sich darüber im Klaren war, dass die griechischen Kolonien in Süditalien erst ab dem 8. Jhdt. v. Chr. gegründet worden waren, später manchen von ihnen trotzdem eine Gründung in mykenischer Zeit nachsagte und fingierte, dass sie ab dem 8. Jhdt. lediglich erneuert worden seien.) Alter bedeutete Prestige. Die überlieferte getische Geschichte reichte bis ins 6. Jhdt. v. Chr. zurück, also wesentlich weiter als die der Goten. Und durch weitere Kunstgriffe konnten Cassiodor/Iordanes den Goten eine Vergangenheit anhängen, die mindestens so alt war wie die der Römer.

Möglichst lange Geschichte wäre ohne die kaum bekannten Geten - man nennt nicht einmal einen getischen König - viel einfacher.
Zum Beispiel durch die Erfindung der sogenannten Amaler, und noch weiter bis Skandinavien.

Das ist ein komischer Spagat. Einerseits wird zugegeben, dass die Getica größtenteils eine Erfindung ist, um Prestige zu generieren. Andererseits soll dann neben den 80% offensichtlichem Mumpitz (Pharaonen usw.) doch ein paar Zeilen, nämlich die mit Skandinavien, aus alten Sagen stammen und einen wahren Kern haben.
Belege dafür gibt es nicht, außer einer Namensähnlichkeit mit einem Volk Jahrhunderte zuvor, welches aber nicht mal in Skandinavien, sondern südlich der Ostsee lebte.
 
Was ich in diesem Zusammenhang interessant finde, ist der Bezug zu den Bastarnen.
Ein keltisch/germanisches Volk, das nach Südosten zog, lange Zeit mit den Geten interagierte, aber auch unter sarmatische Einflüsse kam. Das klingt ja fast wie ein Beschreibung der gotischen Ethnogenese. Zufälligerweise spielte sich das ganze auch noch da ab, wo später die Terwingen siedelten, welche von Claudian noch als Geten bezeichnet wurden. Bastarnen und Geten dagegen waren aus der Geschichte schon verschwunden. Vielleicht doch Geten = Goten?
Wann taucht eigentlich die erste Nennung der "Goten" auf, also nicht der "Skythen" oder Terwingen oder Greutungen, sondern wirklich der Goten?
 
Aber der gotische Adel, der sich noch zu sehr über die allzu römische Erziehung von Amalswintas Kindern aufregte, dem dürfte man kaum einen solchen Bären aufgebunden haben.
ja, die kurze Vorgeschichte zum Gotenkrieg von Prokop ist interessant! Ich habe mich oft gefragt, was mit dieser Episode gemeint sein könnte - in Dahns "Kampf um Rom" wird das ja sehr nationalpathetisch interpretiert (gedrechselt altertümlich vom Gotentum schwadronierende gotische Herzöge) :) -- bedenkt man, dass Amalasuntha mit dem gotischen Königsschatz nach Byzanz türmen wollte, wird allerdings ein gewisses Misstrauen seitens des gotischen Adels verständlich (falls die die Pläne der Regentin kannten)
Theoderichs Tochter regierte für ihren minderjährigen Sohn Athalarich (laut Prokop ein verkommenes Bürschchen), damit war ihr Status trotz Amalersippe nicht so fest wie bei einem "richtigen" König - diese unsichere Position mag die gotische Opposition auszunutzen versucht haben. Dahns romanhafte Vorstellung, die gotische Erziehung würde Waffenkunde, die römische hingegen Bücherwälzen bedeuten, ist pure Fiktion: man denke nur, was für einen Mitregenten sie nach Athalarichs Sohn wählte... (Theodahad war alles andere als ein strammer Kriegsmann)
schade dass man nicht weiß, was genau die Absichten der gotischen Großen in dieser Sache waren - Prokops Darstellung, dass sie statt Ausgleich / Integration lieber die Römer schikanieren wollten, wirkt erstaunlich (womöglich arianisch-römische Gegensätze?)

