König David und der geheimnisvolle Jerusalemer Schacht

Neulich hatte ich übrigens eine schöne Definition gehört: Die Bibel ist ein Buch voller Geschichten über Brudermord, Inzest, Gewalt und Unzucht, aus den man Sonntags gerne den Kindern vorliest.

Als Roman finde ich die Bibel sehr unterhaltsam

Nach diesem Kriterium könnte man genau so gut den Herr der Ringe für einen Geschichtsbuch oder Harry Potter für einen Tatsachenbericht halten.

Wenn man anstelle von „Herr der Ringe“ oder einem Harry-Potter-Band die Bibel auf dem Nachttisch (nicht zu verwechseln mit Nachtisch) liegen hat und vor dem Schlafengehen ein paar Kapitel daraus liest, dann ist das gewiss löblich. Wenn man sich dabei vorzugsweise für die Geschichten, in denen Gewalt und Unzucht vorkommen, interessiert, dann mag das der eigenen Vorliebe geschuldet sein. Aber hier im Geschichtsforum sollte die Bibel doch als historische Quelle und nicht als persönlicher Roman-Ersatz behandelt werden.

Was, Bdaian, hast Du Sachliches gegen die Aussage der Quelle geltend zu machen, dass einige hundert Jahre bzw. viele Generationen vor dem babylonischen Exil ein König namens David regierte, der die Stadt Jerusalem einzunehmen gedachte und dessen Einnahme-Pläne auch irgendeinen Wasserschacht miteinbezogen? Oder nimmst Du das der Quelle ab? Warum, warum nicht? Hierum geht’s doch eigentlich.

Ich habe den Verdacht, die oben zitierten Aussagen zielen zum Teil darauf ab, den Fragesteller zu verärgern.
 
Muss man die Bibel hier als "nur historische Quelle" sehen? Ich sah mich hier noch nie von jemandem gedrängt irgendwas zu sehen, und das findet ich auch gut so. Das Diskussionsklima ist hier meist, auch bei Gegenteiligen Meinungen äußerst angenehm.

Was die angeblichen Provokationen angeht kann ich dich nicht verstehen. Vielmehr sehe ich die Argumentation als durchaus sinnvoll an. Wenn man filigrane detailreiche Schilderungen als Authentizitätsmerkmal sehen will sei das so. Spricht ja auch nichts dagegen. Allerdings nur hierauf für die Echtheit aller Einzelheiten zu pochen ist nunja.. wacklig. Nun etwas ausschweifend, daher Spoiler
Wenn dir Harry Potter und Herr der Ringe zu "polemisch" als Beispiel ist (letzteres ist allerdings auch von einem Genie geschrieben das sowohl Religion / Sprache / Kultur etc. glaubhaft aufbaut, nebst extrem kompliziertem "Entstehungsmythos" (siehe Silmarillion), der sich hinter keiner Bibel verstecken müsste (Tolkien war ein höchst religiöser Mann, vllt. ist diese Art der Schilderung daher auch der Bibel geschuldet, dann sieh dir die Schilderungen von George R. R. Martin an. Dieser gibt sogar zu sich von historischen Ereignissen inspirieren zu lassen und diese extremst aufzubauschen. Heraus kommen teils sehr glaubhafte Gesellschaftssysteme (Drachen und sprechende Raben bitte außen vor), bis zu Adelsschichten in freien Städten deren Habitus mich wie er beschrieben will irgendwie an die römische Nobilität erinnern will, das mag aber an mir liegen.

Was ich sagen will, nur weil etwas detailreich ausgearbeitet ist, mit vielen Wendungen, langen Listen etc. spricht das nicht für Echtheit. Ohne weitere Belege (andere Quellen, archäologische Funde) hat man eben keinen abschließenden Beweis. Wie so oft.

Wenn man aber auf dem Punkt stehen bleibt : Schilderung sehr detailreich demnach glaubhaft also nicht widerlegbar können wir uns auch die Edda vornehmen. Oder aber die "Klatschpresseartigen" Ausschmückungen der Historia Augusta. Sowas detailreiches (und unterhaltsames (Gewalt/Unzucht und Kneipen im eigenen Haus inklusive) sucht auch seinesgleichen. Ohne Vorbehalt glaubt die einzelnen Schilderungen dennoch niemand.
 
Was die angeblichen Provokationen angeht kann ich dich nicht verstehen. Vielmehr sehe ich die Argumentation als durchaus sinnvoll an.

Dann sind wir hierin halt unterschiedlicher Meinung.

