Die britische Fernblockade 1914-1918

@silesia:Wie ist dein Standpunkt zu dieser Begegnung der Flotten?

War es ein unter den Umständen für die Hochseeflotte günstiger Punkt, diesen gewünschten Ausgleich per kleiner Schlachten mit Teilen der britischen Navy zu erreichen?
 
@silesia:Wie ist dein Standpunkt zu dieser Begegnung der Flotten?
War es ein unter den Umständen für die Hochseeflotte günstiger Punkt, diesen gewünschten Ausgleich per kleiner Schlachten mit Teilen der britischen Navy zu erreichen?

Schau Dir zunächst Tirpitz an: "Ingenohl hatte das Schicksal Deutschlands in der Hand"

M.E. ist das kompletter Unsinn, weil die beiden britischen Admirale keinesfalls den Kampf angenommen hätten, sondern (gesunden Menschenverstand und ein funktionerendes Screening durch die leichten Einheiten unterstellt, schließlich den späteren Anweisungen und faktischen Abläufen zu Folge) einfach abgedreht hätten.


Es bleiben dann reine Zufälligkeiten übrig, denen ich keine Bedeutung beimesse.
 
Die Codebrecher von Room 40 hatten zum ersten Male Informationen (nach dem Magdeburg-Codebuch) entschlüsselt. Die Entschlüsselung war nicht vollständig, Hippers Auslaufen wurde gemeldet (es wurde ohnehin aufgrund des günstigen Tidenstandes und der Abwesenheit starker engl. Kräfte von der Admiralität vermutet), nicht aber dasjenige von Ingenohl. Room 40 war damals ausgetestet, auf Nachfrage sagte Room 40 ausdrücklich, die Hochseeflotte laufe nicht aus. Gegen Jellicoes Protest wurde daher auch nicht die gesamte Grand Fleet ausgeschickt. Die Deutschen stellten den Engländern eine Falle, die Engländer den Deutschen (wie vor dem Skagerrak). Als Beatty ausfuhr, hatte er klare Vorstellungen von der Feindlage. Die Überraschung wäre eine vollkommene gewesen, da selbst die Deutschen die günstigen Umstände (Fehlinformation von Room 40) nicht kannten. Zudem hätte die schlechte Sicht und Beattys draufgängerisches Wesen hätten es unwahrscheinlich gemacht, dass er rechtzeitig geflohen wäre.
Dies war fraglos eine Gelegenheit die engl. Flotte merklich zu dezimieren.
 
Zu #72 Tirpitz, Erinnerungen S. 308, schätzt eine frühe Seeschlacht auch deswegen als günstig ein, weil engl. Schlachtschiffe für die Kanaltransporte gebunden sind. Gibt es hierüber Informationen?

Zufällig las ich bei (dem Tirpitzschüler und von Tirpitz besonders geförderten) Scheer, Hochseeflotte, S. 36, 37, 54, einige Ausführungen, die zeige, dass diese kein Anhänger einer frühen Seeschlacht war. Zunächst schildert er die grundsätzlichen Schwierigkeiten sich aus den Flussläufen zu entwickeln und dahin wieder zurückzufahren (die Dänen sperrten Skagen und die Belte), während die Engländer von Norden wie Süden Flankenangriffe starten konnten. Zwar sieht auch er im Grundsatz die günstige Möglichkeit einer frühen Seeschlacht. Faktisch hatte man aber keine Kenntnis vom damaligen Standort der Navy und die Hochseeflotte hatte nur ein Zeitfenster von zwei Tagen und zwei Nächten für die Operation. Da eine solche auch eine Gefährdung bedeutet, sah er die Chancen/Nutzen-Relation nicht gewahrt.
Er weist auf zwei grundsätzliche Bedingungen hin, unter denen die Hochseeflotte zu operieren hatte. Zum einen besteht eine Abhängigkeit vom Landkrieg (der ist für Deutschland schlicht wichtiger). Es dürfen auf keinen Fall Landoffensiven durch fehlgeschlagene Flottenpläne geschwächt werden (und eine Seeschlacht mi England ist ein erhebliches Risiko). Weiterhin musste die Flotte immer so stark sein, dass eine Überlegenheit in der Ostsee gewahrt blieb (wiederum um Landoperationen nicht durch fehlgeschlagene Seeoperationen zu stören). Das kann das Ostseelandeunternehmen, das kann auch nur die Versorgung Russlands über dem Seeweg sein. Daher durfte nur unter günstigen Umständen geschlagen werden.
 
