Rechtsrheinische Siedeltätigkeit über 9 hinaus (und Waldgirmes)

@germanische Veteranen:

Veteranensiedlungen aus Männern germanischer Herkunft in den Legionen sind kaum zu erwarten:
- Es ist inzwischen eher wahrscheinlich, dass vor der Katastrophe des Varus im Teutoburger Wald Versuche unternommen worden sind, Siedlungen östlich des Rheins zu errichten. Waldgirmes ist hierzu ein archäologischer Beweis und auch antike Berichte sprechen von Anfängen der Provinzialisierung/Urbanisierung östlich des Rheins. Es war üblich Veteranengruppen geschlossen anzusiedeln – also Städte zu gründen.
- In den römischen Legionen dienten in jener Zeit nur römische Vollbürger. Das bedeutet, dass sich unter ihnen wohl kaum eine nennenswerte Zahl von „ethnischen“ Germanen hätte finden können. Schon gar nicht Germanen, die von östlich des Rheines stammten – und erst recht nicht genügend Veteranen dieser Herkunft! Gerade in augustinischer Zeit überwogen in den Legionen noch stark Römer italischer Herkunft. Nach dem Ende der Bürgerkriege hatte Augustus bei der Demobilisierung der zahlreichen Veteranen jener Zeit (die Armee soll von über 60 Legionen auf 28 zurückgegangen sein) Probleme genug mit dem Eigensinn der Veteranen gehabt. Sie bestanden in der Regel darauf ihre Landparzellen in Italien zugewiesen zu bekommen Aber er setzte zahlreiche Veteranenansiedlungen außerhalb dieses Bereiches durch: Die Wiedergründung Karthagos gelang endgültig erst Augustus mit der Ansiedlung von 3000 Veteranen. Veteranensiedlungen im bisherigen „Barbaricum“ wären für demobilisierte Veteranen zumindest eine Enttäuschung gewesen, wenn nicht schlimmeres…
- Rechtlich gesehen: Veteranen der Auxilien, in denen Germanen eher ihren Platz finden konnten, standen bei Beendigung ihres Dienstes keine Landzuweisungen zu!

Es gab mit Sicherheit Ansiedlungen von Reichsangehörigen östlich des Rheins im Rahmen der augustinischen Expansion, doch woher die dafür notwendigen Menschen stammten bleibt unklar. Ich denke da mehr an die Berichte Tacitus über die „Landnahme“ im Dekumatland. Er schreibt von „abenteuerlustigsten Galliern, die die Not kühn gemacht hat…“ Siehe dazu auch oben meine Worte zur römischen Praxis der „Vorfeldsicherung“… In Waldgirmes scheinen ja auch Römer und Germanen in der gleichen Siedlung gelebt zu haben, die Zahl der „Römer“ war vielleicht entsprechend gering?
 
Die bekanntesten, nördlichen Vorfälle betreffen das rechtsrheinische Dekumatland und das transdanubische Dakien. Archäologisch lassen sich in beiden Fällen nach Aufgabe der Gebiete kaum noch Nachweise für „römisches Leben“ oder Kontinuitäten feststellen.

M. E. hängt bei der Klärung der Frage, ob auch die römischen Zivilisten Magna Germania (Alisonensis? Hatte die Provinz schon einen Namen?) geräumt haben, viel vom Verhältnis der römischen Siedler zu ihren germanischen Nachbarn ab.

Mit der Situation bei der Aufgabe des Limes bzw. des Dekumatlandes kann man die Räumung von Magna Germania denke ich nicht vergleichen. Beim Limes lebten auf der einen Seite Römer und und romanisierte Germanen und Kelten, auf der anderen Seite lebten Germanen. Für die Romanen waren die Germanen auf der anderen Seite des Limes ein äußerer Feind, dessen Brutalität die Romanen durch die Beutezüge der germanischen Gefolgschaften ins Imperium hinein kannten. Der Zuzug von Gruppen aus dem Inneren Germaniens an den Limes könnte auch hier das Aggressionspotential der Germanen erhöht haben (Obergermanisch-Raetischer Limes ? Wikipedia). Einem solchen Gegner wollten die Romanen bei der Aufgabe des Limes sicher nicht in die Hände fallen, und sie sind aus dem Dekumatland abgewandert.

