Zustand der (Land-)Wirtschaft im späten 4. Jahrhundert

Das sehe ich ja wie eigentlich alle genauso. Mein Beitrag war eine direkte Antwort auf die Einschätzung Agricolas, dass sich die oströmische Wirtschaft aber trotzdem in einem bedenkliche Zustand befunde habe.

Meine Einschätzung als "bedenklich" in Abschwächung von "erbärmlich" für den Westen leitet sich aus dem Widerspruch in Heathers Schilderung der Schlacht von Adrinaopel her.

Das oströmische Heer bestehend aus mindestens einer zentralen und einer regionalen Heeresgruppe (eher 3-4), soll nur 15.000 Mann betragen haben.
Hierzu eine Darstellung auf Basis einer Gesamtstärke von 200.000 Mann für Ostrom.
http://upload.wikimedia.org/wikiped...0px-West_Roman_army_command_structure.svg.png

Wenn Valens Armee nur 15.000 Mann, statt der erwarteten 30-50.000 Mann betrug, dann wäre eine naheliegende Erklärung eine insgesamt überschätzte Stärke des Gesamtheeres aufgrund finanzieller/wirtschaftlicher Probleme. Beides, eine weit geringere Gesamtstärke, wie auch eine Schwäche der Wirtschaft, lehnt Heather aber ab.

Heather muss also mindestens in einem Punkt Unrecht haben!

Ebenso unerklärt, bei nur vergleichsweise gringen Verlusten angesichts eines kleineren Heeres von nur 15.000 Mann, ist das Ausbleiben eines sofortigen Vergeltungsschlages. Die bei Heathers Annahmen auch nach einer Niederlage noch zur Verfügung stehenden, weiteren Bewegungsheere hätten dazu vollkommen ausgereicht. Auch angesichts der Tatsache, daß nun Gratian vor Ort war.

Heather erklärt dies mit einem grundlegenden Strategiewechsel nach Adrianopel, der im weiteren Verlauf auch zu einer bewussten und geplanten Opferung des rebellischen Britanniens und Galliens zur Grenzverkürzung führte.

Das klingt mir weit abenteuerlicher, als die Annahme, daß Heathers Truppenstärken korrekt sind und es mit der Wirtschaft nicht zum Besten stand. Ob die Wirtschaft des Ostreiches sich bis Justinian verbessert hat oder nicht, ist unklar. Bekannt ist aber, daß Justinians Projekte den Staatshaushalt mehr als überforderten und er zu unorthodoxen Methoden der Mittelbeschaffung griff, die wenig mit der tatsächlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und einem normalen Steueraufkommen zu tun hatten.

Justinian hilft uns wenig, den Widerspruch in Heathers Ausführungen zu erklären!
 
eine Ironie des Schicksals, dass Kaiser Valens "Gothicus maximus" ausgerechnet gegen die Goten bei Adrianopel verlor und fiel... was seine Regierungszeit betrifft, so dürfte die Niederschlagung der Usurpation des Procopius ebenso wie die Aufrüstung gegen die Sassaniden den Haushalt belastet haben. Allerdings vermochte anschließend Theodosius den angerichteten Scherbenhaufen zu kitten - das spricht doch dafür, dass zu dieser Zeit durchaus noch Ressourcen vorhanden waren.
 
Wenn Valens Armee nur 15.000 Mann, statt der erwarteten 30-50.000 Mann betrug, dann wäre eine naheliegende Erklärung eine insgesamt überschätzte Stärke des Gesamtheeres aufgrund finanzieller/wirtschaftlicher Probleme. Beides, eine weit geringere Gesamtstärke, wie auch eine Schwäche der Wirtschaft, lehnt Heather aber ab.

Heather muss also mindestens in einem Punkt Unrecht haben!

Das (die geringe Stärke) kann aber auch andere Ursachen haben, zB:

- Unterschätzung der gotischen Stärke (so jedenfalls Ammianus, RG 31.12.3 mit 10.000 Mann vor Adrianopel)
- Verlauf der Rebellion
- überhasteter Feldzug (warum auch immer)
- Sicherung der persischen Grenze nach den Verhandlungen 377, unter Zurücklassen von Truppenteilen
usw.

Aus einer einzelnen Heeresstärke (evt. die zitierten 30.000) kann man mE nur schwerlich auf den wirtschaftlichen Zustand des Reiches schließen, wenn kampagnengetriebene Faktoren, Dislozierung an anderen Grenzen usw. unklar sind. Offenbar entwickelten sich doch in der Wahrnehmung vor der Schlacht die Dinge zufriedenstellend, so dass fehlende Stärke nicht unbedingt fehlende Potenziale bedeuten muss.

Kulikowski, Rome's Gothic Wars, S. 130ff.
 
Das (die geringe Stärke) kann aber auch andere Ursachen haben, zB:

- Unterschätzung der gotischen Stärke (so jedenfalls Ammianus, RG 31.12.3 mit 10.000 Mann vor Adrianopel)
- Verlauf der Rebellion
- überhasteter Feldzug (warum auch immer)
- Sicherung der persischen Grenze nach den Verhandlungen 377, unter Zurücklassen von Truppenteilen
usw.

Aus einer einzelnen Heeresstärke (evt. die zitierten 30.000) kann man mE nur schwerlich auf den wirtschaftlichen Zustand des Reiches schließen, wenn kampagnengetriebene Faktoren, Dislozierung an anderen Grenzen usw. unklar sind. Offenbar entwickelten sich doch in der Wahrnehmung vor der Schlacht die Dinge zufriedenstellend, so dass fehlende Stärke nicht unbedingt fehlende Potenziale bedeuten muss.