Warum es die Verzögerungen bei der KÖNIG gab, ist mir nicht bekannt. Bei den letzten beiden fällt jedenfalls eine gewisse Hast und Eile auf.

Nachtrag:
Marinearchiv, Band 3 - Nordsee. Beschießung von Hartlepool etc.
König hatte nach der Indienststellung beim Einfahren einen Havarieschaden am Heck, was die Eingliederung in die Hochseeflotte bis Februar 1915 verzögerte (u. a. wieder Werftaufenthalt).

Die beiden letzten (Markgraf/Kronprinz) waren am 16.12.1914 für Hartlepool/Scarborough nicht einsatzfähig, so das die deutsche Flotte die Gesamtzahl 14+4 auch für Dezember 1914/Januar 1915 aufweist.
 
Der Vorstoß der Hochseeflotte gegen Hartlepool und Scarborough 15./16.12.1914

Tirpitz und Scheer scholten hinterher die Vorgehensweise von Ingenohl, der eine wichtige Vorentscheidung im Seekrieg in der Hand gehabt gehabt haben soll. Das Werk von Corbett, Naval Operations, zeigt da eine etwas andere Sicht, die eben auch vom Marinearchiv inderekt bestätigt wird.

Ingenohl mußte aufgrund der frühmorgendlich stattgefundenen Gefechte, bei noch sehr schlechter Sicht, zwischen den deutschen und britischen Begleitstreitkräften von der Anwesenheit stärkerer Verbände der Royal Navy ausgehen, wahrscheinlich eben vom Gros der britischen Schlachtflotte. Dafür sprach auch neben diesen Gefechten der aufgefangene, lebhafte britische Funkverkehr. Am Abdrehen der im Ernstfall unterlegenen Hochseeflotte gibt es damit - nach dieser Informationslage und unabängig von kaiserlichen Anweisungen - schon nichts zu kritisieren. Es entsprach der Situation; Schlachtflotten lassen sich nur auf Seekarten beliebig gegeneinander schieben.

Der fiktive Fall - ohne diesen Rückzug von Ingenohl - hätte im Prinzip nichts geändert. Beatty und Warrender hätten sich dem Gefecht entzogen, sobald die Anwesenheit der ganzen deutschen Schlachtflotte erkannt worden wäre: entweder über den Funkverkehr (wie tatsächlich 8 Stunden später geschehen), oder eben durch Sichtung.

Dazu Ingenohl in seinem interessanten Bericht:
"Es muß damit gerechnet werden, dass das Gros gesichtet ist; infolge der hohen Vormarschgeschwindigkeit von 15 Sm hatte sich eine mächtige Rauchwolke über der Flotte gebildet, die, weithin sichtbar, jedenfalls auf die Anwesenheit einer großen Zahl deutscher Schiffe schließen ließ. Die [schwachen!] eigenen Sicherungsstreitkräfte hätten das Fühlungshalten moderner feindlicher Aufklärungsstreitkräfte [ausgehend von der Anwesenheit der Home Fleet] am Tage nicht hindern können. Für die kommende Nacht [dies betrifft das schlechte Timing des Rückmarsches] bestand also die hohe Wahrscheinlichkeit, dass englische Torpedoboote auf das nach der Deutschen Bucht zurückkehrende Gros angesetzt werden würden, was in dieser ganz besonders dunklen Nacht [Sichtverhältnisse wie schon am 15./16.12.] vermutlich zu Schiffsverlusten geführt hätte."

Zu ergänzen ist, dass die Wetterverhältnisse gegen Morgen im Raum der Hochseeflotte bessere waren als bei Hippers Schlachtkreuzern vor der britischen Küste, wo schwere See und Sturm sogar die Detachierung der Kreuzer (bis auf einen zum Minenlegen) erfoderte. Bei dieser von Ingenohl geschilderten Sachlage ist auch eine Überraschung von Warrender und Beatty, die über Aufklärung verfügten, nicht denkbar.

der link hier folgt Corbett
First World War.com - Battles - Raid on Scarborough, Hartlepool and Whitby, 1914
sowie Marinearchiv Nordsee Band 3, S. 72ff.


