Deutsches Kaiserreich - Kein Bündnis mit GB?

Aber die Briten fühlten sich doch von den deutschen bedroht wegen ihrer flotte --> es entstand eine Rivalität und beide Mächte rüsteten auf

Die Frage ist ab wann? Dazu ein Hinweis: Naval Scare von 1909 ... damit will ich zum Ausdruck bringen, daß eine vermeintliche Rivalität erst kurz vor dem 1. WK von britischer Seite erkannt wurde ... und schon nach 1912 war der Rüstungswettlauf mehr oder weniger entschieden. Zumindest aus politischer Sicht.
 
Die dt. Flottengesetzte von 1898 und 1900 zielten nie darauf ab, die Flotte GB zu überflügeln, daß war unrealistisch und das wussten auch die auch beim Reichsmarineamt.
Aber ein Flotte, die einen gewissen Bruchteil des Gegners erreicht, womöglich noch mehr, als nur 50% … taugt als Abschreckung, als politisches Druckmittel oder zur Verbündung

Das hatte der Risikogedanke als Hintergrund, was nach damaligen Erkenntnissen als normale politische Verhaltensweise einforderbar ist.
Einverstanden, das überzeugt mich.
Bleibt der diplomatische Punkt. Wieso glaubten die deutschen Verantwortlichen, dass sich mit der Flottenaufrüstung ein Grund zu einem Bündnis mit England ergäben könnte? Ein Blick in die Historie zeigt doch, dass England sich in Konfrontationen mit dem kleineren - sicherlich temporären Partner - gegen den Hauptfeind verband - Stichworte Balance of Power und splendid isolation.

Grüße
excideuil
 
Lesen wir dazu Tirpitz:

"Abgesehen von den für uns durchaus nicht aussichtlosen Kampfverhältnissses wird england aus allgemein politischen Gründen und von rein nüchternen Standpunkt des Geschäftsmannes aus, jede Neigung uns anzugreifen, verloren haben und infolgedessen Eure majestät ein solches Maß von Seegeltung zugestehen und Euer Majestät ermöglichen eine große überseeische Politik zu führen." (1)

Mit anderen Worten der Weg zur Weltmacht führt nur über eine entsprechende Seemacht.

Nur haben die Dinge kamen eben anders. 1898 kam es zwischen Frankreich und Großbritannien (faschoda) zum Krieg. Aber eben nur fast. Letzten Endes bildete diese schwere Krise den Ausgangspunkt für die Entente Cordiale im Jahre 1904. Der Burenkrieg hat sicher das seinige dazu beigetragen. Großbitannien war eben nicht, wie angenommen, in die Isolation geraten, sondern das Deutsche Reich stand ab 1907 etwas vereinsamt da.


(1)Notizen von Tirpitz anläßlich des Immediatvortrages vom 28.09.1899
 
Lesen wir dazu Tirpitz:

"Abgesehen von den für uns durchaus nicht aussichtlosen Kampfverhältnissses wird england aus allgemein politischen Gründen und von rein nüchternen Standpunkt des Geschäftsmannes aus, jede Neigung uns anzugreifen, verloren haben und infolgedessen Eure majestät ein solches Maß von Seegeltung zugestehen und Euer Majestät ermöglichen eine große überseeische Politik zu führen." (1)

Mit anderen Worten der Weg zur Weltmacht führt nur über eine entsprechende Seemacht.

Nur haben die Dinge kamen eben anders. 1898 kam es zwischen Frankreich und Großbritannien (faschoda) zum Krieg. Aber eben nur fast. Letzten Endes bildete diese schwere Krise den Ausgangspunkt für die Entente Cordiale im Jahre 1904. Der Burenkrieg hat sicher das seinige dazu beigetragen. Großbitannien war eben nicht, wie angenommen, in die Isolation geraten, sondern das Deutsche Reich stand ab 1907 etwas vereinsamt da.

