französische und britische Marine 1789/1815

excideuil

unvergessen
Angeregt durch diese Buch:
Todorov, Nicola Peter: 1812 - Moskau oder London? Napoleons Landungsprojekte auf den britischen Inseln nach Trafalgar von 1806 bis 1813, tredition GmbH, Hamburg, 1813
welches ich durchaus als widersprüchlich einschätze, meine Frage:

Gibt es ein Buch, das die Marinen Frankreichs und Großbritanniens z. Zt. des Endes des ancien régimes, der franz. Revolution und des franz. Empires gegenüberstellt, das Zahlen bietet über Flottenstärken, Ausgaben, Stärken und Schwächen ... vllt. noch einige Details zu den Schiffseinheiten, Bewaffnung, Mannschaften ... und den Konflikten bietet?

Grüße
excideuil
 
Angeregt durch diese Buch:
Todorov, Nicola Peter: 1812 - Moskau oder London? Napoleons Landungsprojekte auf den britischen Inseln nach Trafalgar von 1806 bis 1813, tredition GmbH, Hamburg, 1813
welches ich durchaus als widersprüchlich einschätze, meine Frage:

Gibt es ein Buch, das die Marinen Frankreichs und Großbritanniens z. Zt. des Endes des ancien régimes, der franz. Revolution und des franz. Empires gegenüberstellt, das Zahlen bietet über Flottenstärken, Ausgaben, Stärken und Schwächen ... vllt. noch einige Details zu den Schiffseinheiten, Bewaffnung, Mannschaften ... und den Konflikten bietet?

Grüße
excideuil

Das Schwimmende Flottenmaterial der Seemächte von Kronrnfals 1881 sagt folgendes in Zahlen:
-----------------------------------England 1793------------Frankreich 1793
Linienschiffe--------------------------171---------------------------81
Fregatten------------------------------256---------------------------68
Kleinere Kriegsschiffe------------244--------------------------141
Besatzung----------------------125.000---------------------78.000
Kanonen---------------------------18.000---------------------14.000

Allerdings möchte ich mich für die Zahlen nicht verbürgen.

Mehr findest Du sicherlich hier incl. Forum, wie auch Literaturhinweise:
Home | Line of Battle - Seekrieg gegen Napoleon
 
Hi, ich sitze leider grade fern meiner Bücher, deswegen nur ein Gedächtnisreferat als Deutschuss:

Lavery, Brian, Nelson's Navy
Das Standardwerk zur Royal Navy und ihren Stärken. Am Ende noch ein eher knapper Abriss über die Konkurrenz aus Frankreich, Spanien, den Niederlanden...

Mehr Statistik müsste bieten:
Kennedy, Paul M., Aufstieg und Verfall der Britischen Seemacht

Zu direkten Vergleichen zwischen britischer und französischer Marine muss man sich aus diversen Veröffentlichungen seine Schätzchen zusammenklauben. Hier bist Du britischerseits mit N. A. M. Rodger gut bedient, für die französische Seite kann ich Martine Acerra und vielleicht hilft Dir u. a. dieser Tagungsband:
[FONT=&quot]Martine Acerra, Jose Merino, Jean Meyer, Les Marines de Guerre Européennes. XVIIe-XVIIIe Siècles, Paris 1998.

Zum Stärken-Schwächen-Vergleich könnte ich jetzt Bände füllen und bin doch so faul. Hast Du konkrete(re) Fragen?
[/FONT]
 
... [FONT=&quot]und bin doch so faul.[/FONT]
Da eint uns etwas. :friends:

Ja, und ich habe vorher bei booklooker und Co. recherchiert, bevor ich meine Frage gestellt habe. Meine Befürchtungen haben sich erfüllt. Ich werde wohl mühsam Daten sammeln müssen, wenn mich die Frage - mal von sprachlichen Barrieren ganz abgesehen -, ob denn die napoleonische maritime Aufrüstung von Erfolg gekrönt hätte sein können weiter interessiert.

