Ebnete die Appeasement-Politik den Weg in den 2. Weltkrieg?

Soweit ich das überblicke,wollten die Franzosen wegen dem Rheinland intervenieren,die Engländer nicht.

Richtig, da muss ich mich korrigieren.

Für eine militärische Intervention war GB nicht gerüstet, und das von Frankreich angedachte Embargo wurde abgelehnt, was wesentlich auf die vorherige Ablehnung des britischen Italien-Embargos durch Frankreich nach der Abessinien-Intervention zurückgeführt wird.

Intern hemmte das frz. Militär, dass sich ebenfalls als unvorbereitet ansah.
 
Soweit ich das überblicke,wollten die Franzosen wegen dem Rheinland intervenieren,die Engländer nicht.

Frankreich war aber nicht bereit allein zu handeln.

Dann war da 1935 das englisch-deutsche Flottenabkommen,im Bruch mit den versailler Verträgen,zum großen Erstaunen der Franzosen.

Hierzu ist anzumerken, das Frankreich im Frühjahr 1935 sich in Verhandlungen bezüglich eines Beistandspaktes, der nach Lage der Dinge gegen Deutschland gerichtet sein sollte, mit der Sowjetunion befand. Des Weiteren richteten sich die Bemühungen der französischen Diplomatie in Osteuropa klar gegen das Deutsche Reich. Großbritannien wollte sich nicht von Paris in einen neuen Weltkrieg ziehen lassen.

Jahrgang 1914-18 D über 2 Millionen

F weniger als eine Million


Was beinhalten diese Zahlen?
 
Was mich immer wieder beschäftigt - wie konnten die gleichen Staaten, die in den 1920er Jahren noch überaus hart und erbarmungslos gegen Deutschland vorgingen, keinerlei Ein- oder Widerspruch duldeten, Deutschland nichteinmal als gleichgestellten Partner ansahen, und selbst kleinste Nichterfüllungen im Bezug auf den Versailler Vertrag zum Anlass nahmen, die Daumenschrauben fester anzuziehen, das Hitler-Regime so nachlässig, fast fahrlässig schalten und walten lassen?

Die Räumung der Besatzungszone um Köln wurde ja beispielsweise um ein Jahr verschoben, von Januar 1925 auf 1926, weil man irgendwo noch einige Gasmasken und Flammenwerfer gefunden hatte, die Deutschland nicht besitzen durfte und was der deutschen Regierung somit als "Nichterfüllung der Verpflichtungen in der Entwaffnungsfrage" ausgelegt wurde. Gegenüber Hitlerdeutschland begnügte man sich, selbst bei viel schwerer wiegenden Vertragsbrüchen, mit Protestnoten.
Als Reichskanzler Müller 1930 von der Abrüstungskommission forderte, auch die Siegermächte, voran Frankreich, sollten ihre Streitkräfte verkleinern, damit die Abrüstung nicht länger eine einseitige Angelegenheit zuungunsten Deutschlands bleibe, entgegnete Briand, dass deutsche 100.000-Mann Heer sei quasi eine Spezialistenarmee, die zahlenmäßig große Bevölkerung und die deutsche Industriekapazität seien Gründe genug, das derzeitige Kräfteverhältnis bestehen zu lassen. Briand lebte zu Hitlers Zeiten bereits nicht mehr, aber starb mit ihm auch jedes Interesse an einem energischen Vorgehen gegen Deutschland?

Ist dieses Umdenken einzig mit Regierungswechseln zu erklären? Oder erkannten die Briten und Franzosen bereits früh, dass Hitler unkontrollierbar war?
 
:confused::confused:Wie kommst Du denn auf diese merkwürdige Idee????? Es gibt absolut keinen Hinweis in der, aus meiner Sicht, relevanten Literatur, der diesen Schluss zuläßt.
Darum frage ich ja. :rofl: Mich wundert halt jedes Mal auf's Neue, wie leichtes Spiel Hitler mit seiner Aufrüstungspolitik hatte. Der Thementitel lautet ja "Ebnete die Appeasement-Politik den Weg in den 2. Weltkrieg?". Mir stellt sich dazu die Frage, wie es überhaupt zu dieser Appeasement-Politik und ihren vielen Facetten kommen konnte.
 
Kursorisch eine kurze Antwort:

0. Man war noch mental, von der Bevölkerungsentwicklung und auch ökonomisch vdurch den WW1 gekennzeichnet und wollte keinen weiteren Krieg. Chamberlain hat beispielsweise später befürchtet, dass ein weiterer Krieg genau das an englischer Kultur zerstört, was der Krieg eigentlich hätte schützen wollen.

