Siedlungshistorie Hann. Münden

Augusto

Aktives Mitglied
Hallo ans Forum

Hier noch ein kleiner Einwurf zur ev. Weiternutzung von Bauten der Römer nach 17 n.Chr.

47 n. Chr. wurde Italicus Chef der Cherusker. Wo zog der wohl ein in Germania Magna. Aus dem Palazzo Prozzo in Rom oder Köln ins herrschaftliche Langhaus seines Großvaters im Niemandsland von Germanien zusammen mit seiner Sippe und ein paar Rindern im hinteren Hausteil. Steiler Aufstieg. Das er sich nicht durchsetzen konnte, lag wohl eher nicht an seiner Unterkunft. Oder residierte er vielleicht in der Villa Huxeri? Wäre vielleicht möglich und sogar standesgemäß.
Ich habe Verwandschaft im alten Glasmacherort Boffzen/ Weser, gegenüber von Höxter. Jedes Mal, wenn ich dort bin, wundere ich mich über die rechtwinklige Dorfanlage, und die 2-3-stöckigen, aus massivem Buntsandstein erbauten alten Gehöfte im Dorfkern (Obere Dorfstraße), die eher pfälzisch denn süd-niedersächsisch anmuten.
Das südlich anschliessende Fürstenberg schreit von der Lage her, auf einem Bergsporn oberhalb der Weser, geradezu "Keltisches Oppidum" - entsprechendes gesucht und gefunden hat man dort jedoch noch nicht.

Weseraufwärts folgen weitere Orte mit rechtwinkligem Straßennetz -Beverungen, Lauenförde, Bodenfelde, und natürlich Hann. Münden (s. Anlage) - allerdings weit mehr als Boffzen durch Fachwerk geprägt.
 

Anhänge

  • hann2-DW-Vermischtes-Hannoversch-Muenden.jpg
    hann2-DW-Vermischtes-Hannoversch-Muenden.jpg
    65,4 KB · Aufrufe: 634
Die Vorläufersiedlung der rechtwinkligen Anlage von Hann. Münden lag auf der anderen, gegenüberliegenden Weserseite (mit dem Reinhardswald "im Rücken"), statt der Insellage im Mittelalter offenbar leichter zugänglich:

Altmünden ? Wikipedia

Die Insellage der "Neustadt" im Zusammenfluss von Werra und Fulda ist einerseits hochwassergefährdet, andererseits besser zu befestigen.
 
Und die rechtwinklige Stadtanlage von Hannoversch (G)Münden ist darauf zurückzuführen, dass es sich um eine barocke Planstadt handelt. Es würde sich auch lohnen, tatsächliche Römerstädte mal anzuschauen: Die haben zwar meist die Hauptachsen einigermaßen erhalten, aber ansonsten hat das Mittelalter auch was die Straßenführung anbelangt, seine Spuren hinterlassen. Es wäre schon recht seltsam, wenn Hannoversch Münden davon die große Ausnahme wäre.
 
Und die rechtwinklige Stadtanlage von Hannoversch (G)Münden ist darauf zurückzuführen, dass es sich um eine barocke Planstadt handelt.
Bist Du Dir da sicher?
Hann. Münden ? Wikipedia
Die Blasiuskirche ist eine dreischiffige, gotische Hallenkirche im Zentrum der Altstadt. Der Baubeginn war Ende des 13. Jahrhunderts, errichtet wurde sie auf den Grundmauern einer Basilika im romanischen Baustil. (..)
Im Zentrum des Stadtkerns befindet sich das Rathaus, dessen Kern ein gotischer Saalbau aus dem 14. Jahrhundert bildet. (..)
Die Mauer entstand bereits bei der Stadtgründung im 12. Jahrhundert (..)
Die Steinbrücke über die Werra verbindet den Stadtkern mit der Vorstadt Blume. Sie wurde vor 1329 erbaut.(..)
Zu einem geplanten barocken (Wieder-)Aufbau steht hier nichts:
http://www.hann.muenden.de/media/custom/295_880_1.PDF?1058438204
Auch die archäologischen Befunde scheinen Deiner These zu wiedersprechen. Die Hauptachsen (übrigens nicht exakt, sondern nur annähernd rechtwinklig), d.h. die Lange Straße (N/S, von der Werrabrücke) und die Marktstr (O/W) gehen auf jeden Fall ins Mittelalter zurück:
Ausgrabungen in Hann. Münden: Gab es ein*Haus mit Arkadengang? | Hann. Münden
 
Zuletzt bearbeitet:
[mod]Ursprungsbeitrag kopiert und geteilt. Restbeitrag in http://www.geschichtsforum.de/f28/caput-iuliae-lupiae-fluminis-52152/[/mod]