Kulikowski, Rome's Gothic Wars, S. 130ff.


Das ist genau das worauf ich hinaus wollte. Aus der geringen Truppenstärke einen kausalen Zusammenhang zur wirtschaftlichen Situation zu ziehen ist zwar denkbar aber eben nicht zwingend.
 
Das (die geringe Stärke) kann aber auch andere Ursachen haben, zB:

- Unterschätzung der gotischen Stärke (so jedenfalls Ammianus, RG 31.12.3 mit 10.000 Mann vor Adrianopel)
Das können wir ausschließen, wie bereits oben dargelegt. Und so sieht es auch Heather. Valens kannte die Stärke der 3 Völker, als er sich entschied, abzuwarten, bis das zentrale Feldheer zusätzlich zur Verfügung stand. Die Fehleinschätzung (so Ammianus) bezog sich nur auf die aktuelle Stärke am Vorabend der Schlacht, weshalb Valens glaubte, nicht auf Gratian warten zu müssen.
- Verlauf der Rebellion
Der Verlauf der Rebellion ist bekannt. Der worst-case bereits eingerechnet, indem das thrakische Feldheer nicht mit gezählt wurde, sondern nur das überlieferte illyrische.
- überhasteter Feldzug (warum auch immer)
Der Feldzug war alles andere als überhastet, sondern minutiös geplant als massiver Gegenschlag unter Einbeziehung aller genau für diesen Fall vorgesehenen Heeresgruppen.
- Sicherung der persischen Grenze nach den Verhandlungen 377, unter Zurücklassen von Truppenteilen
usw.
Auch das ist, wie bereits oben dargelegt nicht der Fall. Es ist überliefert, daß Valens erst einen unehrenhaften Frieden im Osten schloß und die Goten lange Zeit plündern ließ. Dann führte er die Zentralarmee heran, um sie mit der überforderte illyrischen Heeresgruppe zu vereinen. Selbst mit nur einer der beiden Zentralarmeen, weil er eine zurücklassen musste geht die Rechnung nicht auf.
Aus einer einzelnen Heeresstärke (evt. die zitierten 30.000) kann man mE nur schwerlich auf den wirtschaftlichen Zustand des Reiches schließen, wenn kampagnengetriebene Faktoren, Dislozierung an anderen Grenzen usw. unklar sind. Offenbar entwickelten sich doch in der Wahrnehmung vor der Schlacht die Dinge zufriedenstellend, so dass fehlende Stärke nicht unbedingt fehlende Potenziale bedeuten muss.

Es ist eigentlich sehr wenig unklar, wie dargelegt. Valens ist mit mindestens 2 von 5 Heeresgruppen angetreten, wie überliefert. Und selbst wenn Valens entgegen der Überlieferung nur mit einer der verfügbaren Heeresgruppen angerückt wäre, was gegen jede Praxis verstoßen würde und dem berichteten Verlauf der Kampagne, so wäre die nach der Niederlage folgende Untätigkeit nur noch viel weniger zu erklären, da dann ausreichend Reserven vorhanden gewesen wären.

Ich mache das auch nicht an Adrianopel alleine fest. Adrianopel ist nur eines von vielen Beispielen für durchgängig deutlich kleinere Armeen im Vergleich zu denen des frühen dritten Jahrhunderts oder gar davor. Und das für den Osten und selbst noch für die Armeen Justinians. Weshalb selbst die kleinere Zahl von 2x200.000 für die Gesamtstärke des römischen Heeres schwer bezweifelt werden muss. Dann aber stimmte etwas mit dem Haushalt nicht. Und der Anteil der römischen Landwirtschaft am Bruttossozialprodukt soll 80-85% betragen haben.

Wenn also in den überlieferten Schlachten, ständig zu kleine Armeen teilnehmen, obwohl es angesichts der bekannten regionalen Heeresstruktur und teilweise namentlich bekannten Einheiten anders sein müsste, dann stimmt da etwas nicht. Insbesondere nicht bei Heather.
 
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Ich mache das auch nicht an Adrianopel alleine fest. Adrianopel ist nur eines von vielen Beispielen für durchgängig deutlich kleinere Armeen im Vergleich zu denen des frühen dritten Jahrhunderts oder gar davor. Und das für den Osten und selbst noch für die Armeen Justinians. Weshalb selbst die kleinere Zahl von 2x200.000 für die Gesamtstärke des römischen Heeres schwer bezweifelt werden muss. Dann aber stimmte etwas mit dem Haushalt nicht. Und der Anteil der römischen Landwirtschaft am Bruttossozialprodukt soll 80-85% betragen haben.

