Gewaltenteilung: Militärgerichte?

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QR77

Gast
Moin, folgendes Problem:
ich verstehe nicht ganz, wie es mit dem Prinzip der Gewaltenteilung zusammenpassen kann, dass es Militärgerichte gibt. Das Militär gehört in einem Staat zur Exekutive, wie kann es dann verstösse gegen das Gesetz sanktionieren?
vielen Dank im Voraus
 
Eigentlich ist es ja mit dem Prinzip der Gewaltenteilung vereinbar, wenn ein Berufsstand eine interne, berufsspezifische Rechtssprechung hat (siehe Sportgerichte oder Ärztekammer), sofern der Fall nicht von irgendeiner Relevanz für die "offiziele" Judikative ist.
Problematisch wird es, denke ich, wenn Militärgerichte keine militiräschen Disziplinarmaßnahmen - natürlich im Rahmen der Menschenrechte (also bspw. kein Spießrutenlauf, "Dezimieren" oder standrechtliche Exekution) - für Militärangehörige aussprechen, sondern über Zivilisten oder vermeintliche "feindliche Kombattanten" urteilen.
 
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Das Problem, das sich in der Praxis hauptsächlich stellen wird, ist, inwieweit die Militärgerichtsbarkeit unabhängig (insbesondere vom restlichen Militär) ist, ob es sich also z. B. bei den Militärrichtern um echte Richter (dauerhaft bestellt, unabsetzbar, unversetzbar, weisungsfrei, für Entscheidungen nicht belangbar, etc.) handelt oder etwa um Offiziere, die temporär zu Verfahren abkommandiert werden.
 
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Ich weiß ja gar nicht wo es noch Militärgerichte gibt, in Österreich jedenfalls nicht. Schwere Delikte wie unerlaubte Entfernung werden von den normalen Strafgerichten abgehandelt, leichte im Dienstweg, da gehts dann aber nur um internen Hausarrest.
 
Zumindest in der Schweiz und in den USA (vgl. die Serie "JAG") gibt es anscheinend noch eine eigene Militärgerichtsbarkeit.
 
Nun ja,historisch betrachtet hat die Militärgerichtsbarkeit mit Ordentlicher Gerichtsbarkeit ungefähr soviel zu tun,wie Kirmesbratwurst mit Haute Cuisine
Die Militärgerichtsbarkeit war weder unabhängig noch wurde das eingehalten ,was man unter rechtsstaatlichen Grundsätzen versteht . Es handelt sich vielmehr um den Versuch, dem militärischen Sanktions-und Disziplinierungssystem durch Formalisierung einen rechtlichen Anstrich zu geben und es dadurch zu legitimieren-
Abgeleitet aus den nicht formalisierten Feld- und Standgerichten der Landsknechtshaufen geht die formale Militärgerichtbarkeit wohl auf das nach dem 30jährigen Krieg entstandene schwedische Militärrecht zurück. Dieses war codifiziert und sah erstmals einen separaten Ankläger,den Auditeur. mehrere Instanzen (Regimentskriegsgericht, Generalkriegsgericht und Generalgouverneur) und die Führung von Prozessakten vor,
Damit übernahm man den formalen Aufbau der ordentlichen Gerichtsbarkeit, nicht jedoch ihre allgemeinen Grundsätze.Insbesonder die Einschränkung der Grundrechte und die eingeschränkten Verteidigungsmöglichkeiten der Angeklagten sowie .eingeschränkte Apellationsmöglichkeiten und die mangelnde richterliche Unabhängigkeit führten dazu. dass in vielen demokratischen Ländern diese Form der Sondergerichtsbarkeit abgeschafft oder extrem eingeschränkt wurde.
 
Zumindest in der Schweiz und in den USA (vgl. die Serie "JAG") gibt es anscheinend noch eine eigene Militärgerichtsbarkeit.

Canada und Holland haben auch noch Militärgericht. In der Bundesrepublik bietet GG Art 96 die Möglichkeit, Kriegsgerichte einzurichten. Ist bisher aber noch nicht passiert. Details: https://en.wikipedia.org/wiki/Court-martial

In den USA sitzen zur Zeit immerhin 6 von Militärgerichten zur Todesstrafe Verurteilte ein. Allerdings wurde zumindest seit 1976 kein Todesurteil mehr vollstreckt. 1964 wurde ein US-Soldat wegen Raubüberfall von einem Militärgericht verurteilt und auch hingerichtet.

Die Zuständigkeiten sind nicht ganz eindeutig. Wenn ich mich recht erinnere (kann aber auch ein anderer Fall Gewesen sei ) wurde der o.a. Soldat von MP und zivilen Cops gesucht. Die MP war schneller, da sie ihn schon wg. AWOL suchte, bevor seine Straftat ruchbar wurde. "Besitz regelt zu 90 Prozent die Zuständigkeit", meinte der Journalist.

https://en.wikipedia.org/wiki/Courts-martial_in_the_United_States
 
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Zumindest in der Schweiz und in den USA (vgl. die Serie "JAG") gibt es anscheinend noch eine eigene Militärgerichtsbarkeit.

