Holzschnitt nicht eindeutig

Selbstverständlich. Kannst da nachlesen (ich brauche jetzt etwas Pause :D ): Sandra Berger, 1.b Antiklerikalismus, 2012.

Dass der Segelzipfelgreifer ein Astrologe sein soll, steht da aber auch nicht drin.
Da Sepiola zu bescheiden ist, es zu sagen, tu ich's: Der Artikel von Berger gibt genau das wieder, was auch Sepiola die ganze Zeit schon zu verklickern versucht:

Schon der Titel des Kapitel sagt aus, was auch der Holzschnitt abbildet: Ein sinkendes Schiff, auf dem sich im Vordergrund der Papst, ein Bischof, ein Mönch und ein Kardinal befinden. Papst und Kardinal halten die Hände zum Himmel hoch. Der vorderste Teil dieses Schiffs ist bereits untergegangen. Im hinteren Bereich ist der Kaiser abgebildet sowie weitere weltliche Personen. Das Segel zeigt den gekreuzigten Christus.

Rechts ist ein steiler Felsen dargestellt. Die Geistlichen sind in diesem Holzschnitt bereits unmittelbar vom Untergang bedroht, aber auch die Weltlichen sind nicht davor gefeit. Der Text verdeutlicht die Grundthese der Flugschrift, wonach alle Stände vom „Untergang“ bedroht seien. Das Meer wird als „Kelch des Trübsals“ beschrieben in dem die Stände ertrinken werden.​
 
Überlegt habe ich mir, wie der Holzschnitzer wohl einen Sterndeuter hätte kenntlich machen können. Vielleicht hätte er ihn ein astronomisches Gerät statt eines Segelzipfels halten lassen können:…
Nicht einmal ein Sterndeuter kann Geräte halten, wenn er das Segel in der Hand hat.

Dass der Segelzipfelgreifer ein Astrologe sein soll, steht da aber auch nicht drin.
Wie könnte das denn drinstehen, wenn Du erst vor paar Stunden die Eingebung hattest!

Ernsthafter: Wie schon der Titel sagt, geht es um astrologisch prophetische Sehungen. Auf einem der Bilder wird sogar ein Prophet als Hauptdarsteller gezeigt.
Grünpecks Syphiliserkrankung (1501) hat ihn anscheinend vom Hof des Kaisers entfernt, wohin er sich nach der Genesung (um 1503) zurückwill, aber keine richtige Akzeptanz mehr findet. (Talkenberger, S. 111f)

Dass also einem König ein Astrologe/Prophet (wie Grünpeck selbst) zur Seite stehen soll, war für Grünpeck gewiss eine willkommene Aussage. Dass aber auf dem Holzstich kein rasierter Kaiser auftritt, wird wohl der Einsicht Grünpecks entsprungen sein, dass jede Ähnlichkeit mit Maximilian I. unklug wäre.

Die Idee mit dem Astrologen halte ich für sehr passend für die Figur. Klar, dass die Identität nicht mit Sicherheit behauptet werden, die Annahme ist aber die naheliegendste Erklärung. Wäre weder die einzige, noch die gewagteste These, die über Holzstiche existiert und in der Luft hängt, um mal als Baustein für andere Überlegungen zu dienen; schließlich geht es manchmal nur um die Idee für einen Aspekt, der bisher vernachläßigt wurde.
 
Nicht einmal ein Sterndeuter kann Geräte halten, wenn er das Segel in der Hand hat.
Das Segel ist doch ganz easy zu halten, das macht er mit links.
Die rechte Hand ist noch frei.

Dass aber auf dem Holzstich kein rasierter Kaiser auftritt, wird wohl der Einsicht Grünpecks entsprungen sein, dass jede Ähnlichkeit mit Maximilian I. unklug wäre.
Eher wollte er dem Betrachter eindeutig signalisieren, dass hier keine bestimmten Personen porträtiert sind.

Klar, dass die Identität nicht mit Sicherheit behauptet werden, die Annahme ist aber die naheliegendste Erklärung.
Warum das naheliegend sein soll, hast Du immer noch nicht begründet.

