Erbfolge im italienischen Adel?

Pazzina

Neues Mitglied
Hallihallo,

ich hätte eine eher spezifische Frage, mit der ich bereits erfolglos google gequält habe. Auch die Suchfunktion hier im Forum hat nichts hergegeben. Vielleicht habt ihr aber trotzdem eine Antwort bzw. einen hilfreichen Denkansatz für mich. Ich bin für jegliche Hinweise dankbar, bzw. kann es gut sein, dass ich schon ein Brett vorm Kopf habe und das Offensichtliche nicht mehr sehe :autsch:

Und zwar folgendes Szenario ... der Kern einer Adelsfamilie in und um Florenz im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts besteht aus Mann, Frau, erstgeborenem Sohn und Tochter. Vater und Sohn sterben, die Tochter war zu diesem Zeitpunkt noch unverheiratet. Da kein Agnat (i.e. der erstgeborene Sohn) mehr vorhanden ist, verlöscht somit die männliche Linie der Familie.

Nun meine Frage: Welche Möglichkeiten hätte die Tochter rein THEORETISCH gehabt, den Familiennamen an ihre Kinder weiterzugeben? Durch "normale" Heirat wäre der Familienname ja vollkommen verschwunden. Aber was wäre zum Beispiel mit einem unehelichen Kind passiert? Hätte das den Namen (und Stand?) der Mutter "erben" können?

Sehr speziell, die Frage, ich weiß ... aber vielleicht fällt ja jemandem etwas dazu ein?

LG
 
Unter Vorbehalt: Meines Wissens war auch in Italien die Lex Salica gültig, damit galten Frauen als nicht erbberechtigt. Hin und wieder wurde das zwar übergangen, aber im Sinne des Adels war es i.d.R. so, dass die Erben den Rang des Vaters erhielten, nicht den der Mutter. Insofern war es zwar für einen Mann attraktiv eine Frau aus dem höheren Adel zu heiraten, auch wenn das keine unmittelbare Statusveränderung für den Mann zur Folge hatte, aber für eine Frau bedeutete es einen Statusverlust, einen Mann aus dem niedrigeren Adel oder gar einen Nichtadeligen zu heiraten.
 
Unter Vorbehalt: Meines Wissens war auch in Italien die Lex Salica gültig, damit galten Frauen als nicht erbberechtigt.

Huch, danke für die schnelle Antwort :)

An die Lex Salica hatte ich auch schon gedacht. Leider ... passt mir das so gar nicht in den Kram ... aber da kann man nichts machen ;)


Hin und wieder wurde das zwar übergangen, aber im Sinne des Adels war es i.d.R. so, dass ...

Das heißt es hätte unter gewissen Umständen Ausnahmen von dieser Regel geben können ...? Hast du was Bestimmtes (zB einen Präzedenzfall) im Kopf, wenn du sagst, dass das hin und wieder übergangen wurde?
 
Es hat ja immer wieder Versuche gegeben über das Erbe der Mutter einen Herrschaftsanspruch zu legitimieren. Ob das anerkannt wurde oder nicht, war dann meist weniger der Gesetzestreue geschuldet, als dem politischen Willen. Wenn es nicht anerkannt wurde, verwies man eben auf die Lex Salica, wenn man die Legitimation über das Muttererbe anerkannte, vergaß man, sie zu konsultieren. (Leider kann ich gerade kein Beispiel nennen :rotwerd:)
 
Ob das anerkannt wurde oder nicht, war dann meist weniger der Gesetzestreue geschuldet, als dem politischen Willen.

Verstehe. Dass man es mit der Gesetzestreue nicht so hatte, habe ich schon vermutet. Letztendlich brauchte frau wohl einfach die richtigen Argumente um als erbberechtigt anerkannt zu werden.

(Leider kann ich gerade kein Beispiel nennen :rotwerd:)

Das macht nix. Gerade hab ich im Wiki-Artikel über die morganatische Ehe einiges dazu lesen und auch den ein oder anderen Beispielfall finden können. Hat mir alles schon mal sehr weiter geholfen und ich habe zumindest einen neuen Denkansatz. Dennoch ... falls jemandem noch was einfällt - her damit! :O
 
...
Das heißt es hätte unter gewissen Umständen Ausnahmen von dieser Regel geben können ...? Hast du was Bestimmtes (zB einen Präzedenzfall) im Kopf, wenn du sagst, dass das hin und wieder übergangen wurde?