1. Der Völkerbund, der das zentrale Instrument zur Sicherung der Stabilität sein sollte, konnte diese Rolle nicht spielen. Und auch die Stresa-Front zerfiel.

2. Die Weltwirtschaftskrise schwächte die ökonomische Kapazität von F und GB und bremste in Kombination mit noch hohen Schulden aus dem WW1 die Aufrüstung. Eine zu starke Militarisierung hätte massive innenpolitische Probleme bedeutet.

3. Es war ein latenter Druck über die Comintern vorhanden, die vor allem auch GB auf Distanz zu der UdSSR hielt.

4. Die USA waren isolationistisch und fielen als Akteur aus. Mit Kennedy (Vater von JFK), als Botschafter in London, war sogar ein Sympathisant einer NS-Ideologie in London aktiv.


5. Italien verfolgte seine eigenen Ziele

6. Hitler maskierte seine Ziele bis ca. 1937 und wurde erst ab diesem Zeitpunkt auch verbal kriegerischer (Hoßbach-Protokoll)

7. Hitler wurde sicherlich auch falsch eingeschätzt, auch weil er konservative Politiker wie Schacht etc. um sich versammelt hatte

8. Man ging eigentlich davon aus, dass Hitler im "klassischen" Sinne eine Revisionspolitik betrieben würde

9. Spanien war der eigentliche, erste Prüfstein für die Handlungsfähigkeit der westlichen Mächte und sie haben versagt.

10. Spanien war auch der Prüfstein für eine potentielle Kooperation zwischen den Westmächten und der UdSSR, deren Achitekt vor allem Litwinow war. Also die Gefahr eines Zweifrontenkrieges.

11. Belgien war neutral und somit gab es keine wirklich schnelle Möglichkeit, das 3. Reich entscheidend zu treffen.

12. Wie angedeutet, F war politisch polarisiert und eigentlich außenpolitisch nicht handlungsfähig. Und es ergab sich die interessante, ungewöhnliche Situation, dass vor allem die Sozialisten in F die Aufrüstung vorantrieben!

Einmal mehr der Verweis auf zwei Standardwerke dazu:
Das vergangene Reich: Deutsche Außenpolitik von Bismarck bis Hitler 1871 ... - Klaus Hildebrand - Google Books

Hitler's Foreign Policy, 1933-1939: The Road to World War II - Gerhard L. Weinberg - Google Books
 
Richtig, da muss ich mich korrigieren.

Für eine militärische Intervention war GB nicht gerüstet, und das von Frankreich angedachte Embargo wurde abgelehnt, was wesentlich auf die vorherige Ablehnung des britischen Italien-Embargos durch Frankreich nach der Abessinien-Intervention zurückgeführt wird.

Intern hemmte das frz. Militär, dass sich ebenfalls als unvorbereitet ansah.

Die Italienkarte spielte eigentlich jeder,es gab ja noch keine Achse.Beim Anschluss hatte Mussolini ja noch schmollend mobilisiert.

Wegen den üngenügenden Geburtsjahrgängen 1914-1918,sah sich das Militär nicht in der Lage offensiv vorzugehen.Man glaubte an die Maginotlinie.
 
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Was mich immer wieder beschäftigt - wie konnten die gleichen Staaten, die in den 1920er Jahren noch überaus hart und erbarmungslos gegen Deutschland vorgingen, keinerlei Ein- oder Widerspruch duldeten, Deutschland nichteinmal als gleichgestellten Partner ansahen, und selbst kleinste Nichterfüllungen im Bezug auf den Versailler Vertrag zum Anlass nahmen, die Daumenschrauben fester anzuziehen, das Hitler-Regime so nachlässig, fast fahrlässig schalten und walten lassen?

Die Räumung der Besatzungszone um Köln wurde ja beispielsweise um ein Jahr verschoben, von Januar 1925 auf 1926, weil man irgendwo noch einige Gasmasken und Flammenwerfer gefunden hatte, die Deutschland nicht besitzen durfte und was der deutschen Regierung somit als "Nichterfüllung der Verpflichtungen in der Entwaffnungsfrage" ausgelegt wurde. Gegenüber Hitlerdeutschland begnügte man sich, selbst bei viel schwerer wiegenden Vertragsbrüchen, mit Protestnoten.
Als Reichskanzler Müller 1930 von der Abrüstungskommission forderte, auch die Siegermächte, voran Frankreich, sollten ihre Streitkräfte verkleinern, damit die Abrüstung nicht länger eine einseitige Angelegenheit zuungunsten Deutschlands bleibe, entgegnete Briand, dass deutsche 100.000-Mann Heer sei quasi eine Spezialistenarmee, die zahlenmäßig große Bevölkerung und die deutsche Industriekapazität seien Gründe genug, das derzeitige Kräfteverhältnis bestehen zu lassen. Briand lebte zu Hitlers Zeiten bereits nicht mehr, aber starb mit ihm auch jedes Interesse an einem energischen Vorgehen gegen Deutschland?

