Rätsel Eisenzeit: Burgen und Siedlungskammern

El Quijote

Moderator
Teammitglied
Die Eisenzeit gibt ein Rätsel auf. Während, von den keltischen oppida mal abgesehen, die eisenzeitlichen Siedlungskammern meist in der Ebene liegen, eben dort, wo man ein bäuerliches Auskommen finden kann, sind eisenzeitliche Burgen fast ausnahmslos Höhenburgen. Man würde ja annehmen, dass Burgen als Fluchtburgen oder Herrschaftssitze sich dort befinden, wo sich auch die Bevölkerung befindet, aber in der Fläche gibt es in der vorrömische Eisenzeit keine Nachweise für Befestigungsbauwerke.
Natürlich sind Höhenlagen - sofern eine Quelle zur Frischwasserversorgung vorhanden ist - besonders gut zur Verteidigung geeignet. Aber wie ist die Diskrepanz zu erklären, dass sich die Burgen dort befinden, wo die Bevölkerung ausdünnt und nicht dort, wo sie sich verdichtet? Im Mittelalter hat man schließlich auch künstliche Motten angelegt und später Wasserburgen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Während, von den keltischen oppida mal abgesehen, die eisenzeitlichen Siedlungskammern meist in der Ebene liegen, eben dort, wo man ein bäuerliches Auskommen finden kann, sind eisenzeitliche Burgen fast ausnahmslos Höhenburgen.

Auf welche Gegend spielst du hier an, in welcher eisenzeitliche nicht-keltische Siedlungen in der Ebene und Wallburgen auf Erhebungen zusammengehören?
 
Von nicht-keltisch war nicht die Rede. Es ist egal, ob wir die Aisne-Marne-Kultur* betrachten oder die Rhein-Weser-(Proto-)Germanen oder Eifel-Hunsrück-Kultur* et. al., überall findet sich das gleiche Phänomen.

*als keltisch angesprochen
 
Hat das etwas mit den naturräumlichen Verhältnissen, insbesondere mit den Waldgebieten zu tun? Von wievielen Festungen reden wir denn da? Und hat so eine Festung dann nicht ein Einzugsgebiet, in dem mehrere Siedlungen liegen?
 
Mir fällt schon eine Parallelsituation ein. In der Spätantike, besonders dem alemannisch geprägten Südwesten Deutschlands, begannen germanische Fürsten sich auch wieder in Höhenburgen einzurichten (nicht selten sogar innerhalb alter eisenzeitlicher Ringwälle). Niederungsburgen sind mir so für das ca. 5-7. Jahrhundert hingegen nicht bekannt.

Allerdings sind - zumindest wenn ich an West- und Süddeutschland denke - die Höhenburgen nun auch nicht wahnsinnig weit entfernt von den denkbaren Siedlungskammern. Es ist eine Mittelgebirsgegend. Die Beziehungen zwischen Ringwällen und Siedlungen sind ja auch noch nicht genügend ausgeleuchtet. Beim Glauberg gab es hierzu Forschungen und es wurde festgestellt, dass es im Außenbering um die eigentliche Burg vermutlich etliche Kleinsiedlungen mit wenigen Höfen gab. Vielleicht war dies anderswo auch so, und leider weiß man auch in diesem Falle fast nichts darüber, was sich innerhalb der eigentlichen Kernburg befand.

Sicher spielten auch die geografischen Gegebenheiten eine große Rolle. Biskupin wäre ja z.B. ein Beispiel für eine eisenzeitliche Niederungsbefestigung.
 
Von wievielen Festungen reden wir denn da? Und hat so eine Festung dann nicht ein Einzugsgebiet, in dem mehrere Siedlungen liegen?

Naja, "Festung" dürfte wohl in der Regel nicht der richtige Begriff sein. Es sind eher "Befestigungen", die nicht selten eher in ihrer Produktionsart als "Fort" zu vestehen sind. Nicht zuletzt, da die "Opportunitätskosten" für die Erstellung auch kleiner Befestigungen sehr hoch waren.