Dabei ist der Gedanke, dass England über das Meer besiegbar sein könnte interessant. Bislang war nach Lage der Historiker nach Trafalgar Schluss mit maritimen Ambitionen Frankreichs. Und der Grundgedanke des o.g. Buches, dass Napoléon es über das Meer versuchen wollte, klingt so absurd nicht. Aber die Anschaffung (Nutzung) einer Vielzahl von Werken schreckt mich dann doch. Sooo wichtig ist die Frage dann nicht.
Habt Dank für eure Bemühungen!

Grüße
excideuil
 
Zuletzt bearbeitet:
Das Schwimmende Flottenmaterial der Seemächte von Kronrnfals 1881 sagt folgendes in Zahlen:
-----------------------------------England 1793------------Frankreich 1793
Linienschiffe--------------------------171---------------------------81
Fregatten------------------------------256---------------------------68
Kleinere Kriegsschiffe------------244--------------------------141
Besatzung----------------------125.000---------------------78.000
Kanonen---------------------------18.000---------------------14.000

Allerdings möchte ich mich für die Zahlen nicht verbürgen.

Hmm, kønnen diese Zahlen stimmen? Obwohl GB mehr als doppelt so viele Schiffe hat, ist die Anzahl Kanonen kaum høher, und auch die Anzahl Besatzung ist irgendwie nicht im richtigen Verhæltnis..
Fuer England z.B. wæren das im Schnitt 46 Kanonen / Fregatte+Linienschiff, wenn man die kleineren Kriegsschiffe ausser acht læsst. Das kommt mir sehr niedrig vor, genauso wie ein Schnitt von knapp 300 Mann - wenn die kl. Schiffe unbemannt wæren.

Fuer Frankreich wuerde das Verhæltnis besser aussehen:
63 Kanonen bzw. 350 Mann (wieder die kl. Schiffe ausser Acht gelassen)

Kann es sein, dass hier ein Teil der Schiffe gar nicht bemannt und ausgeruestet war, als Reserve sozusagen?
Oder das Schiffe stændig unterbemannt segelten?
Fuer die Victory z.B. sind 850 Mann und 104 Kanonen angegeben.
Auch wenn Fregatten natuerlich weniger Besatzung und Kanonen hatten, kommt mir das insgesamt merkwuerdig vor.

Gruss, muheijo
 
Hmm, kønnen diese Zahlen stimmen? Obwohl GB mehr als doppelt so viele Schiffe hat, ist die Anzahl Kanonen kaum høher, und auch die Anzahl Besatzung ist irgendwie nicht im richtigen Verhæltnis..
Fuer England z.B. wæren das im Schnitt 46 Kanonen / Fregatte+Linienschiff, wenn man die kleineren Kriegsschiffe ausser acht læsst. Das kommt mir sehr niedrig vor, genauso wie ein Schnitt von knapp 300 Mann - wenn die kl. Schiffe unbemannt wæren.

Wenn die Daten von dem Zeitpunkt des Kriegsausbruches stammen könnte es der Fall sein, dass nicht ausgerüstete Schiffe mitgerechnet wurden und die Mannschaften noch nicht auf Kriegsstärke waren.

Die Briten haben zudem nur "richtige" Kanonen aufgelistet, Karronaden dagegen erscheinen in den Aufstellungen nicht oder separat aufgeführt, und kleinere Fahrzeuge waren oft komplett mit solchen ausgestattet, Fregatten hatten einen hohen Anteil. Die Franzosen hatten dagegen kaum Karronaden und haben alles aufgelistet.

Bezüglich der Manschaften waren alle Kriegsteilnehmer chronisch unterbesetzt. Bei den Franzosen waren alle verfügbaren Seeleute registriert und ergaben so eine theoretische Stärke die nach Bedarf eingezogen werden konnte, bei den Briten muss man erst die Pressgangs losschicken und dann sehen was man hatte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Gibt es ein Buch, das die Marinen Frankreichs und Großbritanniens z. Zt. des Endes des ancien régimes, der franz. Revolution und des franz. Empires gegenüberstellt, das Zahlen bietet über Flottenstärken, Ausgaben, Stärken und Schwächen ... vllt. noch einige Details zu den Schiffseinheiten, Bewaffnung, Mannschaften ... und den Konflikten bietet?
Grüße
excideuil

Einen guten Überblick gibt Jonathan Dull, The Age of the Ship of the Line, The british and french navies 1650-1815.