Übrigens ist die deutsche Flotte bei dem Vorstoß zweimal an einer denkbaren Katastrophe vorbei geschlittert. Zunächst passierten während der Nacht bei schlechtem Wetter und wenigen Hundert Metern Sicht Beattys Schlachtkreuzer, dicht gefolgt von Warrenders 6 neuen Schlachtschiffen, die 4 Schlachtkreuzer von Hipper in wenigen Seemeilen Abstand. Nach der Beschießung verlegten Beatty und Warrender den Rückmarsch von Hipper, der entweder nördlich oder südlich der Minensperren passieren mußte. Aufgrund verworrener Umstände und mit etwas Glück entkam Hipper dennoch.
 
Der Gedanke, dass Beatty sich durch Rückzug des tödlichen Zugriffs der Hochseeflotte hätte entziehen können, hat Churchill erstmals in seinem Buch „World Crisis“ geäußert. Aus gutem Grund: Churchill (genauer die Admiralität unter Churchills Einfluss) hat nämlich einen üblen Fehler gemacht, der zu einem Ende britischer Seeherrschaft hätte führen können. Für einen Politiker mit Ambitionen sind das keine guten Voraussetzungen (nur acht Tage vorher, am 08.12.1914 um 17 Uhr Londoner Zeit erhielt Churchill ein Telegramm vom Gouverneur der Falkland Inseln, das besagte, dass Graf Spee mit all seinen Schiffen in Falkland ankam „als Admiral Sturdees gesamte Flotte beim Kohlen war“, sprich, dass ein vernichtender Überfall des Ostasiengeschwaders im Bereich des Möglichen war; um Silesia Worte zu gebrauchen, dürfte Churchill beim Cognac die Abschreibung von HMS Inflexable und HMS Invincible durchgerechnet haben).

Churchill riskierte aufgrund einer ungetesteten Information des damals unbekannten Room 40, dass die Hochseeflotte nicht auf See war. Das war nicht nur sachlich falsch, das ein grober Fehler. Der musste in ein gutes Licht gerückt werden. Zudem hat Jellicoe – der angeblich Übervorsichtige – entgegen Churchill gefordert, dass die gesamte Navy auf See geht – vergeblich (Jelllicoe traute der deutschen Flotte mehr zu als der englischen - wenn man in Verantwortung steht, sieht man die Frage der Überlegenheit kritischer. Churchill hatte durchaus Argumente. Die gesamte Navy auf See zu bringen ist ein großer Aufwand, hinzu kommt die Maschinenabnutzung, dann noch die gefürchteten deutschen Minen und U-boote. Dermaßen weit hat sich die Hochseeflotte im Übrigen noch nie hinausgewagt.

Was die Engländer auf See schickten, war von enormer Kampfkraft. Die Dreadnoughts von Warranders 2. Schlachtgeschwader (King George V., Ajax, Centurion, Orion, Monarch, Conquerer) waren die modernsten und stärksten in der Navy. Dazu Beatty’s 1. (reduziertes) Schlachkreuzergeschwader (Lion, Queen Mary, Tiger, New Zealand), Goodenough‘s 1. Leichtes Kreuzergeschwader (Southhampton, Birmingham, Nottingham, Falmouth) und Tyrwhitt’s Leichte Kreuzer Aurora und Undaunted mit 42 Zerstörern.

Churchills „Fluchtidee“ ist eine offensichtliche Ente. Die grundsätzlich schlechte Sicht in der Nordsee (Scheer spricht sogar davon, dass man die feindlichen Granaten eher wie die feindlichen Schiffe sah, die weiten Gefechtsentfernungen (bis 22 km), der klare Auftrag der Admiralität (die Sachlage war bereits aufgeklärt). Weiterhin, es war ein Angriff auf Küstenstädte, die Bevölkerung erwartete Gegenwehr der Navy, bei einer Flucht stand das Prestige der Navy auf dem Spiel.