Wenn also in den überlieferten Schlachten, ständig zu kleine Armeen teilnehmen, obwohl es angesichts der bekannten regionalen Heeresstruktur und teilweise namentlich bekannten Einheiten anders sein müsste, dann stimmt da etwas nicht. Insbesondere nicht bei Heather.
dazu ein paar Fragen:
Wie war die Truppenzahl der barbarischen Heere im 4. Jh?
Wenn diese ebenfalls nur selten 10-20.000 Mann betrugen, dann musste so einem Aufgebot doch keine teuer zu unterhaltende Riesenarmee entgegengeschickt werden?
Im Falle recht mobiler Barbarenverbände wäre doch eine mobile Grenztruppe die geschickteste antwort gewesen (ich nehme an, dass eine Riesenarmee etwas unbeweglicher ist)?
 
dazu ein paar Fragen:
Wie war die Truppenzahl der barbarischen Heere im 4. Jh?
Wenn diese ebenfalls nur selten 10-20.000 Mann betrugen, dann musste so einem Aufgebot doch keine teuer zu unterhaltende Riesenarmee entgegengeschickt werden?
Im Falle recht mobiler Barbarenverbände wäre doch eine mobile Grenztruppe die geschickteste antwort gewesen (ich nehme an, dass eine Riesenarmee etwas unbeweglicher ist)?

http://upload.wikimedia.org/wikiped...4px-East_Roman_army_command_structure.svg.png

http://de.newikis.com/Benutzer:Autokrator/Spätrömische_Armee.html#cite_ref-284

Riesenarmeen wie in spätrepublikanischer Zeit (20 Legionen plus Hilfstruppen) oder unter Augustus (12 Legionen gegen Marbod) kannte man in der Spätantike und schon lang davor nicht mehr.

Die Grenzverteidigung gegen kleine Verbände von vielleicht 100-1000 Mann (eher Raubzüge) übernahmen die Limitanei mit vergleichbar großen und breit an der Grenze stationierten Einheiten in Kohortengröße.

Dahinter stand ein regionales Feldheer in der Größenordnung 10-30.000 Mann.

War das regionale Feldheer zu klein, kam der Kaiser mit dem zentralen Eliteheer dazu mit nochmals 20-50.000 Mann. Und genau das war der Fall bei Adrianopel. Es zeigt sich auch insgesamt eine Strategieänderung bei den Römern in der Spätantike, die es anders als früher vermieden mit unterlegenen Kräften anzugreifen. Angesichts von Rekrutierungs- und Finanzproblemen (!) bevorzugte man personalschonende Strategien und Kampftaktiken. Wobei wir wieder beim Punkt Finanzen und Wirtschaft wären.

Mit den Größenordnungen von Barbarenheeren sind die antiken Überlieferungen noch weniger glaubhaft und moderne Schätzungen noch spekulativer. Heather schätzt die Streitkräfte von Terwingen, Greutungen und Alanen vor Adrinaopel auf 20.000 Mann.
 
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Das können wir ausschließen, wie bereits oben dargelegt. Und so sieht es auch Heather. Valens kannte die Stärke der 3 Völker, als er sich entschied, abzuwarten, bis das zentrale Feldheer zusätzlich zur Verfügung stand. Die Fehleinschätzung (so Ammianus) bezog sich nur auf die aktuelle Stärke am Vorabend der Schlacht, weshalb Valens glaubte, nicht auf Gratian warten zu müssen.

Die Meldung von 10.000 bezog sich auf das "bypassing" von Adrianopel durch die Goten und die Beobachtung durch Scouts bei Nike. Dass es keine früheren Abschätzungen gab, ist Spekulation, da die Quellen darauf nicht eingehen. Die Geplänkel der Kampagne vor der Schlacht deuten auf keine größere Konzentration der Goten hin. Genau diese Beobachtung von Nike veranlasste nunmehr Valens zum sofortigen Angriff, was andererseits den Schluss erlaubt, dass er sich hätte zurückziehen können. Ob er in der Lage gewesen wäre, weitere Kräfte zu sammeln, bleibt völlig offen. (-> Kulikowksi)

Der Feldzug war alles andere als überhastet, sondern minutiös geplant als massiver Gegenschlag unter Einbeziehung aller genau für diesen Fall vorgesehenen Heeresgruppen.
Könntest Du die minutiöse Planung kurz belegen?

"The Emporer made for Adrianopel with all haste, supposedly jealous of the success that Sebastianus had won and wanting a share of his generals glory."

Sieht nicht gerade nach einem gut geplanten Feldzug und vorbereitetem Vorstoss auf Adrianopel aus.

Ausserdem:
"Ammianus, as so often, gives us our only detailed account of the battle, but his outline of events includes substantial gaps ... so that a tactical description of the battle is impossible."

Aus Sicht der Militärgeschichte ist die Feldzugdarstellung - noch vorsichtig ausgedrückt - ein Fragment, wertlos für ökonomische Schlussfolgerungen etwa aus den Truppenquantitäten.

Auch das ist, wie bereits oben dargelegt nicht der Fall. Es ist überliefert, daß Valens erst einen unehrenhaften Frieden im Osten schloß
Das weicht der Frage aus, was im Osten zurückblieb, und ob Teile der Kernarmee davon betroffen waren. Wir wissen dazu nichts. Spekulieren kann man, dass diese unsichere Grenzen nach dem offenbar dispersive Wirkungen hatte. Weder dafür noch dagegen finden sich belastbare Quellen.

Und selbst wenn Valens entgegen der Überlieferung nur mit einer der verfügbaren Heeresgruppen angerückt wäre, was gegen jede Praxis verstoßen würde und dem berichteten Verlauf der Kampagne, so wäre die nach der Niederlage folgende Untätigkeit nur noch viel weniger zu erklären, da dann ausreichend Reserven vorhanden gewesen wären.
Es wäre nicht der erste Auflösungsprozess der Militärgeschichte, der auf die Vernichtung einer Kerntruppe folgt. Dass auf den Kampagnenverlauf gemäß Ammianus Fragen offen bleiben, ist bei der rudimentären Berichterstattung (aus Sicht der militärgeschichtlichen Ansprüche an eine solche Schilderung) nicht verwunderlich.

