Einen lieben Dank an die Moderation! Ich seid die Besten! (Muss auch mal gesagt werden!)
Im Gegenzug bedeutet die auf der Basis von militärischer Macht erzwungene Restauration der politischen und sozialen Verhältnisse eine Konservierung eines antiquierten politischen Systems wie durch die WK festgeschrieben. Und endet in einer nachhaltigen Verkrustung der Sozialstruktur, der politischen und ökonomischen Leistungsfähigkeit bei mindestens zwei Teilnehmern an der WK, Ö-U und Russland.
Restauration (Geschichte) ? Wikipedia
Diese gewollte "Nichtentwicklung" der Gesellschaft als Ganzes führte zu massiven Defiziten bei der Industrialisierung der Gesellschaft, die den beiden Ländern im Verlauf der weiteren Geschichte den Status einer Großmacht gekostet haben. Besonders deutlich in Russland im Rahmen des Krimkrieges, des Konflikts mit Japan (1904/05) und dann im WW1 noch zu erkennen.
Zunächst möchte ich mich dem Thema der Restauration und dem Fazit, dass die Erg. des WK noch Auswirkungen auf WW1 etc. gehabt hätten widmen.
Betrachten wir die politische Karte Europas vor der franz. Rev. und nach dem WK, dann werden mehrere (wesentliche) Dinge deutlich:
Sichtbar sind die gleichen 5 Großmächte, die den Kontinent in einem System der Balance of Power austariert haben.
Die zwei östl. Großmächte sind weiter an den Westen herangerückt.
Die Ergebnisse der Säkularisation/Mediatisierung wurden nicht zurückabgewickelt.
Etliche nationale Interessen sind auf beiden Karten nicht berücksichtigt.
Dazu einige Gebietsänderungen wie z.B. Finnland an Rußland, Norwegen an Schweden, 4. poln. Teilung, Belgien mit Holland vereinigt ...
In der Summe bedeutet dies, dass die Landkarte des WK grundsätzlich nach den außenpolitischen Ideen des Absolutismus gestaltet wurde, und dies konnte auch gar nicht anders sein. Dass ein "ähnliches" Bild herauskam, ist auf die gleichen 5 großen Mitspieler zurückzuführen.
Warum wird nun die Karte oder werden die Ergebnisse des WK gern als Schuldzuweisung für, teilw. hist. recht weit entfernte nationale Fehlentwicklungen genutzt? Und nicht die Karte von z.B. 1789? Meine These ist, dass es so wunderschön bequem ist, dem "reaktionären" WK, der noch "reaktionäreren Restauration" und der "Heiligen Allianz" die "Schuld" ans Zeug zu flicken, und damit wunderbar nationale Gründe relativieren kann.
Restauration heißt Wiederherstellung.
Defacto wurde der vorrev. Zustand nicht wiederhergestellt, konnte gar nicht, und das begriffen selbst die Aristokraten.
Beispiel Frankreich: Volker Sellin schreibt in seinem Buch [1] dass, wenn Ludwig XVIII. es nicht verstanden hätte, seinen salisischen Anspruch durchzusetzen man kaum von Restauration sprechen könnte. Klingt frappant. In der Tat weicht die geplante Verfassung des Senats nur wenig von der denn oktroyierten Charte ab. Die bürgerlichen Rechte blieben unangetastet ... die Charte war insgesamt liberaler als die Verfassung im Kaiserreich.
Wirtschaftlich wurde ein Aufschwung verbucht, die Kontributionen konnten schnell bezahlt werden, im Außenhandel kam man näher an England heran ...
Die negative Überlieferung der franz. Restauration rührt vom weißen Terror her, wobei man da sehr sorgfältig die Ursachen untersuchen sollte.
Hier später ganz klar die Fehler Karl X., aber "Schuld" des WK etc.?
Holland erhielt eine Verfassung, m.W. wurde der Freihandel etc. in Preußen nicht wieder abgeschafft ... die Beispiele ließen sich sicher fortsetzen.
In der Summe bedeutet das, dass die Restauration so restaurativ nicht war.
Unbestritten ist, dass die Heilige Allianz ihr Ziel, nationale Erhebungen und Rev. zu bekämpfen verfolgte, zuletzt mit dem Beschluss 1822, dass Frankreich in Spanien einmarschiert.
Aber sind damit Rückschlüsse auf nationale wirtschaftliche und politische Fehlentwicklungen gerade bei den Großmächten zulässig, die doch völlig selbstständig ihre Hauspolitik betrieben?
Mögen die Österreicher Metternich vom Sockel holen, die Russen ihre Zaren, die Schuld beim WK zu suchen geht meiner Ansicht nach fehl.
Grüße
excideuil
[1]
Sellin, Volker: Die geraubte Revolution – Der Sturz Napoleons und die Restauration in Europa, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 2001