Von daher kann ich mir nur einen Ort vorstellen, der den Leser oder Hörer anerkennend staunen lässt und gut verteidigt werden kann. Ziel: spätere Stadtgründung! Als jetzt Leicester in England Fußballmeister wurde, habe ich da ein wenig gelesen. Es ist auch eine römische Gründung. Fast alle römischen Gründungen in England waren an strategisch günstigen Stellen (viele an Flüssen), es war fast immer das Vorgehen: Zuerst Lager, später Siedlung. Es soll auch Gründungen geben, wo es kaum oder keine Funde aus römischer Zeit gibt, durch eine kontinuierliche oder fast kontinuierliche Siedlung ist manchmal nicht viel übrig geblieben und man kann halt schlecht unter den jetzigen Häusern graben.
Warum sollte die Provinzialisierung in der Magna Germania anders gewesen sein?
Um auf Hannoversch Münden noch einmal zurück zu kommen: Die Altstadt sieht in Ihrer Struktur erheblich anders aus als Gründungen im 12. Jahrhundert vergleichbarer Städte. Dort hat man nicht so einen klaren unterteilten Aufbau durchgezogen. Und ich rede von der Struktur, nicht von den Fachwerkhäusern, da bin ich mir sicher, dass die nicht von Römern sind....:winke:
Wenn man über die Stadtgründung liest, liest man schließlich auch, dass es eine Vorgängersiedlung genau auf der heutigen Altstadtinsel gab. Auch ohne, dass das da stehen würde, wäre ich mir dessen sicher, an so strategischem Orte vergangener Zeiten.
Wer mal auf dem Berg des Lagers Hedemünden war, weiß, dass man von dort enorme Weitsicht auf die ganze Umgebung hat. Vielleicht war das ja ein vorgelagerter Verteidigungsposten? Gab es sowas vielleicht auch an den anderen Zu- bzw.Abflüssen? So Berge über Flussbiegungen böten sich ja an, das gesamte Umfeld zu kontrollieren?:grübel:
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Von daher kann ich mir nur einen Ort vorstellen, der den Leser oder Hörer anerkennend staunen lässt und gut verteidigt werden kann. Ziel: spätere Stadtgründung! Als jetzt Leicester in England Fußballmeister wurde, habe ich da ein wenig gelesen. Es ist auch eine römische Gründung.
[...]
Um auf Hannoversch Münden noch einmal zurück zu kommen: Die Altstadt sieht in Ihrer Struktur erheblich anders aus als Gründungen im 12. Jahrhundert vergleichbarer Städte. Dort hat man nicht so einen klaren unterteilten Aufbau durchgezogen. Und ich rede von der Struktur, nicht von den Fachwerkhäusern, da bin ich mir sicher, dass die nicht von Römern sind....:winke:
Wenn man über die Stadtgründung liest, liest man schließlich auch, dass es eine Vorgängersiedlung genau auf der heutigen Altstadtinsel gab. Auch ohne, dass das da stehen würde, wäre ich mir dessen sicher, an so strategischem Orte vergangener Zeiten.
Wenn du die tatsächliche römische Gründungen anschaust, wirst du sehen, dass diese Städte, sofern sie denn nicht aufgegeben wurden und bis ins späte Mittelalter fortexistierten eben keine römische Stadtstruktur mehr aufweisen, meistens lassen sich noch der alte Cardo und Dekumanus im Stadtbild erkennen, der Rest ist ein Durcheinander. Spätmittelalterliche Planstädte dagegen haben regelmäßig annähernd parallele Straßen. Du hättest dir ja mal den Plan von Leicester ansehen können, da wäre dir aufgefallen, dass diese Stadt eben keine planstädtische Bebauung mehr aufweist. Schau dir auch andere nachweisliche römische Städte an: Ladenburg, Köln, Bonn, Augsburg, Regensburg, Koblenz, Trier... Du wirst Mühe haben, eine römische Stadtstruktur wiederzuerkennen. Die Städte mit regelmäßigem Stadtplan sind i.d.R. verhältnismäßig jung. Spätmittelalter (Danzig, Freiberg, Görlitz), Renaissance, Barock (Mannheim, Karsruhe).
Und bei Hann. Münden ist die Altstadt tatsächlich nicht einmal deckungsgleich mit ihrer Vorgängersiedlung Altmünden, das hast du nämlich auch übersehen.
 
Ausnahmen bestätigen die Regel, schau dir Aosta an:

https://www.google.de/maps/@45.7372201,7.3169507,1464m/data=!3m1!1e3

"Die Stadt wurde durch Augustus unter dem Namen Augusta Praetoria aus einem bestehenden Legionslager heraus, dessen Grundriss für die zivile Stadt übernommen wurde, durch Veteranen der kaiserlichen Leibwache, der Prätorianer, gegründet.

