Günter Guillaume

Bahr schreibt, in seinen "Erinerungen an Willy Brandt" (S. 159ff), dass er gegen die Einstellung war und von Ehmke die Aussage kam, dass er wie nie zuvor durch die Dienste "durch die Mühlen gedreht" worden ist.

Und das Ergebnis negativ war und nichts belastendes gefunden worden ist.

Laut Bahr war es denn letztlich so, dass die FDP (Scheel) zu Brandt gestanden ist, aber von Wehner diese Unterstützung nicht gekommen ist.

Bahr hat die Rolle von Wehner beim Sturz von Brandt deutlich kritisiert.

Interessant ist, dass Bahr zusätzlich vermutet, dass es bei den Kontakten zwischen Wehner und Honecker auch zu einem Informationsaustausch über "G[uillaume]" gekommen ist.

Und interessant ist die Reaktion von Breschnew, der durch ein persönliches Gespräch Bahr mitteilte, dass er es fast als "persönliche Beleidigung" aufgefasst hat, dass Honecker den Spion nach der Verbesserungen der Beziehungen nicht aus dem Kanzleramt abgezogen hat.

Und er [Breschnew] hätte Honecker für dieses Verhalten am Telefon Beschimpft. (ebd. S. 163).

So merkwürdige Wege geht manchmal politische Moral, persönliche Feindschaft und "ungewöhnliche" persönliche Sympathie zwischen "verfeindeten" Regierungschefs.
 
Interessant finde ich hierzu die Memoiren des Chefs der HVA (Hautpverwaltung Auflärung – dem Auslandsgeheimdienst der DDR): Markus Wolf – Spionagechef im geheimen Krieg.

Dieser widmet dem Fall Guilliaume ein ganzes Kapitel (11 – Des Kanzlers Schatten)

Und er stellt es ebenso dar wie Bahr in den genannten „Erinnerungen an Willy Brandt“.
Nur Egon Bahr blieb mißtrauisch und erklärte Ehmke gegenüber, möglicherweise tue er Gaulliaume Unrecht, aber dessen Vergangenheit lasse es als äußerst riskant erscheinen, ihn ins Kanzleramt aufzunehmen.
Seite 265-266

Was die „Ostkontakte“ Wehners anging, so schreibt Wolf, dass Brandt diesen „zutiefst“ mißtraute und „mit an Verfolgungswahn grenzendem Argwohn unterstellte“ Wehner würde hinter seinem Rücken „Absprachen“ mit der DDR-Führung treffen.
Seite 290

Und auch der Ärger Breschnevs scheint nach Wolf Darstellung plausibel. Denn der Sturz des Kanzler war nicht beabsichtigt:
Ich wiederhole deshalb, daß der Fall Guilliaume für meinen Dienst die größte Niederlage war die wir bis dahin erlitten hatten. Brandts Rücktritt war keineswegs von mir gewollt gewesen; selbst aus damaliger Sichtkonnte das nur ein politisches Eigentor für die DDR sein.
Seite 286-287

Der Kanzlersturz wurde im Osten wohl auch deshalb als sehr unerwünschtes Ereignis aufgefasst,
weil ein tatsächliches Interesse an der Entspannungpolitik vorhanden war und man gerade durch Gaulliaume sicher sein konnte, dass Brandt kein falsches Spiel trieb.
Wichtiger als all das war für meinen Dienst aber immer noch, daß Gaulliaumes Wahrnehmungsfähigkeit und politische Intelligenz ihn zu Erkenntnissen und Schlußfolgerungen befähigten, denen wir zweifelsfrei entnehmen konnten, daß es sich bei Brandts neuer Ostpolitik um einen zwar widersprüchlichen, aber dennoch echten Kurswechsel in der bundesdeutschen Außenpolitik handelte. ….es ist keine Übertreibung wenn ich sage, daß er die Entspannung zwischen Bundesrepublik mitgeprägt hat, indem er uns den Friedenswillen Willy Brandts nachdrücklich vor Augen geführt hat.
Seite 267-268

Wie Du schon sagst, es gibt wohl merkwürdige Wege.
Und so hat wahrscheinlich auch ein feindlicher Agent an des Kanzlers Seite geholfen dessen Politik zu fördern.
 
