Warum immer nur Kolonialgeschichte?

Ich kann mir vorstellen, daß es daran lag, daß die ersten Eindrücke der europäischen Entdecker nicht die waren, wie sie sie aus Südamerika hatten. Eben keine funktionierenden, großen Staatssystem, keine Bauwerke, die die Europäer mit einer Hochkultur in Verbindung brachten. Die Ruinen, die heute als Spuren afrikanischer Hochkulturen bekannt sind, wurden ja erst spät entdeckt und anerkannt.

So blieben die Einschätzungen lange festgefahren.

Das ist nicht unbedingt richtig. Es gab in Afrika als die "Entdecker" kamen durchaus funktionierende Staatensysteme nur, waren die für einen Europäer, der im 18./19. Jhd. kam deutlich weniger Beeindruckend und effizient als er es von zu Hause kannte. Im 16. Jhd. war das in Südamerika noch etwas anderes. Die Kultur war höher stehend, die eigene Kultur hingegen deutlich weniger entwickelt.
 
Das ist nicht unbedingt richtig. Es gab in Afrika als die "Entdecker" kamen durchaus funktionierende Staatensysteme nur, waren die für einen Europäer, der im 18./19. Jhd. kam deutlich weniger Beeindruckend und effizient als er es von zu Hause kannte. Im 16. Jhd. war das in Südamerika noch etwas anderes. Die Kultur war höher stehend, die eigene Kultur hingegen deutlich weniger entwickelt.

Frage: Verstehe ich dich richtig, daß du die europäischen "Entdecker" Afrikas ins 18./19. Jahrhunderts stellst?
 
Im 16./17. Jhd. wurden vor allem einige Küstengebiete besetzt, meist in Folge des Sklavenhandels als Handelsposten oder Versorgungspunkte für Schiffe. Das (christianisierte) Kongo-Reich war ein interessantes Phänomen seiner Zeit bei dem sich ein afrikanischer Staat schnell modernisierte und die Ankunft der europäer die afrikanische Gesellschaft auf den Kopf stellten. Dennoch waren das nur kleine Eingriffe. Die wirklich "Entdeckung" und damit Eroberung Afrikas folgte erst im 18./19. Jhd.
 
Nicht unberechtigte Nachfrage, da die Portugiesen schon im 16.Jahrhundert da unterwegs waren. Zumindest an den Küsten..
Allerlei Sklavenhändler befuhren die afrikanischen Küsten, und da sie erfolgreich in ihrem "Gewerbe" waren, werden sie sich schon recht gut ausgekannt und orientiert haben.
Dennoch sind die berühmten Afrikaexpeditionen (Nilquellen etc.) im 19. Jh. zu finden, z.B. Richard Francis Burton ? Wikipedia
interessant hierzu: Liste von Afrikaforschern ? Wikipedia
 
Wenn ich etwas 'haarspalterisch' seien darf....

Es ist schon interessant wie selbst in Antworten die hier zu lesen sind, das Meiste dass mit 'Alt-Afrika' verbunden wird, vor allem mit 'gemeinsame Vorgeschichte' zum tun hat.

Neolitische Felszeichnungen, die im heutigen Tschad gefunden wurden - und die dieses heutzutage 'ödes und von einer riesigen Wüste dominiertes Land' als ein fruchtbares und dicht besiedeltes Gebiet darstellen (wobei sie möglicherweise Zeugnise einer früheren Entwicklung als in Ägypten darstellen) - fallen einem offenbar nicht ein...

Kann es mit Bekanntheitsgrad derartiger Funde zusammen hängen?
 
Es ist schon interessant wie selbst in Antworten die hier zu lesen sind, das Meiste dass mit 'Alt-Afrika' verbunden wird, vor allem mit 'gemeinsame Vorgeschichte' zum tun hat.

ich hatte den Anfangsbeitrag von ElQ so aufgefasst, dass es auch um die Entstehung, die Geschichte des europäischen Afrikabildes gehen könnte - möglicherweise habe ich mich da geirrt.

Tom stellt eigentlich genau das fest, was ich meinte: Afrikanische Geschichte wird immer irgendwie als Wurmfortsatz der europäischen oder mediterranen Geschichte wahrgenommen, wenn man mal von der menschlichen Evolutionsgeschichte absieht, wo ja eher der Rest der Welt Afrikas Wurmfortsatz ist.
 
Tom stellt eigentlich genau das fest, was ich meinte: Afrikanische Geschichte wird immer irgendwie als Wurmfortsatz der europäischen oder mediterranen Geschichte wahrgenommen, wenn man mal von der menschlichen Evolutionsgeschichte absieht, wo ja eher der Rest der Welt Afrikas Wurmfortsatz ist.
Und im Fall der äthiopischen Geschichte hat es auch lange gedauert, bis die westliche Geschichtsforschung den Äthiopiern ihre eigenen Kulturleistungen zugebilligt hat und sie nicht fremden Einflüssen zuschrieb. Kann ja nicht sein, dass diese Schwarzen ohne Hilfe von außen solche beeindruckenden Monumente geschaffen haben.
 