Ja in der Schweiz gibt es eine Militärjustiz.

Auszug aus der Homepage des VBS http://www.vbs.admin.ch/internet/vbs/de/home/departement/organisation/oa011.html:

Die Militärjustiz
Führt Strafverfahren durch bei deliktischem Verhalten von Angehörigen der Armee während des Militärdienstes sowie bei Angehörigen des Grenzwachtkorps und des uniformierten Personals der Militärbetriebe während der Berufsausübung.

Führt Verfahren gegen Personen, die sich wegen Verletzung militärischer Geheimnisse strafbar machen.

Berät Truppenkommandanten und bildet diese in disziplinarstrafrechtlichen Belangen aus.

Weiter Infos gibt es hier:

VBS - Militärjustiz

VBS - Militärstrafverfahren
 
Im Rahmen der wehrverfassungsrechtlichen Ergänzungen des Grundgesetzes wurde entgegen dem anfänglichen Plan der regierenden Koalition, eine ständige Militärgerichtsbarkeit zu errichten, 1956 das "Weimarer Modell" einer Militärgerichtsbarkeit im Verteidigungsfalle und auf Kriegsschiffen (Art. 106 WRV) aufgenommen sowie auf ins Ausland entsandte Soldaten erweitert, ohne dass bislang eine Umsetzung erfolgte. Die Einsetzung wäre auch nur unter Wahrung rechtsstaatlicher Grundsätze (zB Unabhängigkeit) möglich. Das Weimarer Modell hatte zuvor die Regelungen zur Militärgerichtsbarkeit im Kaiserreich, die bis auf ein Paulskirchenmodell zurückgingen, abgeschafft (im Dritten Reich wurde das wieder eingeführt 1933-45)

Siehe Maunz/Dürig, GG, Rn 55 zu Artikel 95.

Auslandseinsätze haben die Diskussion nicht neu angefacht, obwohl man durchaus die besonderen Probleme für die Verfahren im militärischen Umfeld gesehen hat. Zitat:

"[weil] ... die Beurteilung strafrechtlich relevanten Verhaltens von Bundeswehrsoldaten bei Auslandseinsätzen den mit der Rechtspflege betrauten Personen ein gehöriges Maß an militärischen und juristischen Spezialkenntnissen abverlangt.

- So sah sich beispielsweise die StA Frankfurt/Oder zunächst veranlasst, in Schützenpanzern auf einem Truppenübungsplatz „den Einsatz am Hindukusch nachzuspielen“, bevor das Verfahren gegen einen Soldaten wegen fahrlässiger Tötung eingestellt wurde.
- Die StA Zweibrücken bemühte für eine Einstellung nach § 170 II StPO bezüglich eines für afghanische Verhältnisse quasi-alltäglichen Geschehens (nämlich die Errichtung einer Straßensperre und den Beschuss eines herannahenden Fahrzeugs) den Rechtfertigungsgrund nach Art. 24 II GG i. V. mit Nr. 7 des Antrags der Bundesregierung vom 7. 10. 2008 und dem Beschluss des Bundestags vom 16. 10. 2008 i. V. mit der UN-Resolution 1833 (2008) i. V. mit § 32 StGB, diese wiederum in Verbindung mit den Grundsätzen des Erlaubnistatumstandsirrtums – was freilich aus völker(straf)rechtlich-systematischen Gründen unzutreffend war und allenfalls vom Ergebnis her zu überzeugen vermochte.
- Und als bekannt wurde, dass sich Bundeswehrsoldaten in Afghanistan in obszöner Weise mit menschlichen Gebeinen hatten fotografieren lassen, stellte die StA München II feinsinnige Überlegungen zum Begriff der „Beisetzungsstätte“ gem. § 168 II StGB und zur Verjährung einer Belästigung der Allgemeinheit gem. § 118 I OWiG an20, anstatt der naheliegenden Vorfrage nachzugehen, ob nicht bei Bundeswehreinsätzen in Kriegsgebieten der Schutz der Totenehre in § 8 I Nr. 9 VStGB eine abschließende Sonderregelung erfahren hat."
Zitat: Zimmermann: Der neue Gerichtsstand bei besonderer Auslandsverwendung der Bundeswehr, NJW 2013, S. 905.

Lösung: eine besondere Zuständigkeitsregelung, sozusagen ein "Schwerpunktgericht" oder "Konzentrationsgerichtsstand" genannt (StA Kempten, LG Kempten oder OLG München), die das Kompetenzproblem ohne Sondergerichtsbarkeit beseitigt.
 
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