Bei Wolf wäre ich bezüglich der Memoiren schon "aus Berufsgründen" vorsichtig, von wegen "größte Niederlage, politisches Eigentor" etc.

Wolf und Mielke sahen intern Brandt als große Gefahr für die DDR, und ihre Verankerung im Bündnis. Deswegen wurden vom MfS umfangreiche Versuche unternommen, sowohl den "großen Bruder" auf Kurs zu bringen (der das erheblich relaxter sah) als auch auf die SED-Spitze einzuwirken, die die Sichtweise der ganz großen Bedrohung so gar nicht teilte.

Siegfried Suckut: Probleme mit dem „großen Bruder“ - Der DDR-Staatssicherheitsdienst und die Deutschlandpolitik der KPdSU 1969/70, VfZ 2010, S. 403ff.:

"Nach Mielkes Gesprächsleitfaden zu urteilen, kam es ihm darauf an, seine im November 1969 in Moskau getroffene Einschätzung der SPD/FDP-Regierung durch „neue Fakten“ zu untermauern und auf die unveränderten außenpolitischen Ziele des „westdeutschen Imperialismus“ hinzuweisen, nämlich die „Zersetzung“ und „Spaltung“ der sozialistischen Staaten sowie die „Isolierung“ der Sowjetunion wie der DDR im Bündnissystem zu erreichen26. Taktisch gehe die von Brandt geführte Regierung dabei „raffinierter“ und „flexibler“ vor und bediene sich u. a. einer „Gewaltverzichtsdemagogie“. Warnungen wie diese sind rückblickend auch als Mahnungen an die sowjetischen „Freunde“ zu verstehen, denn dem MfS war aufgrund eigener Spionageerkenntnisse bekannt, dass Moskau bereits intensiver mit der Bundesregierung über ein Gewaltverzichtsabkommen sprach, als beide Seiten verlautbaren ließen. Selbst über den Fortgang der Verhandlungen zwischen Egon Bahr und Andrei Gromyko in Moskau konnte das MfS, gestützt auf seine Bonner „Quellen“, die SED-Spitze später mitunter detailliert informieren. Die Warnung vor der besonderen „Gefährlichkeit“ der sozialdemokratischen Ostpolitik stand im Februar 1970 offenbar erneut im Mittelpunkt eines Treffens mit führenden KGB-Vertretern in Berlin..."

"Kämpferischer verhielt sich HVA-Chef Markus Wolf. Auch nach dem Abschluss des Gewaltverzichtsabkommens zwischen der Sowjetunion und der Bundesrepublik gab er den Versuch nicht auf, über den, aus seiner Sicht, aggressiven und insbesondere für die DDR gefährlichen Charakter der neuen Bonner Ost- und Deutschlandpolitik zu informieren und die Entscheidungsträger im eigenen Land zu warnen. Im September 1970, so die handschriftliche Datierung, legte die HVA MfS-intern eine 74 Seiten umfassende „Ausarbeitung“ vor, die, so stand es in der vorangestellten sechsseitigen Erläuterung, „möglicherweise einem weiteren Kreis von Mitgliedern und Kandidaten des Politbüros zur Verfügung gestellt werden“ könne, „wenn es für zweckmäßig erachtet“ werde. Adressat dieser Bitte war Minister Mielke,..."

Soweit sind das nur kleine Beispiele.
Steht über diese seine Aktivitäten auch etwas in den Memoiren?

Wolf war da eine treibende Kraft, SED und sogar KGB gegen die Gefährlichkeit der Brandtschen Ostpolitik zu "sensibilisieren". Möglicherweise hat er das ja später anders gesehen.
 