Wäre weder die einzige, noch die gewagteste These, die über Holzstiche existiert und in der Luft hängt, um mal als Baustein für andere Überlegungen zu dienen
Unbegründete Thesen, die in der Luft hängen, können nur als Baustein dienen für noch mehr unbegründete Thesen, die in der Luft hängen.
 
Eher wollte er dem Betrachter eindeutig signalisieren, dass hier keine bestimmten Personen porträtiert sind.
Das glaub’ ich auch, zumindest beim König. Beim Prophet-Astrologen muss es sich ja nicht umbedingt um Grünpeck handeln. Dass er sich nicht getraut, einen bestimmten Herrscher abzubilden (bzw. abbilden zu lassen), muss aber nicht auch heißen, dass auch der Astrologe unbedingt nur eine unbestimmte Person sein kann. Die Eigenschaft als Astrologe halt ich aber für plausibel; u.A. im Hinblick auf die andere Darstellung vom Propheten.
 
Beim Prophet-Astrologen muss es sich ja nicht umbedingt um Grünpeck handeln.
Es muss sich noch nicht einmal um einen Prophet-Astrologen handeln.

Darauf gibt das Bild keine Hinweise und der Text auch nicht.

Warum das dann trotzdem naheliegend sein soll, hast Du immer noch nicht begründet. :fs:
 
Es muss sich noch nicht einmal um einen Prophet-Astrologen handeln.

Darauf gibt das Bild keine Hinweise und der Text auch nicht.

Warum das dann trotzdem naheliegend sein soll, hast Du immer noch nicht begründet. :fs:
Doch, hab ich! Im Werk geht es um Prophezeiungen, und beim Bild geht es um eine Illustration des Textes (oder etwa doch nicht?!). Grünpeck, der Autor, sieht sich selbst als Prophet, am liebsten neben dem König.

Zu sagen, die Figur müsse nicht einmal dies, nicht einmal das, ist abwegig. Die Figur muss nunmal, da sie durch eine Schlüsselhandlung, plus durch die Position direkt neben dem König herausgehoben ist.
 
Jetzt hab ich was Gutes! Die Symbolik des Segels muss in diesem Bild genau gleich gesehen werden, wie auf den Gemälden der Zeit:

Die Attribute des Schicksals im MA waren das Segel, (falls stark gebläht, dann für unbeständiges Schicksal, da direkt vor dem Wind), das Glücksrad, oder ein Steuerruder (mit dem Fortuna die Geschicke der Menschen lenkt). Hier versucht sich ein Prophet als Fortuna, oder eher: als einer, der bei starkem Wind das Segel noch zu halten vermag.

Superman Grünpeck in action! Noch fragen?
 
Beim Prophet-Astrologen muss es sich ja nicht umbedingt um Grünpeck handeln.

Grünpeck, der Autor, sieht sich selbst als Prophet, am liebsten neben dem König.

Also muss es sich doch um Grünpeck handeln?
Der Autor wollte sich - incognito und für den Leser nicht erkennbar - irgendwo im Buch selber auch noch abbilden, naheliegenderweise auf dem sinkenden Schiff.

Alles klar.

Die Attribute des Schicksals im MA waren das Segel, (falls stark gebläht, dann für unbeständiges Schicksal, da direkt vor dem Wind)
... dass hier das unbeständige Schicksal gemeint sein muss, wird durch den groß auf dem Segel abgebildeten Jesus Christus ja besonders unterstrichen ...

Keine weiteren Fragen.
 
Also muss es sich doch um Grünpeck handeln?
Der Autor wollte sich - incognito und für den Leser nicht erkennbar - irgendwo im Buch selber auch noch abbilden, naheliegenderweise auf dem sinkenden Schiff.
Nur zu, lass den ganzen Neid heraus! Der rechte Spott kommt aus der leisen Trauer eines gütigen Herzens. :crash:
Musst aber nicht traurig sein, bei der Idee mit dem Astrologen werde ich ewig auf Dich verweisen!