(1)Notizen von Tirpitz anläßlich des Immediatvortrages vom 28.09.1899
Ehrlich gesagt, ich kann Tirpitz' Worte nicht nachvollziehen. Sie implizieren, dass England durch das Drohpotential der dt. Flotte mehr oder weniger freiwillig eine Neuverteilung der Welt durch Deutschland zulassen müsste. Der Zeitpunkt der Worte legt zudem nahe, dass diplomatische Bündnisse eher nachrangig betrachtet wurden, denn, dass Deutschland auf dem Kontinent von den Großmächten isoliert dastand, war seit der Auflösung des Rückversicherungsvertrages mit Rußland in 1890 und des Bündnisses zwischen Frankreich und Rußland in 1894 deutlich. Mehr noch, der "Erbfeind" Frankreich, der nach dem Verlust von Elsass-Lothringen auf Revange sann, stand nicht mehr isoliert da, und es drohte gar ein Zweifrontenkrieg, vor dem Bismarck immer gewarnt hatte.

Was hätte ein Einknicken Englands bedeutet? Dass das Deutsche Reich einen Teil des brit. Empires erhalten hätte? Die Interessen der anderen Großmächte aber nicht betroffen wären? Klingt alles sehr abenteuerlich.

Warum hätte aber England vor Deutschland einknicken sollen? Noch dazu freiwillig als Weltmacht Nr. 1. Ich sehe dafür keine Logik, und damit in den Worten von Tirpitz keinen Sinn außer das Prinzip Hoffnung, denn wie die Historie gezeigt hat, war es England möglich, sich mit den anderen Großmächten zu einigen (zu verbünden) und damit der Drohkulisse Deutschlands wirksam zu begegnen.

Grüße
excideuil
 
Ehrlich gesagt, ich kann Tirpitz' Worte nicht nachvollziehen. Sie implizieren, dass England durch das Drohpotential der dt. Flotte mehr oder weniger freiwillig eine Neuverteilung der Welt durch Deutschland zulassen müsste.[...]

Naja, erstmal ist natürlich auch damals die Problematik der Seemacht im Bezug auf die koloniale Frage bzw. Weltmachtstellung auch nach dem Standardwerk des Herrn Mahan in Deutschland und hier insbesondere durch Herrn Tirpitz komplett falsch bewertet worden. Aber das aus den zeitlichen Blick betrachtet, politischer Ereignisse in verschiedenste Richtungen wahrgenommen werden, zeigt ja ein aktuelle Entwicklung auf.
Zudem sei noch gesagt, die RN war noch im Aufbau nach dem Programm von 1889 beschäftigt, so waren in den ersten 10 Jahren die Schiffe der Royal Sovereign- und Majestic-Klasse in Dienst genommen (16 Linienschiffe) worden. Somit war auch zu dien Zeitpunkt sicherlich immer der Blick offen, durch eine selbige Flottenrüstung anteilig an die RN ranzukommen, wenn auch zugegeben, sehr unrealistisch betrachtet.
 
Ehrlich gesagt, ich kann Tirpitz' Worte nicht nachvollziehen. Sie implizieren, dass England durch das Drohpotential der dt. Flotte mehr oder weniger freiwillig eine Neuverteilung der Welt durch Deutschland zulassen müsste. ....

Warum nicht? Bei den USA hat es ja funktioniert.

Was hätte ein Einknicken Englands bedeutet? Dass das Deutsche Reich einen Teil des brit. Empires erhalten hätte? Die Interessen der anderen Großmächte aber nicht betroffen wären? Klingt alles sehr abenteuerlich.
Ich denke nicht, dass dieses gemeint war, sondern die Möglichkeit ein eigenes Kolonialreich aufzubauen.

Frankreich hat sich ja zu dieser Zeit Südostasien einverleibt, die USA die Reste des spanischen Imperiums, Russland expandierte in Fernost und alle gemeinsam räuberten in China. Da ist es schon kurios, dass nur das Deutsche Reich als untragbare Bedrohung angesehen wurde.
 
