Der 2. Golfkrieg (Irakkrieg)

S

Steffi Seidel

Gast
Hallo Forum, Hallo Mitglieder,

Ich hab ein Problem es geht um den Golfkrieg
um dem 2. August 1990. Soweit ich weiß hat Irak ja Kuwait besetzt(gewaltsam). Was ich aber nicht versteh warum die USA da sich so einmischt :/ Gründe waren ja Beispielweise das ÖL. Ich hab auch beispielsweise in Wikipedia nachgeschaut aber das ist teilweise so schwer geschrieben dass ich da nicht wirklich durchblicke..
Wäre schön wenn ihr so ein mini Zusammenfassung machen könnt :D also ein 2-4 sätze nur zur Erklärung reichen denn es geht um mein DeutschMündlich Prüfung :/

Mit vielen Grüßen Steffi
 
Öl

Wenn Du Dich mit den Hintergründe beschäftigst, kommst Du um das Verständnis der fragilen strategischen Lage und der Bedeutung der Golfregion nicht herum.

Es ging doch in dieser Region immer nur ums Öl. Davor hat diese Sandstaaten niemand interessiert. Und zu einer "fragilen strategischen Lage" wurde es doch erst durchs Öl. Wir sind von diesem Öl abhängig. Es gibt genug Beispiele von Kriesenherden, wo wir wegschauen und nichts unternehmen, aber sobald "unser" Öl knapp werden könnte, gehts zur Sache!
 
Hallo Forum, Hallo Mitglieder,

Ich hab ein Problem es geht um den Golfkrieg
um dem 2. August 1990. Soweit ich weiß hat Irak ja Kuwait besetzt(gewaltsam). Was ich aber nicht versteh warum die USA da sich so einmischt :/ Gründe waren ja Beispielweise das ÖL. Ich hab auch beispielsweise in Wikipedia nachgeschaut aber das ist teilweise so schwer geschrieben dass ich da nicht wirklich durchblicke..
Wäre schön wenn ihr so ein mini Zusammenfassung machen könnt :D also ein 2-4 sätze nur zur Erklärung reichen denn es geht um mein DeutschMündlich Prüfung :/

Mit vielen Grüßen Steffi

Das ist, wie halt Alles, komplizierter als der erste Blick vermuten lässt.
Natürlich geht es ums Öl.
Jedoch verkaufen "auch" Diktaturen Öl.
Es ist anzunehmen, dass diese einen geringeren Preis einfordern als etwa Demokratien.
....
Marktgesetze gelten jedoch nur, wenn alle Marktteilnehmer in der Lage sind, nach
individuellen Optimierungskriterien und Präferenzen souverän zu handeln. Dies ist
die stillschweigende Grundannahme aller neoklassischen Markt-, Preis- und
Gleichgewichtstheorien. Die Souveränität der Marktteilnehmer ist aber ohne
Wahlfreiheit, selbstbestimmte Optimierungspräferenzen und Wettbewerb um
Interessenoptimierung nicht vorstellbar. Sie ist, mit anderen Worten, untrennbar mit der Demokratie verbunden; dies gilt sowohl binnen- wie auch weltwirtschaftlich für den Handel zwischen Nationen.
....
http://mohssenmassarrat.weebly.com/uploads/3/3/8/9/3389565/lpreisudemokratletztevollstvers.pdf
(Siehe auch: Weltwirtschaft: Ölpreis und Demokratie - Spektrum der Wissenschaft)

Wenn also eine Diktatur eine andere überfällt, um sich in Besitz deren Ölquellen zu bringen, dann hat das ja zunächst keinen Einfluss auf den wirtschaftlich so wichtigen Ölpreis für die Industrienationen.
Es kann im Gegenteil dazu auch so sein, dass derartige Instabilitäten den Ölpreis senken.
Ein gutes Beispiel ist hierfür der erste Golfkrieg zwischen dem Irak und dem Iran ab 1980 bis 1988. Dazu die Abb.3 des erstgenannten Links auf Seite 11.

Man kann vermuten, dass das Öl die Bühne für das Drama war.
Die Handlung desselben aber hat ein Drehbuch, welches darüber hinausgeht.

Grüße hatl
 
Hallo Forum, Hallo Mitglieder,

Ich hab ein Problem es geht um den Golfkrieg
um dem 2. August 1990. Soweit ich weiß hat Irak ja Kuwait besetzt(gewaltsam). Was ich aber nicht versteh warum die USA da sich so einmischt :/ Gründe waren ja Beispielweise das ÖL. Ich hab auch beispielsweise in Wikipedia nachgeschaut aber das ist teilweise so schwer geschrieben dass ich da nicht wirklich durchblicke..
Wäre schön wenn ihr so ein mini Zusammenfassung machen könnt :D also ein 2-4 sätze nur zur Erklärung reichen denn es geht um mein DeutschMündlich Prüfung :/

Mit vielen Grüßen Steffi
Ich habe ausführlich vor allem die irakische Seite, Standpunkte usw. studiert (siehe unter anderem das Buch Iraqi Fighters, dass in Zusammenarbeit mit Brigade-General Ahmad Sadik, der zuvor beim Nachrichtendienst der irakischen Luftwaffe und 1991 als Stellvertretender Kommandant der Brigade 224 diente, welche die Scuds auf Israel und Saudi Arabien abfeuerte). Obwohl das Hauptthema unserer Zusammenarbeit ein anderes war als von Ihnen gefragt, kamen wir auch auf Themen wie Gründe für derartige Kriege wie 1991.