Leider muss ich mich wiederholen, was ich nur ungern tue:
Zu sagen, die Figur müsse nicht einmal dies, nicht einmal das, ist abwegig. Die Figur muss nunmal, da sie durch eine Schlüsselhandlung, plus durch die Position direkt neben dem König herausgehoben ist.

Betrachtet man das Segel als Metapher (man tut gut daran bei einem Bild aus 1500), dann gibt es keine vernünftigere Lösung. Außerdem wollte sich Grünpeck neben den König stellen, 1. weil er sich gerne in königlicher Nähe sah, 2. weil man ihm so noch weniger vorwerfen konnte, er wolle den König karikieren. Er zeigt sich als Teil der untergehenden Gesellschaft.
 
Nein, das mache ich selber, falls es nötig sein sollte.

Verständnisfragen klären wir per PN.
Geht nicht, Sepiola!! Das Tool will nicht so viele Zeichen abschicken. So muss ich meine als PM verfasste Antwort leider hier posten (da geht es ja nicht um Persönliches, sondern um das Thema des Threads):


(Sepiola hat mich per PM nochmals gefragt, was »abwegig« sein soll.)

@ Sepiola

Dein Satz »Es muss sich noch nicht einmal um einen Prophet-Astrologen handeln«, plus die vorher erwähnte ›Bauernthese‹ (nachdem jemand auf einem Gemälde eine Schirmmütze o.ä. entdeckt hatte) zeigen mir, dass Du unseren Segelhalter für nicht so wichtig einstufst. Diese Einstufung halte ich für »abwegig«. Habe aber langsam den Verdacht, dass Dich das Wort generell irritieren könnte, und korrigiere es deshalb auf »halte ich für unsachgemäß«, da, wie schon mehrfach erwähnt, der Segelhalter eindeutig eine wichtige Funktion hat.

Solche Klarstellungen aber per PM zu erledigen, gefällt mir eigentlich wenig, auch wenn ich mit Dir damit einverstanden bin, dass dieses Verständigungsproblem im Thread zu viel Platz einnimmt. Ein PM sähe ich aber durchaus in Ordnung, wenn Du z.B. hinter »abwegig« einen pers. Angriff vermuteten würdest (was ich mir nicht vorstellen kann). Ich hoffe also, dass dem nicht so sei.

PMs ansonsten o.W. gerne, Sepiola! Versteh mich also bitte nicht falsch.

Wenn wir aber schon dabei sind: Bilder jener Ära sind äußerst schwierig zu fassen, da sie voll von Symbolik und Metaphern sind. Die Künstler damals, insbesondere in Nürnberg, Augsburg, plus natürlich Flandern haben sich gegenseitig beeinflusst, ja, sich sogar mit solchen Botschaften gegenseitig übertreffen wollen. Das wurde so weit getrieben, bis sogar Geistliche die Menge der Attribute und Symbole kritisiert haben (frag mich aber nicht, wo ich das herhabe, denn ich werde nicht nachforschen, da es hier nicht allzu wichtig ist). Jedenfalls ist der Bildinhalt keineswegs als oberflächlich entstanden zu betrachten, schon gar nicht bei diesem, anfangs des 16. Jhs. nicht unwichtigen Propagandabild, das später mehrmals frisiert wurde.

Für mich ist die Deutung des Segelhalters eigentlich erledigt; ich würde ihn natürlich nie mit Bestimmtheit als Grünpeck identifizieren, die Annahme aber gewiss in die Schale legen. Einen Astrologen, bzw. Propheten kann man sicherlich annehmen, wenn man die Symbolik des aufgeblähten Segels, und des Segelhaltens, sowie (als psychologische Begründung der Motivation für die Darstellung der Figur) die angestrebte Position Grünpecks neben dem Kaiser miterwähnt (bzw. seine Ansicht, dass ein König einen Propheten neben sich brauche). Da gibt es deutlich wildere Thesen über Bilder der Ära, die in Fachbüchern Erwähnung finden. Hat aber jemand einen anderen Vorschlag, dann gerne; dann aber noch plausibler, damit er die Identifikation des Segelhalters als Astrologen/Propheten in der Luft zerfetzen kann. Da ist ein etwaiges »nein, das glaub ich nicht«, »nein, das seh ich nicht« fachlich nicht von Bedeutung, solange nicht mehr, viel mehr kommt.