Wäre eigentlich ein Bündnis zwischen Großbritannien und Deutschland ein sinnvolles Bündnis?
Auch bei aller Entwicklung der Flottenfrage und kolonialen Spannungspunkten in Afrika, war eine Verbindung zwischen diesen beiden Staaten auf politischer und wirtschaftlicher Ebene (wie es im kleinen zwischen Firmen schon erfolge) nur verhindert worden, weil die Monarchen an persönlichen Abneigungen und Befindlichkeiten gegeneinander arbeiteten?
 
Das läßt sich pauschal gar nicht so einfach beantworten. Meines Erachtens käme es auf die inhaltliche und räumliche Ausgestaltung an. An was für ein Bündnis hattest du denn genau gedacht?
 
Anmerkung: Beiträge zur Krüger-Depesche, Transvaal-Krise und deutsch-englischer Konfrontation in Südafrika wurden in ein gesondertes Thema ausgegliedert.
 
... Nur weder die USA noch Japan lagen im Hinterhof des Vereinigten Königreiches. Das ist Fakt. ...

Und das gab England das Recht auf eine Flotte und Deutschland nicht?

...Damit konnte es doch nur real oder als Druckmittel gegen eine andere Macht gehen. Vertrauensbildende Politik in Richtung stabiler und erfolgreicher Bündnisse sieht wohl anders aus.

Das heißt konkret?
Wie ist unter diesem Gesichtspunkt eigentlich die Außenpolitik Englands zu bewerten?
Mit welchem Recht - außer dem des Stärkeren - beanspruchte England für sich einen 2-Mächte-Standard zur See?

Wenn die Flotte des Deutschen Reiches 2/3 der Tonnage der RN erreichen sollte, war dies mehr oder minder eine Kriegserklärung.

Wieso? Warum wird England das Recht zugestanden, jeden an der Küste gelegenen Ort der Welt anzugreifen, und anderen das Recht abgesprochen, sich dagegen zu verteidigen?

Die Flotte des Vereinigten Königreiches war auf der ganzen Welt verteilt. O.K. ein Schwerpunkt war mit der Homefleet im Kanal gelegt. Aber der Rest war sehr weit verteilt.

Und diesen Besitz hatte man ja auch ganz demokratisch gewonnen, nachdem man den früheren Eigentümer in Grund und Boden geschossen hatte. England hatte in Indien genauso wenig zu suchen wie Dtschl. auf den Salomonen!

Bei einer guten Nutzung der Kaiserlichen Marine währe aus Sicht der Briten eine ernsthafte Bedrohung gewesen.

Das träfe vielleicht auf eine Flotte nach Galsters Konzept zu. Die tirpitzsche Risikoflotte war schon konzeptionell keine Gefahr für England, solange die Engländer ihr nicht den Gefallen taten in die Deutsche Bucht zu kommen.

Erst mit den Schlachten bei den Falklandinseln oder auf der Doggerbank konnte man sehen das es dann für die Britische Seemacht doch nicht so schlecht bestellt war.

Also näher besehen hat man sich seitens der RN in beiden Fällen nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Die Lehren aus dem Gefecht auf der Doggerbank, die auf englischer Seite nicht gezogen wurden, sollten 16 Monate später tausende Seeleute das Leben kosten.

...Ein Blick in die Historie zeigt doch, dass England sich in Konfrontationen mit dem kleineren - sicherlich temporären Partner - gegen den Hauptfeind verband - Stichworte Balance of Power und splendid isolation.

Fragt sich nur, woran man den "Kleineren" erkennt.

1914 sah sich seltsamerweise Russland in dieser Rolle, wie das Telegramm des russische Außenminister Sasonow vom 25. Juli 1914 an die russische Botschaft in London zeigt:

In the event of any change for the worse in the situation which might lead to joint action by the great Powers, we count upon it that England will at once side definitely with Russia and France, in order to maintain the European balance of power, for which she has constantly intervened in the past, and which would certainly be compromised in the event of the triumph of Austria.
aus Supplement to the American Journal of International Law Vol. 9 1915 Official Documents S. 16
 
Wieso? Warum wird England das Recht zugestanden, jeden an der Küste gelegenen Ort der Welt anzugreifen, und anderen das Recht abgesprochen, sich dagegen zu verteidigen?
Recht ist hier das falsche Wort.