Das würde auch erklären, dass Überreste heute schwer zu finden sind, da die Strukturen überbaut worden sind.

Ansonsten waren diese Befestigungen in ihrer Funktion sicherlich auch Orte des Schutzes, aber vor allem auch Orte, über die Machtansprüche über Territorien durchgesetzt worden sind.

Vor allem auch vor dem Hintergrund der geringen Populationsdichte wie Brauer und Tuly (se. 49 -79) in Anlehnung an Bachrach (Warfare and Military Organization in Pre-Crusade Europe, vgl. z.B. Karte auf S. 535 mit der Verteilung Befestigungen im frühen Mittelalter um Tours) für das frühe Mittelalter darstellen.

Castles, Battles, and Bombs: How Economics Explains Military History - Jurgen Brauer, Hubert van Tuyll - Google Books
 
Zuletzt bearbeitet:
Beim Glauberg gab es hierzu Forschungen und es wurde festgestellt, dass es im Außenbering um die eigentliche Burg vermutlich etliche Kleinsiedlungen mit wenigen Höfen gab.

Ich sehe die von ELQ angeschnittene Diskrepanz nicht so recht.
Ein Beispiel ist die Amöneburg, wo das Amöneburger Becken landwirtschaftlich besiedelt war, wie die Grabungen in Niederwald beweisen, die Siedlungen sich aber um den zentralen Burgberg, die Amöneburg, gruppieren.

Das dürfte beim Dünsberg auch nicht anders gewesen sein, wo etwa Erda eine uralte Siedlung sein müsste.
 

Anhänge

  • image.jpg
    image.jpg
    115 KB · Aufrufe: 742
Zuletzt bearbeitet:
Ist eine Festung in Friedenszeiten nicht auch als Machtsymbol gedacht? Da schindet eine hohe Lage doch wesentlich mehr Eindruck, als wenn die Burg platt in der Landschaft liegt.
Dann natürlich der Faktor mit der Verteidigung und, nicht zuletzt, auch des Aussicht-Faktors. Der Fürst kann große Teile seiner Länderei überblicken, sieht Feinde früh und zeigt wegen der hohen Lage auch etwas Präsenz bei den Untertanen.
 
Ist das nicht die Anpassung der Befestigung an die Landschaftsform?

Ja, richtig, zumindest entspricht das der Interpretation dieser Anlagen für England, Wales etc. (Ich war ein wenig zu sehr mit meinen vorherigen Aussagen im Mittelalter, sorry :S)

https://www.google.de/search?q=hill...6K8Sj4gSruICADQ&ved=0CCEQsAQ&biw=1280&bih=663

Und Brown gibt beispielsweise die Anzahl der "Hillfort", die zwischen 1000 BC und 700 AD (ohne römischen Einfluß) errichtet worden sind, mit ca. 3800 Stück an.

Dabei umfasst diese Anzahl befestigte Anlagen, die größer als ein Acre sind und nicht selten Größen von ca. 1 ha erreicht haben.

Dabei ist die Bezeichnung "Hillforts" insofern irreführend als es auch befestigte Anlagen gab, die im Tal lagen oder von Sümpfen eingeschlossen waren. Zumindest haben sie systematisch die geographischen Gegebenheiten genutzt, um ein gewisses Maß an Verteidigung gegen Angriffe zu bieten. Ähnlich wie von Silesia bereits angesprochen.

Beacons in the Landscape: The Hillforts of England and Wales - Ian Brown - Google Books

Eine der größten befestigten Anlagen auf der "Insel" aus dieser Periode ist vermutlich "Maiden Castle".

Maiden Castle ? Wikipedia
 
Zuletzt bearbeitet:
Naja, "Festung" dürfte wohl in der Regel nicht der richtige Begriff sein. Es sind eher "Befestigungen", die nicht selten eher in ihrer Produktionsart als "Fort" zu vestehen sind. Nicht zuletzt, da die "Opportunitätskosten" für die Erstellung auch kleiner Befestigungen sehr hoch waren.

