Holzschnitt nicht eindeutig

Das "Paddel" ist doch noch ganz.
Was abgebrochen ist, ist ein Teil der Schiffswand.
Genau, beim Holzstich im Buch ist die Bootswand mit dem Bootspaddel eindeutig als gerade herausgebrochen zu erkennen. D.h. also, dass ein Bootspaddel bei einem von Dir angenommenen zusammenhängenden Segelschiff weit vorne hätte montiert sein sollen. Wofür? Unterstellst Du etwa von Kulmbach, dass er keine Ahnung von Segelschiffen hatte?

Was dann Grünpeck so alles zum Propagandabild schreibt, halte ich nicht für einen stichfesten Beweis für von Kulmbachs Unvermögen, ein Segelschiff hinzukriegen.

(wie dem kleinen Rätsel auch sei, ich wünsche Dir gute Nacht!)
 
Genau, beim Holzstich im Buch ist die Bootswand mit dem Bootspaddel eindeutig als gerade herausgebrochen zu erkennen.

Und eindeutig ist auch, dass die Wand am vordersten Teil des Schiffs splittert, an der Seite, die zum Felsen zeigt.

Wenn das Boot von hinten gerammt wird, sollte es eigentlich hinten splittern.



D.h. also, dass ein Bootspaddel bei einem von Dir angenommenen zusammenhängenden Segelschiff weit vorne hätte montiert sein sollen.
So wie es auch bei Hans Weigels "christlichem Schiff" zu sehen ist:

British Museum - Image gallery: Das Christliche Schiff, mit seinen mancherley anstössen

Das wird zwar von Ruderern angetrieben, doch sowohl auf dem Bug wie auch im Heckaufbau sind Leute mit extra langen Rudern zu sehen. Ich meine, das sind (im Gegensatz zu den Riemen im Mittelteil) Steuerruder, keine Bootspaddel. Da sollen sich aber mal die Forenmitglieder äußern, die Ahnung von historischen Schiffen haben.

Zum Paddeln scheint das Ding, so wie es montiert ist, jedenfalls nicht direkt geeignet zu sein.
 

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Ich hätte den Holzschnitt ohne beigefügten Text und Kenntnis seiner Erstveröffentlichung auch als reformatorisches Propagandablatt gegen die katholische Kirche interpretiert. Und wenn auch Kritik an Kirche und Klerus, insbesondere an Rom und den Orden bereits in den Jahren und Jahrzehnten vor der Revolution virulent war: Text und ein genauerer Blick auf das Bild zeigen, dass das die falsche Interpretation des Schnitts ist.

Es handelt sich um ein und dasselbe Schiff, auf dem Geistlichkeit und Weltlichkeit stehen. Es ist eine Metapher für die Christenheit im Gesamten. Obwohl es zunächst so aussieht, als handele es sich um zwei Schiffe, weil der vordere Teil geneigt ins Wasser sinkt, wohingegen das Heckkastell sich noch in der Waagerechten befindet, handelt es sich bei näherer Betrachtung doch nur um ein Schiff: Die Enden der Segel sind am Heckkastell angebracht, wohingegen der Mast eindeutig auf dem bereits sinkenden Teil des Schiffes sich befindet.
Diese Darstellung des Segels zeigt uns aber auch, dass der Künstler ganz offenbar wenig Wert auf die schiffsanatomische Korrektheit seiner Darstellung gelegt hat (oder vielleicht davon auch wenig bis keine Ahnung hatte), weswegen wohl auch weitere Überlegungen zum Ruder und seiner Funktionsweise obsolet sind. Die wiederum metaphorische Bedeutung des Ruders dürfte die sein, dass die Christenheit mit Verlust der Kirchenführer durch die persecutio cleri führungslos werde. Es würde sich damit also ganz im Gegenteil nicht um Kritik an der Kirche und ihrem Personal handeln.
 
Die Enden der Segel sind am Heckkastell angebracht, wohingegen der Mast eindeutig auf dem bereits sinkenden Teil des Schiffes sich befindet.
Eben, das war die eine Frage! Wie kann der Mast gerade da stehen, wenn der Teil darunter schräg dargestellt ist. Auch deshalb meine Annahme, dass der Mast zum Schiff dahinter gehört, während es sich vorne um ein Ruderboot handelt.