Ich halte die Tirpitzsche Risikoflotte für einen großen Fehler. Nicht weil es nicht gedurft worden wäre, aber es stand militärisch kein brauchbares Konzept dahinter, deshalb konnte die Notwendigkeit den Briten nicht vermittelt werden (vom Versuch einmal abgesehen).

Wenn die aufzubauende Flotte Eingreifmöglichkeiten zum Schutz der deutschen Kolonien und der Handelsflotte geboten hätte, d.h. Gliederung und Reichweiten der Schiffe, dann wäre dies sicher vermittelbar gewesen. Großkampfschiffe als Kern solcher Flottillen hätten anders ausgesehen als reine Kampfgeschwader, die aufgrund der technischen Möglichkeiten nur gegen britische Einheiten wahrgenommen werden konnten.

Aus einem "natürlich dürfen wir das" wurde so eine gefühlte Bedrohung. Diesen Schritt hätte man vermeiden oder zumindest diplomatisch abfedern müssen.

Die französische Politik hat sich da besser aufgestellt. Dies führte dazu, dass Konflikte wie in Faschoda gelöst werden konnten. Man vergleiche die diplomatische Aktivität rund um Faschoda z.B. mit den Umständen des Sansibarvertrages 8 Jahre vorher.

Oder anders ausgedrückt: Deutschland wollte vielleicht ein Bündnis mit den Briten, konnte sich aber nicht zu einer vernünftigen Ausgangssituation aufraffen. Etliches wurde schlichtweg nicht richtig eingeschätzt und das Ego diverser Beteiligten stand einer Änderung im Weg.
 
Recht ist hier das falsche Wort.
Ah ja?

Ich halte die Tirpitzsche Risikoflotte für einen großen Fehler. Nicht weil es nicht gedurft worden wäre, aber es stand militärisch kein brauchbares Konzept dahinter, deshalb konnte die Notwendigkeit den Briten nicht vermittelt werden (vom Versuch einmal abgesehen).
Wenn die aufzubauende Flotte Eingreifmöglichkeiten zum Schutz der deutschen Kolonien und der Handelsflotte geboten hätte, d.h. Gliederung und Reichweiten der Schiffe, dann wäre dies sicher vermittelbar gewesen. Großkampfschiffe als Kern solcher Flottillen hätten anders ausgesehen als reine Kampfgeschwader, die aufgrund der technischen Möglichkeiten nur gegen britische Einheiten wahrgenommen werden konnten.

Leider bleibt offen, was ein "brauchbares Konzept" - vermutlich aus heutiger Sicht wäre.

So unbrauchbar kann das damalige Konzept, ausführliche Darstellung im "Entwurf eines Gesetzes , betreffend die deutsche Flotte vom 30.11,1897" auf den Seiten 2 ff., nicht gewesen sein, denn zumindest der Punkt 2 "Vertheidigung der vaterländischen Küsten" wurde von der Kaiserlichen Marine bis 1918 recht erfolgreich umgesetzt.

Und um gleich einem möglichen Einwand entgegenzutreten:
Minen, Torpedoboote und auch U-Boote sind ohne schwere Streitkräfte nicht ausreichend für eine erfolgreiche Küstenverteidigung gegen einen entschlossenen Gegner, wie das "Unternehmen Albion" deutlich zeigt.

Aus einem "natürlich dürfen wir das" wurde so eine gefühlte Bedrohung. Diesen Schritt hätte man vermeiden oder zumindest diplomatisch abfedern müssen.
Wenn sich ein Staat bedroht fühlen will, kann man daran leider wenig bis nichts ändern. "Gefühle" sind einer rationalen Argumentation nicht zugänglich, insofern ist dieser Einwurf zwar vielleicht gut gemeint - mehr aber auch nicht.