Dann aber stimmte etwas mit dem Haushalt nicht. Und der Anteil der römischen Landwirtschaft am Bruttossozialprodukt soll 80-85% betragen haben.
Als Ökonom muss man konstatieren, dass eine Schätzung des Bruttosozialprodukts für das 4. Jhdt. unmöglich ist, ebenso wie die für sektorale Werte etwa für die Landwirtschaft, Bergbau, Binnenhandel, Aussenhandel, Schifffahrt usw. Folglich ist der Anteil der Anteil von >80% vielleicht grob plausibel, aber für Aussagen zum gesamten ökonomischen Potenzial unbrauchbar.

Vielleicht dazu ein Tipp: die Aufsatzsammlung von Bowman/Wilson, Quantifying the Roman Economy - Methods and Problems, 2009. Was sagt uns zB der Rückgang von Fisch-salzenden Tonnagen (36 Betriebe an 23 verschiedenen Standorten) von 2500m³ Ende 2. Jhdt auf 650 m³ Ende des 4. Jhdt.? Dass die Produktion im Reich rückläufig war, dass Standortverlagerungen stattgefunden haben, Fischschwärme gewandert sind, Preise gesunken sind, Steuern erhöht wurden, Salz knapp wurde oder sich Nahrungsgewohnheiten verändert haben?:winke:


Bei der Kritik an Heather würde ich Dir zustimmen, aber den Schwerpunkt darauf legen, dass aus einem solchen Ereignis ökonomisch gar nichts zu folgern ist.
 
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Bei der Kritik an Heather würde ich Dir zustimmen, aber den Schwerpunkt darauf legen, dass aus einem solchen Ereignis ökonomisch gar nichts zu folgern ist.

Es geht hier aber nur um Heather und seine Sicht der ökonomischen Situation des Ostens.

Wenn Heather aber sagt, daß Valens mit nur 15.000 Mann angetreten ist und gleichzeitig blühende Landschaften bestanden, dann muss er in einer der beiden Schlußfolgerungen falsch liegen. Unabhängig davon, ob es eine eindeutige Quellenlagen gibt für die Wirtschaftssituation oder Truppenstärke gibt oder nicht. Das ist Heathers Problem, weil seine Zahlen und nicht Unseres. Er bleibt in jedem Fall widersprüchlich.

Und wie ich bereits ausgeführt habe, sehe ich Adrianopel nicht als einzelnes Ereignis, sondern nur als einen von vielen Fällen, in denen Truppenstärken und angeblich hohe Wirtschaftsleistung nicht zusammenpassen. Die allgemein zu geringen Truppenstärken sind auch nur einer von vielen Hinweisen für eine reduzierte Wirtschaftsleistung, wie oben bereits diskutiert.
 
Wenn Heather aber sagt, daß Valens mit nur 15.000 Mann angetreten ist und gleichzeitig blühende Landschaften bestanden, dann muss er in einer der beiden Schlußfolgerungen falsch liegen.

Da liegen wir schon auseinander, weil ich der Logik nicht folgen kann. :winke:

Blühende Landschaften schließen Probleme bei der Aufbringung der Truppenstärke nicht aus, eine zunehmende Dispersion von kaiserlichen Heeren ...

(sofern man dem auf Grundlage von antiken militärischen Kennzahlen bei der gegebenen Quellenlage überhaupt folgen will - vielleicht gibt es hier auf einen Reduktionseffekt durch zunehmenden Realitätssinn der Autoren für Truppenstärken in Kampagnen :devil:)

...kann mehr mit Brennpunkten als mit Rekrutierung zu tun haben, mangelnde Truppenstärke aufgrund von oben dargestellten, übereilten Handlungen oder Aufklärungsfehlern müssen nichts mit den blühenden Landschaften zu tun gehabt haben.
 
Die Meldung von 10.000 bezog sich auf das "bypassing" von Adrianopel durch die Goten und die Beobachtung durch Scouts bei Nike.
Genau das meinte ich.
Dass es keine früheren Abschätzungen gab, ist Spekulation, da die Quellen darauf nicht eingehen.
Da hast du mich misverstanden, denn das habe ich auch nicht gesagt, sondern im Gegenteil, daß Valens aus den zahlreichen vorangegangenen Kämpfen eine Vorstellung von der feindlichen Gesamtstreitkräften haben musste. Es war ja gerade dieses überaschende Auftauchen der terwingischen und alanischen Reiterei, die die Schlacht entschied.
Könntest Du die minutiöse Planung kurz belegen?
"The Emporer made for Adrianopel with all haste, supposedly jealous of the success that Sebastianus had won and wanting a share of his generals glory."

Sieht nicht gerade nach einem gut geplanten Feldzug und vorbereitetem Vorstoss auf Adrianopel aus.
Dir ist aber schon bekannt, daß sich dieser Krieg 6 Jahre hinzog, und Valens und Gratian sich ewig Zeit liessen, ihre Palatini einzusetzen? Ich mepfehle dazu Heather S. 202 ff. Dort ensteht auch mit Bezug auf weitere Quellen sehr wohl das Bild einer minutiösen Planung.

Das weicht der Frage aus, was im Osten zurückblieb, und ob Teile der Kernarmee davon betroffen waren. Wir wissen dazu nichts.
Für wie wahrscheinlich hälst du es, daß der Kaiser einen schmachvollen Frieden schliesst, nur um dann 80-90% seiner zentralen Bewegungsarmeen zurückzulassen, nur damit 1600 Jahre später Heathers Zahlen passen?