Nun die Kulturen Südamerikas sind einfach besser dokumentiert, als die Afrikanische Kultur. Von daher halte ich das Desinteresse an Afrika nicht für Eurozentrismus sondern mehr für ein Problem der Quellenlage. Über die Bewohner Süd und Mittelamerikas weiss man einfach mehr. Selbst die Osterinsel kann man GEschichtlich Lückenloser erschließen als Afrika.
 
Die Frage ist halt, ob man nicht deshalb über die Kulturen Altamerikas und der Osterinsel mehr weiß, weil man sie interessehalber mehr erforscht hat.
 
Die Zeit vor der Kolonialisierung der Südamerikanischen Kulturen füllt ganz Bücher, ich weiss es denn ich hab mal eins gelesen. Leider kann ich mich nicht an den Titel errinnern, aber das war schon ziemlich detailliert, welche Kulturen wann und wie existierten und wen sie ablösten ect. Von daher habe ich persönlich den Eindruck gewonnen, dass wir mehr über die Kulturen Altamerikas wissen.
 
Die Zeit vor der Kolonialisierung der Südamerikanischen Kulturen füllt ganz Bücher, ich weiss es denn ich hab mal eins gelesen.

Das ist ja gerade das Auffällige:

Zu den vorkolonialen Reichen Amerikas gibt es fast keine vorkolonialen Quellen, aber heutzutage eine Unmenge Bücher.

Zu den vorkolonialen Reichen Afrikas gibt es vorkoloniale Quellen, aber Bücher darüber muss man mit der Lupe suchen.
 
Warum eigentlich ist Afrika der Kontinent, den wir - vielleicht abgesehen vom muslimischen Norden - immer nur als Kontinent der Kolonialgeschichte wahrnehmen? Wir wissen zwar meist nicht viel über die Azteken, Olmeken, Tlaztalteken, die Maya, die Aymara und die Guarani - aber immerhin - sie kommen in unserem Geschichtsbild vor. Afrika dagegen ist vorkolonial in unserem Geschichtsbewusstsein eine weiße Landkarte. Die Geschichte keines anderen nichteuropäischen Kontinents wird so eurozentrisch betrachtet, wie die Afrikas. Warum ist das so?
Warum finden Großsimbabwe, Aksum, Ankole, Buganda, das alte Mali, welches schon vor seiner Islamisierung eine wichtige Handelsregion war in unseren Köpfen so gut wie nicht statt? (Großsimbabwe außer den nordafrikanischen Gebieten noch am ehesten).

Eine interessante Frage, mit der ich mich auch mal beschäftigt habe. Ich denke, dass neben allen geschichtswissenschaftlichen Erklärungsansätzen im Hinblick auf Quellen oder politische Struktur der Grund doch eher in der Diskursgeschichte zu sehen ist.
Afrika, das südsaharische, scheint von Anfang an als eine Art Gegenentwurf zu Europa, d.h. zu allem kulturellen Hochstehenden, entworfen worden zu sein. Während sich der Afrikadiskurs oberflächlich mit dem Beginn der Dekolonisation, Pluralisierung und Demokratisierung in Deutschland gewandelt zu haben scheint, ist seine Grundlage, nämlich der diametrale Gegensatz auf kultureller Ebene, noch immer wirkmächtig.
Seit Jahre wird darum gerungen, wie man aus Afrika stämmige Menschen bezeichnen sollte und eine granze Reihe von Begriffen kamen in den allgemeinen Sprachgebrauch und wurden wieder aus diesem herausgelöst. Aber das klassische Bild Afrikas hat sich nicht verändert.
Noch heute wird Afrika gleichgesetzt mit Armut, mit Unfairness, mit Korruption und Leid, symbolosiert von den kleinen Kindern mit aufgeblähten Bäuchen und großen Augen, die auf Spendenplakaten zu sehen sind. Auf der anderen Seite wird die afrikanische Kultur gleichgesetzt mit "dauergrinsenden", ewig tanzenden und mit allerlei Fellen und Federn geschmückten Muskelmännern. Afrika wird als, im Gegensatz zu Europa, friedliebend, entspannt, rhytmisch, musikalisch, fröhlich und im Einklang mit Natur dargestellt. Ganz ähnlich, wie das auch im Hinblick auf die Ureinwohner Nordamerikas der Fall ist.