Btw. was hat eigentlich das als vorbildlich hingestellte Frankreich unternommen, um nach Abschluss seines Bündnisses mit Russland eine in Dtschl. gefühlte Bedrohungslage diplomatisch abzufedern? Kann es sein, dass man hier mal wieder mit zweierlei Maß misst?

Die französische Politik hat sich da besser aufgestellt. Dies führte dazu, dass Konflikte wie in Faschoda gelöst werden konnten. Man vergleiche die diplomatische Aktivität rund um Faschoda z.B. mit den Umständen des Sansibarvertrages 8 Jahre vorher.

Sowohl Frankreich als auch Russland verfügten über Aktiva in der damaligen "internationalen Währung" - Kolonien, strategische Positionen, Interventionsmöglichkeiten - die sie als Verhandlungsmasse einbringen konnten. Dtschl. konnte weder großartige Positionen noch Gebiete in die politische Waagschale werfen, aber das hatte bereits Turgot ausführlich und kompetent dargestellt. Der Flottenbau war auch ein Versuch einen derartigen Aktivposten unter Einsatz der vorhandenen Möglichkeiten aufzubauen, Kolonien konnte man nicht produzieren.

Oder anders ausgedrückt: Deutschland wollte vielleicht ein Bündnis mit den Briten, konnte sich aber nicht zu einer vernünftigen Ausgangssituation aufraffen. Etliches wurde schlichtweg nicht richtig eingeschätzt und das Ego diverser Beteiligten stand einer Änderung im Weg.

Diese Darstellung ist doch etwas einseitig und lässt die andere Seite, in diesem Fall England völlig außer Acht. 1901 war bspw. Salisbury ein entschiedener Gegner eines Bündnisses mit den kontinentalen Mächten.
 
Ja oder kannst Du Dir einen hier einen Rechtsstreit vor einem Gericht vorstellen? Wenn ja, auf welcher Grundlage?

Leider bleibt offen, was ein "brauchbares Konzept" - vermutlich aus heutiger Sicht wäre.
Aus meiner Sicht wären nicht nur Großkampfschiffe sondern parallel auch Depots an verschiedenen Küsten (in den eigenen Kolonien und per Vertrag auch an anderen), unterstützende Kreuzer und allgemein Schiffe mit größerer Reichweite nötig gewesen. Kurz, nicht nur eine Schlachtflotte, der Aufwand hätte in allen Bereichen der Marine getrieben werden müssen. Bei gleichem Aufwand hätte dies natürlich weniger Großkampfschiffe bedeutet.

Politisch hätte eine Zusammenarbeit mit anderen Stellen gut getan, d.h. nicht nur eine fast schon Geheimpolitik mit dem Kaiser.

So unbrauchbar kann das damalige Konzept, ausführliche Darstellung im "Entwurf eines Gesetzes , betreffend die deutsche Flotte vom 30.11,1897" auf den Seiten 2 ff., nicht gewesen sein, denn zumindest der Punkt 2 "Vertheidigung der vaterländischen Küsten" wurde von der Kaiserlichen Marine bis 1918 recht erfolgreich umgesetzt.
Für die Küstenverteidigung hätten weniger Großkampfschiffe gereicht. Die Schlachtflotte sollte (bei geringer Reichweite) auch jenseits der eigenen Küste aktiv werden, was ja auch funktionierte, nur gegenüber der Royal Navy immer noch nicht gut genug war. Defensiv hätte eine Zusammenarbeit von schweren UND leichten Kräften sicher effizienter gestaltet werden können.

Letztlich wurde mit enormen Mitteln eine Verteidigung erzielt, die aber so gar nicht vorgesehen war. Dies als Vorteil darzustellen ist nicht richtig.

Btw. was hat eigentlich das als vorbildlich hingestellte Frankreich unternommen, um nach Abschluss seines Bündnisses mit Russland eine in Dtschl. gefühlte Bedrohungslage diplomatisch abzufedern? Kann es sein, dass man hier mal wieder mit zweierlei Maß misst
Abgesehen davon, dass es hier nicht um Frankreich geht, in Paris hatte man das Bündnis und konnte sich anscheinend so etwas leisten. Auch wenn man im Kriegsverlauf gesehen hat, dass die Klappe beinah zu weit aufgerissen wurde.

