Tote Götter?

Nergal

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Mal wieder eine Frage zu den Göttern der griechischen Antike:
Gibt es Götter, oder andere verwandte Wesen wie Titanen etc. die dauerhaft ums Leben kommen?

Mir ist bisher kein toter griechischer Gott untergekommen, obwohl die Götter so etwas wie Todesangst zu Empfinden scheinen, zB als Typhon gegen sie gesandt wird.
Unterlegene Gegner wie Kronos, oder eben Typhon, sterben ja nicht sondern werden ins exil gesandt oder unter einem Vulkan begraben, und selbst der Halbgott Herakles endet nicht im Hades sondern wird in den Olymp geholt und dort zum "Vollgott" gemacht.
 
Oh doch! Pan starb weil er nicht von den Äpfeln der Hesperiden aß. Atlas hatte ihm zwar den Weg dorthin gezeigt (die olympischen Götter wollten ihn nicht dorhin mitnehmen), aber er entschied sich bewusst dagegen, weil er nicht sein eigenes Vergessenwerden miterleben wollte.
 
Mir ist bisher kein toter griechischer Gott untergekommen, obwohl die Götter so etwas wie Todesangst zu Empfinden scheinen, zB als Typhon gegen sie gesandt wird.
Es gibt auch Unsterbliche, die eben, um ihre Angst zu behalten, über ihre Unsterblichkeit einfach nicht aufgeklärt werden. So ergeht es Tantalos (je nach dem, gilt er als ein Sohn des Zeus, was erklärt, weshalb man ihm so manches durchgehen ließ - dass Zeus, dessen negative Haltung gegenüber den Menschen bekannt ist, just den "Bösewicht" Tantalos mochte, ist vielleicht nicht so unverständlich), der in dauernder Angst lebt, dass er von einem Felsbrocken erschlagen wird - von seinen Problemen mit dem Verdursten und Verhungern ganz zu schweigen.
Die ganze Mythologie ist natürlich biologisch bisweilen fragwürdig, aber eben auch in sich nicht ganz logisch. So können ja diejenigen, die ewigen Strafen unterworfen sind, auch offensichtlich nicht zu den für die Götter so wichtigen Äpfeln pilgern, die von Cécile erwähnt wurden.
 
Das Pan tot sein soll habe ich nicht gewußt, nur das mit der Botschaft des Seemanns (auch bei Wikipedia). Geben die Äpfel nicht nur Jugend, aber nicht Unsterblichkeit?
Also der Grund wieso Eo's Geliebter, Tithonos, zwar nicht stirbt aber ewig dahinaltert.
 
Unterlegene Gegner wie Kronos, oder eben Typhon, sterben ja nicht sondern werden ins exil gesandt oder unter einem Vulkan begraben, und selbst der Halbgott Herakles endet nicht im Hades sondern wird in den Olymp geholt und dort zum "Vollgott" gemacht.

Landet Kronos nicht im Elysium, also der Luxus-Version des Totenreiches?
 
Hesiod berichtet in "Werke und Tage", dass Kronos im Elysium herrscht, in der "Theogonie" hingegen erwähnt er ihn im Tartaros. Bei Homer befindet er sich im Tartaros. Auflösen lässt sich das, wenn man annimmt, dass Kronos zuerst in den Tartaros musste und erst später ins Elysium übersiedeln durfte.
 
Es gibt auch Unsterbliche, die eben, um ihre Angst zu behalten, über ihre Unsterblichkeit einfach nicht aufgeklärt werden. So ergeht es Tantalos (je nach dem, gilt er als ein Sohn des Zeus, was erklärt, weshalb man ihm so manches durchgehen ließ - dass Zeus, dessen negative Haltung gegenüber den Menschen bekannt ist, just den "Bösewicht" Tantalos mochte, ist vielleicht nicht so unverständlich), der in dauernder Angst lebt, dass er von einem Felsbrocken erschlagen wird - von seinen Problemen mit dem Verdursten und Verhungern ganz zu schweigen.

Nun ist Tantalos aber ja eben kein Gott, sondern, wenn auch vielleicht als Halbgott, menschlich und damit dem Tode unterworfen. Bei ihm ist es ja gerade die Strafe für seine Frevel, daß er eben nicht sterben darf, sondern als Lebender im Hades eben die Quelen erleiden muß, zu hungern und zu dürsten und Angst vor dem Erschlagenwerden zu haben.