Bei der Aufgabe von Magna Germania gab es aber keinen äußeren germanischen Feind, vor dem die romanischen Siedler zurückweichen mussten. Die römischen Siedlumgen/Kolonien lagen verteilt über Magna Germania, die Romanen lebten Seite an Seite mit ihren nicht romanisierten germanischen Nachbarn, allein schon aus pragmatischen Gründen wird beiden Seiten an einem halbwegs guten Verhältnis zueinander gelegen haben. Und wenn man als Germane ein Jahrzehnt lang mit seinem romanischen Nachbarn einigermaßen gut ausgekommen ist, bringt man den Romanen auch nicht gleich um, auch wenn die militärischen Machtverhältnisse sich zu den eigenen Gunsten geändert haben. Wenn da nun also auch nicht irgendwelche nationalistischen oder religiösen Fanatiker bei den Germanen unterwegs waren, und die Romanen also quasi aus Prinzip getötet worden wären, könnte es gut sein, dass die römischen Siedlungen auch nach dem militärischen Rückzug der Römer weiter mit den germanischen Siedlungen koexistiert haben, und erst im Laufe der Zeit germanisch assimiliert wurden.



BTW: Wenn die römischen Siedler Magna Germania verlassen hätten, zu welchem Zeitpunkt wäre das gewesen? Ab dem Jahr 9? Ab dem Jahr 16?



@Moderation: Wäre es sinnvoll, diese Diskussion in einen separaten Thread zu verlagern? 'Römische Siedler in Germanien' vielleicht?
 
Für die Romanen waren die Germanen auf der anderen Seite des Limes ein äußerer Feind, dessen Brutalität die Romanen durch die Beutezüge der germanischen Gefolgschaften ins Imperium hinein kannten.
Ich bezweifle, dass die Römer die Germanen nach der Vernichtung dreier Legionen und Angriffen auf römische Stützpunkte noch als sonderlich friedfertig und harmlos eingestuft haben.

Bei der Aufgabe von Magna Germania gab es aber keinen äußeren germanischen Feind, vor dem die romanischen Siedler zurückweichen mussten. Die römischen Siedlumgen/Kolonien lagen verteilt über Magna Germania, die Romanen lebten Seite an Seite mit ihren nicht romanisierten germanischen Nachbarn, allein schon aus pragmatischen Gründen wird beiden Seiten an einem halbwegs guten Verhältnis zueinander gelegen haben. Und wenn man als Germane ein Jahrzehnt lang mit seinem romanischen Nachbarn einigermaßen gut ausgekommen ist, bringt man den Romanen auch nicht gleich um, auch wenn die militärischen Machtverhältnisse sich zu den eigenen Gunsten geändert haben.
Solange die Römer die Herren im Land waren, blieb den Germanen nichts anderes übrig, als sich mit ihren romanischen Nachbarn gut zu stellen und sie nicht abzuschlachten, egal wie sehr es ihnen auf den Nerv ging, dass diese sich in ihrem Land vor ihrer Nase breit machten und vermutlich auch die besten Böden besetzten. Somit muss den Germanen tatsächlich "schon aus pragmatischen Gründen" an einem halbwegs guten Verhältnis mit den Romanen gelegen haben. Aber nach dem Abzug der römischen Truppen bestand keine Notwendigkeit für derartige Rücksichten mehr.
Aber auch angenommen, die unmittelbaren Nachbarn hätten tatsächlich nichts gegen einen Verbleib der römischen Siedler gehabt, so ist damit noch nicht gesagt, dass auch die siegreichen Aufständischen den Verbleib von römischen Kolonisten in Germanien geduldet hätten.
Aber sogar angenommen, auch die siegreichen Aufständischen wären bereit gewesen, die Kolonisten zu dulden: Ob die Kolonisten es wirklich darauf hätten ankommen lassen? Ob sie also bereit waren, abzuwarten, ob sie massakriert oder geduldet werden? Wenn jemand unter dem Schutz eines Heeres in ein frisch unterworfenes Land kommt, sich dort - möglicherweise nicht unbedingt zur Freude der Einheimischen - niederlässt, dann aber das schützende Heer in einem Aufstand der Unterworfenen vernichtet wird bzw. später endgültig abzieht, ist dann nicht anzunehmen, dass der Siedler seine Sachen packt und abhaut, statt abzuwarten, was die Sieger mit ihm machen werden?
 