Versteh aber auch dies nicht falsch! :D Ich fand unsere kleine Diskussion eigentlich sehr gut, da fruchtbar.

Liebe Grüße
Mashenka
 
Dein Satz »Es muss sich noch nicht einmal um einen Prophet-Astrologen handeln«, plus die vorher erwähnte ›Bauernthese‹ (nachdem jemand auf einem Gemälde eine Schirmmütze o.ä. entdeckt hatte) zeigen mir, dass Du unseren Segelhalter für nicht so wichtig einstufst.
Da missverstehst Du mich.
Der Zusammenhang ist:
"Beim Prophet-Astrologen muss es sich ja nicht unbedingt um Grünpeck handeln.
Es muss sich noch nicht einmal um einen Prophet-Astrologen handeln."

Gemeint ist:
Es muss sich gar nicht - speziell - um den Astrologen Grünpeck handeln - und noch nicht einmal - allgemein - um irgendeinen Astrologen.


Geht nicht, Sepiola!! Das Tool will nicht so viele Zeichen abschicken.
Wenn man den Text auf zwei PNs verteilt, geht es.
 
Warum muss der Mann neben dem Kaiser, der mit dem Segel das Schiff noch zu halten versucht, ein Astrologe sein? Immerhin hat er kein Attribut in der anderen Hand, das ihn als Astrologen ausweisen würde und auch seine Kleidung ist nicht so, dass sie eindeutig auf einen Gelehrten hinweisen würde.

Grünpeck und auch die beiden möglichen Schaffer des Holzschnittes haben zum Beispiel einige Zeit in Nürnberg verbracht, das damals eine selbständige Reichsstadt war, die immerhin im 15. Jahrhundert mehrere Kriege mit Reichsfürsten geführt hatte. Könnte es nicht sein, dass der Mann mit Segel für das Stadtpatriziat oder die Elite der Stadtbewohner steht, unter denen wir im 15. und 16. Jahrhundert wichtige Humanisten und Mäzene finden?
 
Zuletzt bearbeitet:
Könnte es nicht sein, dass der Mann mit Segel für das Stadtpatriziat oder die Elite der Stadtbewohner steht, unter denen wir im 15. und 16. Jahrhundert wichtige Humanisten und Mäzene finden?
Warum soll gerade ein Patrizier als Retter dargestellt sein, der als einziger die Situation noch in der Hand hat, der als einziger dem König wirklich hilft? Wäre das um 1500 in Nürnberg nachvollziehbar? Da halte ich die Annahme eines königlichen Propheten für naheliegender, denn in erster Linie geht es in Grünpecks Pamphlet um eine rechtzeitige Warnung vor dem Untergang.

Möglich wäre aber sicherlich auch Sepiolas Goldschmied, der nicht nur Gold, sondern das Geschick des Reiches zu schmieden verstand. Chapeau!

Das Kirchenschiff mit aufgeblähtem Segel sieht man übrigens in Darstellungen, in denen die Kirche in Bedrängnis gezeigt wird. Ansonsten wird gerudert, gepaddelt und gedümpelt, meist ohne Segel.
 
Warum soll gerade ein Patrizier als Retter dargestellt sein
:eek:
Ist da jemand als "Retter" dargestellt?

Das Schiff ist im Eimer, und die Personen im Heckteil werden dieselbe Trübsal erleiden wie die im Bugteil. Oder spielt der Text jetzt doch wieder keine Rolle mehr?

Abgebildet ist ein steuerloses, entzweigebrochenes und teilweise schon von Wellen überspültes Schiff. Wer in dieser Situation einen Segelzipfel festhält, hat die Lage nicht "unter Kontrolle". Auch nicht halbwegs.
 
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