Etwas OT: Über die Brandt/Guillaume-Affäre gibt es ein großartiges Theaterstück des britischen Schriftstellers Michael Frayn mit dem Titel "Demokratie".
 
Aus eigenen Erleben...

Ich weiß nicht mehr genau an welchen Tag die Nachrichten des Westfernsehens (ARD und ZDF) die Verhaftung von Herrn Guillaume und seiner Frau verbreiteten, aber es wird wohl sicher Ende April 1974 gewesen sein.

Jedenfalls als ich dies hörte...
Ich sag mal so, dass war eine S – Nachricht.

Am nächsten Tag Gesprächsstoff im engen politisch interessierten Kollegenkreis.
Man sah das bissel Erreichte in Gefahr, denn das die Regierung der BRD danach nicht einfach zur Tagesordnung übergeht war klar.

Am 7.Mai dann der Rücktritt von W. Brandt. Am 07.Mai übernahm dann der uns allen sympathische „Gelbe Wagen“ für 10 Tage die Amtsgeschäfte, danach H. Schmidt.

1981 (Agentenaustausch) kam Herr Guillaume zurück in die DDR.
Muss dann so Mitte der 80iger gewesen sein. Herr Guillaume reiste durch die DDR und hielt Vorträge.
Kam auch nach Erfurt und im Kombinat dachte man auch an mich betreffs der Teilnahme.
Wenn ich mich auch nicht mehr an den Tag erinnern kann, aber eins weiß ich noch...
Ich hatte Gott sei Dank an diesen Tag einen Vortrag in einen Arbeitskreis der KdT, das respektierte man und so ging ein anderer.
 
Mir will bis heute nicht einleuchten,warum die Guillaume-Affäre der Grund für den Rücktritt des Bundeskanzlers Brandt war.

Heute wird häufig davon gesprochen, dass Depressionen, Brandts Alkoholkonsum und Gesundheit, seine Frauenaffären und die Erpressbarkeit des Bundeskanzlers eine Rolle gespielt haben sollen.

Ferner ist zu lesen, dass die Gruppe um Wehner befürchtete, die Medien würden sich auf diese von Guillaume verfassten Berichte stürzen und gezielte Indiskretionen der DDR seien nicht auszschließen. Auch der Blick auf die bevorstehenden Bundestagswahlen wird angeführt und eine mögliche Medienkampgane, der Brandt nicht gewachsen sei.

Ich halte vieles davon für vorgeschoben. Angeblich sagte Helmut Schmidt sogar, die Affäre sei kein Grund für einen Rücktritt. Es scheint somit denkbar, dass sich Wehner und Schmidt einig waren, die Affäre zum Anlass zu nehmen, die Macht neu zu verteilen. - Allerdings haben das alle Beteiligten stets weit von sich gewiesen, was auch nicht anders zu erwarten war.
 
Bei Wolf wäre ich bezüglich der Memoiren schon "aus Berufsgründen" vorsichtig, von wegen "größte Niederlage, politisches Eigentor" etc.
Auf jeden Fall, da gebe ich Dir sicher recht.
Und nicht nur "aus Berufsgründen", sondern weil Memoiren stets mit Vorsicht zu genießen sind, enthalten sie doch gerne Beschönigungen der eigenen Rolle.

Wolf und Mielke sahen intern Brandt als große Gefahr für die DDR, .."
....