Hallo ans Forum

Hier noch ein kleiner Einwurf zur ev. Weiternutzung von Bauten der Römer nach 17 n.Chr.

47 n. Chr. wurde Italicus Chef der Cherusker. Wo zog der wohl ein in Germania Magna. Aus dem Palazzo Prozzo in Rom oder Köln ins herrschaftliche Langhaus seines Großvaters im Niemandsland von Germanien zusammen mit seiner Sippe und ein paar Rindern im hinteren Hausteil. Steiler Aufstieg. Das er sich nicht durchsetzen konnte, lag wohl eher nicht an seiner Unterkunft. Oder residierte er vielleicht in der Villa Huxeri? Wäre vielleicht möglich und sogar standesgemäß.

Was meint Ihr?

schönen Sonntag

Suebe65
 
egal wie sehr es ihnen auf den Nerv ging, dass diese sich in ihrem Land vor ihrer Nase breit machten und vermutlich auch die besten Böden besetzten.

Das ist denke ich auch die Kernfrage bei der Klärung der Frage, wie sehr die römischen Siedler den Germanen auf den Nerv gingen: konkurrierten Germanen und römische Siedler um die selben Böden? Oder waren in Germanien genug Lössböden für alle da?
Die beigefügte Karte, wo ich in schwarz auch mal den Limes eingezeichnet habe, zeigt, dass es in Deutschland sehr viele Lössgebiete gibt. Die Frage ist, ob zu Beginn des 1. Jahrhunderts die Bevölkerungsdichte in Germanien groß genug war, um diese Böden alle landwirtschaftlich zu nutzen, oder ob da auch noch was für römische Siedler übrig war.
 

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Hallo LEG XVII,
ich weiss inzwischen nicht mehr, worauf Du hinaus willst, also was der Sinn und die Notwendigkeit der Überlegungen sind, die Du anstellst. Gute Nacht zusammen!
 
Hallo LEG XVII,
ich weiss inzwischen nicht mehr, worauf Du hinaus willst, also was der Sinn und die Notwendigkeit der Überlegungen sind, die Du anstellst.

Hallo,
Hintergrund der Diskussion ist nach wie vor die Klärung des Verhältnisses der Germanen zu den römischen Siedlern in Magna Germania, und daraus resultierende Rückschlüsse auf die Notwendigkeit der Abwanderung der römischen Siedler aus Magna Germania nach dem Rückzug der römischen Armee zur Rheingrenze.
 
Wenn man den Erkenntnissen der Ethnologen und der Rechtshistoriker trauen darf, hätten römische Siedler nur dann eine Chance in Germanien gehabt, wenn sie sich einer der Ethnien als Stammesmitglied anschlossen. Oder sie begaben sich in den Schutz eines Mächtigen und damit in eine Form der Unfreiheit. Das sind ziemlich zeitlose Verhaltensweisen, die nicht nur in solchen Gesellschaften, mit denen sich die Ethnologie beschäftigt, vorkommen.
 
Hallo,
Hintergrund der Diskussion ist nach wie vor die Klärung des Verhältnisses der Germanen zu den römischen Siedlern in Magna Germania, und daraus resultierende Rückschlüsse auf die Notwendigkeit der Abwanderung der römischen Siedler aus Magna Germania nach dem Rückzug der römischen Armee zur Rheingrenze.

Welche römischen Siedler in der Germania Magna?

Woraus will man denn schließen, dass es solche gab?
 