Ad hoc, zwar keine italienische Fürstenfamilie, aber eine reichsständische, schau mal unter Margarete Maultasch nach, da wurde via Individualvereinbarung die männliche Erbfolge umgangen. Die pragmatische Sanktion wir Dir ja bekannt sein, was darüber hinaus m.E. bliebe, die Durchsicht päpstlicher Dispense, das ist aber ohne Anhaltspunkte eine "Fleißaufgabe".

M.
 
... schau mal unter Margarete Maultasch nach, da wurde via Individualvereinbarung die männliche Erbfolge umgangen.

Das mach' ich, danke für den Tipp :)


Die pragmatische Sanktion wir Dir ja bekannt sein ...

Jo, ist sie. Da die aber ja erst ... äh, siebzehnhundertnochwas veröffentlich wurde, wollte ich nach etwas "zeitnäheren" Fällen suchen. Danke aber trotzdem für die Antwort und die Mühe :)
 
Und zwar folgendes Szenario ... der Kern einer Adelsfamilie in und um Florenz im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts besteht aus Mann, Frau, erstgeborenem Sohn und Tochter. Vater und Sohn sterben, die Tochter war zu diesem Zeitpunkt noch unverheiratet. Da kein Agnat (i.e. der erstgeborene Sohn) mehr vorhanden ist, verlöscht somit die männliche Linie der Familie.

Nun meine Frage: Welche Möglichkeiten hätte die Tochter rein THEORETISCH gehabt, den Familiennamen an ihre Kinder weiterzugeben? Durch "normale" Heirat wäre der Familienname ja vollkommen verschwunden. Aber was wäre zum Beispiel mit einem unehelichen Kind passiert? Hätte das den Namen (und Stand?) der Mutter "erben" können?

Ich kann das nur für das in deutschen Landen geltende Recht beantworten, doch galt das auch im Italien des Mittelalters.

Das Mittelalter hielt an dem überlieferten Grundsatz fest, dass die Blutsverwandten des Erblassers die berufenen Erben sind. Waren die ausgestorben und nur noch eine Erbtochter übriggeblieben, konnte sie ihr Erbgut durch Heirat an eine andere Dynastie weitergeben.

Allerdings konnte sie nicht selbst Herrschaft ausüben. Es gab im Heiligen Römischen Reich, wo das Salische Gesetz galt, keine weibliche Erbfolge. Ausnahmen davon bildeten Fälle, wo ein Herrscher ausdrücklich den Kaiser und andere Mächte darum bat, eine weibliche Erbfolge zuzulassen. Auf diese Weise war z.B. die Tiroler Fürstin Margarete Maultasch mit Einwilligung des Kaisers zur Erbnachfolge gekommen, allerdings übernahm die Regierung Tirols ihr Mann Johann von Luxemburg-Böhmen.

Bei einer Heirat der Erbtochter war es zuweilen üblich, dass der Ehemann seinem Dynastennamen den Namen der Dynastie seiner neuen Ehefrau hinzufügte. Das geschah meist dann, wenn die Erbtochter/Ehefrau einer Dynastie mit hohem Prestige entstammte.

Ein Beispiel: 1495 erbte der Wild- und Rheingraf Johann V. über seine Gemahlin Johanna die Hälfte des Besitzes der Grafen von Salm. Daraufhin übernahm dieser Zweig der Dynastie deren Namen und nannte sich künftig Grafen (später Fürsten) von Salm. Das Geschlecht der Grafen von Salm genoss hohes Ansehen und hatte im 11. Jh. sogar mit Hermann von Salm einen Gegenkönig gestellt.
 
Ich kann das nur für das in deutschen Landen geltende Recht beantworten, doch galt das auch im Italien des Mittelalters ...

... ja, eben, des Mittelalters. Galt all das denn tatsächlich auch in den italienischen Republiken, beispielsweise im Florenz der de' Medici?

Im HRRDN gab es also den Ausnahmefall, der vom Kaiser legitimiert wurde, wie zB der von Margarete Maultasch. Könnte die Erbberechtigung einer Frau beispielsweise in Florenz nicht von der Signoria legitimiert worden sein, wenn es sich um eine Familie des florentinischen Stadtadels handelte? So nach dem ganz plakativ formulierten Motto: Was der Kaiser kann, kann ein de' Medici schon längst? ;)
 
... ja, eben, des Mittelalters. Galt all das denn tatsächlich auch in den italienischen Republiken, beispielsweise im Florenz der de' Medici?