Dort wird für November 1801 folgendes genannt (verfügbare Zahlen, auf britischer Seite war ein großer Teil nicht in Kommission, und wurde erst anschließend wieder in Dienst gestellt), S. 161:

Frankreich:
4 * 110/118 Geschütze
4 * 80
37 *74 (inkl. 4 von Spanien akquirierte Schiffe)

Großbritannien:
23 * 90 und mehr
9* 80/84
67 * 74
24 * 64
12 * 50/56
Davon waren 1.1.1804 nur 76 Schiffe >64 "in service", zuzüglich 10 mit >50, ein weiteres Dutzend aus der Reserve wurde im Verlauf 1804 mobilisiert.

Das Buch gibt einen sehr groben Überblick über die Ereignisse, ist nichts für Details.

Zum 1.1.1813 (S. 174):

Frankreich:
7 * 110/118
2 * 90
16 * 80
44 * 74
5 * 64

Großbritannien:
5 * 110/120
18 * 98/100
7 * 80/84
110 * 74/76
6 * 64
4 * 50/56
(plus 15 russische)

Ergänzend der Hinweis auf eine weitere Publikation:
Lawrence Sondhaus: Napoleon's Shipbuilding Program at Venice and the Struggle for Naval Mastery in the Adriatic, 1806-1814, JoMH 1989, S. 349-362.
Einige Tage nach dem Trafalgar-Desaster legte legte Vizeadmiral Decrès den Grundstein für ein Flotten-Neubauprogramm, was man aber einem Angriff oder einer britischen Blockade entziehen musste. Deshalb sollte ein Teil auch in der Adria vom Stapel laufen. Wegen Finanzprobleme verzögerte sich der Start bis zum Herbst 1806.

Die "Beute" in Vernedig im April 1814 beeindruckte Briten und Österreicher: 4 Linienschiffe, 3 Fregatten, 1 Kovette in Dienst (1-2-1 vorher von Briten erbeutet oder versenkt), sowie weitere 6 Linienschiffe und 5 Fregatten in Bau.
Das Bauprogramm allein in Venedig umfasste also bis 1813/14:
11 Linienschiffe, 10 Fregatten, 2 Korvetten (plus 1 Fregatte in Triest)
 
Zuletzt bearbeitet:
Und als weitere Ergänzung:

Steve Marthinsen, French Sail-of-the-Line in the Napoleonic Wars, Warship 1994, S. 12 mit dem unfertigen Bauprogramm 1814.
 

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Ich glaube aber, wir haben schonmal woanders im Forum eine Menge Zahlen (ich auch) zur Flottenentwicklung von Frankreich und England zusammengetragen. Von daher muss man nurmal mit Forum forschen.
:autsch: da hätte ich natürlich auch selbst drauf kommen können, die Thematik wurde ja schon öfter diskutiert, manchmal sehe ich den Wald ... vielen Dank für den Hinweis!

Auch den anderen vielen Dank für die Beiträge und Zahlen!

Grüße
excideuil
 
Dabei ist der Gedanke, dass England über das Meer besiegbar sein könnte interessant. Bislang war nach Lage der Historiker nach Trafalgar Schluss mit maritimen Ambitionen Frankreichs. Und der Grundgedanke des o.g. Buches, dass Napoléon es über das Meer versuchen wollte, klingt so absurd nicht.
England war definitv über das Meer besiegbar. N. A. M. Rodger zählt (ich meine in "Command of the Ocean") bummelig 13 erfolgreiche Landungen feindlicher Streitkräfte in England bzw. Großbritannien NACH 1066 (der angeblich letzten erfolgreichen Invasion). Most prominently The Glorious Revolution, in der eine feindliche niederländische Flotte gegen den nominellen Widerstand der Flotte James II. den Usurpator William of Orange mit seinem Heer in der Torbay absetzte.
Noch im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg übte eine franco-spanische Flotte einen ganzen Sommer lang die Seeherrschaft im Kanal aus. Und noch die Irland-Expedition Hoches war bereits locker an der Royal Navy vorbei und nur das übliche Schietwetter hat die britische Herrschaft in Irland gerettet.