Wenn man den Erkenntnissen der Ethnologen und der Rechtshistoriker trauen darf, hätten römische Siedler nur dann eine Chance in Germanien gehabt, wenn sie sich einer der Ethnien als Stammesmitglied anschlossen. Oder sie begaben sich in den Schutz eines Mächtigen und damit in eine Form der Unfreiheit. Das sind ziemlich zeitlose Verhaltensweisen, die nicht nur in solchen Gesellschaften, mit denen sich die Ethnologie beschäftigt, vorkommen.

Es war sicher noch zu früh für römische Siedlungen in der Germania Magna. Aber schaut man sich das linksrheinische Germanien oder Gallien an. Dann gab es da sehr wohl römische Kolonien, also Städte mit römischen Kolonisten denen das Umland nach Kauf oder Enteignung gehörte. Einige Landstriche waren nach den Kriegen des Drusus und Tiberius durchaus verwaist. Auch wurden zunehmend Villae Rusticae zur Versorgung der Armee aufgebaut.

Gab es eigentlich in der Gallia Comata (nicht Narbonensis) römische Kolonien? Und wenn ja, wann zum ersten Mal? Ich denke nicht in den ersten 30 Jahren, oder?

In Waldgirmes werden wohl Römer gelebt haben, aber waren das nur Händler und Handwerker, oder gibt es auch Hinweise für römische Landwirtschaftsbetriebe im Umland? Mir wäre Nichts bekannt.

Andererseits soll das Dekumatland im Süden von gallischen und römischen Siedlern illegal kolonisiert worden sein, lange bevor es einen Limes gab. Das war neben der Grenzverkürzung und Heerstraße wohl mit ein Grund für die Einrichtung des Limes.

Eine nennswerte römische Besiedlung hätte man wohl erst erwarten dürfen, wenn die römischen Legionen an die Elbe verlegt worden wären. Dazu musste aber Germania Magna erst einmal als Provinz eingerichtet werden. Und daran ist Varus ja gescheitert. Wobei fraglich ist, ob die Römer jemals vor hatten, ihre Legionen an die Elbe vorzuverlegen. Die Langobarden im Elbtal hätte das sicher nicht amüsiert. Ich wüsste auch nicht, daß Varus dort Recht gesprochen und Tribute eingezogen hat, sie also aus römischer Sicht offiziell zur Germania Magna gehörten.
 
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Nach dem Fundhorizont der Münzen wurde Waldgirmes wahrscheinlich 9.n. Chr. aufgegeben, erbaut wurde es nach den dentrochronologischen Daten 4.v.Chr. Die Befestigungen und der größte Teil der Häuser wurde verbrannt, fünf Häuser wurden vor dem Brand abgerissen.
Waldgirmes lehnte sich an das ehemalige Oppidum Dünsberg an, ähnlich wie in Gallien wurde eine zentralörtliche Funktion vom Oppidum auf die civitas übertragen.
Waldgirmes befand sich in einem seit Julius Cäsar verbündeten Stammesterrain der Ubier, die jedoch wahrscheinlich überwiegend 19 v. Chr. in das Rheinland linksrheinisch wechselten. Mit dem Beitritt der Chatten zur Stammeskoalition von Arminius war der Situation offensichtlich auch im mittleren und südlichen Hessen unhaltbar geworden.
Noch ein anderer Aspekt: Römer ohne garum, terra sillicata, Thermen und Latrinen :cry: ?
kaum vorstellbar....
 
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Nach dem Fundhorizont der Münzen wurde Waldgirmes wahrscheinlich 9.n. Chr. aufgegeben, erbaut wurde es nach den dentrochronologischen Daten 4.v.Chr.