Soweit sind das nur kleine Beispiele.
Steht über diese seine Aktivitäten auch etwas in den Memoiren?
So wie ich das überblicke: nein.
(Ich beziehe das auf vorhergehende Kapitel "Wandel durch Annäherung)

Er beschreibt wohl das zunächst vorhandene Mißtrauen seitens der DDR-Führung.
Deren Grundlage, nach seiner Darstellung,
war einerseits die sich ausbreitende Furcht vor der "ideologischen Diversion" durch einen steigenden Einfluss Sozialdemokratie, die sich aus einer Annäherung egeben könnte,
und andererseits die Furcht vor einem doppelten Spiel der UDSSR, bei dem die DDR aussen vor bleiben sollte.
Zudem habe es auch Befürchtungen gegeben, und diese besonders bei den Sowjets, dass eine nationale Sogwirkung durch den "reicheren Westen" enstehen könnte.
Seine eigene Rolle beschreibt er in diesem Zusammenhang so, dass er, wen wunderts, bereits früh die Entwicklung erkannt habe.
Und weiterhin, dass er nicht nur Erkenntisse über die Position der BRD, sondern auch über die der UDSSR, geheimdienstlich gewinnen konnte.

Davon abgesehen:
Die Aussage der Sturz Brandt sei eine große Niederlage für seinen Geheimdienst gewesen ist mE durchaus glaubwürdig.
Denn die HVA hatte ja im April 72 den Sturz Brandts im Rahmen des konstruktiven Mißtrauensvotums durch die Opposition verhindert und damit auch die Ostverträge gerettet.
Dazu wurde der CDU-Abgeordnete Julius Steiner aus HVA-Geldern mit 50.000 DM bestochen um für Brandt zu stimmen. Dies war die fehlende Stimme für Brandt, und die Überraschung war groß.
Das denke ich, kann man als gesichert ansehen.
 
Besten Dank!

Dass er das im Nachhinein so sieht, möchte ich gar nicht bestreiten. Vielleicht ist das so.

Deine Recherchen in den Memoiren belegen aber seine Verdrehung der tatsächlichen Abläufe: es waren Teile der SED-Führung, die das nicht als große Gefahr für das System verstanden, und es waren Wolf und Mielke und das MfS, die da ausweislich der Quellen massiv gegenhielten und gerade versuchten, diese Grundhaltung zu drehen. Sie versuchten es selbst in den sowjetischen Kreisen. Dabei setzte er offenbar auch Informationen aus der engsten Brandt-Umgebung ein, von wem, können wir nur vermuten.

In den Memoiren "adaptiert" er nun diese (von ihm seinerzeit "bekämpfte") Gegenposition und macht sie ex post zu seiner eigenen. Darauf wollte ich nur hinweisen.
 
@Silesia

nun beziehen sich Deine Quellen auf die Jahre 69 und 70.
Und ich kann nicht erkennen inwiefern Wolf hier eine "Verdrehung der tatsächlichen Abläufe" vornimmt und nicht eine solche der eigenen (wenigstens anfänglichen) Rolle im Spiel.
Im Jahre 72 jedenfalls verhindert die Behörde Wolfs den Sturz Brandts und es ist dies entweder Wolfs Einsicht, die mit einer Eigenmächtigkeit einhergegangen wäre, zu danken oder seiner Dienstbarkeit gegenüber einem politischen Willen der Staatsführung.
Letzteres ist anzunehmen.
:winke:
 
@Silesia

nun beziehen sich Deine Quellen auf die Jahre 69 und 70.
Und ich kann nicht erkennen inwiefern Wolf hier eine "Verdrehung der tatsächlichen Abläufe" vornimmt und nicht eine solche der eigenen (wenigstens anfänglichen) Rolle im Spiel.
Im Jahre 72 jedenfalls verhindert die Behörde Wolfs den Sturz Brandts und es ist dies entweder Wolfs Einsicht, die mit einer Eigenmächtigkeit einhergegangen wäre, zu danken oder seiner Dienstbarkeit gegenüber einem politischen Willen der Staatsführung.
Letzteres ist anzunehmen.
:winke:

Das ist richtig, sowohl der Hinweis, dass sich die Analyse nur auf Wolfs Aktivitäten 1969/70 bezieht, als auch der Hinweis auf den verhinderten Sturz.

Von daher nehme ich an, dass er sich dem politischen Willen beugen musste, weil die Einflussnahme scheiterte.

