Verwendung der makedonischen oder der griechischen Phalanx im Mittelmeerraum?

Es war keineswegs in der Pikenphalanx angelegt, als ein einziger starrer taktischer Körper zu fungieren. Alexander hat z.B. bei Gaugamela die Phalanx gestaffelt, die einzelnen Abteilungen operierten teilweise relativ für sich, ...

Die makedonische Phalanx bestand natürlich aus mehreren Abteilungen (Taxeis), allerdings wurde aus deren Verbund erst die Phalanx gebildet. Auf dem Schlachtfeld mussten sie sich untereinander koordinieren um ihre geschlossene Formation aufrecht zu erhalten. Bei Gaugamela gelang den Persern an einer Stelle der Durchbruch, nachdem dort aufgrund eines Marschfehlers eine Lücke entstanden war. Einer der Taxiarchen im Zentrum der Phalanx hatte seiner Abteilung einen Linksschwenk vollführen lassen im Glauben die linke Phalanxfront stabilisieren zu müssen während die rechte Front weiter nach vorne marschierte. Dadurch war die eine Lück in der Gesamtformation aufgetreten, in welche die Persische Kavallerie stieß.

Devine: Grand Tactics at Gaugamela (Phoenix Bd. 29, 1975) S. 381.
 
So etwas ist für jede Schlachtordnung problematisch. Auch eine Gruppe von Schwertkämpfern kann nicht einfach ihre Flanken in jeder beliebigen Hinsicht exponieren. Zugegebenermaßen sind Pikeniere hier anfälliger.
 
Kämpften daraufhin Phalangen in der hellenistischen Periode nach Alexander dem Großen vorwiegend alle in der neuen Phalanxkampfweise oder wurden weiterhin große Kontingente mit "traditioneller" Hoplitenbewaffnung, also kürzeren Speeren ausgerüstet?
Über die Verwendung der makedonischen Phalanx bei den alten griechischen Stadtstaaten und Städtebünde (Aitoler, Achaier, Lakedaimonier) liegen hingegen keine Zeugnisse vor. Diese kämpften in der Regel mit ihren Bürgeraufgeboten, also wohl "klassische" Hopliten, und griechischen Söldnern. Dabei waren sie der makedonischen Phalanx immer Unterlegen. Bestes Beispiel ist hier die Schlacht von Sellasia, als die Makedonen die Spartaner schwer besiegten. Auch die Expansionspolitik Philipps V. war von Siegen begleitet, bis natürlich auf einmal die römischen Legionen auf den Kriegsschauplätzen Griechenlands und Asiens auftauchten und damit das Ende der Phalanx einläuteten. Ich glaube nur die Epiroten unter Pyrrhos hatten die makedonische Kampfweise zu einem gewissen Grad adaptiert, es hatten ja auch genügend Makedonen in seinem Heer gekämpft.
Was ich anders sehe, ist die Verbreitung der Pikenphalanx bei den Griechen. Man weiß darüber ziemlich wenig und es ist wahrscheinlich, daß die vielen kleineren griechischen Staaten bei einer Miliz, die mit Ovalschilden (thoureoi) ausgerüstet war, sowie evtl. noch alten Hopliten-artigen Kämpfern mit aspides, blieben. Aber die größeren Zusammenschlüsse und Ligen dürften wahrscheinlich umgestellt haben. Von den Spartanern kann man das mit gewisser Sicherheit sagen, gerade bei Sellasia kämpften die Spartaner scheinbar als Pikenphalanx, wenn man Plutarch glauben will, und warum sollte man nicht?. Dem stand die makedonische Pikenphalanx gegenüber. Wie die Achäer bewaffnet waren, kann man schlecht sagen.
Ob griechische Städte die Sarissen übernahmen, war ja gerade die Frage des TE. Klar ist das keinesfalls, belegt ist es ziemlich deutlich jedenfalls für Sparta spätestens kurz vor 222 v. Chr..
Viel Material gibt die antike Literatur zu dieser Frage leider nicht her, außerdem ist wohl zu hinterfragen, wie zuverlässig Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte später eigentlich noch nachvollziehbar war, wann welche militärische Reform durchgeführt worden war und wie sie genau aussah.

Aber gut, wenn man Plutarchs Kleomenes-Biographie folgt, dann führte bei den Spartanern König Kleomenes allmählich die Sarissa ein: In Kap. 11 berichtet er, dass Kleomenes ein 4.000 Mann starkes Korps aus Perioiken aufstellte, das er mit der Sarissa ausstattete, und in Kap. 23, dass er 2.000 freigelassene Heloten makedonisch ausrüstete. In Kap. 28 allerdings heißt es dann, dass Kleomenes' Truppen bei Sellasia nicht gegen die Überlegenheit der gegnerischen (makedonischen) Phalanx angekommen seien.
Die Spartaner scheinen unter Kleomenes also zumindest nicht komplett auf die makedonische Phalanx umgestiegen zu sein.