Die Ausgräberin Gabriele Rasbach geht mittlerweile davon aus, dass die Siedlung in Waldgirmes etwas über das Jahr 9 hinaus weiter existierte. Hauptargument ist, dass in einem Brunnen eine Leiter gefunden wurde, die das Fälldatum Winter 9/10 n. Chr. erbrachte. Auch fand sich an einer der Straßen eine Ausbesserungsarbeit, die in eine spätere Bauphase gehören könnte. Als ereignisgeschichtlichen Horizont nimmt sie für die Aufgabe der Siedlung entweder das Jahr 14 mit der Meuterei der Rheinlegionen oder das Jahr 16 nach Abbruch der letzten großen Feldzüge in Germanien an. Sie präferiert die letzere Variante, wobei zum Zeitpunkt ihres Aufsatzes (2011) eine nähere Analyse offenbar noch nicht möglich war. Die gesamte Funddokumentation steht ja auch noch aus.
 
Normalerweise benötigt man ja in einem Brunnen keine Leiter. Wir wissen (oder wir scheinen zu wissen), dass die Römer, wenn sie ein Lager oder einen Ort aufgelassen haben, gerne Wertstoffe, offenbar um sie nicht den Feinden in die Hände fallen zu lassen, im Brunnen versenkten. Könnte eine solche Leiter nicht auch die germanische Reaktion auf die römische Praxis sein? Also das Wissen, dass die Römer den wertvollen Rohstoff Eisen in Form von Nägeln (etc.) im Brunnen versenken führte dazu, dass die Germanen diesen Rohstoff bergen wollten und dementsprechend eine Leiter anfertigten?

Sind die Ausbesserungsarbeiten datierbar?
 
Welche römischen Siedler in der Germania Magna?

Woraus will man denn schließen, dass es solche gab?


Tacitus berichtete in seinen Annalen (1, 59) von Arminius, er habe in einer Rede gegen die Römer von neuen Siedlungen („novas colonias“) gesprochen; Dio beschrieb in seinem Werk Römische Geschichte, die Römer hätten zur fraglich Zeit im rechtsrheinischen Gebiet erste Städte („Polis“) und Märkte („Agora“) aufgebaut.

Angesichts der hervorragenden Böden in Germanien hätte eine Besiedelung auch Sinn gemacht. Als einzige der westlichen Provinzen verfügte Magna Germania über schwarze Lössböden, die ertragreichsten Böden überhaupt.

Schwarzerde ? Wikipedia

http://eusoils.jrc.ec.europa.eu/SOER2010/images/Map 1.1 Soil_SO100_v3.png

Wenn ein Landarbeiter auf den besten Böden Galliens in Jahr 1000 kg Korn erwirtschaften konnte, konnte er in der Hildesheimer Börde 1200 kg Korn erwirtschaften. Wenn also der römische Staat in Gallien 100 kg Korn als Steuer einziehen konnte, konnte das Imperium in der Hildesheimer Börde 120 kg Korn als Steuer einziehen. Wirtschaftlich wäre eine vorrangige Besiedlung Germaniens also sinnvoll gewesen.


Weiterhin gab es römische Militärlager in Germanien, nebst der sich dabei fast immer entwickelnden zivilien Siedlungen (canabae), so z. B. in Marktbreit.

Römerlager Marktbreit ? Wikipedia
 
Bezüglich der canabae muss man betonen, dass die Annahme, es hätte in der Germania magna nur Sommerlager gegeben, veraltet ist. Haltern und Anreppen z.B. waren auch für den Winter eingerichtet.
 
Tacitus berichtete in seinen Annalen (1, 59) von Arminius, er habe in einer Rede gegen die Römer von neuen Siedlungen („novas colonias“) gesprochen; Dio beschrieb in seinem Werk Römische Geschichte, die Römer hätten zur fraglich Zeit im rechtsrheinischen Gebiet erste Städte („Polis“) und Märkte („Agora“) aufgebaut.

Angesichts der hervorragenden Böden in Germanien hätte eine Besiedelung auch Sinn gemacht. Als einzige der westlichen Provinzen verfügte Magna Germania über schwarze Lössböden, die ertragreichsten Böden überhaupt.

Die besten Böden helfen nichts, wenn man sie militärisch nicht halten kann. Zumal wir hier von den Gebieten zwischen Rhein und Weser sprechen, die Schwarzerdegebiete in Dtld. aber im wesentlichen östlich der Weser liegen, v.a. in Magdeburger Börde.
Was hilft es einem, theoretisch mehr Ertrag erwirtschaften zu können, wenn man in der Praxis das Fell über die Ohren gezogen bekommt?

