Drusus als Ortsnamensgeber

Ich muss mal ein bisschen in der Geschichte meiner Stadt herumwühlen. Ich bin überzeugt dass Chemnitz ursprünglich Drusnitz hieß.:S
In Thüringen gibt es Trusetal, in Sachsen-Anhalt Droßdorf, in Bayern 3 Mal Drossendorf, Drößlingen , Drossenhausen und schließlich Drosewitz (dort könnte Drusus einen Witz erzählt haben) in Meck-Pom. Der Mensch hat unser ganzes Land mit seinem Namen heimgesucht.:D
 
Der Ortsname 'Drusenheim' geht auf Drusus zurück: "An der Stelle des heutigen Drusenheim befand sich in römischer Zeit ein von Drusus errichtetes Kastell; der heutige Ort hat seinen Namen von diesem Feldherren." (Drusenheim ? Wikipedia)

Auch wenn es in der deutschen und französischen Wikipedia so steht, wäre doch einiges zu hinterfragen, was aus den Artikeln nicht hervorgeht:
- Wann ist der Ortsname eigentlich erstmals urkundlich belegt?
- Gibt es eine Art Siedlungskontinuität zwischen dem Lager und dem Ort?
- Ist das Lager eigentlich (archäologisch?) nachgewiesen bzw. wirklich zuverlässig dem Drusus zuordenbar?
Ich bin jedenfalls etwas skeptisch, ob da nicht wieder irgendwelchen Ortsnamenforschern die Fantasie durchgegangen ist.


In der frz. Wiki steht zu Drusenheim:

Drusenheim aurait été un des nombreux châteax-forts que Drusu, fils de l' impératrice Livie, construisit le long du Rhin pour arrêter les incursions des Germains. Ce village figure sur la charte de donation concédée en 758 par le comte Ruthard à l'abbae de schwartzach.

Drusenheim wird eine der zahlreichen Burgen gewesen sein, die Drusus, Sohn der Kaiserin Livia, entlang des Rheins anlegte, um die Einfälle der Germanen aufzuhalten. Das Dorf erscheint auf der Schenkungsurkunde im Jahr 758 durch den Graf Ruthard an die Abtei von Schwartzach. (eigene ÜS)

Ruthard ist vermutlich dieser hier: Ruthard (Graf) ? Wikipedia

Die Form des Conditionnel Passé (aurait été) drückt im Französischen eine Unsicherheit oder Vermutung aus. Merkwürdig sind im übrigen im frz. Wiki-Artikel einige orthographische "Besonderheiten".

Zu einem Römerlager (oder Festung) bei / in Drusenheim konnte ich auf die Schnelle nichts finden. Allerdings ist wohl dort ein Römerhelm* gefunden worden, der in die zweite Hälfte des ersten nachchristlichen Jahrhunderts datiert wird: ARMAE - Casques romains classiques et tardifs Drusus selber wird ihn also dort nicht verloren haben.

Die zweite Silbe (-heim) deutet für mich eher darauf hin, dass der Ort eine Neugründung während des frühen MA war. Eine Namenstradition würde ich eher bei Siedlungskontinuität seit der Antike erwarten.

Ob Drusus überhaupt da war, ob bei Drusenheim ein Lager war, ist bei der Faktenlage spekulativ.


Zu den Ortsnamen in Verbindung mit Druse verstehe ich nicht ganz, wie im freien Germanien solche Namen tradiert werden sollten. Die einzigen Ortsnamen in Deutschland, die in die Antike zurückreichen, sind solche mit einer Siedlungskontinuität unter römischer Herrschaft.

*Repliken dieses Helmes werden bei diversen Online-Händlern angeboten.
 
Weshalb dann nichts nach Tiberius oder Germanicus benannt wurde, ist dann allerdings etwas ungewöhnlich.

Wer sucht, der findet. :D

Drusomagus, - Sedatum und römische Alterthümer in den nächsten Nachbars=Orten von Augsburg... (1825)

Strehler meint, daß weil unter Kaiser August seine Stiefsöhne Drusus und Tiberius zwischen dem 15ten und 13ten Jahre vor Christus Vindelizien bis an die Donau erobert, und in dem eroberten Lande an der Gränze mehrere Burgen erbaut haben, hier auf diesem festen Punkte des Thürlebergs gleichzeitig mit Drusomagus ein zweites castrum erbaut, und zum Andenken an den zweiten Ueberwinder Vindeliziens Tiber, und gleichsam im nachbarlichen Bruder=Vereine mit der Drususburg, Tibersburg genannt worden seyn dürfte, woraus später in der Volkssprache aus Mons Tiberii das heutige Thierlesberg, gleichsam Tibers-Berg, und die dabei entstandenen Dörfer Tibersheim, oder zusammengezogen Thirheim genannt worden wären. - Allein so scharfsinnig diese Meinung ist, so wird sich solche doch nicht nachweisen lassen...