Aber ok, ich hatte nie viel für Karikaturen übrig und Landratte Hans Süss von Kulmbach muss von mir aus auch kein Ass in der Darstellung von Schiffen gewesen sein. Das Kirchenschiff mit dem Kruzifix auf dem Segel ist immerhin ein Argument dafür, dass es sich um ein einziges Schiff handeln könnte. Wirklich überzeugen tut aber der Umstand, dass die Weltlichen die Zipfel des Segels halten, d.h. das Schiff in den Felsen steuern. Zu dieser Bildaussage passt auch die von Dir angenommene Metaphorik vom Paddel, bzw. halt eben Ruder hervorragend.

Falls also von Kulmbach lediglich die Zustände darstellen wollte, hat Joseph Grünpeck das Bild gründlich missbraucht, indem er es als Illustration für sein Geschimpfe nutzte. Ein weiterer Hinweis darauf, dass Grünpeck das Bild missdeutete, in diesem Fall vielleicht sogar absichtlich?
 
...Wenn der Künstler ein "Rammen" hätte darstellen wollen, hätte er sich aber nicht nur in den Details etwas ungeschickt angestellt, sondern das Wesentliche darzustellen schlicht "vergessen"...

Sind eigentlich weitere Arbeiten von diesem Künstler überliefert, aus denen sich Schlüsse ziehen lassen, wie gut er sein Handwerk verstanden hat?

Ist das Original von diesem Bild auch erhalten oder nur der Abdruck bei Grünpeck?
 
Wirklich überzeugen tut aber der Umstand, dass die Weltlichen die Zipfel des Segels halten, d.h. das Schiff in den Felsen steuern.
Meinst Du das wirklich so, wie das formuliert ist?

Steuern tun die, die vorn am Steuerruder sitzen. Also die Geistlichkeit.

Die Weltlichkeit steht dahinter und sorgt allenfalls für die Power, damit das Schiff überhaupt fährt.

Falls also von Kulmbach lediglich die Zustände darstellen wollte
Welche Zustände wollte Kulmbach (oder wer immer sonst das Bild im Auftrag des Buchautors oder Verlegers geliefert hat) denn darstellen?

Wir sehen ein Schiff, das von Geistlichkeit und Weltlichkeit auf den Felsen gefahren wird, wobei die Geistlichkeit fürs Steuern zuständig ist und als erste die Konsequenzen zu spüren bekommt.

Ein weiterer Hinweis darauf, dass Grünpeck das Bild missdeutete, in diesem Fall vielleicht sogar absichtlich?

Inwiefern hat Grünpeck das Bild "missdeutet"?
Wo sagt er etwas, was dem Bild widerspricht?
 
wenn man die Personen anschaut sind die vorderen sichtlich verzweifelt und die hinteren gelassen bis zufrieden

Na ja, von den hinteren schaut einer auch recht verbiestert, während der Papst im vorderen Teil anscheind ganz happy winkt.

So ganz ausgefeilt sind die Gesichtszüge ja nicht gerade gestaltet. Man muss sich nur mal die Augen und Nasen anschauen.
 

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Meinst Du das wirklich so, wie das formuliert ist?
Gleich nach dem Posting wollte ich es in »treiben lassen« ändern, um Redundanzen mit dem ›Steuerpaddel‹ aus dem Weg zu gehen, dachte aber, das dies bei einer ungenauen Karikatur kleinlich sei. Warum genau sollten die Weltlichen denn sonst das Segel halten?


Inwiefern hat Grünpeck das Bild "missdeutet"?
Eben, insofern. Ich konnte in Grünpecks Text zur Abbildung keine Schuldzuweisung an die Weltlichen ausmachen. Hab ich’s übersehen?


Sind eigentlich weitere Arbeiten von diesem Künstler überliefert, aus denen sich Schlüsse ziehen lassen, wie gut er sein Handwerk verstanden hat?

Ist das Original von diesem Bild auch erhalten oder nur der Abdruck bei Grünpeck?
Es ist selten, dass die Originalzeichnung erhalten ist.

Hans Süss von Kulmbach (1480–1522) gehört zu den Malern der Nordischen Renaissance. Die Motive für Holzstiche wurden gerne von anderen Künstlern kopiert, insbesondere Dürers Werke, weshalb es immer sinnvol ist, auch bei ihm, bei Cranach und bei anderen nachzuschauen.