Was ich sagen will, nur weil etwas detailreich ausgearbeitet ist, mit vielen Wendungen, langen Listen etc. spricht das nicht für Echtheit. Ohne weitere Belege (andere Quellen, archäologische Funde) hat man eben keinen abschließenden Beweis. Wie so oft.

Das ist ganz richtig. Einen Bewies für Echtheit/ historische Richtigkeit hat man ganz sicher nicht. Mehrere Beiträge klangen aber so, dass man sich sicher sein könne, dass die Quellen Chronik od. Samuel nur Fiktion bieten. Da frage ich mich schon, woher man das - gerade angesichts des Mangels an widersprechenden Quellen - weiß.
 
Der Gründungsmythos Roms geht doch recht schnell in belegbare Geschichte über, oder?
Der Trojanische Krieg - sofern er überhaupt stattfand - endete nach antiker Ansicht 1184 v. Chr. Rom soll 753 v. Chr. gegründet worden sein. Historisch im Großen und Ganzen glaubwürdig wird die überlieferte Geschichte Roms aber erst ab dem 4. Jhdt. v. Chr.

Ich meine, nimm doch einmal die 5 Bücher Mose, das Josuabuch und die Richter. Spricht der Aufwand, der da betrieben wurde um Geschlechtsregister und Gesetze/Regeln niederzuschreiben nicht dafür, dass es hier sich wahrscheinlich um eine hohe Authenzität handelt. Sich das Alles aus den Finger zu saugen, nur um da etwas erfindungsreich zu konstruieren ... ich denke, es spricht wohl alles eher dafür. dass die Dinge exakt und mit langweiligster Akten-Akribie (tausend und eine Wiederholung) verrichtet wurden. Beamtenmäíg sozusagen :)
Der Historiker Dionysios von Halikarnassos schrieb ein zwanzigbändiges Werk über die Frühgeschichte Roms, von denen die ersten zwölf Bücher die Zeit bis zur Eroberung Roms durch die Gallier behandelten, also eine arg mythenumwölkte Zeit. Natürlich hat er sich das alles nicht selbst ausgedacht, sondern griff auf ältere Werke zurück (wenngleich kein anderer die römische Frühgeschichte derart weitschweifig dargestellt haben dürfte) und vermutlich glaubte er sogar im Großen und Ganzen an die Wahrheit des Geschriebenen. Aber auch die ersten Bücher der Bibel sind nicht in einem Guss entstanden, also nicht das Werk eines beamtenmäßigen akribischen Geschichtsschreibers, sondern enthalten verschiedene Überlieferungen (daher auch so manche Widersprüche) und sind wohl teilweise auch aus älteren Texten zusammenkompiliert.

Was die Liste der besiegten Könige betrifft: Gerade im Altertum hatte man eine Vorliebe für detaillierte Listen, auch in anderen Kulturen. Die Ilias z. B. enthält den "Schiffskatalog", eine lange Auflistung der verschiedenen griechischen Kontingente und der Städte ihrer Heimatregionen.
Dass die Königsliste in dieser Form nicht stimmen kann, sieht man daran, dass in ihr auch der König von Jericho genannt wird. Durch die Archäologie wissen wir aber, dass Jericho zur fraglichen Zeit vermutlich gar nicht bewohnt war oder jedenfalls keine Stadtmauer (die somit auch nicht durch Posaunenhall einstürzen konnte) hatte.
 
Was die Liste der besiegten Könige betrifft: Gerade im Altertum hatte man eine Vorliebe für detaillierte Listen, auch in anderen Kulturen. Die Ilias z. B. enthält den "Schiffskatalog", eine lange Auflistung der verschiedenen griechischen Kontingente und der Städte ihrer Heimatregionen.

Ich kenne diesen "Schiffskatalog" nicht, aber gibt es Indizien, dass er nicht den Tatsachen entsprochen haben kann?
 
Aus dem Kontext heraus ist der Schiffskatalog eher nicht "echt". Die Illias und die Grundzüge ihrer Handlung kennst du? Allein die Dauer des geschilderten Konfliktes (ok es sind nur 51 Tage die tatsächlich geschildert werden) ist unwahrscheinlich. Auch die Masse an aufgezählten Truppen / Kontingenten dürfte bei weitem die die Möglichkeiten der "mystischen" Epoche überstiegen haben- Über die Beteiligung von Halbgöttern /Göttern an Kriegen ganz zu schweigen.