Es wäre nicht der erste Auflösungsprozess der Militärgeschichte, der auf die Vernichtung einer Kerntruppe folgt.
Du hälst es für wahrscheinlich, daß wenn nur eine vernachlässigbare Zahl von 15.000 Mann untergeht, die anderen 185-285.000 nicht zum Gegenschlag fähig sind? Von den jetzt bereitstehenden Weströmern gar nicht zu reden.

Folglich ist der Anteil der Anteil von >80% vielleicht grob plausibel, aber für Aussagen zum gesamten ökonomischen Potenzial unbrauchbar.
Zumindest wird dieser Plausibilität selten widersprochen. Genausowenig wie dem Anteil von etwa 2/3 der Verteidigungsausgaben am Gesamthaushalt. Weiterhin wurde die Soldaten der Spätantike primär über die annonae in Naturalien bezahlt. Solidi gab es praktisch nur noch als Donative. Der Löwenanteil des Soldatensoldes wuchs also auf Äckern! Damit scheint es mir zulässig hier einen Bezug herzustellen.

Vielleicht dazu ein Tipp: die Aufsatzsammlung von Bowman/Wilson, Quantifying the Roman Economy - Methods and Problems, 2009.
Vielen Dank für den Tipp. Das werde ich gerne lesen. Sicher mindestens so aufschlußreich wie Olivenbäume und Grabsteine zählen für die Einnahmeseite. Als Ökonom, wie du anscheinend auch, betrachte ich aber immer Kosten- und Leistungsseite und Prozessketten insgesamt. Und da hätten wir dann den dominanten Kostenfaktor Militär ...
 
...kann mehr mit Brennpunkten als mit Rekrutierung zu tun haben, mangelnde Truppenstärke aufgrund von oben dargestellten, übereilten Handlungen oder Aufklärungsfehlern müssen nichts mit den blühenden Landschaften zu tun gehabt haben.

Ich glaube hier misverstehen wir uns schon wieder. Valens musste bei Beginn des Feldzuges sehr wohl Kenntnis haben von der insgesamten Truppenstärke des Feindes. Erst die Verstärkung durch alanische und hunnische Verbände überzeugten den Kaiser laut Heather, die Zentralarmee einzusetzen. Wenn die aber zusammen mit dem illyrischen Feldheer - und beide wurden bei Adrianopel eingesetzt - nur 15.000 Mann hatten, dann lag aber Einiges im Argen.
 
ist für die Spätantike nicht geradezu typisch, dass immer weniger römische Bürger rekrutiert werden wollten und dass man (günstigere!) barbarische Verbände in die Armee integrierte?

Bis Adrianopel hielt sich das eher noch in Grenzen. Obwohl sich der Anteil von nicht-imperialen Söldnern und Foederati oder auch Laeti (freiwillige und unfreiwillige Immigranten) seit Hadrian wohl stetig erhöht hat. Da gibts Schätzungen anhand der Notitia Dignitatum von bis zu 30%. Von einer Barbarisierung kann man daher vor Adrianopel und Frigidus eigentlich nicht sprechen. Bei sinkender Wirtschaftskraft und Steuereinnahmen bei gleichzeitig gleichbleibender Bedrohunglage, blieb den Kaisern auch nix Anderes übrig, als die Pro-Kopf-Kosten des Militärs zu senken, da eine Reduzierung der Truppen Folgen gehabt hätte.

Der Einsatz von Barbaren sollte also den Anteil der Verteidigungsausgaben am Staatshaushalt nicht reduziert haben, sondern hat nur verhindert, bankrott zu gehen oder ohne Heer dazustehen. Im Westen nahm das dann parallel zum Steuerausfall (erst Gallien, dann Spanien, dann Africa) gallopierende Züge an. Auch hat der Osten die Integration von Foederaten in die reguläre Truppen in den weiteren Jahrhunderten deutlich besser hinbekommen. Sieht man mal vom Verrat der arabischen Hilfstruppen ab, als es mit dem "alten Ostrom" zu Ende ging.
 
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- vielleicht gibt es hier auf einen Reduktionseffekt durch zunehmenden Realitätssinn der Autoren für Truppenstärken in Kampagnen :devil:)

Auch dies eine sehr interessanter Aspekt. Auch ich habe den Eindruck, daß die Schätzungen der Autoren zu Truppenstärken immer verhaltener werden, je mehr nicht-literarische Quellen sie finden und einbeziehen.

Allerdings zeigt sich, daß diese Reduktion von Annahmen zu zumindest den römischen Truppenzahlen in den ersten beiden Jahrhunderten, wo wir auch eine bessere Quellenlage haben, weniger stark ist.

So entsteht aber noch viel mehr der Eindruck sinkender Truppenstärken in der Spätantike. Lag man vor Jahren noch (von 650.000 kommend) bei 400.000, so liest man jüngstens schon 300-350.000.

Dazu wurden auch kostengünstiger Truppen rekrutiert. Das Alles bestärkt aber auch die Schlußfolgerung, daß hier das Geld ausging und es mit der Wirtschaft nicht zum Besten gestanden haben kann. Und zwar vor Adrianopel / Frigidus. Die letzten 90 Jahre des Westens sind dann ohnehin eine besondere Phase.
 