Nicht zu vergessen ist der Fall Troubridge: Dieser Admiral hatte zu Kriegsbeginn die Goeben nicht angegriffen, weil er diese – gemäß ihm gegebenen Befehl – für eine überlegene Kraft hielt. Troubridge – angeblich ein draufgängerischer Offizier – wurde Feigheit vorgeworfen und letztlich vom Marinegericht rehabilitiert. Seine Offiziersehre hat er verloren (auch heute noch findet man nur wenig über ihn im Internet). Der Troubridge-Fall hat tiefe Spuren hinterlassen. Ich halte es für undenkbar, dass Beatty (gar wegen ein paar Dampfwolken) ausgerissen wäre. Es sei denn, er wäre absolut sicher gewesen, dass er die gesamte Hochseeflotte vor sich hat. Bei den üblichen Verhältnissen in der Nordsee wäre es dann aber zu spät gewesen. Im Übrigen: Hipper hat Beatty vor dem Skagerrak auch angegriffen, obwohl er zahlenmäßig unterlegen war. Offensichtlich glaubte er an dieÜberlegenheit der deutschen Marine.

Ingenohl’s Risiko auf die gesamte Navy zu treffen war das gleiche Risiko wie von Scheer vor dem Skagerrak. Es ist dieser Art von Angriff immanent. Krieg ist nicht wirklich kalkulierbar (weder für den Stärkeren, noch für den Schwächeren).

Charles London, der das Buch "Jutland 1916 - Clash of the Dreadnoughts" geschrieben hat, erwähnt den Vorwurf, Ingenohl war wegen seiner englischen Frau so vorsichtig - derart eindeutig soll die Situation für ihn gewesen sein.
 
Zuletzt bearbeitet:
Der Gedanke, dass Beatty sich durch Rückzug des tödlichen Zugriffs der Hochseeflotte hätte entziehen können, hat Churchill erstmals in seinem Buch „World Crisis“ geäußert.

Ohne das ich dieses Buch kenne: Wo er recht hat, hat er recht.

Wenn da weitere Beurteilungen her sollen, kläre bitte mal folgende Fragen auf:

- begünstigt die schlechte Sicht das Entkommen nach Begegnung?
- wie waren die Sichtverhältnisse morgens im Bereich der Hochseeflotte und des gedachten Treffens?
- was ist zu dem Hinweis der Rauchentwicklung (gemäß Ingenohl) zu sagen?
- ist der Vergleich zum Skagerrak schon aufgrund der Sichtverhältnisse absurd oder zutreffend?
- wo befinden sich am 16.12.1914 Beatty und Warrender und ihr screening bei einem Treffen mit der Hochseeflotte?
- welcher Abstand soll zwischen den leichten Deckungsstreitkräften und den 10 schweren britischen Schiffen bei Treffen der Hochseeflotte bestehen?

Dem Absatz hier kann ich nach den Fakten nicht folgen:
Die grundsätzlich schlechte Sicht in der Nordsee (Scheer spricht sogar davon, dass man die feindlichen Granaten eher wie die feindlichen Schiffe sah, die weiten Gefechtsentfernungen (bis 22 km), der klare Auftrag der Admiralität (die Sachlage war bereits aufgeklärt). Weiterhin, es war ein Angriff auf Küstenstädte, die Bevölkerung erwartete Gegenwehr der Navy, bei einer Flucht stand das Prestige der Navy auf dem Spiel. Also nix mit Prestige und "Kamikaze-Verhalten" von Warrender und Beatty nach gedachteer Aufklärung der Hochseeflotte.
Erstmal steckt da ein dicker Fehler drin: die Abfangpositionen von Beatty und Warrender wurden gerade so gewählt, dass die Schlachtkreuzer nach der Beschießung abgefangen werden sollten. Dann weiß ich nicht, was das Scheer-Zitat, die zitierten 22km und die "Gefechtsentfernung" an sich mit dem 16.12.1914 zu tun haben sollten. Ich vermute: garnichts, weil für diese Situation unzutreffend.

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P.S.: Sorry, Londons "Werkchen" nehme ich zum Skagerrak nicht ernst. Da gibt es Besseres.
 
General Meckel pflegte zu sagen, wenn man geschlagen ist,weiß man, daß der Feind überlegen war. Es wird hier ein Idealszenario aufgebaut, in dem ein allwissender englischer Admiral zur See fährt und aufgrund dieses überlegenen Wissens Schlachten schlägt oder vorhr verschwindet. Das entspricht nicht der Wirklichkeit.