Von Kulmbachs Kunst folgt typischerweise dem recht derben nordischen Stil der Ära; er geht aber, wie seine Kollegen, oft ins Detail. Das Streben nach räumlicher Trennung in seinen Bildern ist klar erkennbar, die Mittel sind aber noch bescheiden; es handelt sich meist um Einpunktperspektiven, insbesondere bei Darstellungen mit Architektur, während in Landschaften meist keine klar definierten Fluchtpunkte vorhanden sind.

Bemerkenswert in Zusammenhang mit dem hier diskutierten Bild ist von Kulmbachs Marter der hl. Ursula, wo er einen Holk mit großer Detailliebe darstellt, was die angebl. Unzulänglichkeiten in unserem Bild eigentlich in Frage stellt.

Fairerweise muss aber hinzugefügt werden, dass die Stiche in Grünpecks Buch nicht eindeutig von Kulmbach zugewiesen sind. Während die NDB den Autor der Stiche klar mit Hans von Kulmbach benennt, schreibt Christie’s z.B. von einer Zuweisung an den ebenfalls Nürnberger der selben Ära, Wolf Traut. Ändert aber nichts am Stil; Traut malte genauso detailliert, wie von Kulmbach.
 
Zuletzt bearbeitet:
Warum genau sollten die Weltlichen denn sonst das Segel halten?
Damit der Wind reinblasen kann und das Schiff fahren kann.

Eben, insofern. Ich konnte in Grünpecks Text zur Abbildung keine Schuldzuweisung an die Weltlichen ausmachen.
Und ich im Bild nicht.
Den Kurs bestimmen ja die Geistlichen.
Die haben das Steuerruder.

wo er einen Holk mit großer Detailliebe darstellt, was die angebl. Unzulänglichkeiten in unserem Bild eigentlich in Frage stellt.
Die Unzulänglichkeiten sind ja nicht nur "angeblich" vorhanden, sondern evident. Vergleich mal die naiven Segelzipfel, von denen eins mit der Hand festgehalten werden muss, mit der Takelage auf der Zeichnung.

Natürlich lässt sich im Holzschnittverfahren nicht so detailliert arbeiten wie mit der Feder. Aber hier beginnen die schiffahrtstechnischen Unzulänglichkeiten nicht erst im Detail.
 
Na ja, von den hinteren schaut einer auch recht verbiestert, während der Papst im vorderen Teil anscheind ganz happy winkt.

So ganz ausgefeilt sind die Gesichtszüge ja nicht gerade gestaltet. Man muss sich nur mal die Augen und Nasen anschauen.

Also, dass der Papst ganz happy wirkt - so kommt er mir aber nicht vor. Auf mich wirkt er sichtlich verzweifelt, panisch.
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Ist etwas über das politische Umfeld von Hans Süss von Kulmbach (1480–1522) bekannt?

Was Joseph Grünpeck betrifft, denn der Holzschnitt ist offensichtlich dank seinem Werk überliefert, habe ich jetzt einmal den Artikel in der DBE zu ihm angesehen, der auch online zugänglich ist (Quelle: Wuttke, Dieter, "Grünpeck, Josef" in: Neue Deutsche Biographie 7 (1966), S. 202 f.):

Hier findet sich folgende Information:
Von den 5 lateinischen Drucken gingen drei auch in deutscher Übersetzung aus. 3 lateinische Drucke und 2 Übersetzungen wurden mehrmals aufgelegt. G.s astrologisches von Hans von Kulmbach illustriertes Hauptwerk „Speculum naturalis, coelestis et propheticae visionis… “ (Nürnberg 1508, auch deutsch, deutsche Nachdrucke 1522), bei dessen Abfassung er sich an Johannes Lichtenbergers „Pronosticatio“ (1488) anlehnt, wurde wegen der darin enthaltenen düsteren Prophezeiungen vom Trienter Konzil auf den Index gesetzt.
Wenn Grünpecks "Speculum naturalis ..." als Erstdruck 1508 entstand, ergibt sich daraus, dass der Holzschnitt vor / um 1508 entstanden sein muss.

Das wäre vielleicht bei einer Deutung auch zu berücksichtigen. Zu diesem Zeitpunkt hatte Luther zum Beispiel seine Thesen noch gar nicht veröffentlicht.