Klar, mehr meinte ich ja auch gar nicht, Festung ist nur eine Verkürzung meinerseits gewesen.

Mal rein sozialgeschichtlich gefragt: Wer initiiert denn solche Befestigungen? es war ja mehrfach von "Fürsten" die Rede, aber wie muß man sich solche Herrschaften im 1. Jt. v. Chr. denn vorstellen? Welchen Einzugsbereich haben sie, über welche Ressourcen verfügen sie?
 
Das dürfte beim Dünsberg auch nicht anders gewesen sein, wo etwa Erda eine uralte Siedlung sein müsste.

Vom Dünsberg kennt man ja auch etliche Siedlungsspuren innerhalb der Ringwälle, und jüngere Grabungen erbrachten dort auch ein paar Hausgrundrisse. Allerdings dürfte er natürlich unter die von El Quijote erwähnten klassischen Oppida fallen.
 
Wenn man sich z.B. die wahrscheinlich proto-germanischen Höhenburgen am südlichen Mittelgebirgsrand in Niedersachsen aus der Latene-Zeit von 400 bis 50 v. Chr. anschaut, weiß man nicht ganz genau, wo die Siedlungen lagen, wahrscheinlich aber nördlich davon in der Ebene. Dort gibt es jedenfalls in der Nähe ein Gräberfeld mit durchgehendem Fundzusammenhang bis in die römische Kaiserzeit.

Die Wahl als Fluchtburg auf den Höhen hat meines Erachtens folgende Gründe, die im Kern wirtschaftlicher Natur sind:
Man benötigte große Befestigungen zur Aufnahme der Bevölkerung und des Viehs, d.h. ein sehr hoher Aufwand. Man nutzte wegen der geringen wirtschaftlichen Stärke der wenig entwickelten Subsistenzgesellschaft fast zwangsläufig natürliche Geländevorteile zur Senkung des Aufwands. Das konnte man wohl, weil scheinbar die Bedrohung mehr durch größere, vorhersehbare Kriegszüge als durch ständige kleine Überfälle, bei denen Fluchtburgen wenig nützlich gewesen wären, herrührte. Es gab keine hervorstechende Herrschaftsfunktion und Prestigewirkung, die mit den Befestigungen verbunden waren, anders als bei vielen mittelalterlichen Burgen, es waren eher reine Zweckbauten.
 
@ashigaru: Vorsicht - der Dünsberg ist bei derzeit ca. 1 bis 2 Prozent untersuchter Siedlungsfläche ein schlechtes Vorbild für Andere. Und die Siedlungsspuren (die Ausgräberin hat unter archaeologie-online vorbildlich und viel online publiziert!) bestehen nach meinen Informationen noch immer aus unzusammenhängenden Pfostenlöchern, die unverschämterweise maximal 3 zu einem Rechteck anordnen lassen. Bislang kein vollständiger Hausgrundriß. Da steht sogar die Amöneburg mit ihrer modernen Überbauung besser da.
Allerdings: Am Dünsberg wurden über 400 "Plateaus" in den Hang gegraben, die sich als anthropogen erzeugte Siedlungsflächen eignen würden.
Später mehr, ich bin irgendwie grade etwas in Hektik. Grüße.
 
Luziv, wie kommst Du auf " wenig entwickelte Subsistenzwirtschaft und geringe Wirtschaftliche Stärke" ?