Die Admiralität ging - auch ohne Room 40 - aufgrund des günstigen Tidenstandes (und der den Deutschen bekannten Abwesenheit englischer Kräfte - sie waren im Südatlantik) an diesem speziellen Tag davon aus, dass starke deutsche Streitkräfte in See sind. Rauchentwicklung, Sichtung deutscher Kräfte, etc. waren keine Überraschung, sondern wurden im Gegenteil erwartet. Nicht erwartet - und das war der Fehler - wurde die gesamte deutsche Hochseeflotte. Die müsste Beatty (oder ein anderer) mit einer Sicherheit oder hoher Wahrscheinlichkeit gesichtet haben. Und nicht etwa nur starke deutsche Kräfte, die waren keine Überraschung. Das ist ein erheblicher Unterschied.

Wie gesagt, die Möglichkeit, dass die Hochseeflotte an diesem Tag zur englischen Ostküste ausläuft, ist ja kontrovers diskutiert und explizit abgelehnt worden (Room 40 war hier den Deutschen günstig).

Übrigensschaute man nach englischer Marinetradition nicht auf die Überlegenheit des Feindes, sondern greift an (Armada, St. Vincent, Trafalgar). Gegen die deutschen hat man das aufgegegeben, Jellicoe von Anfang des Krieges, bei der Admiralität weiß ich nicht wann.

Es ist daher keineswegs selbstverständlich, dass Beatty überhaupt flieht (die Navy ist ja nich nur nach der Schiffszahl überlegen, oder etwa doch?). Natürlich kann Beatty irgendwann fliehen, er ist ja schneller. Wie gut es ihm gelingt, hängt von den Treffern ab, die er bis zu diesem Zeitpunkt erhalten hat.

Flotten stoßen nicht innerhalb von Sekunden aufeinander. Das braucht eine gewisse Zeit. Wenn sich Gefechte entwickeln, wird das für die ohnehin schlechte Sicht nicht günstiger. Und mit dem Gefecht wartet man natürlich nicht, bis alle versammelt sind.

Churchill beging einen groben Fehler, das war ihm sehr wohl bewußt. Danach hörte man ja auch auf den übervorsichtigen Jellicoe. Nach Deiner Auffassung wäre das nicht notwendig gewesen, die Engländer waren auch nach Scarborough schneller. Die wußten sehr wohl, warum sie in Zukunft vorsichtiger waren. Wie Churchill sagte nicht umsonst, "das Empire kann an einem Nachmittag verloren gehen". Oder an einem Morgen.
 
[...]
König Februar 1915 (in Dienst 9.8.1914)
[...]
Warum es die Verzögerungen bei der KÖNIG gab, ist mir nicht bekannt. Bei den letzten beiden fällt jedenfalls eine gewisse Hast und Eile auf.

Zur König ist zu sagen, das sie offiziell am 12.08.1914 in das III. Geschwader aufgenommen wurde, als einsatzbereit galt die König ab 24.11.1914. Allerdings lief sie am 07.12.1914 auf Grund und wurde dabei noch von Großer Kurfürst gerammt. Dannach mußte sie zur Reperatur in die Werft und stieß entgüldig Anfang 1915 zur Hochseeflotte, als Flaggschiff des III. Geschwaders.
 
Nach der Skagerrakschlacht kam Flottenchef Scheer zu der Erkenntnis, dass die Hochseeflotte wegen der Nachteile unserer militärgeographischen Lage keine strategische Wende im Seekrieg gegen Großbritannien bewirken könne.(1)

Diese Erkenntnis hätte Scheer auch schon etwas früher haben können, beispielsweise als die Marine die Theorien eines Herrn Mahan übernahm. Mahan weist doch auf die Bedeutung der geographischen Situation explizit hin.
Aber auch als 1912 ein Kriegsspiel die britische Fernblockade zum Gegenstand hatte, waren die Ergebnisse doch ernüchternd, nämlich dass das Konzept von Herrn Tirpitz, das Erzwingen einer Seeschlacht, für Deutschland unter günstigen Bedinungen wohl nicht zu erreichen sei.

Weiß jemand von unseren geschätzten Flottenexperten, weshalb man nach dieser Erkenntnis die Flottenrüstung nicht korrigierte, beispielsweise in dem man Blockadebrecher oder mehr Kreuzer begann zu bauen? Stattdessen wurde weiter so gemacht, als ob sich nichts geändert hätte. Das kann man eigentlich nur schwer bis überhaupt gar nicht nachvollziehen. Davon einmal abgesehen, war zu diesem Zeitpunkt das Flottenwettrüsten ohnehin längst verloren.