Die Stadt wurde schachbrettartig angelegt. Sie bestand aus 64 Insulae (Stadtteile) und hatte die Form eines Quadrates. Diese römische Struktur ist noch heute im Stadtbild der Altstadt zu erkennen."

https://de.wikipedia.org/wiki/Aosta

Bei kontinuierlicher Besiedlung und ohne Erdbeben/Brandkatastrophen und ohne planmäßigen Umbau wäre sowas auch nördlich der Alpen denkbar, auch dort wurden neue Häuser nicht mitten auf der Straße gebaut. Es hängt vom Zufall ab ob sich die römische Struktur erhielt oder nicht.
 
Nein das Aosta im Aostatal in Italien.

Wenn Regensburg nicht ein paar mal in Brand gesteckt worden wäre (ich meine sogar von den eigenen Bewohnern nach dem Abzug der letzten römischen Soldaten, kriege es aber nicht mehr zusammen) könnte es heute noch ähnlich wie Aosta aussehen.
 
Bei Siedlungskontinuität römischer Städte sollte man zum einen die durch die Stadtmauer gebildete Stadtgrenze und zum anderen innerhalb dieser Stadtmauer Infrastruktur wie innerstädtische Verkehrswege, öffentliche Plätze, Großbauten unterscheiden. Bei vielen Städten aus der Römerzeit läßt sich noch in der heutigen Topographie der Umfang der Stadt in der Antike nachvollziehen, weil in späteren Jahrhunderten die römischen Stadtmauern weiter benutzt und instand gehalten worden sind. Innerhalb dieser Städte lebt teilweise die alte römische Straßenführung weiter fort, weil wichtige Straßen weiterhin benutzt worden sind. Die "Hohe Straße" in Köln verläuft noch heute auf der Trasse des römischen Cardo Maximus (s. zu den Römerstraßen in Köln: http://www.museenkoeln.de/downloads/home/via.pdf). Ob und wieweit innerstädtische Straßen noch weiterhin sichtbar im Stadtbild blieben, hängt davon ab, wie die Straßen und die anliegenden Grundstücke benutzt worden sind.

Da es in der Spätantike und im FrühMA einen Bevölkerungsrückgang gegeben hat, dürften weite Teile der Stadt zu Brachland geworden sein. Die Grundstücksgrenzen und Straßen verschwanden und wurden schließlich vergessen. Gleichzeitig entstanden neue Wege wohl aus Trampelpfaden und wurden dann später zu den typisch mittelalterlichen Gäßchen. Vorgenanntes habe ich schon in vielen Städten aus der Römerzeit gesehen, aber mir fällt kein einziges Beispiel ein, wo sich der römerzeitliche Stadtgrundriß (Hippodamisches Schema) sich bis heute weitestgehend erhalten hat. Lediglich bei aufgegebenen Städten (Pompeii, Colonia Ulpia Traiana, Leptis Magna etc.) blieb dieses Raster unter- und/oder oberirdisch erhalten.


Was Hann. Münden angeht, so zeigt der Stadtplan der Innenstadt einen Stadtgrundriß mit annähernd rechtwinklingen Straßen. Das ist ein Kennzeichen einer geplanten Ansiedlung. Ich konnte auf die Schnelle nicht herausfinden, wann dieser Stadtgrundriß entstanden ist. Denkbar wäre die Anlage dieser Innenstadt als Neubebauung nach einer weitestgehenden Zerstörung (z. B. nach einem Stadtbrand). Die im Zentrum sich befindliche St. Blasius-Kirche stammt aus dem 13. Jhdt., ist aber bereits der dritte Kirchenbau an dieser Stelle. Die erste Kapelle entstand laut Wiki um das Jahr 1000:

Grabungen in den Jahren 1972 bis 1973 belegen drei Vorgängerkirchen. Um 1000 stand hier eine Kapelle auf einem fast quadratischen Grundriss, sie wurde um 1150 mit einem romanischen Bau nach Westen erweitert. Von 1180 bis 1190 wurde eine Erweiterung zur romanischen Basilika vorgenommen, diese brannte später ab.


https://de.wikipedia.org/wiki/St._Blasius_(Hannoversch_Münden)


Gerade noch nachgeschaut:

Es gab nie einen Stadtbrand

Übrigens, in der unteren Rathaushalle berichtet ein Wandbild von dem großen Brand 1509, der ein Drittel der Stadt zerstörte. Das ist alles Sage! Großbränden fielen laut Überlieferung im Zusammenhang maximal 10 Häuser auf einmal zum Opfer. Die Mündener Bürger haben ihre schönen Fachwerkhäuser schon im Mittelalter zu schützen gewußt. Später verdankten sie drei freiwilligen Wehren und einer Pflichtfeuerwehr und heute einer freiwilligen Feuerwehr, dass es in unserer Stadt nie zu einem großen Stadtbrand hat kommen können. Dank der Initiative ehrenamtlicher Bürger hat in Münden nie ein Stadtbrand gewütet wie in Dransfeld, das zweimal fast ganz abbrannte.