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Da hast du mich misverstanden, denn das habe ich auch nicht gesagt, sondern im Gegenteil, daß Valens aus den zahlreichen vorangegangenen Kämpfen eine Vorstellung von der feindlichen Gesamtstreitkräften haben musste. Es war ja gerade dieses überaschende Auftauchen der terwingischen und alanischen Reiterei, die die Schlacht entschied.
Also Aufklärungsfehler, obwohl Valens angeblich (wo steht das?) eine Vorstellung von den Gesamtstreitkräften (und ihrer Verteilung?) haben musste/sollte/konnte.

Demnach war es reichlich naiv, auf Aufklärungsberichte von 10.000 Mann zu hoffen, sich auf Grund dessen zum Angriff getrieben zu fühlen, alle Ratschläge (Richomeres) auf Abwarten bis zum angeblichen Eintreffen von Gratians "Heeresgruppe" in den Wind zu schlagen (RG 31.12.10-15 - war das überhaupt möglich, wo befand sich der eigentlich genau zu dem Zeitpunkt?), sich nicht zurückzuziehen und die notwendigen Streitkräfte zu versammeln. Sind nicht Diskussionen über das Abwarten oder Zuschlagen überliefert? Und da soll Sicherheit bzgl. der gegnerischen Streitmacht bestanden haben, kein Aufklärungsfehler, wenn sich alle danach so sicher über den kommenden Sieg waren? Halte ich für wenig plausibel, und spricht nicht gerade für "minutiöse Planung".

Folgt man dieser fragmentarischen, militärhistorisch unbrauchbaren und "metaphysisch überhöhten" Schlachtbeschreibung (zu "" siehe -> Brodka, Der Gotenkrieg und die Schlacht bei Adrianopel) von Ammianus, liegt für die Militärhistorie also die Gottesstrafe in der falschen Aufklärung bzw. der Dusseligkeit des Feldherren? Da ist er nicht der letzte geblieben.

Dort ensteht auch mit Bezug auf weitere Quellen sehr wohl das Bild einer minutiösen Planung.
Mag ja sein, dass Hether den Eindruck einer minutiösen Planung vermittelt. Lese ich nach. Das steht allerdings im Gegensatz zu anderen Meinungen wie Kulikowski und Brodka, und wie sich das angeblich aus den Quellen nach Heather erschließen soll, ist mir - siehe die nach meinem Eindruck recht knackigen Zitate oben - immer noch schleierhaft. Vielleicht hast Du einen falschen Eindruck gewonnen, aber wie gesagt, Heather schlage ich nach.

Für wie wahrscheinlich hälst du es, daß der Kaiser einen schmachvollen Frieden schliesst, nur um dann 80-90% seiner zentralen Bewegungsarmeen zurückzulassen, ...?
Für ebenso wahrscheinlich und plausibel wie unwahrscheinlich.

Immerhin wurde sehr zielstrebig und mit einigem Zeitaufwand auf eine Vereinbarung durch Abgesandte hingearbeitet, was bereits die Zwickmühle offenbart, Truppen nicht ohne Sicherung der Ost-Grenze verlegen zu können. Plausibel wäre dann, nicht von einem vollständigen Abzug auszugehen, es sei denn, man hatte Gottvertrauen in die Vereinbarung. Davon weiß ich nichts.

Du hälst es für wahrscheinlich, daß wenn nur eine vernachlässigbare Zahl von 15.000 Mann untergeht, die anderen 185-285.000 nicht zum Gegenschlag fähig sind?
Erstmal sind die 15.000 umstritten, 30.000 werden für die Kernarmee auch genannt (Kolikowksi). Dann: warum nicht? Was soll denn dagegen sprechen?

Und was wird über die Bewegungen der weiteren Truppenteile konkret berichtet, außer der Paralyse aufgrund der Meldungen über diese Gottesstrafe der totalen Niederlage?


Zumindest wird dieser Plausibilität selten widersprochen. Genausowenig wie dem Anteil von etwa 2/3 der Verteidigungsausgaben am Gesamthaushalt.
Mir kam es nicht darauf an, ob die Kennzahl 80, 60 oder 98% beträgt. Es geht nicht um die Verhältniskennzahl, sondern um die absolute Höhe für einen Bezug zum militärischen Potenzial. Wie soll sich denn das "Bruttosozialprodukt" von 300 - 378 Deiner Meinung nach quantitativ darstellen oder ermittelt werden? Wenn wir das geklärt haben, können wir anschließend mit dem Vorschlag von 80% weiterrechnen. Wenn wir anschließend aus diesem "Bruttosozialprodukt" für die Antike noch die Inflationierung herausgerechnet bekommen, ist der Nobelpreis fällig.:winke: Dann hätten wir das Mengengerüst für die blühenden Landschaften und die Besoldung in Naturalien.

Genau auf diesen Umstand habe ich oben hingewiesen. Was ergibt denn nun die "Ökonometrie" für den Zeitraum?

Vielen Dank für den Tipp. Das werde ich gerne lesen. Sicher mindestens so aufschlußreich wie Olivenbäume und Grabsteine zählen für die Einnahmeseite. Als Ökonom, wie du anscheinend auch, betrachte ich aber immer Kosten- und Leistungsseite und Prozessketten insgesamt. Und da hätten wir dann den dominanten Kostenfaktor Militär ...
In Geld Bewertete Größen wie Kosten oder Leistungen würde ich hier völlig außen vor lassen, siehe oben. Olivenbäume, Grabsteine und gesalzene Fisch helfen uns nicht weiter, was das Beispiel oben verdeutlichen sollte.
 