Ich denke, bei dem Tod von Göttern muß man eine andere Deutung versuchen. Zunächst ist es ja so, daß man zwischen dem Tod und dem Sterben unterschieden muß. Das Sterben ist ein Prozeß und ein Durchgang, der Tod ist ein Zustand. Wenn man aber den Tod nicht als vollkommenes Nichts betrachtet, ist der Tod nur ein Zustand, der nicht in der Welt der Lebenden stattfindet, sondern in einem davon abgetrennten Bereich. da Götter ja Grenzen überschreiten, die Menschen normalerweise verwehrt sind, können sie den Tod erleiden, aber auch leicht zurückkommen.

Grundsätzlich gesehen sind Götter ja zunächst mal Symbole. Sie stehen metaphorisch als Stellvertreter und Projektionsfläche für menschliche Ängste und Nöte und Sorgen, aber auch Hoffnungen, Träume und Ideale.
Da nun einmal der Tod das Leben eines jeden Menschen betrifft, ist es klar, daß in diesem Rahmen auch die Götter mit dem Tod konfrontiert werden, allerdings auf unterschiedlichste Weise. Sie können als Herrscher der Totenwelt regieren, wo sie sowohl wachen, daß die Toten nicht zurückkehren, als auch richten über die Taten, die zu Lebzeiten vollbracht wurden, sie können die Toten geleiten und über die Grenze bringen, wie Hermes, sie können den Tod (in dem Fall besser das Sterben) symbolisieren wie Thanatos, sie können den Tod anordnen wie die Moiren oder auch den Tod überwinden wie Herakles oder Sisyphos oder ihn eben auch erleiden. Das heißt, man erzählte sich alle möglichen Aspekte des Todes und Sterbens und verflocht dies mit den Göttern.

Es gibt übrigens überall Götter, die sterben, ich gehe hier noch nicht einmal in die nordische Götterwelt, in der ich mich nicht so gut auskenne, ich verweise nur auf Osiris, Herakles, auch Jesus Christus ist in eine solche antike denktradition einzuordnen, wobei die Parallele zu Herakles frappant ist, und in Delphi verehrte man auch ein Grab des Dionysos, der ja streng genommen auch ein Halbgott war.

Nun stirbt ja aber nicht nur der Mensch, sondern die ganze Natur, und zwar vielfach in kürzeren Zyklen, was wir dann den jährlichen Wechsel der Jahreszeiten nennen. Insofern ist es sogar ein Charakteristikum von Vegetations- und Fruchtbarkeitsgöttern, daß sie sterben und wieder auferstehen, das gibt es im Orient und in Ägypten und auch in Griechenland. Die Sage von Persephone, die ein Drittel des Jahres bei ihrem Gatten Hades verbringen muß, bevor sie wieder zurück zu ihrer Mutter Demeter darf, kann getrost auch als Sterberitual aufgefaßt werden und ist natürlich sinnbildlich mit dem Winter als Absterben der Vegetation zu verbinden.

Insofern ist dem Satz von Brissotin natürlich zuzustimmen:

Die ganze Mythologie ist natürlich biologisch bisweilen fragwürdig, aber eben auch in sich nicht ganz logisch. So können ja diejenigen, die ewigen Strafen unterworfen sind, auch offensichtlich nicht zu den für die Götter so wichtigen Äpfeln pilgern, die von Cécile erwähnt wurden.

Biologisch nicht, aber man muß die Mythologie um ihre semantische Komponente erweitern.
Das Ding mit den Äpfeln ist so eine Sache.

Oh doch! Pan starb weil er nicht von den Äpfeln der Hesperiden aß. Atlas hatte ihm zwar den Weg dorthin gezeigt (die olympischen Götter wollten ihn nicht dorhin mitnehmen), aber er entschied sich bewusst dagegen, weil er nicht sein eigenes Vergessenwerden miterleben wollte.

Wenn Plutarch (glaube ich) Pan sterben läßt, dann aber auch in einer Semantik als Vegetationsgottheit. Hier speilt das Problem mit hinein, daß die antike Mythologie keine genormte Religion widerspiegelt, sondern ein Sammelbecken für eine sich stetig verändernde und zum Teil auch widersprüchliche Vorstellungswelt ist.

Das Pan tot sein soll habe ich nicht gewußt, nur das mit der Botschaft des Seemanns (auch bei Wikipedia). Geben die Äpfel nicht nur Jugend, aber nicht Unsterblichkeit? Also der Grund wieso Eo's Geliebter, Tithonos, zwar nicht stirbt aber ewig dahinaltert.