FeuerwehrHistorie der Feuerwehr

Der Vorgängerbau des heutigen Rathauses stammt von um 1200 (https://de.wikipedia.org/wiki/Rathaus_Münden), die Stadtbefestigung auch aus der gleichen Zeit (https://de.wikipedia.org/wiki/Stadtbefestigung_Münden). Dann ist zu vermuten, dass der heutige Stadtgrundriß auf eine Planstadt aus dieser Zeit zurückgeht.

Um auf Hannoversch Münden noch einmal zurück zu kommen: Die Altstadt sieht in Ihrer Struktur erheblich anders aus als Gründungen im 12. Jahrhundert vergleichbarer Städte. Dort hat man nicht so einen klaren unterteilten Aufbau durchgezogen. Und ich rede von der Struktur, nicht von den Fachwerkhäusern, da bin ich mir sicher, dass die nicht von Römern sind....:winke:

Wie sieht denn so der Stadtgrundriß der Planstadt im 12. bzw. 13. Jhdt. aus? Mir fallen spontan Zons ein (https://de.wikipedia.org/wiki/Zons#Geschichte) aus dem späten 14. Jhdt. und Aigues Mortes in Südfrankreich (https://de.wikipedia.org/wiki/Aigues-Mortes#Geschichte) aus dem 13. Jhdt. ein: beides Planstädte mit rechtwinkligen Grundriß an der Stelle vorheriger Siedlungen. Aber das führt uns zur Frage, ob und wie Städte/Siedlungen im 12. Jhdt. geplant worden sind: hat man direkt eine Art Bebauungsplan mit festgelegtem Stadtgrundriß gehabt, wo dann die Bürger ihre Häuser gebaut haben? Oder wurde eine Art Siedlungskern (Burg, Königshof, Kloster o. ä.) angelegt, um den sich herum mehr oder weniger chaotisch eine Siedlung bildete?

Gegen eine römische Siedlung in Hann. Münden, auf die der mittelalterliche Stadtplan zurückgeht, spricht m. E., dass man damit eine Siedlungskontinuität voraussetzt, die den Plan der römischen Siedlung (oder auch Militärlager) über die Antike und Frühmittelalter bis ins 12. Jahrhundert bewahrt hat. Das haben wir nicht einmal bei einer der römischen Siedlungen innerhalb des Römischen Reiches. Warum sollte das im Barbaricum der Fall sein?
 
Mittelalterliche Gründungen mit orthogonalen Grundriss:

https://de.wikipedia.org/wiki/Bastide

@Bdaian: danke für die Info.

In der Liste der Bastiden taucht auch das von mir oben erwähnte Aigues Mortes im Languedoc auf. Allerdings ist der Süden Frankreichs doch ein wenig von Hann. Münden entfernt. Fraglich ist, ob solche Beispiele auch für Deutschland relevant sind.

Mir ist doch zumindest noch ein Beispiel für eine Stadtgründung in Deutschland aus dem 13. Jhdt. mit orthogonalem Grundriß eingefallen: Kalkar am Niederrhein

Kalkar wurde von Graf Dietrich VI. von Kleve am 20. Oktober 1230 auf einer Ward, einer am nördlichen Fuß des Monreberges vom Rhein angeschwemmten Sandbank, gegründet. Es ist keine in vielen Jahrhunderten gewachsene Siedlung, sondern eine von Anfang an planmäßig angelegte Stadt.

Die von sumpfigem Gelände umgebene ovale Sandbank – rund 1 Kilometer lang und in der Mitte rund 400 Meter breit - ließ sich leicht mit Wassergräben umziehen und so gut verteidigen. Das war wohl ausschlaggebend, an dieser Stelle eine neue Stadt zu gründen. Die bereits vorhandene Siedlung im nur wenige hundert Meter westlich liegenden heutigen Altkalkar bot nicht so günstige Verteidigungsmöglichkeiten.

Der Vogelschauplan aus Braun und Hogenbergs Städtebuch[4] von 1575 zeigt, wie die Sandbank Kalkarward im Mittelalter mit einem Gitter sich fast rechtwinklig kreuzender Straßen erschlossen wurde. Seither hatte sich die Einwohnerzahl von rund 5000 auf gut 2000 verringert. Die Straßenführung veränderte sich bis heute aber kaum.

aus: https://de.wikipedia.org/wiki/Kalkar#Gr.C3.BCndung_Kalkars_1230

Der oben erwähnte Vogelschauplan von 1575 ist hier zu sehen: Ältere Pläne - Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte
 
Zurück
Oben