Also, irakische 'Militärs' (i.e. höhere Offiziere) sahen die Lage so, dass

a) Irak acht Jahre lang einen Krieg gegen die Expansion des 'Erzfeindes' Iran geführt hat, 'für arabische Sache' (auch gegen Shi'a Glaubenssekte, obwohl dass damals nicht unbedingt als gleichbedeutend gesehen wurde); dabei wurde auch Kuweit vor der gleichen Bedrohung verteidigt; somit 'schuldeten' Länder wie Kuweit (und Saudi Arabien usw.) dem Irak einige 'Gefallen';

b) obwohl vor allem mittels sowjetischer Waffen ausgerüstet, sahen sich die Iraker nicht als 'innerhalb sowjetischer Einflußsphäre'; für sie war Moskau nicht mehr und nicht weniger als 'ein Waffenlieferant'; auch durch ihre Zusammenarbeit mit den USA sahen sich die Iraker als ein 'Bollwerk' gegen dem Iran der die Ölquellen vom Irak bis nach Oman bedrohte; also, 'schuldeten' auch die USA (bzw. 'Westen') ihnen einige 'Gefallen';

c) von dem Standpunkt aus sahen sie es als 'nicht in Ordnung', dass Kuweit an der Rückzahlung einiger Darlehen aus den 1980er Jahren insitierte (mit denen der Krieg gegen Iran finanziert wurde) vor allem während Kuweitis auch noch mehrere Ölfelder innerhalb des Iraks (unterirdisch) 'anzapften', und smit höhere Ölmengen lieferten als vom OPEC vorgesehen - und dass während eines 'Tiefs' der Ölpreise welches der schon durch den Krieg angeschlagenen und schwer verschuldeten irakischen Wirtschaft schwer zusetzte.

Auf Grund ihrer eigenen Vorgeschichte (etwa 25-30 Staatsstreiche und versuchte Staatsstreiche seit der Unabhängigkeit Iraks, in 1931, plus umfangreicher britischen Einmischung inkl. einer Invasion in 1941) waren sie auch von allen möglichen Verschwörungstheorien besessen. Dies war vor allem im Bezug auf die Beziehungen Israel-USA bedeutend, denn von ihrem Standpunkt aus hatten die USA gar keine Nahostpolitik: diese wurde von Israel 'diktiert'.

Letztendlich sah sich Baghdad mehrfachen weiteren Bedrohungsszenarios ausgesetzt: einem möglichen neuerlichen Angriff Israels; einer Ausseinandersetzung mit Syrien (i.e. dem Assad-Regime in Damascus; mit dem es schon seit der 1960er Jahre ernsthafte 'Unstimmigkeiten' und einen 'fast Krieg' Zustand gab) usw. Natürlich kamen dazu auch 'historische' Zwistigkeiten, bzgl. 'Kuweit ist ein Teil Iraks dass uns von Briten genommen wurde', 'Bubiyan Insel gehört Irak' usw.

Somit waren Saddam's 'Erkenntnisse' aus dem Treffen mit US Botschafterin Glaspie nur ein 'Pünktchen auf I', bzw. sie verstanden es als ein klares US 'Zeichen' im Sinne von 'ist uns (USA) eh egal' (was ihr mit Kuweit machts).

Im Nachinein sahen sie sich (und somit gehe ich über zum Antworten Ihrer Frage, allerdings vom irakischen Standpunkt aus) - als von den USA in eine Falle gelockt, die mit dem Ziel gelegt wurde irakische Ölwirtschaft und Militärmacht zu vernichten, damit das Land (vor allem dem Israel gegenüber) nicht noch mächtiger wird, aber auch den USA einen direkten Zugang zu Militärstützpunkten in Saudi Arabien und anderswo im (Persischen) Golf eröffnete.
 
Die Rezeptionsgeschichte der irakischen Militärs in den Interviews ist unter zwei Aspekten zu betrachten:

1. sie erfolgten ex post

2. sie sind in den Kontext des "Systems Saddam" zu stellen. Dies umfasste einmal das Alleinstellungsmerkmal von Saddam, was die "richtige" Analyse und Interpretation der Außenpolitik in Bagdad anging.

(Saddam Hussein and the RCC Discuss American Reactions to the Invasion of Kuwait,September–October 1990, CRRC SH-SHTP-A-000-670) -> "Saddam Tapes"

Zum anderen folgte daraus, dass die Personen des engsten Führungskreises über Entscheidungen sehr spät informiert worden sind.
"In July 1990, for instance, Iraqi generals were apparently given only somewhere between a few days and three weeks to prepare to seize all of Kuwait (as opposed to taking just the border region), forcing hurried efforts to address the logistical problems inherent in the undertaking. More striking still, Saddam later commented that neither the defense minister nor the army chief of staff was made aware of the invasion plan before the attack actually occurred on 2 August 1990."

Es gab demnach nur höchst reduziertes "Mitwissen" der engsten Führungskreise, auch auf den high-level-meetings der irakischen Führungsspitze. Weiter spricht das deutlich gegen eine allgemein empfundene, jederzeit greifbare "Bedrohungslage" Israel/Syrien/USA oder Iran. Der Überfall war vielmehr in der Weise konsequent, dass er die Insolvenz bzw. Implosion des Saddam-Systems abwenden sollte, indem man (= Saddam) Kuweit einkassierte.

In dem Kontext ist zu berücksichtigen, dass bereits der desaströse Angriff auf den Iran den pan-arabischen Plänen für einen Groß-Irak diente, und dieser, nicht erst der hierin ebenfalls vorbereitete Überfall auf Kuwait, die amerikanische Präsenz im Golf massiv förderte. "Syrien im Rücken" hielt Saddam auch nicht von dem viel größeren militärischen Abenteuer des Irak-Iran-Krieges ab, logischerweise: nach dem Yom-Kippur-Krieg war Syrien durch Israel gefesselt und in Bezug auf den Irak handlungsunfähig.