Beim Achaiischen Bund soll Philopoimen die Sarissa eingeführt haben (Plutarch, Philopoimen 9).

Bei den Aitoliern berichtet Livius (38,7) für die Zeit um 189 v. Chr., dass sie die Sarissa verwendet hätten.
 
Von den Spartanern kann man das mit gewisser Sicherheit sagen, gerade bei Sellasia kämpften die Spartaner scheinbar als Pikenphalanx, wenn man Plutarch glauben will, und warum sollte man nicht?. Dem stand die makedonische Pikenphalanx gegenüber. Wie die Achäer bewaffnet waren, kann man schlecht sagen.
Wenn man Polybios' Bericht über die Schlacht von Sellasia zugrundelegt und seine Angaben für zuverlässig halten will, ergibt sich folgendes Bild:
In 2,65 listet er die Truppen auf Seite des Antigonos auf: Makedonier (10.000 Phalangiten, 3.000 Peltasten, 300 Reiter, 1.000 Agrianer, 1.000 Kelten), Söldner (3.000 Infanterie, 300 Reiter), Achaier (3.000 Infanterie, 300 Reiter), 1.000 Megalopolitaner, Boiotier (2.000 Infanterie, 200 Reiter), Epeiroten (1.000 Infanterie, 50 Reiter), Akarnanier (1.000 Infanterie, 50 Reiter) und 1.600 Illyrer. Bei den 1.000 Megalopolitanern erwähnt er ausdrücklich, dass sie auf makedonische Weise bewaffnet gewesen seien. Das bedeutet, da er es so ausdrücklich erwähnt, wohl im Umkehrschluss, dass das bei den restlichen Verbündeten nicht der Fall war. Dazu würde dann auch die Erwähnung bei Plutarch passen, dass erst Philopoimen bei den Achaiern die Sarissa einführte.
In 2,69 schreibt Polybios dann, dass die makedonische und die lakedaimonische Phalanx mit Sarissen aufeinander losgingen.
 
Noch etwas habe ich gefunden: In der Schlacht bei Mantineia 207 v. Chr. zwischen dem Achaiischen Bund unter Philopoimen und Sparta unter Machanidas, in der Machanidas den Tod fand, kämpften laut Polybios die Phalangen beider Seiten mit der Sarissa.
 
Gut zusammen gestellt. Ich muß mir mal die Biographie über Kleomenes besorgen. Wenn da ausdrücklich erwähnt ist, daß es sich um Periöken/Helotenfreigelassene handelte, die zunächst mit der Sarisa ausgerüstet wurden, kann ich meine These, es handelte sich um Vollbürger, wohl nur mühsam aufrechterhalten (sicher ein Fehler von Plutarch ... :scheinheilig: ). Es spricht schon einiges dafür, daß man die neue Formation erst mal an Nicht-Spartakiaken ausprobierte, bevor man die Kerntruppe umstellte.
 
Naja, laut Plutarch machte Kleomenes diese 4.000 Perioiken zu Vollbürgern.

Bei der Schlacht von Sellasia hatte Kleomenes 20.000 Mann. Davon waren allerdings ein erheblicher Teil Leichtbewaffnete und Söldner. Somit bleibt die Frage, ob, und wenn ja, wie viele von den 20.000 außer den 6.000 in makedonischer Weise Bewaffneten (vorausgesetzt, dass er sie alle mitgenommen hat) noch Hopliten bzw. Phalangiten waren. Plutarch schreibt allerdings, dass von den 6.000 an der Schlacht teilnehmenden Spartanern 5.800 fielen. Es wäre natürlich verlockend, das so zu verstehen, dass mit den "6.000 Spartanern" die 6.000 makedonisch bewaffneten Phalangiten gemeint waren (und der Rest des Heeres aus Söldnern und sonstigen bestand), dann könnte das bedeuten, dass keine in traditioneller Weise bewaffneten spartanischen Hopliten dabei waren. Zwingend ist diese Interpretation aber wohl nicht.

Dass Kleomenes die neue Formation erst einmal an Perioiken und Heloten ausprobierte, könnte auch daran gelegen haben, dass die Spartiaten zu stolz waren, um ihre jahrhundertealte Tradition aufzugeben und die fremde Bewaffnung zu übernehmen. Vielleicht waren es aber auch schlicht demographische Gründe: An Vollbürgern soll es in der Zeit vor Kleomenes nur noch etwa 1.000 Mann gegeben haben. Vielleicht zog es Kleomenes daher ohnehin vor, sie aufzusparen.
Nach allem Gesagten halte ich es zumindest für denkbar, dass alle von Kleomenes ins Feld geschickten schweren spartanischen Truppen makedonisch bewaffnet waren.