Wenn es aufs Nachweisen ankommt, sprechen Thürheim, Thierheim, Thierdorf, Diedorf nicht unbedingt für Tiberius als Namenspatron.


Wenn es aber aufs Nachweisen nicht ankommt, dann passt einfach alles. Auch Dieburg, Diebzig und Diedorf, Dippmannsdorf und Dippoldiswalde, außerdem Tirpersdorf, Thierbach und sowieso ganz Thüringen.
 
Nach dem Abzug des Drusus hat die einheimische Bevölkerung das blöde Ding dann nicht beseitigt (wie z. B. anderswo den Drusus-Altar), sondern den Hügel einen neuen Namen zu Ehren des eingebildeten Siegers gegeben, der sich dann 2000 Jahre gehalten hat.

Habe ich das richtig verstanden?

Genau. Was hätten sie deiner Meinung nach sonst gemacht? Die Sache ignorieren und den Ort weiter Blümchenhügel nennen? Wohl kaum. Dazu war die Geschichte mit der Invasion der Supermacht aus dem Süden zu abgefahren.

Und dann guck dir auch mal die ganzen Hessen-, Schweden- und Sonstwas-Schanzen an. Und das, obwohl der 30-jährige Krieg das brutalste war, was jemals auf deutschem Boden stattgefunden hat. Orte werden auch nach Feinden benannt. Die Intensität, mit der Ereignisse wargenommen werden, ist ein wichtiges Moment hierbei.

Ja, und dann steht da auf einmal mitten in der Landschaft so ein Ding. Wie sollten die Germanen das eigentlich nennen? Da die Germanen zuvor noch nie so etwas gesehen geschweige denn selbst errichtet hatten, gab es natürlich auch kein germanische Wort für 'Monument'. Aber dieses Ding mit seinem 40 Meter durchmessenden Fundament und der Aufschüttung darüber sah fast aus wie so ein, ja, wie ein kleiner Hügel. Ganz genau, der Drusenbrink war nicht der Ort, wo das Monument stand, sondern das Monument selbst.

Haben die Germanen das Monument zerstört? Wenn es da Baumaterial in der Form von Steinen zu holen gab, definitiv. Die dazu gehörige Erdaufschüttung haben sie aber definitv nicht abgetragen, das wär viel zu viel Arbeit gewesen, Kalorienverbrauch für nichts, und ich denke nicht dass sich der Durchschnittsgermane damals einen solchen Luxus hätte leisten können.
 
Die zweite Silbe (-heim) deutet für mich eher darauf hin, dass der Ort eine Neugründung während des frühen MA war. Eine Namenstradition würde ich eher bei Siedlungskontinuität seit der Antike erwarten.

Ob Drusus überhaupt da war, ob bei Drusenheim ein Lager war, ist bei der Faktenlage spekulativ.


Zu den Ortsnamen in Verbindung mit Druse verstehe ich nicht ganz, wie im freien Germanien solche Namen tradiert werden sollten. Die einzigen Ortsnamen in Deutschland, die in die Antike zurückreichen, sind solche mit einer Siedlungskontinuität unter römischer Herrschaft.


Die Story steht und fällt natürlich mit der Namenskontinuiät von Drusenheim. Wobei ich den frühmittelalterlichen Ursprung des Grundwortes '-heim' jetzt als nicht so kritisch ansehen würde, wichtiger ist die Kontinuität der Bestimmungswortes 'Drusen-'. Dass sich in den letzten 2000 Jahren wirklich alle Ortsnamen in Germanien/Deutschland einmal komplett verändert haben kann ich mir auch nicht vorstellen. Wo es Siedlungskontinuität gab, gab es auch Namenskontinuität.


Ich habe übrigens bei der Stadt Drusenheim angefragt, ob es weitere Informationen zu dem vermeintlichen Drususlager gibt, habe aber noch keine Antwort erhalten.
 
Und dann guck dir auch mal die ganzen Hessen-, Schweden- und Sonstwas-Schanzen an.
...
Orte werden auch nach Feinden benannt.
Dann solltest Du zum Vergleich nicht Schwedenschanzen, sondern "Gustav-Adolf-Schanzen", meinetwegen Tillyschanzen und Wallensteinschanzen aufzählen.
Wieviele davon gibt es als überlieferte Ortsnamen?

Ja, und dann steht da auf einmal mitten in der Landschaft so ein Ding. Wie sollten die Germanen das eigentlich nennen?
Ein Denkmal des Sieges über die Germanen?
Sie werden es "was soll der Scheiß" genannt und bei erstbester Gelegenheit entfernt haben.