Edit: http://de.wikipedia.org/wiki/Schiffskatalog
 
Aber hier im Geschichtsforum sollte die Bibel doch als historische Quelle und nicht als persönlicher Roman-Ersatz behandelt werden.
nun ja, Arno Schmidt, der nicht eben ein kleiner unter den deutschen Weltliteraten war, bezeichnete die Bibel als formal unordentliches Buch (wobei mit "Buch" belletristisches gemeint war) - und das ist gar nicht mal so blöde, denn tatsächlich ist dieses "Buch" eher narrativ als historiografisch abgefasst :winke:
 
Tolkien war ein höchst religiöser Mann, vllt. ist diese Art der Schilderung daher auch der Bibel geschuldet,
zunächst war Tolkien Wissenschaftler, und zwar Mediävist, und als solcher kannte er die gesamte früh- bis spätmittelalterliche Literatur - und aus diesem ihm bestens bekannten Fundus konnte er dann als Schriftsteller schöpfen.
 
nun ja, Arno Schmidt, der nicht eben ein kleiner unter den deutschen Weltliteraten war, bezeichnete die Bibel als formal unordentliches Buch (wobei mit "Buch" belletristisches gemeint war) - und das ist gar nicht mal so blöde, denn tatsächlich ist dieses "Buch" eher narrativ als historiografisch abgefasst :winke:

Ich glaube, wir missverstehen uns. Auch ein narratives Werk der Antike ist für den heutigen Historiker eine historische Quelle. Das muss ich doch jetzt wohl nicht erklären.

Ich wollte das AT nicht als Buch bewerben, das ausschließlich historisch zutreffende Aussagen macht, sondern als historische Quelle.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das sieht hier glaub ich jeder so :) Aber ein Teil der Diskussion ging ja in Richtung : ein detailreiches sehr ausgeschmücktes (narratives) Werk sei von seiner Natur her eher wahr weil sich "das ja niemand so ausgedacht hätte". Diese Art zu argumentieren verstehe ich nicht ganz. Ich habe auch nicht sonderlich viel Fantasie, aber daher spreche ich niemandem die Befähigung ab sowas selbstständig zu schaffen.
 
zunächst war Tolkien Wissenschaftler, und zwar Mediävist, und als solcher kannte er die gesamte früh- bis spätmittelalterliche Literatur - und aus diesem ihm bestens bekannten Fundus konnte er dann als Schriftsteller schöpfen.

Das kann man so unterschreiben. Das spricht allerdings nicht gegen seine Religiosität. Hab das auch nur erwähnt um den Bogen zum Thema zu ziehen, warum.. naja fiel mir so ein. Das sollte ihn keineswegs als Wissenschaftler abwerten.
 
Aus dem Kontext heraus ist der Schiffskatalog eher nicht "echt". Die Illias und die Grundzüge ihrer Handlung kennst du? Allein die Dauer des geschilderten Konfliktes (ok es sind nur 51 Tage die tatsächlich geschildert werden) ist unwahrscheinlich. Auch die Masse an aufgezählten Truppen / Kontingenten dürfte bei weitem die die Möglichkeiten der "mystischen" Epoche überstiegen haben- Über die Beteiligung von Halbgöttern /Göttern an Kriegen ganz zu schweigen.

Edit: Schiffskatalog ? Wikipedia

Diesen Deinen Beitrag hatte ich eben übersehen. Danke für die Info.
 
Wenn man anstelle von „Herr der Ringe“ oder einem Harry-Potter-Band die Bibel auf dem Nachttisch (nicht zu verwechseln mit Nachtisch) liegen hat und vor dem Schlafengehen ein paar Kapitel daraus liest, dann ist das gewiss löblich. Wenn man sich dabei vorzugsweise für die Geschichten, in denen Gewalt und Unzucht vorkommen, interessiert, dann mag das der eigenen Vorliebe geschuldet sein. Aber hier im Geschichtsforum sollte die Bibel doch als historische Quelle und nicht als persönlicher Roman-Ersatz behandelt werden.

Aber gerade für den diskutierten Zeitraum ist es KEINE historische Quelle, da die beschriebenen Ereignisse weder Archäologisch noch durch die Zeugnisse der Nachbarkulturen belegt sind.

Was, Bdaian, hast Du Sachliches gegen die Aussage der Quelle geltend zu machen, dass einige hundert Jahre bzw. viele Generationen vor dem babylonischen Exil ein König namens David regierte, der die Stadt Jerusalem einzunehmen gedachte und dessen Einnahme-Pläne auch irgendeinen Wasserschacht miteinbezogen? Oder nimmst Du das der Quelle ab? Warum, warum nicht? Hierum geht’s doch eigentlich.
S.O.