Die Quellenlage zu den "Innnenansichten" der irakischen Führungsspitze ist nach dem Irakkrieg recht gut.:winke:

Lacey/Murray, “Saddam’s Delusions: The View from the Inside,” Foreign Affairs
(May–June 2006): S. 2–26
Gause, Iraq’s Decisions to Go to War, 1980 and 1990, Middle East Journal 2002: S. 45–70
Woods, et al., The Iraqi Perspectives Report: Saddam’s Senior Leadership
on Operation Iraqi Freedom from the Official US Joint Forces Command Report 2006

oder für die "Komplexität" der strategischen Lage:

Brand/Palkki, 'Conspiring Bastards': Saddam Hussein's Strategic View of the United States. Diplomatic History 2012, S. 625-660.
H-Net Discussion Networks - H-Diplo Article Review No. 368b on Hal Brands and David Palkki. "'Conspiring Bastards': Saddam Hussein's Strategic View of the United States." Diplomatic History 36:3
 
Eine Schlüsselposition in diesem Krieg bildete der Schatt al-Arab. Irak verfügte und verfügt nur über einen sehr schmalen und sehr fragilen Zugang zum Persischen Golf, mit Umm Quasr als einzigem Tiefwasserhafen. Dieser Zugang ist eingekeilt zwischen Iran und Kuwait und kann im Konfliktfall leicht blockiert werden. Der Irak hatte also (auch) strategische Gründe, Kuwait zu besetzen. Einen sicheren Zugang zum Golf zu gewinnen, war zudem Voraussetzung für das Bestreben Husseins, Irak zur Führungsmacht in der Region aufzubauen.

Dieser irakische Führungsanspruch war m.E. der Grund für die USA, militärisch einzugreifen, denn er bedrohte direkt Saudi-Arabien als wichtigen Verbündeten des Westens und indirekt Israel. Der Faktor Israel dürfte dabei die größere Rolle gespielt haben. Es wurde schnell erkennbar, dass Hussein seinen Führungsanspruch auch dadurch stärken wollte, dass er sich zum "Vorkämpfer" der arabischen Welt gegen Israel aufschwang. Schon vier Monate nach Ausbruch des Konflikts drohte er, dass Israel das erste Opfer sein werde, wenn westliche Truppen in den Konflikt eingreifen sollten. Einen weiteren Monat später schlugen die ersten Scud-Raketen in Israel (und in Saudi-Arabien) ein. Viele werden sich noch an die Panik erinnern, die damals ausbrach, weil befürchtet wurde, diese Suds könnten mit Chemiewaffen bestückt sein.

Ich vermute, dass der Angriff der US-Truppen bzw. der Koalition unter anderem sicherstellen sollte, dass Israel in den Konflikt nicht weiter hineingezogen wird und mangels anderer militärischer Möglichkeiten zu verzweifelten Maßnahmen greift (Stichwort: Samson-Option). Ein Beleg dafür könnte sein, dass die Koalitionstruppen es abgelehnt haben, israelische Flugzeuge in die Freund-Feind-Kennung aufzunehmen.

Dass der Angriff der Koalitionstruppen nicht dazu diente, die Kontrolle über einen Teil des arabischen Öls zu erlangen oder den Irak nachhaltig zu schwächen, halte ich deshalb für erwiesen, weil die Koalitionstruppen keinen Versuch unternommen haben, den Irak zu besetzen, obwohl sie die militärische Fähigkeit hatten, bis Bagdad vorzustoßen.

MfG
 
Eine Schlüsselposition in diesem Krieg bildete der Schatt al-Arab. Irak verfügte und verfügt nur über einen sehr schmalen und sehr fragilen Zugang zum Persischen Golf, mit Umm Quasr als einzigem Tiefwasserhafen. Dieser Zugang ist eingekeilt zwischen Iran und Kuwait und kann im Konfliktfall leicht blockiert werden. Der Irak hatte also (auch) strategische Gründe, Kuwait zu besetzen. Einen sicheren Zugang zum Golf zu gewinnen, war zudem Voraussetzung für das Bestreben Husseins, Irak zur Führungsmacht in der Region aufzubauen.

Da sowohl die Entscheidung für den Irak-Iran-Krieg als auch die Kuweit-Aktion völlig "beiläufig" entschieden wurden, erscheinen mir tiefere strategische Anlaysen unwahrscheinlich.

Die Sicherung des Schatt-al-Arab war sicher Neben-Ziel im ersten Golfkrieg, Bedrohungslage hier wie später ausgehend (nur!) der Iran.
So Hal Brands [Conflict Records Research Center]: Why Did Saddam Invade Iran? New Evidence on Motives, Complexity, and the Israel Factor, JoMH 2011, S. 861.


Das funktionierte schon 1980/88, und 1990 war das umso weniger ein Problem, als Saddams Kalkül klar auf Frankreich und die UdSSR abstellte, die nach seiner Überzeugung im Sicherheitsrat aufgrund ihrer erheblichen ökonomischen und politischen Interessen blockieren würden. Eine anlaßlose Bedrohung über Kuweit (also ohne irakische Besetzung) bestand nicht, und läßt sich auch nicht in den Motiven Saddams für die Entscheidung der Besetzung nachweisen. Wichtiger war die in Aussicht stehende "Beute" der Besetzung. Die Sicherung des Schatt-al-Arab wäre auch nicht gleichbedeutend mit der Sicherung des Zufuhrweges gewesen, da das vorgelagert ein Problem des gesamten Persischen Golfes (Hormuz) darstellte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Da sowohl die Entscheidung für den Irak-Iran-Krieg als auch die Kuweit-Aktion völlig "beiläufig" entschieden wurden, erscheinen mir tiefere strategische Anlaysen unwahrscheinlich.