Interessant fand ich daher den Hinweis in den Memoiren. Nochmals besten Dank.:winke:
 
Im Jahre 72 jedenfalls verhindert die Behörde Wolfs den Sturz Brandts und es ist dies entweder Wolfs Einsicht, die mit einer Eigenmächtigkeit einhergegangen wäre, zu danken oder seiner Dienstbarkeit gegenüber einem politischen Willen der Staatsführung.
Letzteres ist anzunehmen.
:winke:

Diesen Herrn Wolf ist nichts zu danken, wie der gesamten Stasi-Clique nicht! Da helfen auch keine winkenden Smileys!

Grundsätzlich gibt es die Frage, was hat Guillaume als "Spion" in Erfahrung bringen können? In welchen Zusammenhang stand die Affäre mit der angeblichen Entspannungspolitik jener Jahre?
Die Mauer wurde Anfang der 70iger unter Honecker ausgebaut, sowie der ganze Stasiapparat nach innen verstärkt wurde. Entspannung? Für wen? Dem Bundesbürger, der wenig Interesse an der DDR hatte? Oder Entspannung für die steigenden Exportzahlen von Erzeugnissen aus der DDR, die im Neckermannkatolog verkauft worden, damit sich die Herren der Volkskammer mit US Wishkey in Ihren Villen Volllaufen lassen konnten?

Nicht alles, was nach Aussen als Ergebnis orientierte Politik dargestellt wird und als solche in der Geschichte angepriesen wird, hat die Wurzel für eine Entspannung erreicht, jedenfalls damals nicht.
Die Entspannungspolitik jener Jahre, hat dazu geführt, daß sich das DDR Regime etablieren konnte und seinen Überwachungsstaat intensiver und auch internationaler Aufbauen konnte. Ob es den Sowjets gefallen hat? Sicher wohl, denn ohne Anweisung aus Moskau, konnte auch die DDR nichts durchführen. Das wird gerne überschätzt, die DDR war ideologisch, wie auch außenpolitisch schwer von Moskau abhängig. Daher war die Entspannungspolitik der BRD in Richtung DDR nur durch die Sowejts erreichbar, daß ein ostdeutscher Spion bis zum Kanzler kommt, ohne das der KGB davon kein Wissen hatte, erscheint mir sehr unrealistisch.
 
Zuletzt bearbeitet:
Mir gefiel in diesen Zusammenhang der Spielfilm „Im Schatten der Macht“ (ARD Oktober 2003).
Allerdings mit der Einschränkung, wie es eben bei solchen noch recht aktuellen Historienfilmen (viele Akteure lebten ja zum Zeitpunkt der Ausstrahlung) wohl der Fall ist, was ist richtig, was ist falsch.
Oder anders ausgedrückt, was wurde frei gegeben und was nicht.
Aber ich glaube, der rote Faden entsprach schon den Abläufen.
Möglicherweise Abweichungen in einigen Details bis hin zu ein paar Vorkommnissen die man einfach weglässt.

Zur Person Wehner...
War eine tolle Zeit, ich meine vor allem seine Auftritte im Bundestag.
Einige dieser „Auftritts – Perlen“ findet man ja bei YouTube. Wenn’s mir danach ist, ich höre da immer wieder gern mal rein.

So mancher Auftritt von HW :) und auch FJS :), das waren Sternstunden in gepflegter deutscher Redekunst im Bundestag. Das durfte man damals nicht verpassen.
 
Zuletzt bearbeitet:
...
Grundsätzlich gibt es die Frage, was hat Guillaume als "Spion" in Erfahrung bringen können? In welchen Zusammenhang stand die Affäre mit der angeblichen Entspannungspolitik jener Jahre?
....