Die dazu gehörige Erdaufschüttung haben sie aber definitv nicht abgetragen
Falls gar keine Erdaufschüttung da war, sicher nicht.

Falls aber doch, warum denn "definitiv nicht"?
Vom Ort der Varusschlacht wird definitiv berichtet, sie hätten einen Tumulus "auseinandergeworfen".
 
Vom Ort der Varusschlacht wird definitiv berichtet, sie hätten einen Tumulus "auseinandergeworfen".

Berichtet wird das definitiv. Wir wissen aber nicht ob das stimmt, was irgendwelche Leute vor 2000 Jahren aufgeschrieben haben. Auch das komplette Abtragen des Varus-Grabhügels wäre ein im Vergleich zum Nutzen völlig unakzeptabler Energie- bzw. Arbeitsaufwand gewesen.
 
Berichtet wird das definitiv. Wir wissen aber nicht ob das stimmt, was irgendwelche Leute vor 2000 Jahren aufgeschrieben haben.
Das ist richtig.
Daher wissen wir auch nicht "definitiv", ob Drusus in Germanien jemals Tropaien errichtet hat.


Du aber kannst "definitiv" sagen, was vor 2000 Jahren war?
Egal "was irgendwelche Leute vor 2000 aufgeschrieben haben"?
 
Auch das komplette Abtragen des Varus-Grabhügels wäre ein im Vergleich zum Nutzen völlig unakzeptabler Energie- bzw. Arbeitsaufwand gewesen.

Was Du als "Nutzen" definierst und welchen Energieaufwand Du als "akzeptabel" definierst, hat doch die Leute vor 2000 Jahren nicht interessiert.

Auf jeden Fall wusste Tacitus besser als Du, was die Leute vor 2000 Jahren für akzeptabel hielten.

Und wenn er seinen Lesern die Sache mit dem Tumulus erzählt hat, hat er auch damit gerechnet, dass die Leute ihm das abkaufen, ohne ihn für einen Spinner zu halten.
 
Vielleicht könnte man Duisburg noch als Drususburg identifizieren. Das "r" ist irgendwann entfallen oder wurde zu "s" gewandelt. Das Phänomen stellt einen inversen Rhotazismus dar. Der heutige Kaiserberg, ehemals Mons Duissern, könnte dann das Tropaion des Drusus gewesen sein.
 
Köln erhielt auch den Namen der Agrippina, wenn auch erst unter Claudius, weil sie dort geboren wurde. Sonst hatte sie nichts mit Germanien zu tun. Der Germanicus-Sohn Drusus könnte auch in einem Feldlager geboren sein.
Guter Einwand - wenngleich dieser Drusus allerdings vor Germanicus' Germanien-Aktivitäten geboren wurde und, anders als Kaisergattin Agrippina, nie nennenswerte Bedeutung erlangte.

In Thüringen gibt es Trusetal, in Sachsen-Anhalt Droßdorf, in Bayern 3 Mal Drossendorf, Drößlingen , Drossenhausen und schließlich Drosewitz (dort könnte Drusus einen Witz erzählt haben) in Meck-Pom. Der Mensch hat unser ganzes Land mit seinem Namen heimgesucht.
Nicht nur Euer Land. Im Norden von Niederösterreich gibt es ein Städtchen namens Drosendorf ...

Aber dieses Ding mit seinem 40 Meter durchmessenden Fundament und der Aufschüttung darüber sah fast aus wie so ein, ja, wie ein kleiner Hügel.
Dass dieses Tropaion einen Durchmesser von 40 m hatte, ist aber nichts als Deine Vermutung. Tropaia konnten völlig unterschiedlich gestaltet sein, aber normalerweise nicht so spektakulär.
 
Dass dieses Tropaion einen Durchmesser von 40 m hatte, ist aber nichts als Deine Vermutung. Tropaia konnten völlig unterschiedlich gestaltet sein, aber normalerweise nicht so spektakulär.

Das ist natürlich richtig. Die Frage hierbei ist aber, ob Drusus unter 'normalerweise' eingeordnet werden wollte.
 
Es ist natürlich nicht "verboten", diverse Orte mit erst wesentlich später belegten Ortsnamen in Verbindung zu setzen. Nur sind solche Verbindungen doch sehr spekulativ.

Dabei wird vorausgesetzt, dass ein Ortsname, den die Germanen von den Römern übernommen haben mußten, bis zur ersten schriftlichen Erwähnung mehrere Jahrhunderte später(!) weiter benutzt wurde.
 
Dazu kommt noch, dass in Fällen wie Drusenheim im Laufe der Jahrhunderte kaum eine Verballhornung des "Drusus" und Wandlung des Namens stattgefunden haben dürfte, während die meisten anderen Ortsnamen sich seit ihrer urkundlichen Erstnennung im Mittelalter bis heute teils gravierend verändert haben und auch in ihnen enthaltene Personennamen teils zur Unkenntlichkeit entstellt wurden.
 