(1) Immediatbericht v. 04.07.1916 über die Schlacht vor dem Skagerrak hier zitiert nach Erster Weltkrieg - Zweiter Weltkrieg. Ein Vergleich, S. 217, Paderborn 2002
 
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Weiß jemand von unseren geschätzten Flottenexperten, weshalb man nach dieser Erkenntnisdie Flottenrüstung nicht korrigiert, beispielsweise in dem man Blockadebrecher oder mehr Kreuzer begann zu bauen?

Die Problematik war einfach die, daß man mit dem Flottengesetzt von 1900 eine Flotte aufzubauen versuchte, die in der Quantität dem Risikogedanken entsprach. Tirpitz war ein Verfechter der großen Seeschlacht und konstruierte entsprechend den organisatorischen und strategischen Aufbau der Flotte nach diesen Richtlinien aus.

Hierbei spielen Finanzpolitische Problematiken eine große Rolle, vor allem nach dem Dreadnought Sprung, ab 1906.

Ein gutes Beispiel für die Unbeweglichkeit der Bauprogramme innerhalb der Flottengesetze zeigt der Bau des großen Kreuzer Blücher. Dieses Schiff wurde kurz vor den Schlachtkreuzerkonzepten der Briten auf Kiel gelegt, was diesen großen Kreuzer noch im Bau 1907 schon entwertete. Der Bau war zu weit vorgeschritten, um ihn entsprechend zu ändern, a.) weil eine Kostenerhöhung unvermeidlich war und b.) eine Bauverzögerung den gesamten Haushaltsplan der nachfolgenden Jahre empfindlich durcheinander gebracht hätte. So entschloß man sich das Schiff nach den alten Plänen fertig zu bauen. Ein großer Fehler, wie sich später herausstellte.

Und genauso verhielt es sich mit der Gesamtplanung und der einzelnen Kriegsschifftypen um das Flottengesetzt und seine Novellen.

Eine Abweichung hätte zudem einen großen Zeitverlust bedeutet, sowie Probleme mit der Finanzierung erzeugt. Dieser Finanzplan basierte auf den Riskogedanken und auf der defensiven Schlachtflotte, die in den Küstengewässern eingesetzt werden soll.

Eine andere Planung mit Offensivcharakter hätte Tirpitz sein „Kartenhaus“ zusammenfallen lassen.
 
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(1) Immediatbericht v. 04.07.1916 über die Schlacht vor dem Skagerrak hier zitiert nach Erster Weltkrieg - Zweiter Weltkrieg. Ein Vergleich, S. 217, Paderborn 2002

Ich nutze mal die Gelegenheit, um an Hippers Erfahrungsbericht anzuknüpfen, wonach die britische Artillerie präzise und bei den Salven sehr dicht justiert schoß. Das geht zuweilen etwa unter, weil nur die Prozent-Statistiken gesehen werden. Die Perzeption Hippers war hier eine andere als die Statistik vermuten läßt.

[ergibt den Gedanken, nach Ursachen zu suchen: siehe den Treffer auf TIGER]
 
Es gab keine Genfer Konvention aber dafür die Londoner Deklaration und die Pariser Seerechtsdeklaration.

Die Neutralen vor allem ginge von der Gültigkeit der Londoner Deklaration aus dem Jahr 1908/09 aus; aber London konnte sich nicht dazu verstehen, dden Seekrieg entsprechend zu kodifizieren und verweigerte die Ratifikation.

Die Deklaration geht davon aus, das die Seeblockade von feindlichen Häfen nur als enge also als Nahblockade zulässig ist. Auch Tirpitz und Co. gingen davon aus und planten entsprechen. Der Seeweg zu neutralen Häfen durfte nicht verlegt werden. Gemäß den Londoner Deklarationen war es der Blockademacht gestattet feindliche Handelsschiffe und Güter nach dem Seebeuterecht einzuziehen. Das galt auch für Blockadebrecher und neutrale Güter die unter dem Begriff der Konterbande fielen. Neutrale Schiffe, die Konterbande mitführten konnten ebenfalls eingezoen werden.

Des Weiteren wurde zwischen absoluter und bedingter Konterbande unterschieden. Absolute Konterbande konnte eingezogen werden, wenn diese unterwegs in den Machtbereich des Feindes war, vollkommen egal ob es eine direkte oder indirekte Route war. Die Londoner Deklaration erläuterte auch was absolute und relative Konterbande war. Lebensmittel waren keine absolute Konterbande. Rohstoffe wie Kautschuk, Baumwolle oder Häute befanden sich auf der Freiliste.