Fassen wir also zusammen: Die Spartaner scheinen unter Kleomenes ganz oder zumindest großteils auf die makedonische Phalanx umgestiegen zu sein. Die Achaier stiegen anscheinend erst etwas später unter Philopoimen um, ausgenommen die Megalopoliten. (Ich glaube mich übrigens erinnern zu können, dass Polybios irgendwo erwähnt hat, dass die 1.000 makedonisch bewaffneten Megalopoliten von den Makedoniern selbst so ausgerüstet worden waren, finde die Stelle allerdings nicht mehr.) Die Aitolier hatten spätestens im frühen 2. Jhdt. v. Chr. die Sarissa, vielleicht aber auch schon früher.
 
Noch eine Anmerkung zu den Pikenlaengen. Falls ich mich richtig erinnere sagt Plutarch, dass die Sarissen unter Alexander 10 Ellen lang gewesen seien und dann auf 14 Ellen (1Elle=45cm) verlaengert wurden, allerdings spaeter wieder auf 12 verkuerzt. Ich muesste mich noch einmal vergewissern, dass erst nicht von 12, 16 und 14 Ellen sprach, habe ihn aber gerade nicht zur Hand.

Diese Entwicklung entspricht recht gut derjenigen der Landsknechtpiken. Gegen Kavallerie oder Infanterie ohne Piken haben kuerzere Piken ausgereicht und waren gut handhabbar. Anders aber im Kampf gegen Infanterie mit Piken. Die Schweizer haben dies den schlechten Krieg genannt. In diesem Fall sind laengere Lanzen mit groesserer Reichweite guenstiger auch wenn sie die Handhabbarkeit reduzieren. Noch heute sagt man in der Schweiz das jemand laengere Lanzen hat falls er einen unfairen Vorteil hat und das man wieder gleichlange Lanzen hat wenn Chancengleichheit herrscht. In der Zeit der Diadochen aber war der Gegner der Phalanx eine andere Phalanx, also wurden die Lanzen laenger was dann wieder gegen die Roemer unguenstig war.

Im Allgemeinen aendert sich die Bewaffnung und Organisation einer Armee ja nicht nur durch technische Fortschritte sondern auch als Reaktion auf die Entwicklung der Gegner.
 
Noch eine Anmerkung zu den Pikenlaengen. Falls ich mich richtig erinnere sagt Plutarch, dass die Sarissen unter Alexander 10 Ellen lang gewesen seien und dann auf 14 Ellen (1Elle=45cm) verlaengert wurden, allerdings spaeter wieder auf 12 verkuerzt. Ich muesste mich noch einmal vergewissern, dass erst nicht von 12, 16 und 14 Ellen sprach, habe ihn aber gerade nicht zur Hand.
Das wäre nett, ich kann eine derartige Stelle nämlich leider nicht finden.

In der Zeit der Diadochen aber war der Gegner der Phalanx eine andere Phalanx, also wurden die Lanzen laenger was dann wieder gegen die Roemer unguenstig war.
Nur gab es eben, wie in diesem Thread schon dargelegt wurde, kein Wettrüsten, wer die längste Sarissa hat. Stattdessen standen anscheinend eher die Phalangiten immer dichter gedrängt (was aber natürlich auch irgendwann auf natürliche Grenzen stieß).
 
Da ich nun zurueck bin habe ich mal nachgesucht. Die Stelle habe ich vor geschaetzt 30 Jahren gelsen, da wird das Gedaechtnis schwach.

Bei Polybios findet sich (XVIII 29) eine Laenge der Sarissen nach altem Reglement von 16 Ellen und nach dem neuen (zur Zeit des makedonischen Krieges) von 14. Delbrueck zitiert eine fruehere Aussage des Theophrast (Pflanzenkunde III, 12,2) nach der maennlicher Kornelkirschen nicht hoeher als 12 Ellen werden, so lang wie die laengsten Sarissen.

Bei Plutarch habe ich noch nicht nachgesehen da ich noch arbeiten muss.
 
Oder sogar später im frühen Mittelalter in den Barbaren Invasionen wo laut der Überlieferung die Athener 2.000 Bürger zusammenstellten und die West (oder Ost?) Goten abwehrten, der gleiche Fall auch bei den freien Lakoniern in Kenispolis. Hatten die typische römsiche Militärformationen, Taktiken, Waffen oder hatte was der alten Phalanx und allgemein der tradiotionell griechsichen Kampfweise seit der vorklassischen mehr oder weniger überlebt, mindestens unter den nicht Berufssoldaten?
Der Fund von Dexippos-Fragmenten ( http://www.geschichtsforum.de/f28/spannende-entdeckung-zur-soldatenkaiserzeit-49739/ ) gibt auch einen kleinen Einblick in die Kampfweise der Griechen im 3. Jhdt. n. Chr. In Zusammenhang mit dem Herulereinfall 267/268 wird beschrieben, wie sich die Griechen bei den Thermopylen sammeln, um sie zu verteidigen. Dabei wird das griechische Aufgebot als eher unorganisierte Ansammlung geschildert, bei der offenbar jeder mit dem bewaffnet war, was er zuhause hatte oder auftreiben konnte, einige mit Speeren, andere mit Äxten. Das klingt nicht so, als wären die Griechen noch in bestimmten Formationen und Taktiken geschult gewesen.
 
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