Nach Trafalgar haben die Franzosen in Venedig, entlang der ganzen Adriaküste besonders in der Schelde enorme Anstrengungen unternommen, eine neue Flotte zu bauen. Dieses Flottenbauprogramm haben die Briten durchaus ernst und als Bedrohung wahr-genommen.
Und auch die Brest-Flotte, die nicht ganz klein war, war nach 1805 noch vorhanden und wurde erst in 1809 in den Basque Roads (= Charentemündung) dezimiert.
Einer der Gründe für den Überfall auf Kopenhagen 1807 (im tiefsten Frieden) mit Beschlagnahme der dänischen Flotte war es, zu verhindern, dass diese nicht ganz unerhebliche Seestreitmacht wenige Segeltage von Yarmouth entfernt den Franzosen in die Hände fiel.
Insbesondere das französische Seeoffizierkorps hatte sich nach dem Aderlass des Terreur re-professionalisiert und die herbe britische Schlappe in der Schlacht von Grand Port (Mauritius) von 1810 zeigt, dass die Franzosen immer noch bzw. wieder ordentlich zutreten konnten.

Das Hauptproblem für eine Invasion Großbritanniens lag m. E. für die Franzosen in der weiträumigen Verteilung ihrer Seestreitkräfte. Ein Großteil der Invasionsflotte musst durch von Briten kontrolliertes Gebiet anmarschieren, in von den Briten bedrohten Küstenabschnitten Invasionstruppen an Land nehmen und durch den von den Briten und dem englischen Mistwetter beherrschten Kanal kommen und dort für eine Landung und die Nachversorgung auch verbleiben! Man darf nicht vergessen, dass für den Transport einer schlagkräftigen Armee mit Train, Kavallerei, Belagerungszug etc. pp. erheblicher Transportraum erforderlich war, zusammen mit einer ausreichenden Anzahl von einsatzfähigen Besatzungen. 1000 Fahrzeuge mit je mindestens 20 Seeleuten + Bedeckung durch Kriegsschiffe forderte eine Anzahl von Seeleuten, die das von Napoleon kontrollierte Europe nur schwerlich aufbringen konnte.

Zum Vergleich: In 1809 starteten die Briten die Walcheren-Expedition, u. a. mit dem Ziel, den französischen Schiffbau in der Schelde zu schwächen und die dort vorhandenen Fahrzeuge wegzunehmen oder zu zerstören.
Um das ca. 40000 Mann starke Expeditionskorps überzusetzen, benötigte man nach dieser Quelle 35 Linienschiffe und 202 kleinere Schiffe und Boote der Marine. The United Service Journal and Naval and Military Magazine - Google Books
gemäss der deutschsprachigen Wikipedia waren sogar 245 Kriegsschiffe und -fahrzeuge und ca. 400 Transportschiffe beteiligt - das ist ne Menge Holz (und mehr).
Walcheren-Expedition ? Wikipedia
Eine mindestens vergleichbare bis größere Zahl an Schiffen hätten die Franzosen für eine Invasion in England und für mindestens die nächsten zwei bis drei Monate zur Versorgung der gelandeten Truppen im Kanal einsetzen können müssen - gegen den Widerstand und mit den Verlusten durch die Royal Navy. Eine wirkliche Invasionsstreitmacht hätte m. E. mindestens doppelt so stark sein müssen wie die britische Walcheren-Expedition. Ob die napoleonischen Flotten diesen Kraftakt hätten stemmen können, wage ich eher zu bezweifeln.
Ich schließe mit dem berühmten Zitat des Earl St. Vincent: "Ich sage nicht, dass sie nicht kommen. Ich sage nur, dass sie nicht über See kommen." John Jervis, 1st Earl of St Vincent - Wikipedia, the free encyclopedia