Köbis,
es ist ja keine übliche Situation, dass es einem Geheimdienst gelingt, einen Agenten in eine besondere Vertrauensposition bei einem Staatschef einer "feindlichen" Macht zu bringen.
Und es war doch nicht nur so, dass Gaulliaume die Absichten Brandts aus nächster Nähe wahrnehmen konnte, sondern dass er hierüber auch entsprechende Berichte an seine Auftraggeber übermittelte.
Wie intim das Verhältnis war, sieht man auch an seinem privaten Verhältnis zu Brandts Frau und seinen Kindern.

Ich frage mich auch, ob die Gleichsetzung von Stasi (womit ja begrifflich Mielkes Behörde verbunden wird) und HVA, das Bild angemessen beleuchtet.

Und dass die "Entspannungspolitik" eine 'angebliche' gewesen sei, somit also wohl eine Fehlwahrnehmung, ist nicht erkennbar und sollte nicht ohne Begründung in einem Nebensatz behauptet werden.

Das wird gerne überschätzt, die DDR war ideologisch, wie auch außenpolitisch schwer von Moskau abhängig. Daher war die Entspannungspolitik der BRD in Richtung DDR nur durch die Sowejts erreichbar,
Oder auch wahlweise nur gegen diese..
Wolf beschreibt dieses Dilemma durchaus.
Man kann sich das entspannt zu Gemüte führen und braucht auch nicht alles zu glauben.
Ich denke aber schon, dass Wolf ein Buch geschrieben hat welches geeignet ist zur Erhellung der vergangenen Vorgänge beizutragen.
Nur soll man halt jede Frucht mit Vorsicht genießen,
und auch gegebenfalls,
wenns denn nicht anders geht,
eigene Allergien bestimmen lassen.
 
Und dass die "Entspannungspolitik" eine 'angebliche' gewesen sei, somit also wohl eine Fehlwahrnehmung, ist nicht erkennbar und sollte nicht ohne Begründung in einem Nebensatz behauptet werden.

Habe ich angerissen und auch eine Frage dazu gestellt. Für wen war es Entspannung? Nach heutiger Sicht ist das sicherlich leicht zu interpretieren, aber es sollte die aktuelle Situation als Gegenstand zum Begriff - Entspannung- stehen. Sicherlich hat die damalige westdeutsche Politik das auch als Entspannung dargestellt, aber war es das wirklich?
Die Frage bleibt, für wen gab es Entspannung? Aber das geht hier um den Gartenzwerg Guillaume zu weit.


Oder auch wahlweise nur gegen diese..
Wolf beschreibt dieses Dilemma durchaus.
.
Egal was er beschreibt, er hat für immer einen Wahrheitsgehalt verwirkt!
 
Und dass die "Entspannungspolitik" eine 'angebliche' gewesen sei, somit also wohl eine Fehlwahrnehmung, ist nicht erkennbar und sollte nicht ohne Begründung in einem Nebensatz behauptet werden.

Das ist völlig korrekt. Im Prinzip löste die "Neue Ostpoltik" die alte Poltik von Adenauer im Rahmen der "Hallstein-Doktrin" ab. Und ersetzte die Konfrontation durch den Versuch einer Annäherung durch Diplomatie. Und erzeugte damit eine Dreiecksbeziehung zwischen dem WP, der BRD und der Nato. Dass die "Neue Ostpolitik" über Moskau lief war Brandt und Bahr bewußt. (vgl. Bahr: Erinnerungen an Willy Brandt)

In disem Sinne kam Brandt mit seiner Politik den Forderungen nach Anerkennung des Status quos durch den WP nach und senkte den Grad der politischen und militärischen Konfrontation. Nicht zuletzt war das auch deswegen sinnvoll, da die beiderseitige Feindbilder ein nicht unerhebliches Maß an "Unberechenbarkeit" aufwiesen, die via gegenseitigem Mißverstehen in die Eskalationsspirale eines atomaren Krieges einmünden konnte (vgl. zur sowjetischen Sicht beispielsweise G. Wettig: Frieden und Sicherheit in Europa. Probleme der KSZE und MBFR. 1975)

Diese neue Ostpolitik kam aber auch den Erwartungen der Nato entgegen, die eine nachhaltge Entspannung des Konfliktherds "Deutschland" erwartete, in Kombination mit einer zuverlässigen Integration der BRD in die westlichen Kooperationsstrukturen. Da eigentlich kein Partner in der Nato letztlich bereit war, einen Atomkrieg in Mitteleuropa zu führen.