Sowohl Frankreich als auch Russland verfügten über Aktiva in der damaligen "internationalen Währung" - Kolonien, strategische Positionen, Interventionsmöglichkeiten - die sie als Verhandlungsmasse einbringen konnten. Dtschl. konnte weder großartige Positionen noch Gebiete in die politische Waagschale werfen, aber das hatte bereits Turgot ausführlich und kompetent dargestellt. Der Flottenbau war auch ein Versuch einen derartigen Aktivposten unter Einsatz der vorhandenen Möglichkeiten aufzubauen, Kolonien konnte man nicht produzieren.
Aber eine Schlachtflotte in der Nordsee konnte produzieren?

Wenn ich mir die Entwicklung vor dem Krieg so ansehe, dann hätten die Mittel für Großkampfschiffe teilweise für die Heeresvermehrung (in Verbindung mit mehr Wehrgerechtigkeit) verwendet werden sollen. Die Landgrenzen konnte die Marine nicht angehen und umgekehrt brauchten die Briten keine Angst für Landtruppen zu haben.

Die wirtschaftliche Zusammenarbeit hingegen hätte weitere Früchte tragen können. Für mich erstaunlich sind immer noch die Berichte vom Bau der Titanic und dem nebeneinander von englischen, irischen und deutschen Arbeitern. Die Verluste der deutschen Wirtschaft durch Enteignungen im Ausland zeigen trotz aller Zölle und (aus heutiger Sicht) Abgrenzung die Bedeutung des internationalen Handels. Absatzmärkte für deutsche Produkte wären viel besser in Industrieländern gewonnen worden als in Kolonien. Auch hätte sich für Deutschland mehr Aufwand beim Kampf gegen die Auswanderung gelohnt.


Diese Darstellung ist doch etwas einseitig und lässt die andere Seite, in diesem Fall England völlig außer Acht. 1901 war bspw. Salisbury ein entschiedener Gegner eines Bündnisses mit den kontinentalen Mächten.
Die Unfähigkeit englischer Politiker wäre einen eigenen Strang wert, aber hier geht es um die deutsche Suche nach einem Bündnis. Und Salisbury war dabei ein zu überwindendes Hindernis. Mit der Flottenpolitik hat man es jedenfalls nicht geschafft.

Umgekehrt haben die Briten den ersten Weltkrieg gewonnen und ihr Imperium massiv geschwächt. Aber wie gesagt, das ist ein anderes Thema...
 
[...]
Aus meiner Sicht wären nicht nur Großkampfschiffe sondern parallel auch Depots an verschiedenen Küsten (in den eigenen Kolonien und per Vertrag auch an anderen), unterstützende Kreuzer und allgemein Schiffe mit größerer Reichweite nötig gewesen. Kurz, nicht nur eine Schlachtflotte, der Aufwand hätte in allen Bereichen der Marine getrieben werden müssen. Bei gleichem Aufwand hätte dies natürlich weniger Großkampfschiffe bedeutet.
Das größte Problem, bei einer Kreuzerflotte bzw. einer Ausrichtung der Strategie eines Kreuzerkrieges, gab es geographisch bedingt keine offensive Handlungsweise. Somit war die Ausrichtung der einer deutschen Flotte mit Kern des Linienschiff bzw. Schlachtschiffbaus die richtige Alternative. Zudem stellte ein Linienschiff den größten technischen Stand einer Marinerüstung dar, bzw. das Aushängeschild der wirtschaftlichen Macht. Es war somit zwangsläufig, daß die deutsche Flottenrüstung in diese Richtung verlaufen wäre, auch ohne Kaiser Wilhelm II und Tirpitz.
[...]
Für die Küstenverteidigung hätten weniger Großkampfschiffe gereicht. Die Schlachtflotte sollte (bei geringer Reichweite) auch jenseits der eigenen Küste aktiv werden, was ja auch funktionierte, nur gegenüber der Royal Navy immer noch nicht gut genug war. Defensiv hätte eine Zusammenarbeit von schweren UND leichten Kräften sicher effizienter gestaltet werden können.
Sich nur auf die Küstenverteidigung zu konzentrieren, ohne einen aktives Flottenprogramm und der Strategie der Entscheidungsschlacht hätte die Küstenverteidigung, wie du schon schreibst, daß selbst die vorhandene Kernflotte von Linienschiffen bzw. Schlachtschiffen nicht aussreichte.
[...]
Wenn ich mir die Entwicklung vor dem Krieg so ansehe, dann hätten die Mittel für Großkampfschiffe teilweise für die Heeresvermehrung (in Verbindung mit mehr Wehrgerechtigkeit) verwendet werden sollen. Die Landgrenzen konnte die Marine nicht angehen und umgekehrt brauchten die Briten keine Angst für Landtruppen zu haben.
Deine Annahmen sind spekulativ und so nicht belegbar.
 