Ganz am Ende erlaube ich mir den Hinweis auf den Gedankenaustausch zwischen einem gewissen Robert Fulton und Napoleon, der zum großen Glück der Engländer in einem weiteren berühmten Zitat - diesmal des großen kleinen Kaiser-Caporals - endete: "Mein Herr, Sie wollen ein Schiff gegen Wind und Strom fahren lassen, indem Sie unter Deck ein Freudenfeuer entfachen? Verzeihen Sie mir, aber ich habe keine Zeit für solchen Unfug ..."
Napoleon I: To Robert Fulton: What, sir, would you make a ship sail against the wind and currents by lighting a bonfire under her deck? I pray you excuse me, I have no time to listen to such nonsense.
 
@ Neddy
Vielen Dank für einen wieder einmal grandiosen Beitrag!
England war definitv über das Meer besiegbar.

Nach Trafalgar haben die Franzosen in Venedig, entlang der ganzen Adriaküste besonders in der Schelde enorme Anstrengungen unternommen, eine neue Flotte zu bauen. Dieses Flottenbauprogramm haben die Briten durchaus ernst und als Bedrohung wahr-genommen.

Das Hauptproblem für eine Invasion Großbritanniens lag m. E. für die Franzosen in der weiträumigen Verteilung ihrer Seestreitkräfte. Ein Großteil der Invasionsflotte musst durch von Briten kontrolliertes Gebiet anmarschieren, in von den Briten bedrohten Küstenabschnitten Invasionstruppen an Bord nehmen und durch den von den Briten und dem englischen Mistwetter beherrschten Kanal kommen und dort für eine Landung und die Nachversorgung auch verbleiben!

Zum Vergleich: In 1809 starteten die Briten die Walcheren-Expedition, u. a. mit dem Ziel, den französischen Schiffbau in der Schelde zu schwächen und die dort vorhandenen Fahrzeuge wegzunehmen oder zu zerstören.
Um das ca. 40000 Mann starke Expeditionskorps überzusetzen, benötigte man nach dieser Quelle 35 Linienschiffe und 202 kleinere Schiffe und Boote der Marine. The United Service Journal and Naval and Military Magazine - Google Books
gemäss der deutschsprachigen Wikipedia waren sogar 245 Kriegsschiffe und -fahrzeuge und ca. 400 Transportschiffe beteiligt - das ist ne Menge Holz (und mehr).
Walcheren-Expedition ? Wikipedia
Betrachten wir silesias Zahlen zu franz. Linienschiffen in 1801 von 49 und die Zahlen von Todorov in 1810 von 50 Einheiten (auch wenn nicht alle ausgerüstet und bemannt waren) [1], dann hatte sich die Zahl trotz Trafalgar ... nicht verringert.
GB. war also nicht ganz unberechtigt beunruhigt. Kopenhagen und Walcheren eine logische Folge.
Walcheren finde ich sehr interessant. Weniger, weil die Expedition nicht erfolgreich war, eher, weil GB. in der Lage war, mal eben so eine solche Expedition zu unternehmen.
Noch interessanter ist die Anzahl der beteiligten brit. Linienschiffe: Je nach Quelle kommt man auf 35 oder 39 Einheiten. Ein Zahl, die neben Transport- Geleit- oder Sicherungsaufgaben eine Garantie bot, dass selbst beim Auftauchen franz. Flottenverbände eine zahlenmäßige Überlegenheit der brit. Flotte in einer mögl. Schlacht sicherstellte.

Zudem hatte in Frankreich wohl niemand mit einer solchen Operation gerechnet. Jedenfalls zeigten sich die Verantwortlichen in Paris (der Kaiser war abwesend) von der Situation völlig überfordert und nicht in der Lage, eine Entscheidung zu treffen. Einzig Polizeiminister Fouché handelte und Bernadotte übernahm das Kommando über die Entsatztruppen.

