@ Teresa C.:
Dein Beispiel mit Ottokar II. ist mir zu kontrafaktisch. Wären aber (Nieder- und Ober-)Österreich sowie die Steiermark dauerhaft mit Böhmen verbunden geblieben, wäre Österreich heutzutage vermutlich maximal die Bezeichnung einer Region innerhalb Tschechiens (Regierungssitz und Hauptstadt: Prag). Irgendwann wäre vielleicht wie real aus dem Sudetenland auch aus Österreich die deutschsprachige Bevölkerung vertrieben worden. Die Steiermark würde nicht zu Österreich gehören. (Schließlich gehörte auch unter den letzten Babenbergern die Steiermark nicht zu Österreich, sondern war lediglich mit Österreich in Personalunion verbunden.) Österreich als Identitätsfaktor gäbe es wohl maximal im Rahmen eines Provinzpatriotismus.
Ansonsten kann man wohl zwei "Österreich"-Begriffe verwenden, einen engen und einen weiten:
Der enge wäre, nur das zu Österreich zu rechnen, was in der jeweiligen Zeit zu Österreich (unter diesem Namen) gehörte. Demzufolge wäre z. B. Mozart kein Österreicher. Hier wären aber sinnvollerweise eine Erweiterung und eine Einschränkung nötig:
- Einerseits müsste man auch unter habsburgischer (= der im Reichslehen "Österreich" residierenden Habsburger Linie) Herrschaft stehende Gebiete dazurechnen, die heute zu Österreich gehören, damals aber noch nicht so bezeichnet wurden (außer dass sie dem "Haus Österreich" gehörten).
- Andererseits müsste man einst zu "Österreich" (z. B. zum "Kaisertum Österreich") gehörende Gebiete ausscheiden, die heute nicht mehr österreichisch sind, ausgenommen Südtirol. Es wäre nicht vertretbar, z. B. Antonin Dvorak zum österreichischen Komponisten zu machen. Zweifelsfälle würden freilich bleiben: Franz Kafka z. B. wurde in Prag geboren und lebte meist auch in Böhmen, hatte auch tschechische Ahnen, schrieb aber auf deutsch.
Der weite wäre, alles zu Österreich zu rechnen, was heute dazu gehört. Das halte ich aber für nicht sachgerecht: Kärnten z. B. hatte im 11. Jhdt. noch nicht das geringste mit Österreich zu tun und Salzburg erst ab dem 19. Jhdt.
Ich bevorzuge also eher den engen Begriff.
Auf jeden Fall sollte man den Beginn Österreichs erst mit der Belehnung Markgraf Burkhards ansetzen. Den Tod Mark Aurels zu einem österreichischen Ereignis zu machen, halte ich für komplett überschießend. (Dann könnte man glatt noch Septimius Severus zum "österreichischen" Kaiser machen, weil er in Carnuntum zum Kaiser ausgerufen wurde ... abwegig.)
Was Leopold III. betrifft: Eine Sternstunde war sein Verrat sicher nicht. Da er aber als Markgraf von Österreich handelte, kann man seine Tat zur österreichischen Geschichte rechnen bzw. als Beitrag Österreichs zur Geschichte des HRR werten.
Diese Unterscheidung zwischen Niederösterreich und Österreich kann ich nicht ganz nachvollziehen.
Analog dazu dürfte man über die Geschichte der USA erst reden, nachdem auch Alaska Bundesstaat geworden war?
Das Problem ist umgekehrt: Niederösterreich bildete den Kern Österreichs, zu dem nach und nach der Rest stieß. Den Kern der USA hingegen bildeten die unabhängig gewordenen 13 Kolonien, zu denen später nach und nach der Rest kam, u. a. Alaska. Kann man also von Alaska als Teil der Geschichte der USA reden, als es noch unter russischer Herrschaft stand? Oder von Texas, als es eine unabhängige Republik war? Dasselbe muss dann aber z. B. auch für Vorarlberg gelten, als es noch Teil Schwabens war.