Die Sicherung des Schatt-al-Arab war sicher Neben-Ziel im ersten Golfkrieg, Bedrohungslage hier wie später ausgehend (nur!) der Iran.
So Hal Brands [Conflict Records Research Center]: Why Did Saddam Invade Iran? New Evidence on Motives, Complexity, and the Israel Factor, JoMH 2011, S. 861.
Stimmt. Iran war immer der Hauptgegner. Kuwait wäre gar nicht in der Lage gewesen, den Zugang zum Golf zu sperren. Der Iran konnte das aber. Und der Schatt al-Arab konnte dagegen nicht gesichert werden. Die Durchfahrt ist zu schmal. Sobald dem Irak die kuwaitischen Häfen zur Verfügung standen, wäre eine Sicherung aber auch nicht mehr erforderlich gewesen. Diese ganzen Kriege - sowohl den/die gegen Iran als auch die Besetzung Kuwaits - sehe ich als Ausdruck irakischer "Großmachtpläne" in der Golfregion.

Eine anlaßlose Bedrohung über Kuweit (also ohne irakische Besetzung) bestand nicht, und läßt sich auch nicht in den Motiven Saddams für die Entscheidung der Besetzung nachweisen. Wichtiger war die in Aussicht stehende "Beute" der Besetzung.
Das habe ich nicht verstanden.

Die Sicherung des Schatt-al-Arab wäre auch nicht gleichbedeutend mit der Sicherung des Zufuhrweges gewesen, da das vorgelagert ein Problem des gesamten Persischen Golfes (Hormuz) darstellte.
Richtig. Der Unterschied ist nur, dass Iran am Schatt al-Arab exklusiv dem Irak den Zugang (und z.B. den Ölexport) hätte sperren können. Eine Sperrung der Straße von Hormuz hätte den Iran unweigerlich in Konflikt mit anderen Anrainerstaaten gebracht - vor allem Saudi-Arabien.

MfG
 
Die Rezeptionsgeschichte der irakischen Militärs in den Interviews ist unter zwei Aspekten zu betrachten:
...
In Antwort auf diese Post finde ich schon etwas weiterer Erklärung nötig.

Ich habe mich vor zwei Jahren bei einer Konferenz in London ausführlich über irakische Kommandostrukturen und Informationsflus mit Kevin (Woods, vom Pentagon-Team dass 'The Iraqi Perspectives Report' vorbereitet hat) unterhalten. Schließlich arbeiteten wir in gleicher Richtung, jedoch mit deutlichem Zeitabstand dazwischen (und, natürlich, unter vollkommen anderen Umständen).

Nämlich: es stimmt dass die Angriffsbefehle in beiden Fällen - im September 1980 sowie im Juli 1990 - sehr spät ausgegeben wurden. Beispiel: der Angriffsbefehl gegen dem Iran wurde an die irakische Luftwaffe erst am Nachmittag des 20. September 1980 erteilt, und dann - buchstäblich - 'per Courier'. Die zwei Couriere flogen zwar mit zwei Falcon 50 (Bizjet), aber es dauerte trotzdem den ganzen Nachmittag und Abend bis alle Wing- und Stützpunktkommandeure unterichtet wurden (und selbst dann gab es strikte Anweisungen darüber wen sie von ihren Untergebenen über dem Angriffsbefehl unterrichten dürften, wass - zBsp - im Falle des Stütztpunktes Wahda [ex-RAF Shoibiyah] tragische Konsequenzen für die Musikkapelle zur Folge hatte; dass ist aber 'eine andere Geschichte'). Im Falle des Angriffsbefehls auf Kuweit wurden manche Stützpunkte erst am Vortag, d.h. am 1. August 1990, unterrichtet.

Tastache ist: was ich als 'Indoktrination der Militärs' in beiden Fällen beschreiben würde - d.h. ihre 'Unterrichtung über die Bedrohungslage' usw. - fand aber schon deutlich früher statt. D.h. das 'System Saddam' kümmerte sich schon darum, und sehr wohl, seine Offiziere entsprechend vorzubereiten, und daher kam das Befehl zum Überfall auf den Kuweit für die meisten Offiziere auf keinen Fall 'vom blauen Himmel' (was, mMn, aus den von Ihnen gesposteten Angaben hervorgeht).

Noch viel wichtiger ist dass es für derartige 'Eventualitäten' schon seit längerem Aufmarsch- und Operationspläne gab. ZBsp. der Plan für den Einmarsch in den Iran, 1980, stammte noch vom ähnlichen britischen Plänen aus den 1940er Jahren, die über die Jahre immer weiter entwickelt wurden - natürlich angepaßt neuesten Bedingungen, Ausrüstung, Einheiten usw.

Ähnlich im Falle des Plans für den Überfall auf Kuweit. Der erste Plan für stammte noch aus 1962-1963 (allerdings nicht aus 1960-1961, wie von einigen britischen und US-Experten vermutet; diese Pläne wurden erst in Reaktion auf die britische 'Intervention' in Kuweit während der Kuweit-Krise von 1961 entwickelt). Bis 1990 wurden gar mehrere Varianten des Plans für den Angrif auf Kuweit entwickelt und diese variierten von 'Einnahme von Bubyan' oder 'Sicherstellung der Grenzregion', über 'Unterstützung Kuweits gegen einen amphibischen Überfall der Iraner' bis zur kompletten Okuppation des Landes. Es ist genau aus dem Grund dass Woods (& CO) dann über '...as opposed to taking just the border region...' diskutieren kann.