Die Äpfel, das Geschenk Gaias zur Hochzeit von Zeus und Hera, sollen in der Tat Unsterblichkeit verleihen. Das mit der Jugend wäre mir neu, aber es ist nicht unmöglich, daß es irgendwo eine Version gibt, die beides verbindet. Daß Tothonoa aber zwar nicht stirbt, aber altert, liegt eigentlich daran, daß Eos diese Bitte vergessen hat beim großen Kroniden, dem Wolkenerschütterer.


Hesiod berichtet in "Werke und Tage", dass Kronos im Elysium herrscht, in der "Theogonie" hingegen erwähnt er ihn im Tartaros. Bei Homer befindet er sich im Tartaros. Auflösen lässt sich das, wenn man annimmt, dass Kronos zuerst in den Tartaros musste und erst später ins Elysium übersiedeln durfte.

Hier spielen zwei verschiedene Konzepte eine Rolle. Auf der einen Seite ist die Geschichte der genealogischen Entwicklung dadurch geprägt, daß die Kinder die Eltern entmachten. Kronos entmachtet Uranos und wird selbst von seinem Sohn Zeus gestürzt, der ja, weil er Angst vor einem ähnlichen Schicksal hat, die Nymphe Metis verschlingt, weil sie ihm keinen Sohn gebären soll. In diesem System wird Kronos natürlich eingekerkert, er ist ein Gegner und muß vor allem dafür büßen, daß er seine fünf ersten Kinder verschluckte. Unübertroffen übrigens das Bild von Goya.

Das zweite Konzept ist eher der vermeintlichen Entwicklung der Zeitalter geschuldet, bei der ja empirisch festgelegt wird, daß früher alles besser war. In diesem Fall werden die Titanen ja als Herrscher des Goldenen Zeitalters gesehen, und daher ist es klar, daß sie dann im Elysium landen dürfen.
 
... Auflösen lässt sich das, wenn man annimmt, dass Kronos zuerst in den Tartaros musste und erst später ins Elysium übersiedeln durfte.
Unterstreichung durch mich.

@Ravenik

Mythologie ist nicht mein Ding; aber diese Interpretation würde den Tartaros gleichsam die Rolle des Purgatoriums spielen lassen. Gäbe es denn dafür weitere mythologische Beispiele?

M. :winke:
 
Es gibt übrigens überall Götter, die sterben, ich gehe hier noch nicht einmal in die nordische Götterwelt, in der ich mich nicht so gut auskenne,

Die nordgermanischen Götter trifft der Weltuntergang - Ragnarök oder nicht ganz korrekt "Götterdämmerung" - und sie erleiden bis auf ganz wenige Ausnahmen den Tod beim Endkampf mit den Riesen.

Im allgemeinen aber sind die Götter unsterblich, abgesehen von Vegetationszyklen, wo sich Tod und Wiederauferstehung abwechseln. Das ist insbesondere der Fall bei vielen Fruchtbarkeits- und Erdgöttinnen.
 
In der nordischen Mythologie - wie sie uns in den Eddas vorliegt; wie viel das mit dem gelebten Volksglauben zu tun hatte, ist freilich eine andere Frage - sind die nordischen Götter auf die Äpfel der Idun angewiesen. Ohne sie altern sie und würden letztlich wohl sterben. Dass die nordischen Götter auch schon vor dem Ragnarök getötet werden konnten, sah man am Beispiel Baldurs.
 
@hjwien

Wärest Du so freundlich und könntest Du Deinen vehementen Widerspruch kurz begründen.

M. :winke:


Bin ich. Allerdings muß ich erst wieder vorausschicken, daß der Versuch, eine Aussage zu den Glaubensvorstellungen der Antike zu treffen, immer bedeutet, daß man sich im Moment der Artikulierung einengen muß. Das heißt, man trifft eine Aussage, die nie umfassend stimmig ist oder alle Aspekte einer Frage abdecken kann, einfach weil es diese Eindeutigkeit in der Antike nicht gab.
Wir müssen also zunächst wieder unterscheiden zwischen dem Mythos und der Religiösität, und der letzte Begriff deckt auch nicht alle Bereiche des Glaubens, insbesondere des sogenannten Volksglaubens ab.
Dann spielt die hohe Differenzierung in räumlichen und zeitlichen Parametern ebenfalls eine Rolle, denn Aussagen, die sich auf eine Stelle Homers oder Hesiods stützen, können nicht einfach Aussagen bei Plutarch oder Cicero beigegeben werden, zu einflußreich sind Wirkungen der philosophischen Lehren, der Pythagoreer, der Epikureer, der Stoa und so weiter, und dann kommen noch viele Mysterienkulte hinzu und so fort.