Die Päpste zum Zeitpunkt der Entstehung dieses Holzschnittes waren somit Alexander VI. und Julius II. (Der Papst zwischen den beiden war nur wenige Monate im Amt und wird wohl den Zeitgenossen im HRR nicht wirklich aufgefallen sein.) Ist bekannt, wie die beiden Päpste im HRR wahrgenommen wurden, z. B. im Umfeld von Kulmbach? Auch das könnte vielleicht bei der Auslegung eine Rolle spielen
 
Zuletzt bearbeitet:
Damit der Wind reinblasen kann und das Schiff fahren kann.
Ah, wird das jetzt hier zur Märchenstunde? :nikolaus: Die Weltlichen halten die Segelzipfel, da sie einfach nur fahren wollen, die Guten. Auch wenn vor ihrer Nase Felsen auftauchen? Siehst Du irgendwo Tomaten vor ihren Augen abgebildet?
 
Also, dass der Papst ganz happy wirkt

... happy winkt! :winke:


Wenn Grünpecks "Speculum naturalis ..." als Erstdruck 1508 entstand, ergibt sich daraus, dass der Holzschnitt vor / um 1508 entstanden sein muss.

Das wäre vielleicht bei einer Deutung auch zu berücksichtigen.
Bei der Deutung würde ich vorrangig berücksichtigen, welche Ideen und Gedanken Grünspeck umtrieben, was Grünpeck mit seiner Schrift beabsichtigt, und welche Leser er erreichen wollte.

Heike Talkenberger weist nach, dass Grünperger von Johannes Lichtenberg beeinflusst wurde*, sie beschäftigt sich mit Grünpecks Schriften "Neue Auslegung der seltsamen Wunderzeichen" (1507, anlässlich des Konstanzer Reichstags) und anderen Schriften...




* Die Metapher vom Sankt-Peters-Schifflein verwendet auch Lichtenberger schon: "... der helgen kirchen vnd dem schifflyn sant Peters etliche verlichkeit villicht zü kommen. Es wirt leyder das ytzt gnant schifflyn geiaget widder vnd fure mit mancherlay betruebüng verfolgung vnd reytzung..."
Andererseits streicht Talkenberger auch die Unterschiede zwischen Lichtenberger und Grünpeck heraus.
 
Wenn Grünpecks "Speculum naturalis ..." als Erstdruck 1508 entstand, ergibt sich daraus, dass der Holzschnitt vor / um 1508 entstanden sein muss.

Das wäre vielleicht bei einer Deutung auch zu berücksichtigen. Zu diesem Zeitpunkt hatte Luther zum Beispiel seine Thesen noch gar nicht veröffentlicht.

Die Päpste zum Zeitpunkt der Entstehung dieses Holzschnittes waren somit Alexander VI. und Julius II. (Der Papst zwischen den beiden war nur wenige Monate im Amt und wird wohl den Zeitgenossen im HRR nicht wirklich aufgefallen sein.) Ist bekannt, wie die beiden Päpste im HRR wahrgenommen wurden, z. B. im Umfeld von Kulmbach? Auch das könnte vielleicht bei der Auslegung eine Rolle spielen
Wer ist dann die Person neben dem Kaiser auf der anderen Version des Holzstichs (also nicht der im Buch), wo der Mann plötzlich einem Reformator gleicht. Müsste also eher Johann Hus sein.(?)
 
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... happy winkt! :winke:


Bei der Deutung würde ich vorrangig berücksichtigen, welche Ideen und Gedanken Grünspeck umtrieben, was Grünpeck mit seiner Schrift beabsichtigt, und welche Leser er erreichen wollte.

Heike Talkenberger weist nach, dass Grünperger von Johannes Lichtenberg beeinflusst wurde*, sie beschäftigt sich mit Grünpecks Schriften "Neue Auslegung der seltsamen Wunderzeichen" (1507, anlässlich des Konstanzer Reichstags) und anderen Schriften...


* Die Metapher vom Sankt-Peters-Schifflein verwendet auch Lichtenberger schon: "... der helgen kirchen vnd dem schifflyn sant Peters etliche verlichkeit villicht zü kommen. Es wirt leyder das ytzt gnant schifflyn geiaget widder vnd fure mit mancherlay betruebüng verfolgung vnd reytzung..."
Andererseits streicht Talkenberger auch die Unterschiede zwischen Lichtenberger und Grünpeck heraus.

Ob der Papst happy winkt oder happy wirkt - ich sehe da keinen richtigen Unterschied. Auf mich wirkt der Papst jedenfalls alles andere als "happy". Der Mann wirkt auf mich aufgelöst und ist offensichtlich am Durchdrehen, was eigentlich für den "Stellvertreter Gottes auf Erden" ein absolut unangemessenes Verhalten ist. Sollte er nicht wenigstens in der Not ein gutes Vorbild geben? Wäre es nicht eigentlich an ihm, im Gebet zu verharren, während er untergeht?