Nach Deiner Ortsbeschreibung redest Du über die Börde, und das sind die beseten Böden der Welt
 
Man muss das immer im Verhältnis sehen. Man produzierte wohl im wesentlichen für den Eigen- oder örtlichen Bedarf, noch mehr als im Mittelalter (das auch weitgehend Subsistenzwirtschaft war, daher arm im Vergleich zu heute). Die frühe germanische Wirtschaft war im Vergleich zu späteren Wirtschaftsformen nach der frühmittelalterlichen Agrarrevolution meiner Ansicht noch recht wenig entwickelt. Es gab nicht viel Überschuss, der sich in bestimmten Händen agglomerieren konnte. Gute Böden muss man auch technologisch ausnutzen können, das war oft erst nach den technologischen Sprüngen im frühen und hohen Mittelalter möglich. Außerdem fehlte wahrscheinlich ein straffes staatsähnliches oder herrschaftliches Gerüst, um größere allgemeine Bauten zu finanzieren. Natürlich gab es beeindruckende Gemeinschaftsleistungen, wie z.B. die hölzernen Moorwege. Aber eben doch in ungleich geringerem Maße als später. Wahrscheinlich war der Unterschied in der Wirtschaftskraft zwischen germanischer Zeit und mittelalterlicher Zeit geringer als der zwischen vorindustrieeller und nachindustrieller Zeit, aber es gab einen Unterschied, das sieht man schlicht im materiellen Fundgut.

Im Bereich der Verteidigung, wenn Prestige als Motivation ausscheidet, gilt es immer und überall so wirtschaftlich wie möglich zu verfahren, also einen Kompromiß zwischen Eignung zum Schutz und Kosten zu finden. Da helfen natürliche Geländestrukturen ungemein.
 
muß sich Überschuß agglomerieren? Und wie erklärst Du Bernstein, Pigment und Metallhandel??
Gute Böden nutzen, nun das konnte man wohl, die Werla und andere befestigen , auch...
Die Wirtschaftlichkeit dieser Befestigungen hat wenig bis nichts mit dem Reichtum der Bewohner zu tun, die sie bauten/bauen ließen. Schließlich ist die Zweckmäßigkeit gefragt.
Das die Wirtschaft noch nicht sooo entwickelt war , wie später, gut, das war ja nun überall so, das bringt Entwicklung mit sich.
 
Ein Grund für die Höhelage und die "Abgeschiedenheit" mag sein, Spekulation, das die Fluchtburgen für alle umliegenden erreichbar sein müssen, kein gutes Ackerland verbraucht wird und auch in Panik sichtbar sein müssen.
Und dann sind hochgelegene Anlagen leichter zu verteidigen, während wohnen in mitten des Ackerlandes normal das Leben erleichtert.
Außerdem gibts an "unfruchtbaren Stellen" keinen Streit, wer das Land geben soll..
 
Ich würde es für außerordentlich und besonders erklärungsbedürftig halten, wenn sich Menschen für suboptimale Wehrbauten entschieden, ohne das dabei ein wirtschaftlicher Druck im Spiel wäre. Natürlich könnte man auch annehmen, der wirtschaftliche Überfluss wäre in andere Projekte geflossen. Bloß welche?

Dass die Menschen in der mittleren Eisenzeit im Schnitt "ärmer" waren als diejenigen im Früh, Hoch- oder geschweige denn Spätmittelalter (mit dem 15. Jhd. als Spitzenreiter allgemeinen Wohlstands vor der industriellen Revolution), ergibt sich aus der Fundlage (soweit man daraus Schlüsse ziehen kann). Die Höhenburgen dürften ohne Spezialisteneinsatz in Gemeinschaftsarbeit neben der üblichen landwirtschaftlichen Tätigkeit geschaffen worden sein, die weniger Ertrag pro Arbeitseinheit brachte als im Mittelalter. Man mußte daher mehr haushalten. Verteidigungsanlagen im Flachland in der notwendigen Größe mit vergleichbarer Leistungsfähigkeit wären halt sehr viel aufwendiger gewesen als solche in den Hügeln. Auch die vorhandenen Burgen waren nicht so besonders gut befestigt wie es mit mehr "Geld" möglich gewesen wäre, teilweise mit desaströsen Folgen.
 
Zurück
Oben