Ohne eine 'rechtzeitige' Indoktrination, und vor allem ohne der Existenz derartiger Pläne, wie auch entsprechender Übungen, hätte das irakische Militär gar keine Einmarschpläne für Iran und Kuweit schon zu deutlich früheren Zeiten vorbereitet - und noch weniger eine Chance den ('endgültigen') Angriffsbefehl auszuführen.

Des weiteren dürfen wir nicht den Einfluß der Ba'ath Party auf das Offizierkorps vergessen. So gut wie alle führenden Offiziere (auf jeden Fall alle Kommandanten und Stellvertreterkommandanten aller Teilstreitkräfte) waren Mitglieder der Ba'ath Party. Ohne 'Parteibuch' gab's so gut wie keine Beförderungen oberhalb des Ranks eines Brigadegenerals.

Es gab auf diesem Wege (i.e. innerhalb der Ba'ath Party) einen 'regen Gedankenaustausch' zwischen Saddam und seinen Offizieren. D.h. (in diesem Fall): Offiziere (teils bis hinunter zum Rang eines Obersts) wurden schon über die Zuspitzung der Lage mit Kuweit unterrichtet, wie auch die Gründe dafür. Wie genau, wie 'politisch gefärbt' usw. läßt sich natürlich (und ausführlich) diskutieren. Aber, sie wußten was ist los. Selbstverständlich sagte ihnen niemand noch am - zBsp - 1. Juli: 'Herr Brigadegeneral, Sie verlegen ihre Brigade in den Raum Umm Qassr weil wir am 2. August 1990 Kuweit überfallen werden'. Aber, nicht nur dass so was auch in anderen Militärs dieser Welt nicht der Fall wäre: schließlich konnte selbst Saddam am 1. Juli 1990 noch nicht wissen, dass er evtl. einen Angriffsbefehl erteilen wird.

Aus diesem Grund finde ich es etwas 'irreführend' auch nur anzudeuten, 'irakische Offiziere erfuhren von der Bedrohungslage ex post'. Sie sagen sie haben davon gewußt. Ich neige weder dazu ihnen zu glauben noch nicht zu glauben: ich sehe meinen 'Job' als, 'sage was sie dir gesagt haben' - denn der Stand des Wissens über arabische Kriegsführung im 20. Jahrhundert im Westen ist generell auf einem derart niedrigem Level, und derart von Vorurteilen, Hörensagen, 'wild guessing' und angeblicher 'intelligence information' verfälscht, dass ich mich vor allem mit der Aufgabe 'Ausgraben arabischer Standpunkte, Originaldokumente und Zeitzeugenberichte' befassen muss, um überhaupt eine Ahnung zu bekommen wie die Araber (und nicht 'wir') die Sachlage gesehen haben.

Aus diesem Grund, und im Bezug auf 'wann die Personen des engsten Führungskreises über Entscheidungen informiert wurden'... eigentlich sehe ich das als 'unwichtig'. Sicher, es ging um eine politische Entscheidung, mit weitreichenden und umfassenden Folgen aller Art. Aber der Überfall war eine militärische Operation. Militärische Operationen sind eben was ich recherchiere. Und für den militärischen Aspekt der Kampaigne ist es wichtig dass das Militär für eine derartige Operation - plan-technisch und Doktrinweise - schon 'in Ausgangsstellungen' stand. Die an der Operation beteiligten Einheiten der Republikanischen Garde und der Armee waren in ihren Ausgangsstellungen, Einheiten der Luftwaffe waren ebenfalls bereit usw. und dass schon lange bevor der Angriffsbefehl erteilt wurde.

...also habe ich oben erklärt was ich darüber erfahren habe, was die Iraker (i.e. ihre Generale) sagten dass sie 'gewußt' haben. Bitte nicht den 'Überbringer der Nachricht erschießen'.
 
Zuletzt bearbeitet:
Da sowohl die Entscheidung für den Irak-Iran-Krieg als auch die Kuweit-Aktion völlig "beiläufig" entschieden wurden, erscheinen mir tiefere strategische Anlaysen unwahrscheinlich.
MMN sollten wir hier unter Folgendem unterscheiden:

- a) Gab es derartige Analysen/Studien überhaupt, bzw. wurden diese (und von welcher Stelle) vorbereitet?

- b) Hat Saddam diese Analysen/Studien in Betracht genommen (oder nicht), bzw. hat er sie überhaupt vors Gesicht bekommen?

- c) Wie bedeutend waren bestimmte Analysen/Studien für seine Entscheidungen?

Anders als Woods und Kollegen habe ich mich vor allem mit ehem. Offizieren der Nachrichtendienste beschäftigt, und diese sagten nicht nur dass es ausführliche Analysen/Studien/Einschätzungen gegeben hätte (teils auch auf Anfrage 'von oberster Stelle'), sondern haben mir auch mehrere ihrer Analysen/Studien von 1989-1990 gezeigt (ein Paar habe ich unterdessen auch schon übersetzt).

Jetzt gibt es das folgende Problem: die 'Papiere' die ich gesehen, bzw. teils auch kopiert habe, stammen aus ihren 'persönlichen' Archivs, weil die meisten offiziellen Archivs teils noch vor dem Krieg von 2003, teils während dem Krieg, und teils seither vernichtet wurden. Just aus dem Grund wurden aber ein Großteil derartiger Analysen von Woods und Kollegen erst niemals gefunden, und konnten deshalb auch nicht in Betracht genommen werden. Also, es ist schwer einzuschätzen, wie sehr diese authentisch sind, bzw. ob sie überhaupt den 'Chain of Command' hinaufgereist sind...