Lange Rede, kurzer Sinn. Es gibt das Elysium (ob das wirklich deckungsgleich mit den Inseln der Seligen ist, bleibt unklar). Es scheint aber so zu sein, als ob diese Orte sich noch auf der Erde, am Rande der welt befänden, und nicht im oder jenseits des Totenreiches. Ins Elysium kommen Heroen oder Lieblinge der Götter, es ist aber kein Ziel für alle Seelen, die sich auf Erden einer entsprechenden Lebensweise befleißigten und dafür belohnt werden. Die Gleichsetzung des Elysiums mit einem christlichen Paradies wäre also verfehlt.

Der antike griechische Lebensmittelpunkt ist das Diesseits. Die Vorstellung, daß das eigentliche Leben erst nach dem Tode in einer besseren Welt beginnt, daß das Leben im Diesseits eine Art Prüfung oder bewährung darstellt, ist auch der griechischen Auffassung fremd.
Es gibt zwar eine Art Totengericht im Hades, aber nach welchen Kriterien dort geurteilt wird, ist auch je nach Denkschule sehr ambivalent, wenn es überhaupt definiert ist. Es gibt ja keine göttlichen Gebote, an die man sich zu halten hat, keine Vorschriften zur Lebensführung oder ähnliches. Gerade die Mysterienkulte versprechen zwar ein Weiterleben nach dem Tode durch die Vermittlung einer Gottheit, aber die Voraussetzung dafür ist die Initiation und nicht ein moralischer Lebenswandel.

Deshalb ist die Vorstellung eines Purgatoriums ( ich gestehe, mein Bild dessen ist mehr durch Dante geprägt als durch christlich-religiöse Schriften) für die antike Glaubenswelt, aber auch für die Mythologie, so nicht haltbar. Einen Ort, wo der Tote oder seine Seele durch eine gewisse Buße sich von Sünden reinigen sollen, bevor sie dann belohnt werden, gibt es so nicht. Der Tartaros ist keine Vorbereitung für das Elysium, und Srafen sind keine Reinigung. Sisyphos rollt seinen Stein nicht solange, bis er bereut, sondern auf immer.
Es gibt allerdings auch den Fall, daß eine Strafe aufgehoben wird. Herakles befreit Prometheus vom Adler, und Zeus heißt es gut. Dabei spielt aber meines Erachtens auch keine Rolle, daß Prometheus nun seine Strafe abgesessen hätte oder genug gelitten hätte, zeus läßt einfach seinen Sohn Herakles gewähren. Und was passiert mit Promtehues? Das wird ja nicht mehr mythologisch thematisiert. Nur noch satirisch bei Lukian.

Zählt das noch als kurze Begründung? :grübel:
 
Deshalb ist die Vorstellung eines Purgatoriums ( ich gestehe, mein Bild dessen ist mehr durch Dante geprägt als durch christlich-religiöse Schriften)

Ich bin kein Experte, aber Dantes satirische Schilderung in Inferno entspricht größtenteils der christlichen Vorstellung. Zum Beispiel, dass im Limbus, dem 9. Höllenkreis, die totgeborenen und im Kindbett gestorbenen Kinder landen, die noch nicht zur Seligkeit des Glaubens gelangt sind. Und die Gerechten, die Dante benennt, waren auch in der Hölle, bis Christus in seiner Höllenfahrt die Alten aus Abrahams Schoß befreit und in den Himmel geholt hat (wenn ich recht verstanden habe). Also von da aus wohl nur eine überspitzte Darstellung realer Glaubensinhalte.
 
Ich bin kein Experte, aber Dantes satirische Schilderung in Inferno entspricht größtenteils der christlichen Vorstellung. Zum Beispiel, dass im Limbus, dem 9. Höllenkreis, die totgeborenen und im Kindbett gestorbenen Kinder landen, die noch nicht zur Seligkeit des Glaubens gelangt sind. Und die Gerechten, die Dante benennt, waren auch in der Hölle, bis Christus in seiner Höllenfahrt die Alten aus Abrahams Schoß befreit und in den Himmel geholt hat (wenn ich recht verstanden habe). Also von da aus wohl nur eine überspitzte Darstellung realer Glaubensinhalte.

Ich bin mir nicht sicher, ob man trotz derber Sentenzen die Schilderung des Infernos als Satire verstehen kann.
 
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