Deutschland wollte vielleicht ein Bündnis mit den Briten, konnte sich aber nicht zu einer vernünftigen Ausgangssituation aufraffen.

Nun ja,in der Venezuela-Krise 1902 zog man ja durchaus am gleichen Strang. Damals schienen eher die USA als gemeinsamer potentieller Gegner auf der Agenda zu stehen. Prinzipiell war Deutschland natürlich auf Grund des Kolonialreiches und der Ostseehäfen auf einen expansiven Flottenausbau angewiesen , nur wäre aus meiner Sicht zur Sicherung der Kolonien und der Handelsflotte der Schwerpunkt eher auf eine Kreuzerflotte zu legen gewesen, wobei es natürlich ökonomisch ohnehin eher fraglich war für die Sicherung von insgesamt ca 20.000 auf der Welt verteilten Kolonisten eine größere Überseeflotte zu unterhalten.

Die deutsche Küste wäre m.E. auch mit einer kleineren "Homefleet" mit wenigen aber modernen Linienschiffen zu verteidigen gewesen, falls hier überhaupt realistisch einem amphibischen Angriff hätte begegnet werden müssen.
Das Reich war auf Grund seiner Lage und aller Flottenvereinspropaganda zum Trotz nun mal primär eine Binnenmacht und drei viertel seiner Küstenlinien lag zudem im Binnenmeer der Ostsee.
Der Schwerpunkt einer starken Nordseeflotte war m.E. daher strategisch falsch gelegt und konnte eigentlich nur als Flotte mit offensiver Ausrichtung gegen die einzige Seemacht, nämlich England gedeutet werden.
 
Die deutsche Küste wäre m.E. auch mit einer kleineren "Homefleet" mit wenigen aber modernen Linienschiffen zu verteidigen gewesen, falls hier überhaupt realistisch einem amphibischen Angriff hätte begegnet werden müssen.
Das Reich war auf Grund seiner Lage und aller Flottenvereinspropaganda zum Trotz nun mal primär eine Binnenmacht und drei viertel seiner Küstenlinien lag zudem im Binnenmeer der Ostsee.
Der Schwerpunkt einer starken Nordseeflotte war m.E. daher strategisch falsch gelegt und konnte eigentlich nur als Flotte mit offensiver Ausrichtung gegen die einzige Seemacht, nämlich England gedeutet werden.
Ich möchte bei solchen Überlegungen nochmals daran erinnern, daß wir mit der Gesamtheit der Ereignisse ein ganz anderes Bild auf die Geschichte haben. Aus damaliger Sicht, wäre es fahrlässig betrachtet worden, vor allem von der Gesellschaft und auch von Teilen der Politik, sich nicht an dem Navalismus zum Ende des 19 Jahrhunderts zu beteiligen. Und mit allem Wissen, um die Problematik der Stärke der RN und dem Schutz der Küste, sowie der Möglichkeit, durch Offensiven, die Initiative zu erreichen, wurde im stratischen Sinne, die Ereignisse, die bis zu den 1890iger Jahren den Admiralstäben Erfahrungen gaben, genutzt und umgesetzt.
Hinzukommt, gerade solche Werke über die maritime Doktrinen wie von Mahan, die sich in der Sicht der Bewertung der Seemacht ganz neu Aspekte gaben.
 