Und dann guck dir auch mal die ganzen Hessen-, Schweden- und Sonstwas-Schanzen an. Und das, obwohl der 30-jährige Krieg das brutalste war, was jemals auf deutschem Boden stattgefunden hat. Orte werden auch nach Feinden benannt. Die Intensität, mit der Ereignisse wargenommen werden, ist ein wichtiges Moment hierbei.

Der Vergleich hinkt gleich doppelt: Zum einen aus dem schon von Sepiola skizzierten Grund, dass die eigentliche Parallele dann Gustav-Adolf-X wäre, zum anderen aber auch deswegen, weil die Bezeichnung als Schwedenschanze vielerorts gar nicht korrekt ist. Aber korrekt oder inkorrekt hin oder her: es handelt sich nicht um Ortsnamen sondern um sachliche, wenn auch von Fall zu Fall inkorrekte Beschreibungen.

Am plausibelsten ist nach wie vor die von Galeotto vorgebrachte Erklärung:

Dann wären die Germanen das erste Volk, welches mit jeder Menge Orten und Bergen nach seinem Feind ehrte, der noch nicht einmal sehr lange bei ihnen war. Weshalb dann nichts nach Tiberius oder Germanicus benannt wurde, ist dann allerdings etwas ungewöhnlich.
Zitat Wikipedia: Die Bezeichnung Druse ist verwandt mit dem mittelhochdeutschen Worten drusene, drusine, drusen[1] für Bodensatz und lässt sich bis zum althochdeutschen Wort druos (Mehrzahl druosi) für Drüse oder Beule[2] zurückverfolgen."
Das Wort Beule passt auf alle Fälle ganz gut zu Hügeln oder Bergen.

Nur zu Drusenheim passt diese Erklärung nicht wirklich. Allerdings - ich glaube, Carolus hat darauf aufmerksam gemacht - deutet das -heim auf eine eher mittelalterliche Benennung, zumal das Gebiet bis zur Völkerwanderungszeit keltisch bzw. lateinisch war; eine Hybridbildung nach dem Typ Dun Eidin > Edinburgh ist nicht auszuschließen; interessant wäre die nämliche Urkunde, die im Wiki-Artikel genannt ist, um die tatsächliche Namensform 785 zu erfahren.

Zudem handelt es sich um den alemannischem und damit oberdeutschen Sprachraum. Demnach wäre eine Lautverschiebung von /d/ nach /t/ zu erwarten. (Aber mach bitte nicht gleich aus Troisdorf etc. 'Drususdorf'.)

Ich kann außerdem nur ein weiteres Mal warnen, die Geschichte nicht auf die Jahre der römischen Besatzung zu reduzieren.
 
Genau. Vieles hängt davon ab, was es mit der 40 m durchmessenden Beule am Drusenbrink auf sich hat, und wie Drusenheim 785 hieß. Zur Etymologie von Drusenheim habe ich bei der Stadt Drusenheim nachgefragt, zur Etymologie von Drusenbrink habe ich beim Stadtarchiv Soest nachgefragt, vielleicht erhalte ich auf diesem Weg ja weitere Informationen.
 
Vielleicht bringst du einfach mal deinen Wikipedia-Link zu Brink und Galeottos Hinweis zueinander, dann hast du eine zutreffende Ortsbeschreibung (Hügelrand) und dein Drusus ist raus.
 
Nur zu Drusenheim passt diese Erklärung nicht wirklich. Allerdings - ich glaube, Carolus hat darauf aufmerksam gemacht - deutet das -heim auf eine eher mittelalterliche Benennung, zumal das Gebiet bis zur Völkerwanderungszeit keltisch bzw. lateinisch war; eine Hybridbildung nach dem Typ Dun Eidin > Edinburgh ist nicht auszuschließen

Falls der Name tatsächlich auf die keltische Zeit zurückgehen könnte, wäre "drousso"=Strauch vielleicht der bessere Kandidat:

gall. *drousso- 'Strauch, Alpenerle' (s. Vox Rom. 3, 89—96): Drosen, Drossental, Drassatschen
Johann Ulrich Hubschmied (Besprechung Carlo Battisti, "Dizionario toponomastico atesino", in: Zeitschrift für romanische Philologie. Band 62, Heft 1)
 
Eine Leguanart auf Galapagos heißt Drusenkopf (Bild) Ich vermute nicht, dass dieses Tier auf Grund seiner Ähnlichkeit mit Portraitbüsten von Drusus diesen Namen erhielt.
Auch das Volk der Drusen im Libanon hat seinen Namen nicht von Drusus.
 

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