Befestigung griechischer Koloniegründungen

N

Naravas

Gast
Guten Tag wertes Forenvolk,
ich hatte vor einiger Zeit mit einem verwandten einen Disput über griechische Koloniegründungen,insbesondere an der Ostküste Iberiens, bei welchem wir uns nach einer Weile auf eine Frage verbissen:
Wurden Neugründungen sobald Geld und Humankapital es zuließen so gut wie möglich gegen die Einheimischen Stämme befestigt,welche vermutlich nicht tatenlos dabei zusahen wie die Kolonie wuchs und große Teile des Handels an sich zog und außerdem ihr Hinterland erweiterte, oder wurde auf “Eintracht“ mit den dortigen Ureinwohnern gesetzt, mit welchen dann Idealerweise Bündnisse geschlossen werden?

Ich persönlich halte die Möglichkeit 1 für wahrscheinlicher, da bei kontinuierlichem Wachstum natürlich auch die Reibungspunkte mehr wurden, ich bin mir allerdings nicht allzu sicher.

Mfg Naravas

PS:Dieser Text ist auf meinem Handy verfasst und solche kleinen tasten bekommen meinen wurstfingern nicht, weshalb ich keine Gewähr für Rechtschreibung übernehme...
 
Eines vorweg:
Die Gründung der meisten griechischen Kolonien und die Geschichte ihrer frühen Jahre sind in den meisten Fällen recht mythenumwoben. Historisch zuverlässige Aussagen lassen sich kaum treffen. Inwieweit archäologische Funde zur Beantwortung Deiner Frage beitragen können, weiß ich nicht, bin aber eher skeptisch, da die meisten griechischen Kolonien unter heutigen Städten liegen, also nicht planmäßig ausgegraben werden können.

Ganz allgemein gesprochen waren die Beziehungen zwischen Einheimischen und Kolonisten nicht unbedingt schlecht, zumindest anfangs nicht. Sofern die Einheimischen nicht selbst Seefahrt oder zumindest Küstenfischerei betrieben, war die Küste für sie eher uninteressant. Eine griechische Kolonie gab aber einen interessanten Handelspartner ab (auch in Iberien): Man konnte an die neue Kolonie insbesondere Rohstoffe verkaufen, die davor kaum handelbar waren, wenn man nicht selbst Überseeschifffahrt betrieb.
Später verschlechterten sich die Beziehungen aber vielfach.

Ansonsten gab es weder die Einheitskolonie noch die Einheitsumgebung. Außerdem hatten Kolonien oft nicht nur mit den Einheimischen Probleme, sondern auch oder sogar primär mit anderen Kolonien, z. B. in Sizilien und Unteritalien, man denke nur an den Konflikt zwischen Sybaris und Kroton, der mit der völligen und endgültigen Zerstörung von Sybaris endete. Auf Sizlien kamen noch die Probleme der griechischen Kolonien mit Karthago dazu. Verglichen mit den Konflikten untereinander und mit Karthago spielten in Sizilien Konflikte mit den Einheimischen die meiste Zeit nur eine untergeordnete Rolle. Syrakus z. B. war stark befestigt, aber kaum wegen der Einheimischen. (Seine massiven Befestigungen erhielt es erst unter dem Tyrannen Dionysios I., als es bereits über 300 Jahre existierte.)

Speziell bei Iberien kommt noch hinzu, dass im Süden zur Zeit der ersten Koloniegründungen das Reich Tartessos bestand, das vor allem mit den Phöniziern Probleme hatte. Die Beziehungen zwischen Tartessos und den ersten griechischen Kolonisten, vor allem Phokaiern, sollen hingegen bestens gewesen sein, wobei auch hier allerdings in der Überlieferung vieles sagenumwoben ist. König Arganthonios von Tartessos soll den Phokaiern sogar ihre Mauer - allerdings in ihrer Heimat - gestiftet haben. Anscheinend profitierten beide Seiten vom Handel, und den Tartessiern könnten die griechischen Seefahrer auch als Gegengewicht zu den phönizischen Seefahrern willkommen gewesen sein.

Zu den in Hinblick auf Deine Fragestellung interessantesten griechischen Kolonien in Iberien gehörte Emporion, das von Phokaiern aus Massalia gegründet wurde. Zunächst entstand die Stadt auf einer kleinen Insel vor der Küste, dann erst auf dem Festland. Mit dem einheimischen Stamm der Indiketaner waren die Beziehungen offenbar gut, jedenfalls wurde Emporion zu einer Doppelstadt erweitert: Ein griechisches und ein indiketanisches Stadtviertel waren von einer gemeinsamen Mauer umschlossen, aber auch durch eine innerstädtische Mauer voneinander getrennt. Gegen das Landesinnere hin war der griechische Stadtteil stark befestigt, gegenüber dem Meer hingegen praktisch offen. So richtig getraut dürften die Griechen ihren heimischen Nachbarn in der Doppelstadt aber nicht haben, jedenfalls soll es recht rigide Sicherheitsvorkehrungen gegeben haben. Später verschmolzen sie aber doch unter gemeinsamen Gesetzen.
 
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Wurden Neugründungen sobald Geld und Humankapital es zuließen so gut wie möglich gegen die Einheimischen Stämme befestigt,welche vermutlich nicht tatenlos dabei zusahen wie die Kolonie wuchs und große Teile des Handels an sich zog und außerdem ihr Hinterland erweiterte, oder wurde auf “Eintracht“ mit den dortigen Ureinwohnern gesetzt, mit welchen dann Idealerweise Bündnisse geschlossen werden?

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Ich denke hier muss man etwas differenzieren. Die griechischen Stützpunkte in Spanien waren m.W. eher Handelsniederlassungen als Kolonien in einem moderneren Sinne. Eine "Erweiterung ins Hinterland" fand da üblicherweise nicht statt. Wie Ravenik schon schrieb, war z.B. Emporion (Ampurias) befestigt, aber vermutlich wohl mehr gegen die Karthager oder gegen räuberische Banden als gegen die sesshaften Einheimischen die vom Handel profitierten.

Neben der Griechischen Stadt befand sich laut Strabo und Titus Livius eine iberische Siedlung. Laut letzterem war die Mauer der griechischen Siedlung 400 Schritt lang, die etwas weiter von der Küste entfernte Iberische Siedlung dagegen 3.000 Schritt lang. Auch wenn die griechische eventuell nur die Landseite beschützte und deshalb kürzer sein konnte, deutet die Länge der Mauer der iberischen Stadt auf eine zumindest ähnlich große oder vermutlich größere Siedlung hin.

Über Hemeroskopion, dass vermutlich bei dem heutigen Denia lag, weiss man relativ wenig. Strabo schreibt dass sich dort ein Heiligtum der Artemis befand und der Ort stark befestigt war. Seine Beschreibung einer Anhöhe neben einer salzigen Lagune (heute verlandet) treffen auch auf Denia zu, aber es gibt dort m.W. keine eindeutigen archäologischen Hinweise auf eine griechische Besiedlung.

Von Rodes kennt man die Lage es gibt jedoch kaum archäologische Reste. Von Mainake , Alonis und Akra-Leuke nicht einmal das, sondern nur Spekulationen über ihre vermutliche Verortung.

An derganzen spanischen Mittelmeerküste findet man jedoch zahlreiche Griechische Artefakte (hauptsächlich Keramik) in iberischen Siedlungen. Es fand also nachweislich ein starker Handel statt.
 
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