In der Summe ergibt sich wohl, dass GB. informiert und auf der Hut war, damit ein Überraschungsmoment nicht auf seiten der Franzosen liegen würde, was die Ausführung einer später geplanten Invasion über Irland oder Schottland noch schwerer gemacht hätte.

Ganz am Ende erlaube ich mir den Hinweis auf den Gedankenaustausch zwischen einem gewissen Robert Fulton und Napoleon, der zum großen Glück der Engländer in einem weiteren berühmten Zitat - diesmal des großen kleinen Kaiser-Caporals - endete: "Mein Herr, Sie wollen ein Schiff gegen Wind und Strom fahren lassen, indem Sie unter Deck ein Freudenfeuer entfachen? Verzeihen Sie mir, aber ich habe keine Zeit für solchen Unfug ..."
Napoleon I: To Robert Fulton: What, sir, would you make a ship sail against the wind and currents by lighting a bonfire under her deck? I pray you excuse me, I have no time to listen to such nonsense.
Ich werde Napoléon ganz sicher nicht in Schutz nehmen, aber ist es denn vorstellbar, dass Linien-Dampfschiffe (was ja schon allein konstruktiv zu der Zeit eine ungeheure Herausforderung dargestellt hätte) in den paar verbleibenden Jahren der napoleonischen Herrschaft für "die Wende" hätten sorgen können? Ich kann es mir nicht vorstellen.

Grüße
excideuil

[1] Todorov, Nicola Peter: 1812 - Moskau oder London? Napoleons Landungsprojekte auf den britischen Inseln nach Trafalgar von 1806 bis 1813, tredition GmbH, Hamburg, 1813, Seite 106
 
[...] ist es denn vorstellbar, dass Linien-Dampfschiffe (was ja schon allein konstruktiv zu der Zeit eine ungeheure Herausforderung dargestellt hätte) in den paar verbleibenden Jahren der napoleonischen Herrschaft für "die Wende" hätten sorgen können?
Naja, dass seine Tage als Kaiser genauso kurz sein würden wie seine Statur, hatte Napoleon sicherlich nicht in seiner Karriereplanung vorgesehen. :p
Was die Dampf-Linienschiffe angeht, bin ich gänzlich bei Dir. Hier wäre in den nächsten ein bis zwei Jahrzehnten nichts drinne gewesen. Ob Frankreich zu dieser Zeit überhaupt über die erforderliche industrielle Kapazität verfügt hat, können Du und Silesia besser beurteilen als ich. Für eine "großtechnische Anwendung" war Fultons System gewiss noch nicht reif.
Aber:
Hätte Napoleon sich mehr für die See und die von ihr gesetzten taktischen Rahmenbedingungen interessiert, hätte er mit Fultons Dampfantrieb m. E. über eine andere attraktive Option verfügt: Zur Einführung möchte ich nochmal gen Kopenhagen 1807 ausholen: Die Dänen waren verständlicherweise recht böse darüber, dass die ollen Albionesen mitten im Frieden heranspazieren, landen, Seeland leerfressen und mit der dänischen Flotte im Handgepäck wieder nach Hause fahren - eben der Flotte, mit der sich die Dänen bislang ihren futterneidischen schwedischen Nachbarn vom Hals gehalten hatten, der mit sabbernden Leftzen seine gierigen Knäckebrothände gen Norwegen ausstreckte. Über den nunmehr absehbaren Verlust Norwegens sauer und auch ein wenig in ihrer hyggeligen Ehre gekränkt, führten die Dänen den von den Limeys angefangenen Krieg weiter und zwar mit den Seestreitkräften, die sie noch hatten, bzw. schnell beschaffen konnten. Es begann der Kanonenbootkrieg: Die Briten mussten den Nachschub für ihre in der Ostsee operierenden Geschwader durch Belt oder Sund bringen. Und dort lauerten die Dänen mit großen Ruderbooten, die ein schweres Geschütz trugen. Bei gutem Segelwetter keine Bedrohung für ein gestandenes Kriegsschiff. Setzte jedoch bei der Passage der Engstelle eine Flaute ein, wurde das Segelschiff zur Immobilie und die Dänen konnten sich schön unters Heck setzen und ihrem Gegner ordentlich den Hintern versohlen. Bei einer dieser Gelegenheiten haben sie das Linienschiff "Africa" derart übel zugerichtet, dass es kurz davor stand, von ihnen erobert zu werden.
Hätte (hätte Fahradkette, ich weiss) Napoleon in seinen Kriegshäfen Geschwader kleiner Dampfer mit ein zwei schweren Geschützen aufgestellt, hätten diese den britischen Vorposten und ggf. den Inshore Squadrons ein so schweres Leben machen können, dass die "close blockade" zumindest hätte gelockert werden müssen und ein Aus- und Einlaufen der französischen Geschwader und Einzelsegler erleichtert worden wäre. Und an einem schönen, windstillen Sommertag 10-20 mit Truppen vollgepackte Präme von Boulogne Richtung Brighton zu schleppen, hätte den Engländern vor Ort sicherlich die Wochenendlaune verdorben. Mit der Folge, dass die Briten womöglich mehr Mittel für stationären Küstenschutz zumindest im Süden hätten aufbringen müssen, die dann woanders gefehlt hätten. Kriegsentscheidend? Je ne sais pas... Unangenehm auf jeden Fall.
 