Ist dieses Umdenken einzig mit Regierungswechseln zu erklären? Oder erkannten die Briten und Franzosen bereits früh, dass Hitler unkontrollierbar war?

Hart kontrolliert wurde der Versailler Vertrag nur von Frankreich.Die Amerikaner hatten ihn nicht unterschrieben.GB glaubte er wäre zu günstig für Frankreich.
 
Isleifson,

wie kommst Du auf die Idee die USA seien nicht Vertragspartner des Versailler Vertrags gewesen?
 
Darum frage ich ja. :rofl: Mich wundert halt jedes Mal auf's Neue, wie leichtes Spiel Hitler mit seiner Aufrüstungspolitik hatte. Der Thementitel lautet ja "Ebnete die Appeasement-Politik den Weg in den 2. Weltkrieg?". Mir stellt sich dazu die Frage, wie es überhaupt zu dieser Appeasement-Politik und ihren vielen Facetten kommen konnte.

Das ist eigentlich nicht schwer-GB und F hatten den 1WK gewonnen,aber nur mit den USA.

Der Krieg hatte die Kräfte von beiden überfordert. Die Imperien begannen sich aufzulösen.

Die totalitären Bewegungen Kommunismus,Faschismus,NS,brachten die Demokratien in eine existenzielle Krise,dazu die Weltwirtschaftskrise.

Die Übersicht behielten nur wenige,auf die wurde nicht gehört.


-Lyautey,Marschall von Frankreich

"Mein Kampf,muss jeder lesen." Tat aber keiner.

De Gaulle

Vers l'armée de métier -nicht beachtet.Doch von Guderian.

Georges Mandel

Wollte 1932 schon eingreifen.Urteil der Presse?Kriegstreiber!Jude sowieso.

Die germanophile englische Oberschicht,glaubte Hitler würde sie von den Bolscheviken befreien.Den Kettenhund Churchill,holte man erst aus dem Keller als es fast zu spät war.
 
Zuletzt bearbeitet:
..Mich wundert halt jedes Mal auf's Neue, wie leichtes Spiel Hitler mit seiner Aufrüstungspolitik hatte. ...

Darüber darf man sich wundern und ich finde Deine Fragen sehr berechtigt.

Nun gab es ja von Anfang an, mit dem Zustandekommen des Versailler Vertrags, erhebliche Bedenken, dass dieser den Boden für einen neuen großen Konflikt darstellen könnte.
Diese rationalen Überlegungen waren nach dem Schrecken des ersten Weltkriegs, der ja eine Zäsur der Geschichte darstellte, schwer vermittelbar.
Nicht nur, dass es der erste voll industrialisierte und totale Krieg war (ein Krieg also der alles wirtschaftliche Tun auf diesen ausrichtete),
er zerschlug auch riesige Imperien wie das östrreichische und osmanische.
Er beendete das deutsche und das russische Kaiserreich und stellte im Ergebnis die gesamte bisherige Wertestruktur Europas in Frage.

Nun hat es wohl ein bisserl gedauert, bis sich das allgemeine Befinden der tief geschockten Nationen der Rationalität im Umgang miteinander annähern konnte.

Ich vermute, und hoffe ggf. hier auf unsere Forumshistoriker, dass der vernüntige Appeasementgedanke erst allmählich in die Breite ging und sich unglücklicherweise in der öffentlichen Meinung der liberalen Staaten erst dann durchsetzte,
als Hitler bereits begann sein eigenes genial perfides Spiel zu spielen.
 

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Der Versailler Vertrag wurde zweifellos in der Weimarer Republik politisch instrumentalisiert, um die demokratischen Parteien zu bekämpfen. Das ist die innenpolitische Facette.

Bzgl. der deutschen Außenpolitik muss wohl zwischen West und Ost unterschieden werden. Im Osten wurde von allen Weimarer Regierungen eine Revisionspolitik verfolgt, weite Kreise hofften auf einen Untergang Polens.

Im Westen hatte man sich durch Völkerbund, Locarno-Vertrag und Briand-Kellogg-Vertrag arrangiert. Dieses Zugehen der Westmächte auf das Deutsche Reich stellte bereits materiell eine Revision des Versailler Vertrages dar, eine Appeasement-Poilitik gegenüber dem ausgegrenzten Kriegsverlierer Deutschland, um die Außenpolitik zu normalisieren.