Auf hoher See galt die Prisenordnung. Zu Beginn des Krieges haben die USA gleich die Frage an die Kriegführenden gerichtet, ob sie die Londoner Deklaration als Kodex für den handelskrieg anerkennen. Das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn bejahten positiv. Die Allierten nur unter bestimmten Voraussetzungen. Nur Großbritannien scheerte dies alles ein Dreck. Sie nutzten ihre gewaltige Seemacht und demonstierten eindrucksvoll, das die Herren der Royal Navy nicht gewillt waren sich durch irgendwelche Vereinbarungen in der Kriegführung hindern zu lassen. Es wurde nicht zwischen absoluter und relativer Konterbande unterschieden, es wurde eine Fernblockade aufgezogen und auch die Rechte der Neutralen wurde kein Stück Rücksicht genommen. Merkwürdigerweise war Präsident Wilson gegenüber Großbritannien außerordentlich großzügig. Die kaiserliche Marine jedenfalls hat zunächst ihrer Seekrieg, gerade die U-Boote, nach Prisenordnung geführt. Erst als sich zeigte, das dies dem Feind vollkommen wurscht war, kam u.a. auch der uneingeschränkte U-Bootkrieg ins Gespräch

Großbritannien hat sich hier wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert und die Aufrechterhaltung der Seeblockade bis 1919 war schon ein krasser Vorgang.
 
Wie weit waren das DR/ÖU überhaupt von Lebensmittelimporten abhängig?

Ich habe in der Wiki zwei konträre Aussagen gefunden:

Die Nahrungsmittelversorgung wurde anfangs von den staatlichen Stellen ebenfalls vollkommen ignoriert. Deutschland war vor dem Krieg im Gegensatz zu Großbritannien weitgehend Selbstversorger, nur 10 % der Nahrungsmittel mussten importiert werden.

aus: Deutsche Wirtschaftsgeschichte im Ersten Weltkrieg ? Wikipedia

und

Bis zum Ausbruch des Krieges importierte das Deutsche Reich etwa ein Drittel seiner Lebensmittel aus dem Ausland. Es war damals weltweit der größte Importeur von Agrarprodukten.

aus: Steckrübenwinter ? Wikipedia

(eigene Hervorhebungen)

Was denn jetzt? 33,3 % oder 10,0 %???:confused:
 
Es gab keine Genfer Konvention aber dafür die Londoner Deklaration und die Pariser Seerechtsdeklaration.

Und darin steht u.a.:

Art. 24. Als Kriegskonterbande werden ohne weiteres folgende für kriegerische wie für friedliche Zwecke verwendbare, unter der Bezeichnung relative Konterbande begriffene Gegenstände und Stoffe angesehen:
  1. Lebensmittel;
  2. Furage und zur Viehfütterung geeignet Körnerfrüchte;
  3. [...]
 
Wie weit waren das DR/ÖU überhaupt von Lebensmittelimporten abhängig?

Ich habe in der Wiki zwei konträre Aussagen gefunden:



aus: Deutsche Wirtschaftsgeschichte im Ersten Weltkrieg ? Wikipedia

und



aus: Steckrübenwinter ? Wikipedia

(eigene Hervorhebungen)

Was denn jetzt? 33,3 % oder 10,0 %???:confused:

Kann man so pauschal gar nicht sagen.
Bei Brot war man bis zu 90% Selbstversorger. Bei Milchprodukten wurden etwa 35% des Bedarfs eingeführt. Kraftfutter wurde in großen Mengen, vor allem aus Russland eingeführt. Kunstdünger für die Landwirtschaft wurde ebenfalls importiert.

Der Produktionsrückgang war unvermeindlich, bedingt durch den Ausfall von Arbeitskräften, Transportmitteln, Dünger etc. etc.
 
@El Quijote

das schreib ich doch auch in # 31 "Lebensmittel waren keine absolute Konterbande."
Relative Konterbande durfte nur dann beschlagnahmt werden, wenn es als erwiesn galt, das diese für die Armee bestimmt waren.

Davon einmal abgesehen, hat das die Briten eh nicht interessiert, da sie mit Fortgang des Krieges ihr eigenes Recht schufen.
 
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