Aus diesen beiden Sichtweisen - aber nicht nur aus jeweils einer, sondern bunt gemischt - bezogen gewisse politische Positionen, ich möchte sie einmal die negativ rassistische und die positiv rassistische nennen, die Argumente für ihr Afrikabild. Das Afrika mehr als eben jener "Wurmfortsatz" der europäischen Geschichte ist und eine eigene Identiät besitzt (vllt nicht unbedingt als Afrika, das ja wiederum ein europäischer Begriff ist) und vor allem die Ähnlichkeiten mit der europäischen Geschichte, werden da als störend ausgeblendet. Ein Beispiel: Aus negativ rassistischer Sicht passen afrikanische Großreiche nicht ins Bild, denn zu solch einer Kulturleistung hielt man dererseits die Einwohner Afrikas nicht für in der Lage. Sie passt aber genauso wenig ins Bild der positiv rassistischen Lager, denn Großreiche mit all ihren Auswirkungen wurden als europäische Auswüche angesehen, die man im naturverbundenen Afrika nicht vermuten möchte.

Schaut man sich die nachkoloniale Geschichte Afrikas an, dann muss man zwar durchaus konstatieren, dass es sehr viele Konflikte und Probleme gab, aber das die Entwicklungen zum Teil auch durchaus "typisch" europäisch waren: Technisierung der Landwirtschaft, Schulen, Universitäten, Städtebau, Kapitalisierung etc. pp. Man könnte beinahe behaupten, die oben genannten Sichten auf Afrika machten den Kern der europäischen Tradition mit Blick auf den südlichen Kontinent aus.
Aber das ist natürlich ein generelles Problem. Wie viel Afrika stand seit 1900, 1945, 1970, 1990 auf dem Lehrplan in der Schule? Wie viele Politiker/Parteien setzten sich im letzten Jahrhundert für ein neues Afrikabild ein? Wie viel Interesse an unvoreingenommener Berichterstattung über Afrika hatte die Presse?

Ich habe mir mal den Spaß gemacht zu schauen, wie Afrika auf den Spiegeln Titeln in den 50ern, 70ern, 90ern und 2000ern dargestellt wurde:
In der Ausgabe 34 aus dem Jahr 1950 ist ein Afrikaner dargestellt, der grinst während er trommelt. In Ausgabe 18 1952 ist ein Mann mit Glatze dargestellt, der eine Pfeiffe im Mund hat, offenbar keine Oberbekleidung trägt und untertitel wurde mit: "In die Weltpolitik katapultiert. Medizinmann und Ministerpräsident Dr. Kwame Nkrumah" Heft 33 1973 titelt "Kolonialmacht Portugal. Massaker inb Mocambique". Nr 31 1975 teilt uns mit: "Afrika. Flucht der Weissen". Heft 12 aus dem Jahr 1975 zeigt Idi Amins Porträt nebst einer nackten Afrikanerin, die eine scheinbar traditionell afrikanische Frisur träft. 1991 lautete der Titel von Heft Nr. 25: "Sex % AIDS in Afrika", gezeigt wird ein Paar dass sich umarmt innerhalb eines Bildausschnittes, der die Form des Kontinents hat. Im folgenden Jahr titelt Heft Nr. 51 mit: "Elends-Kontinent Afrika. Rettung durch die Weißen?" Gezeigt wird jemand, der das Gesicht in die Hand gelegt hat und weint. Auffallend ist, dass seit der Jahrtausendwende kein afrikaspezifisches Thema mehr auf den Titelseiten zu finden ist. Ausnahme ist das kürzlich erschienene Heft zum Tode Nelson Mandelas.
Kein einziges Thema bezüglich der afrikanischen Kultur im Stile, wie es sie etwa über die islamische, die chinesische, die südamerikanische oder andere gab, in denen ein repräsentatives Bauwerk, Landschaft etc. oder ähnliches zu sehen ist.

Nur um das am Ende klar zu stellen. Ich möchte mich hier gar nicht über andere erheben, ich selbst kann diesem Diskurs nicht entkommen und leide selbst unter Vorannahmen bezüglich Afrikas, die nur schwerlich abzustellen sind.
 
Zur vorkolonialen Geschichte Afrikas kenne ich eigentlich nur Joseph Ki-Zerbo, Die Geschichte Schwarz-Afrikas, Wuppertal 1979. Das Werk hat seine Schwächen in der sozialistischen Überzeugung des Autors und einigen mittlerweile überholten Informationen, was natürlich nicht dem Autor anzulasten ist. (Das Buch wurde meines Wissens von der UN gefördert, da es keine umfassende Geschichte Afrikas gab.)

Kann vielleicht jemand weitere Literatur zur vorkolonialen Geschichte Afrikas nennen?

PS: Gerade fällt mir auf, dass ich mich befleißigt fühlte den Wiki-Artikel zu Ki-Zerbo zu verlinken. Dabei gilt er als "wichtigster schwarzafrikanischer Historiker", wie auch der Artikel sagt. Ich denke, dass ist typisch für unsere Betrachtungsweise Afrikas.
 
Zurück
Oben