Es bleibt auch unklar wie sehr verschiedene Analysen/Studien/Einschätzungen/Empfehlungen (der militärischen Nachrichtendienste) für bestimmte von Saddams Entscheidungen von Bedeutung waren. Es gibt Offiziere die sagen, er hat sich so was vor allem als 'Abendlektüre' vorgenommen. Andere sagen (und Woods und Kollegen bestätigen dies, zu mindest teilweise), derartige Analysen wurden ausschlißlich von obersten Kommandanten der Teilstreitkräfte gelesen, und sie waren es die dann Saddam zu beraten hatten/hätten.

Wichtig ist aber dies: es gibt Belege dafür - wenn auch nicht unbedingt im Bezug auf den Krieg von 1990-1991, dafür aber umso mehr für den Krieg mit dem Iran - dass Saddam sehr wohl, und sehr genau, von bestimmten Analysen und Auswertungen seiner militärischen Geheimdienste unterrichtet wurde, und entsprechende Entscheidungen brachte (gerade die Resultate der Recherchen von Woods und Kollegen bestätigen dass er - mehrmals - während dieses Krieges entsprechende Schritte unternommen hatte).

Da könnte ich, falls ewünscht/benötigt, vielfache Beispiele nennen.

Es gibt aber auch Beispiele wo er die vorhandenen Analysen/Studien vollkommen ignorierte.

Wichtiger war die in Aussicht stehende "Beute" der Besetzung.
Hier bin ich zu einer anderen Schlußfolgerung gekommen.

Es gab schon in den 1970er Jahren Pläne (des irakischen Militärs) für eine 'vollständige Sicherung' der Wasserwege durch den Persischen Golf, bzw. der Seewege zwischen Hormuz und Shatt al-Arab. Dieser Plan wurde auch, allerdings nur teilweise, in den ersten Tagen des Krieges gegen den Iran 'aktiviert'. So kam es - zBsp. - dass irakische Tu-22 in die UAE flogen und ihre Piloten von dort Angriffe auf den Iran fliegen wollten (was ihnen lokale Behörden untersagt haben, was aber die Gerüchte über die angebliche 'Evakuierung' irakischer Luftwaffe im Folge iranischer Luftangriffe auf ihre Stützpunkte 'verstärkte').

Ebenso investierte die IrAF (irakische Luftwaffe) in den 1980er Jahren 'nicht nur' derart viel Geld in Entwicklung und Einkauf derartiger Waffensysteme wie Mirage F.1EQ-5/6 Jagdbomber mit Exocet-Anti-Schiffs-Lenkflugkörpern usw., weil sie diese gegen 'iranische Tanker' einsetzte, sondern auch mit dem 'Hintergedanken' auf eine 'zukünftige Absicherung' des Seewegs. Aus diesem Grund ging man auch darauf über, weitreichendere Systeme mit ähnlicher Fähigkeit - siehe die in China-gebauten H-6 bomber oder die mit dem Mirage F.1EQ-5/6-Waffensystem ausgestattete Falcon 50 'Susanna' - zu entwicklen und zu beschaffen.

Also, es gab Pläne dafür diese Angelegenheit 'irgendwann in der Zukunft zu klären', was wiederum darauf deutet dass die Sicherung des Schatt al-Arabs, des Zufahrwegs durch den Persischen Golf, sowie gar des Hormuz Straits, eine bedeutende Angelegenheit darstellte.

Ob dies jetzt wegen 'Beute' in Kuweit oder anderer Gründe 'unterging', ist eine andere Frage. Aber, der Irak hatte zu mindest ein 'ernsthaftes Interesse' daran, seine 'geographische Blockade' aufzuheben, und - lt. Angaben ehem. Offiziere - dies war ein weiterer 'Bedrohungsszenario' dass seine militarischen Nachrichtendienste immer wieder durchgespielt haben.
 
...
- a) Gab es derartige Analysen/Studien überhaupt, bzw. wurden diese (und von welcher Stelle) vorbereitet?

- b) Hat Saddam diese Analysen/Studien in Betracht genommen (oder nicht), bzw. hat er sie überhaupt vors Gesicht bekommen?

- c) Wie bedeutend waren bestimmte Analysen/Studien für seine Entscheidungen?

Anders als Woods und Kollegen habe ich mich vor allem mit ehem. Offizieren der Nachrichtendienste beschäftigt, und diese sagten nicht nur dass es ausführliche Analysen/Studien/Einschätzungen gegeben hätte (teils auch auf Anfrage 'von oberster Stelle'), sondern haben mir auch mehrere ihrer Analysen/Studien von 1989-1990 gezeigt (ein Paar habe ich unterdessen auch schon übersetzt). ...

@TomCooper

Deine beiden Postings sind irritierend.

Das Nachrichtendienste und Stäbe Szenarien "durchspielen" ist deren Job, es wäre auch schwerlich etwas anderes zu erwarten.

"...- a) Gab es derartige Analysen/Studien überhaupt, bzw. wurden diese (und von welcher Stelle) vorbereitet? ..."

Nun, irgendwelche Analysen/Studien gab es bestimmt, verantwortlich dafür waren die zuständigen Stellen bzw. beauftragen Stellen.

"...- b) Hat Saddam diese Analysen/Studien in Betracht genommen (oder nicht), bzw. hat er sie überhaupt vors Gesicht bekommen?.."

Wie magst Du das in einen Forum klären?

"...- c) Wie bedeutend waren bestimmte Analysen/Studien für seine Entscheidungen?..."