Möglichst lange Geschichte wäre ohne die kaum bekannten Geten - man nennt nicht einmal einen getischen König - viel einfacher.
...aus dem Norden in gruer Vorzeit gekommen, im Südosten angesiedelt, und das möglichst lange... Mist, dachte Cassiodor, wie krieg ich das bloß hin, da hockten doch Scythen, Thraker... jippi, vorher hatte man ja oftmals Scythen für Goten gesagt, die Geten hausten auch dort, ok, machen wir die Goten halt zu Geten :):)

Zum Beispiel durch die Erfindung der sogenannten Amaler, und noch weiter bis Skandinavien.
so wenig man eine Abstammung von Trojanern, Göttern, Meeresungeheuern nachweisen kann, so wenig kann man eine skand. Herkunft nachweisen - was nicht überprüfbar ist, das kann geschickt verpackt den Leser als möglich überzeugen.
von der fernen, nur sagenhaft bekannten Insel Scandza kommend, riesige Gebiete erobernd (Ermanarich) - das ist doch offenkundig die Suggestion von Macht, Stärke, kurzum Prestige; und tatsächlich sogar rhetorisch etwas geschickter als die Abstammung von Göttern.

Das ist ein komischer Spagat. Einerseits wird zugegeben, dass die Getica größtenteils eine Erfindung ist, um Prestige zu generieren. Andererseits soll dann neben den 80% offensichtlichem Mumpitz (Pharaonen usw.) doch ein paar Zeilen, nämlich die mit Skandinavien, aus alten Sagen stammen und einen wahren Kern haben.
Belege dafür gibt es nicht, außer einer Namensähnlichkeit mit einem Volk Jahrhunderte zuvor, welches aber nicht mal in Skandinavien, sondern südlich der Ostsee lebte.
niemand will die skandinavische Herkunft als historische Tatsache darstellen - die Frage, was an der Getiva echt bzw. wahr ist, geht in eine andere Richtung: was daran, egal ob fiktiv oder real, kann als eigene gotische Überlieferung angenommen werden! Die Haljarunnae, etliche Namen, Sagenansätze (um Ermanarich herum) und wohl auch die Herkunft aus dem Norden sind wahrscheinlich gotische Motive - und an diesen ist interessant, ob überhaupt und welche Fakten sie vielleicht enthalten: die hunnische Dominanz wird in dieser Überlieferung ja eigenwillig verarbeitet, bezeichnenderweise unter Verzicht auf den Hinweis, dass die Ostgoten ja unter Attila zu den katalaunischen Feldern mitzogen... das wollte man am Hof zu Ravenna nicht laut herumtrompeten :)
 
Was ich in diesem Zusammenhang interessant finde, ist der Bezug zu den Bastarnen.
Ein keltisch/germanisches Volk, das nach Südosten zog, lange Zeit mit den Geten interagierte, aber auch unter sarmatische Einflüsse kam. Das klingt ja fast wie ein Beschreibung der gotischen Ethnogenese. Zufälligerweise spielte sich das ganze auch noch da ab, wo später die Terwingen siedelten, welche von Claudian noch als Geten bezeichnet wurden. Bastarnen und Geten dagegen waren aus der Geschichte schon verschwunden. Vielleicht doch Geten = Goten?
Wann taucht eigentlich die erste Nennung der "Goten" auf, also nicht der "Skythen" oder Terwingen oder Greutungen, sondern wirklich der Goten?
Im Jahr 269.
 
Wann taucht eigentlich die erste Nennung der "Goten" auf, also nicht der "Skythen" oder Terwingen oder Greutungen, sondern wirklich der Goten?
Definitiv weiß ich das nicht, aber zumindest taucht der Name auf Münzen von Kaiser Claudius II. (268-270) auf, auf denen auf der Rückseite seine "Victoriae Gothic[ae?]" gefeiert werden.
 
Damit tust du es doch auch. Den Durchschnittsgoten kenne ich nicht. Aber der gotische Adel, der sich noch zu sehr über die allzu römische Erziehung von Amalswintas Kindern aufregte, dem dürfte man kaum einen solchen Bären aufgebunden haben.
Im von Dir kritisierten Beitrag schrieb ich:
Außerdem haben Cassiodor/Iordanes ihre Werke nicht für die Goten verfasst, sondern für römische Leser. Die meisten Goten werden gar nicht mitbekommen haben, was ihnen da als Herkunft angehängt wird,
Gehörten also Deiner Meinung nach die meisten Goten zum gotischen Adel?
Im Übrigen bezweifle ich auch beim gotischen Adel, dass seine Angehörigen allesamt fleißig Cassiodor und Iordanes gelesen haben.