@Agricola

Ich muss nochmal auf das Ergebnis der Regierungszeit Anastasios zurückkommen. Ich weiß, seine Zeit liegt etwas mehr als 100 Jahre später als das von mir im Thread Titel erwähnte Zeitalter, aber Du bist bisher nicht wirklich auf meine Frage eingegangen, wie Anastatsios riesige Finanzmittel bei seinem Tod hinterlassen konnte. Das kann eigentlich nur funktioniert haben, wenn die Wirtschaft in seinem Zeitalter sehr gut funktionierte. Und wenn hier schon von Wahrscheinlichkeiten die Rede ist: Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Ostroms im 4 Jh. so veschlechtert haben soll, um dann im 5. Jh. wieder aufzublühen...
 
Du bist bisher nicht wirklich auf meine Frage eingegangen, wie Anastasios riesige Finanzmittel bei seinem Tod hinterlassen konnte.

Das liegt daran, daß ich mich mit der Zeit des Anastasios und seiner Vorgänger nur bedingt auskenne. Leider konzentrieren sich viele Historiker - so auch Heather - bei der Betrachtung der Jahre 385-476 auf das Westreich und betrachten das Ostreich nur, wenn es dafür aus ihrer Sicht von Belang ist.

Erst einmal müssten wir diesen "sagenhaften Goldschatz" von 320.000 Pfund, wie er im Wikipedia-Artikel genannt wird, einordnen.

320.000 Pfund Gold entsprechen 23 Mio Solidi oder 12,8 Mio augusteischer auerei, womit wir aber nur das Gewicht, nicht aber die Kaufkraft berücksichtigt haben. Für einen solidus habe ein Tagelöhner ca. 4 Monate arbeiten müssen; für einen aureus zu augsuteischer Zeit ca. 1 Monat. Andere Preisangaben sind leider nur schwer vergleichbar. Leider auch der Sold der Soldaten, da sich die Soldstruktur (Anteil an Naturalien) massiv verändert hatte.

Wir könnten jetzt mal einen theoretischen Wechselurs von 4:1 annehmen. Man könnte auch zu einem anderen kommen. Es wird jetzt sehr spekulativ.
Damit entsprechen diese 320.000 Pfund Gold einer Kaufkraft von ca. 5 Mrd Sesterzen (HS) in augusteischer Zeit. Eine Rechnung, die sicher falsch ist und wenn überhaupt, dann nur eine Größenordnung aufzeigen kann.

Sind 5 Mrd (HS) viel? Sie sind relativ. Tiberius hinterließ Caligula 2.5 Mrd HS, die dieser aber schnell verschwendete. Auch Nero war Pleite. Vespasian bemühte sich die Staatsfinanzen zu sanieren und schätzte den Mittelbedarf auf 40 Mrd HS; wohl in einem Mehrjahresplan. Domitians Feldzüge scheinen den Haushalt wieder überfordert zu haben, weshalb Trajan schon wieder pleite war. Der Goldschatz der Daker von 500.000 Pfund Gold löste das Problem; aber nicht lange. Marc Aurel war schon wieder pleite und verkaufte sein Tafelsilber zur Finanzierung der neuen Legio II und III Italica für die Markomannenkriege.

Ich würde also Vorsicht walten lassen, mit Vokabeln wie "riesig" oder "sagenhaft" bei Summen, die sich im Rahmen der üblichen Summen bewegen, wenn wir über Staatshaushalte reden. Und die Geschichte zeigt, daß einige Milliarden HS Nichts war, was man nicht schnell unter die Leute bringen konnte.

Die Ausgaben für das Heer in frühimperialer Zeit werden auf 500-600 Mio HS hochgerechnet, was anhand der relativ gut erforschten Organisations- und Soldstruktur durchaus möglich ist. Zum gesamten Staatshaushalt in der julisch/claudischen Zeit gibt es Schätzungen und Hinweise im Bereich von 800 Mrd. HS. Womit wir wieder zu den bekannten 2/3 Militärausgaben kommen.

Wir könnten jetzt sagen, daß Anastasios 6 Jahreshaushalte und Tiberius 3 hinterließ. Aber wir wissen dann immer noch nicht, ob das viel war und ob unsere Rechnung überhaupt stimmt. Solange wir den Haushalt Ostroms um 600 nicht kennen, wäre ich vorsichtig, nur vom Gehalt eines Tagelöhners kommend hochzurechnen. Auch wissen wir nicht, ob diese Überschüsse, von einer hohen Einnahmeseite stammen oder reduzierten Ausgaben. Oder durch aussergewöhnliche Erbschaften und Prozesse gegen Milliardäre.

Wie wir am Beispiel des Tiberius sehen, kann ein sparsamer Kaiser gute Reserven bilden; auch in der diskutierten Größenordnung. Viele sparsame Kaiser in Folge können noch viel mehr Reserven bilden. Sicher ein Hinweis auf eine zumindest nicht schlechte Wirtschaftslage. Umgekehrt könnten wir auch sagen, wenn wirklich ein antiker Autor die Vokabel "sagenhaft" im Zusammenhang mit einer durchaus normalen Summe verwendet hat, dann muss er ja in "bedenklichen" Zeiten gelebt haben, um das als aussergewöhnlich zu empfinden. Wollen wir wirklich auf Basis der aktuellen Goldreserven der Bundesrepublik Deutschland auf den Staatshaushalt des wilhelminischen Kaiserreichs am Vorabend des ersten Weltrkrieges schließen?