Da hast Du natürlich Recht,Köbis
Mir ist auch klar,daß insbesondere im Kaiserreich der damalige Umgang mit dem Thema Flotte nicht unbedingt von Rationalität geprägt war , ebenso wie der mit dem Thema Kolonien übrigens Insofern ist es m.E, auch interessant,daß beide Themen in gewisser Weise miteinander gekoppelt waren bzw. sich wechselseitig als Argumentationsgrundlage benutzten .
(Kolonien als Stützpunkt der Flotte-Flotte wegen der Kolonien)
Interessant finde ich auch,daß unter Bismarck diese Thematiken noch keine Rolle spielten, eswar also m.E. weniger eine zeitströmung des Navalismus als der irrationale Drang insbesondere von Wilhelm II nach Weltgeltung, der zur Flottenpolitik führte.
 
(Kolonien als Stützpunkt der Flotte-Flotte wegen der Kolonien)
Interessant finde ich auch,daß unter Bismarck diese Thematiken noch keine Rolle spielten, eswar also m.E. weniger eine zeitströmung des Navalismus als der irrationale Drang insbesondere von Wilhelm II nach Weltgeltung, der zur Flottenpolitik führte.
Da möchte ich auch wiedersprechen, denn schon vor der Reichsgründung, also nach 1864, hatte Bismarck sogar eine Flottenvorlage unterstützt! Auch wenn diese vom Parlament abgelehnt wurde.
Die Flottenfrage spielte schon unter der preußischen Marine eine Rolle, verstärkte sich unter der Marine des Norddeutschen Bundes und war Bestandteil des Kaiserreiches seit 1870. Bismarck war ab der Reichsgründung sicherlich mit dem innenpolitischen und europäischen Stand des DR beschäftigt, da kam das Geschäft mit den Kolonien nur kurz weg, sowie, eines Schutzes durch die kaiserliche Marine. Aber auch hier sei gesagt, daß die Kolonien ab 1884 durch Bismarck unter den Schutz des DR durch die kaiserliche Marine gestellt wurden. Also 4 Jahre, bevor Kaiser Wilhelm II Staatsoberhaupt wurde.
Es kann also nicht behauptet werden, das die Flottenfrage im DR erst ab 1888 durch Kaiser Wilhelm II auf die Tagesordnung kam und auch hier wird erst durch Tirpitz mit der Dienstschrift IX 1894 erstmals eine neue Ausrichtung der maritimen Strategie erkennbar. Ohne die Flottenplanungen von 1865 und 1873, wäre auch hierfür keine Basis geschaffen gewesen.
 
Nun ja,in der Venezuela-Krise 1902 zog man ja durchaus am gleichen Strang. Damals schienen eher die USA als gemeinsamer potentieller Gegner auf der Agenda zu stehen.

Aber nur eine gewisse Zeitspanne. Die britische Regierung bekam nämlich kalte Füße, als die öffentliche Empörung über das Zusammengehen mit den Deutschen bekannt wurde. Lansdowne regte einen Schiedsspruch des US Präsidenten an, Roosevelt hatte vorher immerhin schon eine Einigung in der Grenzfrage Alaskas angeboten und somit gelang die Spaltung der Blockademächte. Lansdowne hatte ohe jede Autorisierung seiner Regierung plötzlich auf 5.500 Pfund reduziert. Die deutschen Forderungen bezifferten sich auf 66.000 Pfund. Die Amerikaner empfahlen eine bevorzugte Bedienung der britischen Forderung und die britsche Presse meinte am Ende, Wilhelm und Co. wollen doch nur die USA und GB in einem Krieg hetzen. Die Dummen waren am Ende die Deutschen.
 
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