Möglichst lange Geschichte wäre ohne die kaum bekannten Geten - man nennt nicht einmal einen getischen König - viel einfacher.
Natürlich sind getische Könige bekannt, z. B. der von dekumatland schon erwähnte Dromichaites, über den etliche antike Autoren berichteten.
"Bekannt" ist natürlich relativ, aber die Geten tauchten in der antiken Literatur häufig auf, nicht nur in Geschichtswerken, sondern z. B. auch in des nicht ganz unbekannten Dichters Ovid "Tristia" und "Epistulae ex Ponto", in denen er häufig darüber klagte, in ihrer Nachbarschaft leben zu müssen, der andererseits aber sogar Getisch lernte.

Zum Beispiel durch die Erfindung der sogenannten Amaler, und noch weiter bis Skandinavien.
Mit den Amalern allein konnte der römische Leser doch nichts anfangen. Sie waren die gotische Königssippe, klar, aber eine lange Ahnenreihe bringt nur dann etwas, wenn sie auch eingebettet ist in die Geschichte eines alten und wenigstens einigermaßen ruhmreichen Volkes. Keine Familie fällt vom Himmel, also war ohnehin klar, dass die aktuellen Amalerherrscher Vorfahren hatten. Ruhm brachten ihnen diese Vorfahren aber nur, wenn sie eine wichtige Rolle in der langen Geschichte eines halbwegs bekannten Volkes spielten. Andernfalls wären die Amaler nur eine alte Sippe eines Barbarenvolkes gewesen, das erst vor wenigen Jahrhunderten in den römischen Gesichtskreis trat.

Was ich in diesem Zusammenhang interessant finde, ist der Bezug zu den Bastarnen.
Ein keltisch/germanisches Volk, das nach Südosten zog, lange Zeit mit den Geten interagierte, aber auch unter sarmatische Einflüsse kam. Das klingt ja fast wie ein Beschreibung der gotischen Ethnogenese. Zufälligerweise spielte sich das ganze auch noch da ab, wo später die Terwingen siedelten, welche von Claudian noch als Geten bezeichnet wurden. Bastarnen und Geten dagegen waren aus der Geschichte schon verschwunden. Vielleicht doch Geten = Goten?
Die Bastarner existierten noch parallel zu den Goten. Kaiser Probus siedelte Bastarner in Thrakien an, ebenso Diokletian und Galerius. Die Bastarner scheinen also eher von den Goten bedrängt worden und vor ihnen ausgewichen zu sein. Reste von ihnen, die nicht ins römische Reich aufgenommen wurden, mögen von den Goten aufgesogen worden sein, aber das macht nicht die Goten zu Bastarnern, zumal bei den Bastarnern nicht einmal klar ist, welche Sprache sie eigentlich sprachen. Bei den Goten wissen wir das zum Glück besser. Das Gotische zur thrakischen Sprache zu machen, nur damit die Goten mit den Geten identisch gewesen sein können, erfordert schon eine arge Verbiegung.
 
Gehörten also Deiner Meinung nach die meisten Goten zum gotischen Adel?

???

Natürlich sind getische Könige bekannt, z. B. der von dekumatland schon erwähnte Dromichaites, über den etliche antike Autoren berichteten.

Meine Frage ging dahin, warum diese Könige nicht in die gotischen Abstammunglinien eingebaut wurden, wenn man doch von Geten abstammen und Prestige vorgaukeln wollte. Dann wäre ein Bezug auf das getische Königshaus doch naheliegend?

Mit den Amalern allein konnte der römische Leser doch nichts anfangen. Sie waren die gotische Königssippe, klar, aber eine lange Ahnenreihe bringt nur dann etwas, wenn sie auch eingebettet ist in die Geschichte eines alten und wenigstens einigermaßen ruhmreichen Volkes. Keine Familie fällt vom Himmel, also war ohnehin klar, dass die aktuellen Amalerherrscher Vorfahren hatten. Ruhm brachten ihnen diese Vorfahren aber nur, wenn sie eine wichtige Rolle in der langen Geschichte eines halbwegs bekannten Volkes spielten. Andernfalls wären die Amaler nur eine alte Sippe eines Barbarenvolkes gewesen, das erst vor wenigen Jahrhunderten in den römischen Gesichtskreis trat.