Dazu müsstest Du beispielhaft derartige Analysen/Studien einstellen, mit Datum und der Eskalationsmächtigkeit sowohl formell als auch informell des Adressanten, das wäre das Minimum einer fundierten Meinungsbildung.

"...teils auch auf Anfrage 'von oberster Stelle'..."

Ein wunderbares Exculpationsschema.

Also, entweder "Butter bei die Fische", oder altum silentium oder Spekulation.

Andere Optionen vermag ich nicht zu erkennen.

M.
 
@TomCooper

Deine beiden Postings sind irritierend.
Ich verstehe zwar nicht was ist daran 'irritierend', nehme aber an dass man verlangt 'Klartext' zu sprechen.

OK. Oben stehen mehrere Aussagen, darunter eine wonach die 'Rezeptionsgeschichte der irakischen Militärs... ex post' erfolgte, eine zweite, dass die 'Entscheidung für den Irak-Iran-Krieg als auch die Kuweit-Aktion völlig "beiläufig"' gefallen ist, und eine dass, 'tiefere strategische Anlaysen' eher 'unwahrscheinlich' waren.

Auf Grund dessen was ich darüber weiss stimmen alle diese Aussagen auf gar keinen Fall. Meinen Standpunkt mittels schriftlicher Dokumente nachzuweisen ist aber zZ nicht möglich. Es gibt keine Tagebücher/Geschäftsbücher oder ähnliches, welche die Vorgeschichte bestimmter Entscheidungen chronologisch und nachweislich beschreiben wäre (bzw. in Fällen wo es diese [wahrscheinlich] noch gibt, sind sie nicht zugänglich). Was vorhanden ist sind die Bänder die eine 'beiläufige' Entscheidung andeuten, bzw. zur Interpretationen führen, dass diese Entschedigung 'beiläufig' gefallen ist; aber auch Aussagen mehrerer Offiziere, wie auch andere Ereignisse die von einer Entscheidung zeugen die zwar 'spontan' gefallen ist, aber sehr wohl auf basis von 'tieferen strategischen Analysen'.

Beispiel 'Entscheidung für den Krieg mit dem Iran':

- Es gibt kein 'Saddam's Tagebuch'.

- Es gibt kein Dokument dass klar und unmißverständlich belegt, 'Saddam hat es sich 2-3 Monate (oder länger) überlegt, ob er Iran angreift oder nicht'.

- Es gibt noch nicht einmal ein Dokument der belegen würde, 'Saddam hat seine Entscheidung auf Grund nachrichtendienstlicher Informationen gebracht'.

- Und es ist bekannt, bzw. belegt, dass die Entscheidung von einem Diktator gebracht wurde dessen Weltbildvostellung, Gedankengänge usw. sich grundsätzlich von dem unterscheiden was wir als 'rationel' oder 'logisch' beschreiben würden.

Allerdings...

- Es gibt Beweise dafür, dass irakische Nachrichtendienste die Entwicklungen im Iran schon seit 20 Februar 1979 mit zunehmender Besorgnis beobachtet haben.

- Es gibt Beweise dafür, dass die irakische Luftwaffe eine ansteigende Anzahl an Verletzungen des irakischen Luftraumes durch iranische Kampfflugzeuge schon seit April registrierte.

- Es gibt Beweise dafür, dass im Juni 1980 zwei MiG-21R Aufklärungsflugzeuge der irakischen Luftwaffe tief in den iranischen Luftraum eingedrungen sind, und Aufnahmen iranischer Truppenbewegungen vom Stützpunkt al-Jufair und auf der Strasse Ahwaz - Abadan gemacht haben.

- Es gibt Beweise dafür, dass der irakische Militärnachrichtendienst auf grund dieser Zwischenfälle - wie auch weil Tehran die Barzani Brüder (Anführer der Peshmergas während dem Kurden-Aufstand im Norden Iraks von 1974-1975) aus dem Exil holte, und schlußfolgerte, dass Iran einen militärischen Angriff auf den Irak vorbereitet.

- Es gibt Beweise dafür dass das irakische Militärnachrichtendienst entsprechende 'tiefere strategische Analysen' vorbeiretete.

Allerdings...

a) Es gibt kein Beweis dafür dass diese Analysen auch von Saddam in Betracht gezogen wurden, und b) die oben-benannten Beweise waren Woods und Kollegen zur Zeit der Entstehung ihres Reports nicht zugänglich.

Also wurden diese von Woods und Kollegen bei der Vorbereitung ihrer Berichte ausser Acht gelassen. Ausserdem, aus einem Gespräch mit Woods weiss ich dass, selbst wenn er eine der betreffenden Analysen rechtzeitig bekommen hätte, er daraus keinen Zusammenhang (zwischen derartiger Analysen und Saddam's Entscheidung) gefolgert hätte, denn er hätte diesen Zusammenhang nicht eindeutig nachweisen können (genauso wie ich es nicht eindeutig nachweisen kann).

Bzw., er hätte sich auf 'das Wort' irakischer Offiziere verlassen müssen, die gesagt haben, dass Saddam ihre Berichte sehr wohl gelesen hat. Dass wollte er nicht machen.

Hier ist es wo ich sage: ja, es ist eine 'Graue Zone', aber, ich sehe nicht ein warum man die Aussagen irakischer Offiziere in derart wichtigen Fällen einfach als 'Araber lügen immer' (oder eben 'ex post Rezeptionsgeschichte') abschmettert.