In diesem Sinne hat Brandt teilweise die Adenauersche Politik der Westintegration fortgeführt und zumindest temporär und vordergründig durch die faktische Anerkennung der Teilung Europas als außenpolitisches Instrument ergänzt.

Allerdings, und das ist der eigentlich Effekt der Akzeptanz der Teilung, dass diese Anerkennung nur vordergründig war. Im Prinzip war die Konzeption des "Wandels duch Annäherung" ein durchaus "subversives" Konzept, das die Wandlungsfähigkeit von Gesellschaften im Friedenszustand im Osten für wahrscheinlicher hielt, wie ein Wandel im Osten im Rahmen eines permanenten indirekten Kriegszustands.

Eine an pazifistischen Werten orientierte Entspannung erschwerte die Aufrechterhaltung der inneren Militarisierung der östlichen Gesellschaften und erschwerte die Legitimation von hohen Rüstungsbudgets. Und genau an diesem Punkt brach der WP auseinander, weil die UdSSR die Kosten für die militärische Repression des WP nciht mehr aufbringen konnte.

Und genau diesen Punkt der "Umarmungsstrategie", die auf die Auflösung auch der traditionellen Feinbilder im WP hinausliefen, haben die "Kalten Krieger", wie Wolf, im Osten natürlich gefürchtet.

Dieses Verständnis von politischem und kulturellem Wandel ist die eigentlich intellektuelle Leistung von Brandt und Bahr. Und ihre politische Leistung war es, sie erfolgreich umgesetzt zu haben.

vgl. beispielsweise dazu:
P. Bender: Die "Neue Ostpoltik" und ihre Folgen. 1995, S. 155 ff
G. Schöllgen: Die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland. 2004, S. 138 ff
L. Colschen: Deutsche Außenpolitik, 2010, S. 167 ff
 
Zuletzt bearbeitet:
Das ist völlig korrekt. Im Prinzip löste die "Neue Ostpoltik" die alte Poltik von Adenauer im Rahmen der "Hallstein-Doktrin" ab. Und ersetzte die Konfrontation durch den Versuch einer Annäherung durch Diplomatie. Und erzeugte damit eine Dreiecksbeziehung zwischen dem WP, der BRD und der Nato. Dass die "Neue Ostpolitik" über Moskau lief war Brandt und Bahr bewußt. (vgl. Bahr: Erinnerungen an Willy Brandt)

In disem Sinne kam Brandt mit seiner Politik den Forderungen nach Anerkennung des Status quos durch den WP nach und senkte den Grad der politischen und militärischen Konfrontation. Nicht zuletzt war das auch deswegen sinnvoll, da die gegenseitigen Feindbilder ein nicht unerhebliches Maß an "Unberechenbarkeit" aufwiesen, der via gegenseitigem Mißverstehen in die Eskalationsspirale eines atomaren Krieges einmünden konnte (vgl. zur sowjetischen Sicht beispielsweise G. Wettig: Frieden und Sicherheit in Europa. Probleme der KSZE und MBFR. 1975)

Diese neue Ostpolitik kam aber auch den Erwartungen der Nato entgegen, die eine nachhaltge Entspannung des Konfliktherds "Deutschland" erwartete, in Kombination mit einer zuverlässigen Integration der BRD in die westlichen Kooperationsstrukturen. Da eigentlich kein Partner in der Nato letztlich bereit war, einen Atomkrieg in Mitteleuropa zu führen.

In diesem Sinne hat Brandt teilweise die Adenauersche Politik der Westintegration fortgeführt und zumindest temporär und vordergründig durch die faktische Anerkennung der Teilung Europas ergänzt.