Im HRRDN gab es also den Ausnahmefall, der vom Kaiser legitimiert wurde, wie zB der von Margarete Maultasch. Könnte die Erbberechtigung einer Frau beispielsweise in Florenz nicht von der Signoria legitimiert worden sein, wenn es sich um eine Familie des florentinischen Stadtadels handelte? So nach dem ganz plakativ formulierten Motto: Was der Kaiser kann, kann ein de' Medici schon längst? ;)

Das kann ich nicht beantworten, da mir alle diesbezüglichen Kenntnisse fehlen. Aber auch in der Republik Florenz wird der Name einer Dynastie mit der letzten Erbtochter erloschen sein.
 
Das ... widerspricht sich irgendwie gegenseitig ;)

Wieso das?

Bleibt als letzte einer Dynastie eine Erbtochter übrig, so bringt sie in eine neue Ehe ihren ererbten Besitz ein. Erbtochter bedeutet, dass sie das private Eigentum einer Herrscherfamilie erbt. Allerdings tritt sie nicht die Erbfolge einer Herrschafr an, denn nach dem salischen Gesetz, das auch in Italien galt, konnten Frauen keine Landesherrschaft ausüben.

Man muss hier also unterscheiden zwischen dem Erbgut einer Frau und einer Erbfolge in der Herrschaft, die allein Männer ausüben konnten. Daher auch die umkämpfte Pragmatische Sanktion, mit der Kaiser Karl VI. erstmals eine weibliche Erbfolge in den habsburgischen Ländern zuöassen wollte. Pragmatische Sanktion ? Wikipedia
 
Wieso das?

Bleibt als letzte einer Dynastie eine Erbtochter übrig, so bringt sie in eine neue Ehe ihren ererbten Besitz ein. Erbtochter bedeutet, dass sie das private Eigentum einer Herrscherfamilie erbt. Allerdings tritt sie nicht die Erbfolge einer Herrschafr an, denn nach dem salischen Gesetz, das auch in Italien galt, konnten Frauen keine Landesherrschaft ausüben.

Man muss hier also unterscheiden zwischen dem Erbgut einer Frau und einer Erbfolge in der Herrschaft, die allein Männer ausüben konnten.

Hm, okay, das ergibt Sinn und ist ein sehr hilfreicher Hinweis, vor allem das mit der Unterscheidung zwischen privatem Vermögen und Herrschaft. Vielen lieben Dank :anbetung:

Aber ... so rein theoretisch: Was wäre wenn diese Erbtochter NICHT geheiratet hätte? Was, wenn sie ein uneheliches Kind gehabt hätte?
 
Aber ... so rein theoretisch: Was wäre wenn diese Erbtochter NICHT geheiratet hätte? Was, wenn sie ein uneheliches Kind gehabt hätte?

Unehelichen Kindern wurde das Erbrecht versagt. Allerdings waren Vater und Mutter meist verpflichtet, sie so lange zu unterhalten, bis sie einen Beruf ausüben konnten. Es gab auch einen Unterhaltsanspruch des unehelichen Kindes gegen den Vater. Zuweilen wurde unehelichen Kindern ein subsidiäres Erbrecht eingeräumt, z.B. hinter den ehelichen Kindern der Mutter.

Welchen Namen die Kinder trugen, ist mir nicht bekannt. Bei Wiki fand ich dazu das hier:

Das uneheliche Kind führt meist den Familiennamen der Mutter; war die Mutter in historischer Zeit adelig, dann ohne Adelsprädikat, doch sind die Fälle nicht selten, dass es nach Anerkennung der Vaterschaft den Familiennamen des Vaters annimmt (oder diesen durch spätere Eheschließung der Eltern erhält). Aber auch nach dieser Legitimation kam es in vergangenen Jahrhunderten vor, dass das auf den Namen der Mutter getaufte Kind deren Geburtsnamen beibehielt.
 
Ahh ja, der Geburtsname der Mutter ohne Adelsprädikat - gut zu wissen!

Danke für die sehr hilfreichen Infos, lieber Dieter! Damit komme ich wohl erst mal zurecht ... kann aber durchaus sein, dass ich später noch mal Deine/Eure Hilfe brauche und noch ein paar blöde Fragen stellen muss ;)
 
Die Lösung für Dein Problem - und das Deiner fiktiven Adligen - ist eigentlich ganz einfach: Sie muss sich einen entsprechend hochrangigen Vater für ihr uneheliches Kind besorgen, der dann da für sorgt, dass der Sprößling Namen, Titel und Besitz des Großvaters mütterlicherseits erbt.

