Bei Siedlungskontinuität römischer Städte sollte man zum einen die durch die Stadtmauer gebildete Stadtgrenze und zum anderen innerhalb dieser Stadtmauer Infrastruktur wie innerstädtische Verkehrswege, öffentliche Plätze, Großbauten unterscheiden. Bei vielen Städten aus der Römerzeit läßt sich noch in der heutigen Topographie der Umfang der Stadt in der Antike nachvollziehen, weil in späteren Jahrhunderten die römischen Stadtmauern weiter benutzt und instand gehalten worden sind. Innerhalb dieser Städte lebt teilweise die alte römische Straßenführung weiter fort, weil wichtige Straßen weiterhin benutzt worden sind. Die "Hohe Straße" in Köln verläuft noch heute auf der Trasse des römischen Cardo Maximus (s. zu den Römerstraßen in Köln:
http://www.museenkoeln.de/downloads/home/via.pdf). Ob und wieweit innerstädtische Straßen noch weiterhin sichtbar im Stadtbild blieben, hängt davon ab, wie die Straßen und die anliegenden Grundstücke benutzt worden sind.
Da es in der Spätantike und im FrühMA einen Bevölkerungsrückgang gegeben hat, dürften weite Teile der Stadt zu Brachland geworden sein. Die Grundstücksgrenzen und Straßen verschwanden und wurden schließlich vergessen. Gleichzeitig entstanden neue Wege wohl aus Trampelpfaden und wurden dann später zu den typisch mittelalterlichen Gäßchen. Vorgenanntes habe ich schon in vielen Städten aus der Römerzeit gesehen, aber mir fällt kein einziges Beispiel ein, wo sich der römerzeitliche Stadtgrundriß (Hippodamisches Schema) sich bis heute weitestgehend erhalten hat. Lediglich bei aufgegebenen Städten (Pompeii, Colonia Ulpia Traiana, Leptis Magna etc.) blieb dieses Raster unter- und/oder oberirdisch erhalten.
Was Hann. Münden angeht, so zeigt der Stadtplan der Innenstadt einen Stadtgrundriß mit annähernd rechtwinklingen Straßen. Das ist ein Kennzeichen einer geplanten Ansiedlung. Ich konnte auf die Schnelle nicht herausfinden, wann dieser Stadtgrundriß entstanden ist. Denkbar wäre die Anlage dieser Innenstadt als Neubebauung nach einer weitestgehenden Zerstörung (z. B. nach einem Stadtbrand). Die im Zentrum sich befindliche St. Blasius-Kirche stammt aus dem 13. Jhdt., ist aber bereits der dritte Kirchenbau an dieser Stelle. Die erste Kapelle entstand laut Wiki um das Jahr 1000:
Grabungen in den Jahren 1972 bis 1973 belegen drei Vorgängerkirchen. Um 1000 stand hier eine Kapelle auf einem fast quadratischen Grundriss, sie wurde um 1150 mit einem romanischen Bau nach Westen erweitert. Von 1180 bis 1190 wurde eine Erweiterung zur romanischen Basilika vorgenommen, diese brannte später ab.
https://de.wikipedia.org/wiki/St._Blasius_(Hannoversch_Münden)
Gerade noch nachgeschaut:
Es gab nie einen Stadtbrand
Übrigens, in der unteren Rathaushalle berichtet ein Wandbild von dem großen Brand 1509, der ein Drittel der Stadt zerstörte. Das ist alles Sage! Großbränden fielen laut Überlieferung im Zusammenhang maximal 10 Häuser auf einmal zum Opfer. Die Mündener Bürger haben ihre schönen Fachwerkhäuser schon im Mittelalter zu schützen gewußt. Später verdankten sie drei freiwilligen Wehren und einer Pflichtfeuerwehr und heute einer freiwilligen Feuerwehr, dass es in unserer Stadt nie zu einem großen Stadtbrand hat kommen können. Dank der Initiative ehrenamtlicher Bürger hat in Münden nie ein Stadtbrand gewütet wie in Dransfeld, das zweimal fast ganz abbrannte.
FeuerwehrHistorie der Feuerwehr
Der Vorgängerbau des heutigen Rathauses stammt von um 1200 (
https://de.wikipedia.org/wiki/Rathaus_Münden), die Stadtbefestigung auch aus der gleichen Zeit (
https://de.wikipedia.org/wiki/Stadtbefestigung_Münden). Dann ist zu vermuten, dass der heutige Stadtgrundriß auf eine Planstadt aus dieser Zeit zurückgeht.
Um auf Hannoversch Münden noch einmal zurück zu kommen: Die Altstadt sieht in Ihrer Struktur erheblich anders aus als Gründungen im 12. Jahrhundert vergleichbarer Städte. Dort hat man nicht so einen klaren unterteilten Aufbau durchgezogen. Und ich rede von der Struktur, nicht von den Fachwerkhäusern, da bin ich mir sicher, dass die nicht von Römern sind....:winke:
Wie sieht denn so der Stadtgrundriß der Planstadt im 12. bzw. 13. Jhdt. aus? Mir fallen spontan Zons ein (
https://de.wikipedia.org/wiki/Zons#Geschichte) aus dem späten 14. Jhdt. und Aigues Mortes in Südfrankreich (
https://de.wikipedia.org/wiki/Aigues-Mortes#Geschichte) aus dem 13. Jhdt. ein: beides Planstädte mit rechtwinkligen Grundriß an der Stelle vorheriger Siedlungen. Aber das führt uns zur Frage, ob und wie Städte/Siedlungen im 12. Jhdt. geplant worden sind: hat man direkt eine Art Bebauungsplan mit festgelegtem Stadtgrundriß gehabt, wo dann die Bürger ihre Häuser gebaut haben? Oder wurde eine Art Siedlungskern (Burg, Königshof, Kloster o. ä.) angelegt, um den sich herum mehr oder weniger chaotisch eine Siedlung bildete?
Gegen eine römische Siedlung in Hann. Münden, auf die der mittelalterliche Stadtplan zurückgeht, spricht m. E., dass man damit eine Siedlungskontinuität voraussetzt, die den Plan der römischen Siedlung (oder auch Militärlager) über die Antike und Frühmittelalter bis ins 12. Jahrhundert bewahrt hat. Das haben wir nicht einmal bei einer der römischen Siedlungen innerhalb des Römischen Reiches. Warum sollte das im Barbaricum der Fall sein?