Allerdings, und das ist der eigentlich Effekt des Anerkennens der Teilung, diese Anerkennung war nur vordergründig. Im Prinzip war die Konzeption, der "Wandel zur Annäherung" ein durchaus "subversives" Konzept, das die Wandlungsfähigkeit von Gesellschaften im Friedenszustand im Osten für wahrscheinlicher hielt, wie ein Wandel im Osten im Rahmen eines permanenten indirekten Kriegszustands.

Eine an pazifistischen Werten orientierte Entspannung erschwerte die Aufrechterhaltung der inneren Militarisierung der östlichen Gesellschaften und erschwerte die Legitimation von hohen Rüstungsbudgets. Und genau an diesem Punkt brach der WP auseinander, weil die UdSSR die Kosten für die militärische Repression des WP nciht mehr aufbringen konnte.

Und genau diesen Punkt der "Umarmungsstrategie", die auf die Auflösung auch der traditionellen Feinbilder im WP hinausliefen, haben die "Kalten Krieger", wie Wolf, im Osten natürlich gefürchtet.

Dieses Verständnis von politischem und kulturellem Wandel ist die eigentlich intellektuelle Leistung von Brandt und Bahr. Und ihre politische Leistung war es, sie erfolgreich umgesetzt zu haben.

vgl. beispielsweise dazu:
P. Bender: Die "Neue Ostpoltik" und ihre Folgen. 1995, S. 155 ff
G. Schöllgen: Die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland. 2004, S. 138 ff
L. Colschen: Deutsche Außenpolitik, 2010, S. 167 ff

thane, deine Quellenlast bringt dich bei dem Thema nicht weit, allenfalls hinterlässt sie was oberlehrerhaftses, weil wir uns hier außerhalb reiner Literaturquellen bewegen!

Nenne mir mindestens drei Beispiele, daß die Entspannungspolitik, auch der Bevölkerung im Osten vor allem in der DDR, etwas "Entspannendes" beitrug.

Wenn dies jetzt aber auch zum Kriterium des GF wird, Kritik an Diskussionsbelegen und Quellen zu üben, die sich nicht auf Journalistischen Literaturquellen bewegen, sondern auch von Erlebter Geschichte, dann habe ich im GF nichts mehr verloren!
 
thane, deine Quellenlast bringt dich bei dem Thema nicht weit, allenfalls hinterlässt sie was oberlehrerhaftses, weil wir uns hier außerhalb reiner Literaturquellen bewegen!

Sicherlich nicht. Die "Neue Ostpolitik" ist ein sehr gut dokumentiertes historisches Thema. Und nur darum geht es.

Ansonsten wäre es für die Bewertung der damaligen Außenpolitik hilfreich, wenn Du ein wenig näher an den historischen Fakten wärest bei Deiner subjektiven, sehr pauschalen negativen Bewertung der "Neuen Ostpolitik".
 
Nenne mir mindestens drei Beispiele, daß die Entspannungspolitik, auch der Bevölkerung im Osten vor allem in der DDR, etwas "Entspannendes" beitrug.
Die Politik aus Westsicht geschildert: ich konnte 1978 zum ersten Mal meinen Großvater besuchen, sowie die übrigen Verwandten, meine Mutter war nämlich "Republikflüchtling".

Diese West-Ost-Besuche, überhaupt die Kontaktmöglichkeiten, waren Ergebnis der Entspannungspolitik. Das waren ganz praktische Ergebnisse.

Die Entspannungspolitik beförderte auch die Entwicklung zwischen den Mächten hin zum KSZE-Prozeß. Das wiederum ist für Polen und die sowjetische Reaktion auf die Gewerkschaftsbewegung nicht ganz unwichtig.

Es waren alles (auch kleine) Schritte auf dem Weg bis 1989. Andere Eskalationen wären denkbar, wenn man diese Vorentwicklung ausblendet.
 
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