Wichtig war vor allem das Alter, das möglichst weite Zurückführen der Abstammung. Und ruhmreiche Taten fabulieren die Autoren doch genügend hinein, sogar einen Sieg über die Ägypter.

Die Bastarner existierten noch parallel zu den Goten. Kaiser Probus siedelte Bastarner in Thrakien an, ebenso Diokletian und Galerius.

Das ist doch kein Widerspruch dazu, dass die etwas weiter östlichen Bastarnen - der Großteil blieb außerhalb des Reiches - sich dort mit Geten und Sarmaten vermischen konnte, meinetwegen auch mit Hasdingen und anderen Ostgermanen der Gegend.

Bei den Goten wissen wir das zum Glück besser. Das Gotische zur thrakischen Sprache zu machen, nur damit die Goten mit den Geten identisch gewesen sein können, erfordert schon eine arge Verbiegung.

Das habe ich auch so nicht gesagt. Meine Frage zielte dahin, ob man etwa thrakische Lehnwörter im Gotischen überhaupt erkennen würde.
Allerdings sagst du weiter oben selbst, dass bei einigen Balkanvölkern - Bastarnen etwa - die sprachliche Zuordnung schwierig ist. Dort vermischte sich so manches. Die Karpen kommen hier auch noch ins Spiel. Wir haben hier über Jahrhunderte ein ziemlich wüstes Gemisch von unterschiedlichsten, kaum zuordnenbaren Gruppierungen. Aber eine davon hat sich - "reingermanisch" - ihre Identität von der Ostsee her bewahrt?
Nein, eher nicht...
 
Allerdings sagst du weiter oben selbst, dass bei einigen Balkanvölkern - Bastarnen etwa - die sprachliche Zuordnung schwierig ist. Dort vermischte sich so manches. Die Karpen kommen hier auch noch ins Spiel. Wir haben hier über Jahrhunderte ein ziemlich wüstes Gemisch von unterschiedlichsten, kaum zuordnenbaren Gruppierungen. Aber eine davon hat sich - "reingermanisch" - ihre Identität von der Ostsee her bewahrt?
Nein, eher nicht...
Ich glaube, hier schießt du übers Ziel hinaus, indem du ideologische Vorstellungen einflichst, die dem "germanistischen 19. Jh." entstammen und die hier niemand vertritt.
Schlichtweg nicht wegzudiskutieren ist der Umstand, dass die gotische Sprache recht gut überliefert ist (von vereinzelten Runen bis zur Silberbibel) und dass es sich bei ihr sprachwiss. um eine ostgermanische Sprache handelt. Allerdings sagt das bekanntlich nichts über womöglich gar "reine unvermischte ethnische Herkünfte" aus!
Laut Prokop (Gotenkriege) sprachen allerlei unterschiedlich benamte Barbarengruppen die gotische Sprache, Prokop zählt da die Vandalen, die Gepiden und die verschiedenen Goten auf - das ist insofern interessant, als der frühbyz. Historiker da eine erstaunliche Beobachtung für diese Zeit mitteilt: die Wahrnehmung einer bestimmten Sprache bei verschiedenen Gruppen. (tatsächlich werden die burgund., vandal., langobard. Sprachtrümmer als überwiegend ostgermanisch heute eingeordnet)
--> allein das zeigt ja, dass einerseits schon damals Sprache nicht mit Ethnie gleichgesetzt wurde, andererseits dass eben verschiedene Gruppen und ihre Neuzugänge für eine bestimmte und durchaus auch identitätsstiftende Sprache optierten. Und zwar in diesen Fällen für allgemein gesagt das Gotische.
Das Namenmaterial, die wenigen Sprachtrümmer anderer südosteurop. antiker Gentes weist dagegen sprachwiss. nicht in die Richtung ostgermanischer Sprachen. Kurzum das getische, dakische, thrakische Material - so gering es auch ist - ist halt nicht germanisch und auch nicht keltisch.
 
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