Zumindest im Rahmen eines Romans doch kein Problem, oder ?;)
 
Die Lösung für Dein Problem - und das Deiner fiktiven Adligen - ist eigentlich ganz einfach: Sie muss sich einen entsprechend hochrangigen Vater für ihr uneheliches Kind besorgen, der dann da für sorgt, dass der Sprößling Namen, Titel und Besitz des Großvaters mütterlicherseits erbt.

Zumindest im Rahmen eines Romans doch kein Problem, oder ?;)

Das gab es tatsächlich häufig, dass adlige Väter ihre unehelichen Sprösslinge anerkannten und ihnen auch Adelstitel und Besitz verliehen. Ein berühmtes Beispiel ist Juan de Austria, unehelicher Sohn Kaiser Karls V. und der Regensburger Bürgertochter Barbara Blomberg. Der Kaiser erkannte ihn in seinem Testament als leibliches Kind an und sein Halbbruder König Philipp II. von Spanien führte ihn in die Hofgesellschaft ein, wie es der Vater testamentarisch bestimmt hatte.

Bekannt ist Juan de Austria durch seinen Sieg in der Seeschlacht von Lepanto über die türkische Flotte.
 
Wieso das?

Bleibt als letzte einer Dynastie eine Erbtochter übrig, so bringt sie in eine neue Ehe ihren ererbten Besitz ein. Erbtochter bedeutet, dass sie das private Eigentum einer Herrscherfamilie erbt. Allerdings tritt sie nicht die Erbfolge einer Herrschafr an, denn nach dem salischen Gesetz, das auch in Italien galt, konnten Frauen keine Landesherrschaft ausüben.

Man muss hier also unterscheiden zwischen dem Erbgut einer Frau und einer Erbfolge in der Herrschaft, die allein Männer ausüben konnten. Daher auch die umkämpfte Pragmatische Sanktion, mit der Kaiser Karl VI. erstmals eine weibliche Erbfolge in den habsburgischen Ländern zulassen wollte. Pragmatische Sanktion ? Wikipedia

Wobei die Pragmatische Sanktion etwas komplizierter ist, da es Kaiser Karl VI. nicht einfach darum ging, die weibliche Erbfolge in den habsburgischen Ländern zuzulassen, sondern er wollte mit dieser Nachfolgeordnung erreichen, dass seine älteste Tochter (also Maria Theresia) die habsburgischen Länder ungeteilt erbt. (Er wollte einerseits, dass es zu keiner Aufteilung der Länder kommt unter den Ehemännern seiner Töchter und seiner Nichten, und er wollte so verhindern, dass nicht seine Nichten (bzw. seine älteste Nichte) erbt, die schließlich die Töchter (bzw. Tochter) seines älteren Bruders war(en).

Üblicherweise wurde die weibliche Erbfolge bei den Habsburgern (und nicht nur in dieser Dynastie) auch dadurch verhindert, dass Habsburgerinnen bei Heirat einen ausdrücklichen Verzicht auf ihren Erbanspruch leisten mussten.
 
Wobei die Pragmatische Sanktion etwas komplizierter ist, da es Kaiser Karl VI. nicht einfach darum ging, die weibliche Erbfolge in den habsburgischen Ländern zuzulassen, sondern er wollte mit dieser Nachfolgeordnung erreichen, dass seine älteste Tochter (also Maria Theresia) die habsburgischen Länder ungeteilt erbt.

Das alles bezeichnet man als "weibliche Erbfolge", die nach dem Salischen Gesetz nicht statthaft war. Was Maria Theresias Vater damit im einzelnen erreichen wollte, steht auf einem ganz anderen Blatt.

Üblicherweise wurde die weibliche Erbfolge bei den Habsburgern (und nicht nur in dieser Dynastie) auch dadurch verhindert, dass Habsburgerinnen bei Heirat einen ausdrücklichen Verzicht auf ihren Erbanspruch leisten mussten.

Basis war stets die Lex Salica, die eine weibliche Erbfolge nicht zuließ. Da davon auch Erbschaftsansprüche anderer Dynastien betroffen waren, musste Karl VI. verschiedene europäische Mächte um Zustimmung bitten. So u.a. die Wittelsbacher und die Wettiner, die Thronprätendenten hatten, falls es eine Pragmatische Sanktion nicht gegeben hätte.
 
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