Marktbreit ist am ehesten, von der Strategie und Besatzungszeit, mit den Lippelagern zu vergleichen. Sprich spätausgustäisch, offenbar 9 n. Chr. abbrechend. Cannabae, die es auch anderswo gab, waren allerdings keine bäuerlichen coloniae sondern hingen im Prinzip an den Legionslagern. Sie waren gewissermaßen das Vergnügungsviertel der Soldaten. Schänken, Bordelle, Einkaufsmöglichkeiten, die Familien der Soldaten (die ja eigentlich nicht verheiratet sein durften), manchmal auch Stapelplätze (wie die Vorläufersiedlung der CUT, die Stapelplatz und Cannaba in einem war).

Eine dem Arminius in den Mund gelegte Rede (Tac. ann. I, 59) die Wissen über das römische Vorgehen bei der Provinzialisierung voraussetzt (was wir bei Arminius zwar durchaus annehmen dürften, aber hier nicht müssen), kann nicht als Parallelbeleg zu Cassius Dios vielzitierten póleis herangezogen werden. Es ist das Wissen über den Vorgang der Provinzialisierung, nicht die Behauptung, dass dies in Germanien schon geschehen sei (Im Prinzip sogar, wenn man die Rede als historisch sehen würde, das Gegenteil: Die colonias novas sind in der Rede des Arminius das Bedrohungsszenario welches er vor seinen Gefolgsleuten entwirft: "Das passiert, wenn wir Germanicus jetzt nicht entgegentreten. Und seht euch dieses Würstchen an, ein unerfahrener Jungspund mit einer meuternden Truppe im Rücken.")
 
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Es wird ja auch aus Anlass der Aufgabe Alisos die Behinderung der Flucht durch die ebenfalls fliehenden 'Zivilisten' geschildert. Daran hatte ich nicht gedacht.

Dennoch sind, wie Waldgirmes beweist, die Erwähnungen von Coloniae keine bloße Übertreibung.
 
Wir haben zunächst einmal nur eine colonia, nämlich Waldgirmes. Möglicherweise werden an Lippe, Main oder Lahn noch weitere coloniae gefunden. Möglicherweise werden auch manche coloniae niemals gefunden werden, obwohl sie existiert haben. Die Stelle bei Tacitus ist hierfür aber eben nicht heranzuziehen, weil sie zum Bedrohungsszenario gehört, dass Arminius entwirft und die Stelle bei Cassius Dio berichtet recht wage. Sie hatten schon angefangen Städte einzurichten. Die Angabe kann falsch sein, sie kann richtig sein, nur was heißt Städte? 2*n. n ist die große Unbekannte. Seitdem man aber Waldgirmes als zivile Siedlung identifiziert hat (Waldgirmes galt ja zunächst auch als militärischer Komplex) wird von manchen Heimatforschern (und Chronologiekritikern) an allen Ecken und Enden eine solche Siedlung gesehen und dann auf Waldgirmes und die doch sehr vage Stelle bei Cassius Dio verwiesen.
 
Alles wahr, aber mit Waldgirmes gibt es eigentlich keinen Grund mehr, den Plural anzuzweifeln. Wo eine Siedlung ist, können gut mehrere sein. Ob 2, 3 oder mehr können wir höchstens erraten.
 
Alles wahr, aber mit Waldgirmes gibt es eigentlich keinen Grund mehr, den Plural anzuzweifeln. Wo eine Siedlung ist, können gut mehrere sein. Ob 2, 3 oder mehr können wir höchstens erraten.

Da sind wir uns doch im Grunde einig.
Es ist leider so, dass mancher diese doch eher lakonische Bemerkung Cassius' und den archäologischen Befund Waldgirmes sehr strapaziert. Wie gesagt: 2*n, wobei n unbekannt bleibt. Bisher haben wir lediglich einen positiven Beleg für die Aussage. Daraus machen manche ein ganzes Siedlungsnetz.
 
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