Zuletzt bearbeitet:
Für eine "großtechnische Anwendung" war Fultons System gewiss noch nicht reif.
Aber:
Hätte Napoleon sich mehr für die See und die von ihr gesetzten taktischen Rahmenbedingungen interessiert, hätte er mit Fultons Dampfantrieb m. E. über eine andere attraktive Option verfügt: Zur Einführung möchte ich nochmal gen Kopenhagen 1807 ausholen: [...].

Das würde sich aber nur auf Schaufelradbetrieben Schiffe beziehen, denn die Schiffsschraube wurde erst ab den 1830iger Erfunden ...

Was diese Art von Schiffen angeht, hatte ich schonmal versucht eine Diskussion heranzuführen ... http://www.geschichtsforum.de/f328/die-verborgenen-schiffe-31917/
 
Aber:
Hätte Napoleon sich mehr für die See und die von ihr gesetzten taktischen Rahmenbedingungen interessiert, hätte er mit Fultons Dampfantrieb m. E. über eine andere attraktive Option verfügt:
Da gilt wohl, Napoléon war gelernter Artillerist. Wenn er also Mr. Fulton eine Absage erteilt, dann galt dies natürlich auch für das Marineministerium etc. Eine Idee eines subalternen Offiziers wäre wohl schwerlich gehört, hätte vllt. gar in den Festungsgräben von Vincennes enden können.
Denn der Kaiser setzte auf Stärke und auf Linienschiffe:
"Gemäß dem Reglement von 1807 wurde die Artillerie eines Dreideckers von 118 auf 126 , die eines 80-Kanonenschiffes auf 86 Kanonen und die eines 74-Kanonenschiffes auf 82 erhöht." [1]
Das legt wohl nahe, dass Napoléon auch in einer Seeschlacht auf massierte Artillerie setzte.
Lt. Todorow sollte nach Napoléons Vorstellungen Frankreich (das Empire) 109 Linienschiffe und 86 Fregatte besitzen. [2]
Ludwig XVIII. übernahm 1814 75 Linienschiffe.
Der Autor schätzt ein: "Diese schwer bestückten Linienschiffe sollten kaum Gelegenheit haben, ihre schwere Bewaffnung auf die Probe zu stellen." [1]

Das ist wohl die Crux, da wie Walcheren zeigt, die großen Linienschiffe sich eher vor England verstecken mussten.

Grüße
excideuil

[1] Todorov, Nicola Peter: 1812 - Moskau oder London? Napoleons Landungsprojekte auf den britischen Inseln nach Trafalgar von 1806 bis 1813, tredition GmbH, Hamburg, 1813, Seite 109
[2] Todorov, a.a.O., Seite 107
 
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