Ich diskutiere nicht, ob es einen David gegeben hat oder wann oder ob er ein großer König oder ein kleiner Ziegendieb war. Nur ist die Bibel alleine kein Beleg für seine Existenz und ein Tunnel im heutigen Jerusalem schon gar nicht. Genau so gut kann man irgend eine italienische Kanalisation, als Beleg für die Eroberung Vejis durch die Römer nehmen, die viel wahrscheinlicher ist da wir zumindest die Archäologischen Reste dieser Stadt aus gerade diesem Zeitraum kennen, was für das Jerusalem Davids m.W. nicht der Fall ist.

Ich habe den Verdacht, die oben zitierten Aussagen zielen zum Teil darauf ab, den Fragesteller zu verärgern.
Sie soll, vielleicht etwas überspitzt, meine Meinung herüberbringen, dass langatmige komplizierte Aufzählungen keine Garantie für Wahrheitstreue sind.
 
Aber gerade für den diskutierten Zeitraum ist es KEINE historische Quelle, da die beschriebenen Ereignisse weder Archäologisch noch durch die Zeugnisse der Nachbarkulturen belegt sind.
Wieso soll die Bibel deshalb keine historische Quelle sein? Dass es für viele der biblischen Geschichten keine außerbiblischen Belege gibt, bedeutet doch nicht zwangsläufig, dass sie allesamt unwahr sind. (Dass es keine Belege gibt, stellt nicht automatisch eine Widerlegung dar. Widerlegt sind biblische Geschichten nur, wenn es außerbiblische Quellen gibt, die ihnen eindeutig widersprechen, oder wenn sie denkunmöglich sind, wie z. B. Bileams sprechender Esel.) Das Problem ist doch vielmehr, dass wir bei vielen Geschichten nicht nachprüfen können, ob sie wahr sind. Aber sofern sie wahr sind, ist die Bibel auch eine historische Quelle für sie - was uns freilich nicht viel bringt, weil wir nicht wissen, ob und für welche Geschichten sie eine historische Quelle ist.
 
Würdest Du denn die legende von Köng Artus oder das Nibelungenlied als historische Quellen ansehen? Das ist jetzt nicht polemisch gemeint, sondern eine Frage. Es gibt viele Texte in denen Fiktion und realität verbrämt werden: Wann wird ein Text zur "historischen" Quelle?
 
Das kann man so unterschreiben. Das spricht allerdings nicht gegen seine Religiosität. Hab das auch nur erwähnt um den Bogen zum Thema zu ziehen, warum.. naja fiel mir so ein. Das sollte ihn keineswegs als Wissenschaftler abwerten.
ist schon klar :friends: -- allerdings speisen sich Tolkiens literarische Mythen (Herr der Ringe etc.) aus der mittelalterlichen Literatur und nicht aus der Bibel.

zum Thema Bibel:
zwar kann jeder Text zur historischen Quelle werden, sofern man die richtigen Fragen an ihn anwendet, wie ElQ dargelegt hat, aber das bedeutet nicht, dass man damit jedesmal eine Quelle zur Datierung eines Ereignisses hergestellt hätte oder gar den Nachweis der Historizität eines Ereignisses bewiesen hätte :winke:
 
Zwar kann jeder Text zur historischen Quelle werden, sofern man die richtigen Fragen an ihn anwendet [...], aber das bedeutet nicht, dass man damit jedesmal eine Quelle zur Datierung eines Ereignisses hergestellt hätte oder gar den Nachweis der Historizität eines Ereignisses bewiesen hätte :winke:
Richtig. :yes:
 
Sie soll, vielleicht etwas überspitzt, meine Meinung herüberbringen, dass langatmige komplizierte Aufzählungen keine Garantie für Wahrheitstreue sind.

OK. Wenn es so gemeint war, dann habe ich schlicht und ergreifend überreagiert.


zum Thema Bibel:
zwar kann jeder Text zur historischen Quelle werden, sofern man die richtigen Fragen an ihn anwendet, wie ElQ dargelegt hat, aber das bedeutet nicht, dass man damit jedesmal eine Quelle zur Datierung eines Ereignisses hergestellt hätte oder gar den Nachweis der Historizität eines Ereignisses bewiesen hätte

Das ist an sich nicht nur "Richtig :yes:", sondern jetzt auch eine viel bessere Argumentations-Ebene als die Gewalt-und-Unzucht-Ebene, die mich eher an Deschner als ans Geschichtsforum erinnert hat.
 
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