Es scheint, daß das römische Reich um 600 einen mehr als ausgeglichenen Staatshaushalt vorlegen konnte. Mehr würde ich nicht schlußfolgern wollen ohne weitere Informationen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Für einen solidus habe ein Tagelöhner ca. 4 Monate arbeiten müssen; für einen aureus zu augsuteischer Zeit ca. 1 Monat. Andere Preisangaben sind leider nur schwer vergleichbar. Leider auch der Sold der Soldaten, da sich die Soldstruktur (Anteil an Naturalien) massiv verändert hatte.

Diokletians Heer und Marine umfassten um 300 rund 435000 Mann, wofür rd. 4.350.000 aurei p.a. gerechnet worden sind. Licinius wird auf rd. 500.000 geschätzt (Potter, The Roman Empire at Bay 180-395, S. 448). Die Armee um 400/450 wird bis auf 645.000 Mann gerechnet, bei gleichem Zahlungsverhältnis. Das entspricht umgerechnet auf den Staatsschatz einer Zahlungsreichweite (ohne weitere Einnahmen und Ausgaben) von 2 Jahren.
(-> Hendy, Studies in the Byzantine Monetary Economy, S. 176).

Dagegen - und widersprüchlich - werden für das gesamte 4. Jhdt. auch deutlich kleinere Zahlen genannt. So soll Julian bei der persischen Kampagne um 363 über 65.000 Mann verfügt haben (ähnliche Größe wie in der anatolischen Kampagne 100 Jahre zuvor, 71.000), Quelle hier wieder Ammianus, was auf eine Gesamtkalkulation von 240.000 bis 360.000 schließen lässt (->Potter). Nichts Genaues weiß man nicht.:devil:

Nun ist es gerade Potter, der aus den geringen Zahlen - so sie denn zuverlässig zugrunde gelegt werden könnten - gerade nicht auf ökonomischen Verfall schließt, sondern feststellt, dass lediglich ausreichend "Kasse" auf erhebliche Rekrutierungsprobleme stieß, was einen permanenten Mangel an Soldaten verursachte und schlussendlich auch Valens zur Rekrutierung von Goten veranlassen sollte.

Hier ist ein weiterer Kontext vielleicht bedenkenswert, bei dem Grauschleier in der Mixtur von Finanzkraft, Mobilisierung, Militärgeschichte.

Auffällig ist die oben schon zitierte "metaphysische" Überhöhung seiner Niederlage in der Beschreibung des Ammianus, und dem gingen in den 20 Jahren zuvor erhebliche religiös-politische Auseinandersetzungen zuvor. An Valens wird kein gutes Haar gelassen, auch sein tröpfchenweises Verschieben von Truppen aus Syrien in die Krisenregion, 377 und ein Jahr vor seiner Niederlage, wird kritisiert. Den Abschluss bildet das "Gottesgericht" und die göttliche Strafe von Adrianopel. Mir scheint, diese Berichterstattung ist vor dem Hintergrund der religiösen Verwerfungen zuvor nicht ganz ungefärbt geblieben. Militär- und wirtschaftshistorisch erscheint mit das insgesamt unbrauchbar für eine Beurteilung.

Bei Heather, Empires and Barbarians, habe ich nachgeschlagen, kann dort aber das Bild der "minutiösen Planung" der Adrianopel-Kampagne nicht finden. Auch ließ man sich nicht Jahre Zeit, wie an den versandten Reserven des Valens aus Syrien 377 (offenbar ein schlechter Kompromiss, geschuldet der Lage an den Ostgrenzen) und der Gratian-Kampagne 378 im Nordwesten des Balkans gegen die Alanen sichtbar wird. Wir wissen auch nicht, wie realistisch das "Zuwarten" auf Gratian angesichts seiner Bindung gegen die Alanen für Valens überhaupt war, oder ob diese Option angesichts der "Gottesstrafe" von der Geschichtsschreibung untergeschoben wurde, um das Ausmaß des Versagens zu maximieren (das würde jedenfalls ins Gesamtbild passen).
 
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Noch ein Wort zur Ostgrenze, und der latenten Bedrohung, da die Schlussfolgerungen für den ökonomischen Zustand aus der Kampagne nach Adrianopel gezogen werden sollen (hoffentlich nicht zu sehr OT, aber diese strategischen Grundlagen werden offenbar für die Einschätzung benötigt):

Die Revolte von Mavia 376 führte zu einer "significant force on the eastern frontier". Umso beachtlicher ist der kleine Truppenabzug zum Balkan 377, bei der Gewichtung der Krisen. Die Bedrohung der Ostgrenze "was only brought to an halt by diplomatic means". Das sieht nicht nach militärischer Stärke aus. Im Übrigen wurden die östlichen Provinzen stark in Mitleidenschaft gezogen. Festgehalten wird die "roman inability to deal with the situation."

Das spricht kaum dafür, dass aus dem Osten der letzte Mann abgezogen wurde oder hätte abgezogen werden können. Die Verhandlungen mit den Persern gingen bis 381 weiter, was ebenfalls die brisante Lage beleuchtet. Und Ammianus 31.6.5. berichtet von arabischen Truppen "nahe Konstantinopel", 378 direkt nach der schlacht von Adrianopel. Laut Shahid, Byzantium and the Arabs in the Fourth Century, soll dass auch kurz vor der Schlacht 378 schon der Fall gewesen sein. Bei dieser Grenzlage wird Valens nur einen Teilabzug vorgenommen haben können. Ein "Blankziehen" der Ostgrenze halte ich für unwahrscheinlich. (-> Greatrex/Lieu: The Roman Eastern Frontiers and the Persian Wars, II, S. 14-16)
 
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