Militärisch zeigte sich zB ein britisches Appeasement schon vor Hitlers Machtergreifung, wenn selbst ein Vansittart einräumte, man könne dem Deutschen Reich die Wiederbewaffnung, das Saarland etc. nicht auf Dauer vorenthalten (auch mit Blick auf die deutsche Innenpolitik) und müsse zu einer Revision des Versailler Vertrages kommen. Wirtschaftlich kamen die Reparationen unter Dawes- und Young-Plan zu einer tragbaren Regelung, auch wenn die politischen Extreme dagegen massiv polemisierten.

@thanepower hat das oben gut aufgerissen. Der frühe Hitler ist mehr das "foster-child of Inflation", diese wiederum direkte Kriegsfolge. Der spätere Aufstieg des NS ist eng mit der Weltwirtschaftskrise verknüpft, diese wiederum im Auslöser mit binnenwirtschaftlichen Fehlentwicklungen in den USA, weniger mit materiellen Folgen des Versailler Vertrages.

Zugespitzt könnte man auch einen Web-Fehler im Versailler Vertrag dergestalt sehen, dass das Deutsche Reich als Kriegsbedrohung in Mitteleuropa nicht wirksam auf Dauer ausgeschaltet und zerschlagen worden ist (dagegen sprachen zweifelsohne einige Kalküle, so der Blick auf die Revolution in Rußland, oder die Erhaltung der ökonomischen Kraft zur Begleichung der Reparationen). Hitlers Expansionspolitik 1937/39 hatte mit dem Versailler Vertrag kaum etwas zu tun, und der Überfall auf Polen stand nicht in einer Kausalkette zu Versailles ("Danzig ist nicht das Objekt, um das es geht").

Die kritische Debatte über Versäumnisse der Appeasement-Politik wurde in dem Sinne auch stets instrumentalisiert (gerade mit Blick auf das "Ergebnis" am 1.9.1939), um angebliche Fehler des Versailler Vertrages, Mitschuld der Westalliierten am Aufstieg der NSDAP und Hitlers zu belegen. Daneben hatte die Appeaser/Anti-Appeaser-Debatte stets innenpolitisch, speziell in Großbritannien, den Charakter einer Auseinandersetzung und "Schuldabrechung" (siehe ebenfalls die Hinweise von @thanepower, auch die Diskussion hier im Forum).

Man sollte diese Debatten-Polemik scharf von der Beurteilung der seinerzeitigen Verhältnisse und Ereignisse trennen, auch von "Prophezeihungen" über angeblich drohende "30-jährige Kriege", weil ansonsten dem NS und den Angriffskriegen Hitlers ein nahezu "determinierter" Aspekt beigelegt wird, der wiederum für die Apologie von Angriffs-, Eroberungs- und Vernichtungskriegen missbraucht werden kann.

Zwischen Versailles und Hitler 1937/39 gab es genügend Weichenstellungen, um eine "Zwangsläufigkeit" zwischen dem Vertrag und den Eroberungsversuchen auszuschließen. Ob ein "milderes" Versailles im Appeasement-Sinne Hitler ausgeschlossen hätte, oder ein noch härterer Vertrag alle NS-Ambitionen unterdrückt hätte, ist reine Spekulation.
 
Im Westen hatte man sich durch Völkerbund, Locarno-Vertrag und Briand-Kellogg-Vertrag arrangiert. Dieses Zugehen der Westmächte auf das Deutsche Reich stellte bereits materiell eine Revision des Versailler Vertrages dar, eine Appeasement-Poilitik gegenüber dem ausgegrenzten Kriegsverlierer Deutschland, um die Außenpolitik zu normalisieren.

In diesem Kontext auch der Hinweis auf die Genfer Abrüstungskonferenz, die bereits im Kern 1932!!!!, also vor der Machtergreifung, die Gleichwertigkeit für Deutschland vorsah und somit den Abschied aus der post-WW1 Machtsituation beinhaltete.

Genfer Abrüstungskonferenz ? Wikipedia

In diesem Sinne erntete Hitler lediglich die "Früchte", die im Vorfeld seiner Machtergreifung bereits am reifen waren, um es einmal prosaisch auszudrücken.

Und dieser Termin stellt auch den Wendepunkt dar, so Hughes, für die Veränderung der französichen aktiven "Appeasement-Politik" in Bezug auf Deutschland, hin zu einer reinen reaktiven Politik, die ohne Alternativen oder Widerstand zu formulieren die Schritte Hitlers in den 30er Jahren hinnahm. Und in der Niederlage von 1940 kulminierte, fast zwangsläufig (in der kausalen Abfolge und nicht im deterministischen Sinne).

To the Maginot Line: The Politics of French Military Preparation in the 1920's - Judith M. HUGHES, Judith M Hughes - Google Books
 
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