Ich könnte mir vorstellen, dass der Schlüssel zur Deutung sich daraus ergibt, wer der Mann neben dem Kaiser ist bzw. für wen er steht? Denn er ist es (mein Eindruck), der bisher das Segel festhält und so die Lage noch halbwegs unter Kontrolle hat.

Wobei sich natürlich auch die Frage stellt, ob Hans Süss von Kulmbach (vorausgesetzt der Holzschnitt ist tatsächlich von ihm und er wurde in dem Werk von Grünpeck auch nicht verändert wiedergegeben) mit den Figuren Typen (der Papst, der Kaiser, der Bischof etc.) meinte, die sozusagen das damalige System präsentieren, oder auf tatsächliche Zeitgenossen anspielt.

Da Josef Grünpeck Biograph von und für Kaiser Maximilian I. war (also für diesen tätig), hatte er vielleicht persönliche Gründe, sich bei den weltlichen Machtträgern ein wenig zurückzuhalten.
 
Der Mann wirkt auf mich aufgelöst und ist offensichtlich am Durchdrehen, was eigentlich für den "Stellvertreter Gottes auf Erden" ein absolut unangemessenes Verhalten ist. Sollte er nicht wenigstens in der Not ein gutes Vorbild geben? Wäre es nicht eigentlich an ihm, im Gebet zu verharren, während er untergeht?

Nach Durchdrehen sieht das für mich nicht aus. Höchstens wegen des rechten Auges. Und möglicherweise hebt er die Arme zum Gebet.
Aber darüber zu diskutieren, wie einzelne Details auf jeden von uns intuitiv wirken, halte ich nicht für zielführend.

Ich könnte mir vorstellen, dass der Schlüssel zur Deutung sich daraus ergibt, wer der Mann neben dem Kaiser ist bzw. für wen er steht? Denn er ist es (mein Eindruck), der bisher das Segel festhält und so die Lage noch halbwegs unter Kontrolle hat.
Vorstellen können wir uns viel.
Abgebildet ist ein steuerloses, entzweigebrochenes und teilweise schon von Wellen überspültes Schiff. Wer in dieser Situation einen Segelzipfel festhält, hat die Lage nicht "unter Kontrolle". Auch nicht halbwegs.


Wobei sich natürlich auch die Frage stellt, ob Hans Süss von Kulmbach (vorausgesetzt der Holzschnitt ist tatsächlich von ihm und er wurde in dem Werk von Grünpeck auch nicht verändert wiedergegeben) mit den Figuren Typen (der Papst, der Kaiser, der Bischof etc.) meinte, die sozusagen das damalige System präsentieren, oder auf tatsächliche Zeitgenossen anspielt.
Der abgebildete Kaiser mit seinem Rauschebart hat keine Ähnlichkeit mit Maximilian I., da wird es sich bei seinem Gefolge auch kaum um konkrete Zeitgenossen handeln.
 
Ob der Papst happy winkt oder happy wirkt - ich sehe da keinen richtigen Unterschied. Auf mich wirkt der Papst jedenfalls alles andere als "happy". Der Mann wirkt auf mich aufgelöst und ist offensichtlich am Durchdrehen, was eigentlich für den "Stellvertreter Gottes auf Erden" ein absolut unangemessenes Verhalten ist.

Was angemessen oder unangemessen im Angesicht des Todes ist, ist eine andere Frage. Mich erinnert der Gesichtsausdruck eher an die ewig sympathisch lächelnden Playmobilmännchen, was also eher ein weiteres Beispiel dafür ist, dass man es mit den Details in diesem Holzschnitt nicht immer ganz so ernst nehmen muss.
Wenn man die Figuren aus dem bildlichen Zusammenhang reißt, könnte man den Schnitt sicher als frühes Beispiel einer Darstellung einer Karnevalsparty verkaufen:

ausdemkontextgerissenKarnevalsparty.jpg

Es wird geschunkelt und getanzt und der Karnevalsprinz Papst und die Schickse Nonne reagieren gerade auf ein durch den Raum schallendes "put ya hands in the aiiiir!" Auch der tonsurierte im Hintergrund lacht.

Ich warne also vor Überinterpretierung einiger Details.
 
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