Umso mehr wenn man die folgende Tatsache berücksichtigt: eigentlich gibt es einen weiteren - wenn auch indirekten - Beweis dafür, dass Saddam sehr wohl die Berichte seiner Nachrichtendienste berücksichtigte (zu mindest im Jahr 1980; ob es später, besonders nach 1991, noch immer so war, ist eine andere Story). Nämlich, am 4. Juni 1980, erhielt der CO No.1 Squadron IrAF (Iraqi Air Force) den Befehl einen Camp Barzani's Peshmergas innerhalb Irans anzugreifen. Acht Maschinen flogen diesen Angrif und die Resultate ihrer Mission waren nicht nur schwere Verluste der Kurden, oder ein Protest aus Tehran, sondern auch der darauffolgender 'Austausch Nachbarschaftlicher Höflichkeiten' in form von Luftangriffen und Artillerieüberfällen, der sich durch ganz Juli, August und September 1980 hinzog, der uns allen eigentlich gut bekannt seien sollte (und unterdessen auch als 'Einleitung in den Krieg' gedeutet wird).

Und hier ist es wo ich sage: 'Graue Zone' oder nicht, schriftlich/tonbandmäßig belegt oder nicht, aber ein derartiger Angrif hätte damals ohne Saddams Billigung auf keinen Fall stattfinden können.

Dementsprechend sehe ich es als belegt dass Saddam die Nachrichtendienstlichen Berichte und Analysen geselen und bei seinen Entscheidungen berücksichtigt hat. Aus diesem Grund folgere ich auch, dass Saddam's Entscheidung über dem Angriff auf den Iran auf keinen Fall 'beiläufig' fiel - und, aus noch mehr anderen Gründen (die, zBsp., hier zu lesen sind) - sehe ich es als bewiesen dass diese Entscheidung sehr wohl auf tiefgehenden strategischen Analysen basiert war.

Hoffe, dass mildert die Irritation ein wenig.
 
Krieg lässt sich eigentlich grundsätzlich nicht "aus dem Stand" beginnen. Man muss Truppen mobilisieren, Nachschub bereitstellen, im Extremfall eine Friedens- auf eine Kriegswirtschaft umstellen. Gibt es Erkenntnisse darüber, ob und - wenn ja - ab wann das bezüglich des Irak der Fall war? Zumindest vor dem Krieg gegen Iran hätte es eigentlich umfangreichere Vorbereitungsmaßnahmen geben müssen.

MfG
 
Also, vor dem Angrif auf den Iran wurde das Militär in die Ausgangstellungen gebracht, d.h. auch die Luftverteidigung in Alarmbereitschaft versetzt (und AAA- und SAM-sites um wichtige Städte und Industrieanlagen aufgebaut). Ob die Industrie aber umgestellt wurde weiss ich nicht mit 100% Sicherheit, und es sind mir keine Studien auf das Thema bekannt.

Was ich allerdings sagen kann ist dass der Betrieb in so gut wie allen Öl/Gas-Anlagen noch einige Tage weiter ging als ob es gar keinen Krieg gäbe, und dass Iraker nicht mit ernsthaften Angriffen der Iraner auf diesen Sektor gerechnet haben.

So passierte es dass, als die Iraker dann - absichtlich oder unabsichtlich, dass ist ebenfalls unklar - die Raffinerie von Abadan unter Beschuß nahmen, und die Iraner (bzw. ihre Luftwaffe) 'sofort' mit schwersten Angriffen auf irakische Öl/Gas-Industrie erwiederten, es einige 'Überraschungen' und schwere Verluste gab. Innerhalb einer Woche nach dem Kriegsbegin wurden die meisten irakischen Anlagen im der Basra Provinz bombardiert und ausser Betrieb genommen (wobei es auch einige Verluste unter fremden Arbeitern gab); innerhalb eines Monats ebenfalls die wichtigsten Pipelines nördlich und südlich von Baghdad; und bis dahin wurden etliche Treibstoffdepots vernichtet.

Das Resultat war dass Irak seine Erdöl- und Treibstoffexporte sofort stoppen müsste; eigentlich began man gar Treibstoff aus Kuweit zu importieren (woraufhin die iranische Luftwaffe anfing entsprechende LKW-Konvois nahe der Irak-Kuweit-Grenze zu bombardieren)... Es gab auch vielfach Stromversorgungsausfälle in Folge iranischer Luftangriffe auf wichtige Elektrizitäts- und Umspannwerke.

Eine derartige Entwicklung hat Baghdad auf keinen Fall erwartet, und dies lag daran dass irakische Nachrichstendienste sich selbst wie auch ihre Vorgesetzten davon überzeugten, dass der Zustand der iranischen Luftwaffe derart schlecht war, dass diese so gut wie 'nicht existent' war.... was wiederum für die 'These' spricht, dass die irakische Führung (siehe Saddam) sehr wohl ihre Entscheidungen auf grund von tieferen strategischen Analysen brachte.

Nur waren diese Analysen eben voll Fehleinschätzungen.

Um zurück zum eigentlichen Thema zu kehren, d.h. zum Krieg 1990-1991: so fern mir bekannt, wurde die irakische Wirtschaft nach dem Ende des Krieges mit Iran nicht 'zurück' auf den Frieden umgestellt. Im Gegenteil: der Aufbau des Verteidigungssektors wurde fortgesetzt und sollte noch verstärkt werden (siehe das Projekt für Nuklearwaffen; Projekte wie Lizenz-Fertigung bzw. Montage der Waffen wie französische AS.30L Luft-Boden-Rakete, T-72 Panzer; Projekte zur Herstellung von Boden-Boden Raketen wie al-Hussein etc.). Das Militär wurde ebenfalls nicht demobilisiert: die Armee und die Rep. Garde setzten die Aufstellung weiterer neuer Einheiten fort.
 
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