Historizität der Feldzüge Karls des Großen

dekumatland

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Die Annalen sind kein Chanson. Aber es beinhaltet doch einige "schräge" Töne.
Ja und?
Dass das eher sporadische als permanente karolingische Engagement in Richtung Pyrenäen und Hispanien keine Erfolgsgeschichte war, ist doch altbekannt. Wenn hier zeitgenössische Panegyriker und Historiographen derlei ins Leere laufende Unternehmungen hinterher schönredeten, so ist das erstens nichts ungewöhnliches und zweitens kann man unschwer die Schönfärberei vom tatsächlichen Geschehen unterscheiden.
"schräge Töne" sind kein zwingender Hinweis darauf, das irgendwas ganz und gar nicht stattgefunden hätte. Übrigens sind karolingische Erfolge wie die mühelosen Siege über Langobarden und Awaren (letztere geradezu kampflos) weitaus "schräger" oder besser gesagt erstaunlicher, weil ungewöhnlich.
Übrigens gibt es historiographische Schönfärberei auch längst vor Einhard, man denke nur an manche merowinigische Unternehmung gegen die benachbarten Slawen oder an römische Kaiser, die als Goticus und sonstwie gelobpriesen wurden, obwohl sie die Barbaren nur unter großen Verlusten zeitweilig stoppen konnten...
 
Übrigens gibt es historiographische Schönfärberei auch längst vor Einhard, man denke nur an manche merowinigische Unternehmung gegen die benachbarten Slawen


... oder an römische Kaiser, die als Goticus und sonstwie gelobpriesen wurden, obwohl sie die Barbaren nur unter großen Verlusten zeitweilig stoppen konnten...


Ein nicht mehr aktiver Forianer hatte mal eine Signatur:

"Was nützt dir der Gewinn der Schlacht, wenn du am Vortag den Historiographen beleidigt hast"- oder so ähnlich.

Bei Marcus Aurelius Claudius Gothicus verspüre ich aber den Drang, ihn zu verteidigen, denn bedenkt man, dass er nur zwei Jahre herrschte, gelangen ihm doch recht beachtliche militärische Erfolge, die er nicht lobhudelten Historiographen verdankte und die zur Überwindung der Reichskrise des 3. Jhds beitrugen. So schlug er 268 die Alemannen am Gardasee vernichtend, und der Sieg über die Goten, bei Naissus (Nisch) 269 war doch ein recht nachhaltiger. Gotische Kontingente drangen seit 238 immer wieder ins Reich vor. 251 hatten Decius und sein Sohn Herennius sie unter ihrem König Kniva bei Abrittus in eine strategisch fast hoffnungslose Lage gebracht und den Rückweg abgeschnitten, dass die Goten bereit waren, Kriegsbeute und Gefangene gegen freien Abzug aufzugeben. Decius weigerte sich, Unterhandlungen anzunehmen, aber die Goten machten den Römern einen dicken Strich durch die Rechnung. Kniva gewann die Schlacht, und Decius und sein Filius verloren nicht nur die Schlacht, sondern auch das Leben.

Die Schlacht bei Naissus muss für die Goten, die nicht nur die Balkanhalbinsel, sondern den Peleponnes verheert hatten, eine empfindliche Niederlage gewesen sein. Jedenfalls wurden sie so geschwächt, dass sie für fast 100 Jahre keine weiteren Einfälle ins Imperium unternahmen.
 
QUOTE=dekumatland;753398]Ja und?
"schräge Töne" sind kein zwingender Hinweis darauf, das irgendwas ganz und gar nicht stattgefunden hätte. Übrigens sind karolingische Erfolge wie die mühelosen Siege über Langobarden und Awaren (letztere geradezu kampflos) weitaus "schräger" oder besser gesagt erstaunlicher, weil ungewöhnlich. [/QUOTE]

Die fränkischen Panzerreiter waren speziell ausgebildete, schwer bewaffnete und mit metallenen Rüstungen gepanzerte Reiter.
Die Panzerreiter verbreiteten aufgrund ihres Erscheinungsbildes offenbar großen Schrecken unter ihren Zeitgenossen. Notker Balbulus schildert in der Gesta Karoli eindrucksvoll das Eintreffen Karls des Großen während des Langobardenfeldzuges vor Pavia:
„König Desiderius nebst der zu ihm geflohene fränkische dux Autchar beobachteten von einen hohen Turme aus die Ankunft des riesigen fränkischen Heeres. Sie sahen den Troß, das Aufgebot der Völker, die Palastgarde, Bischöfe und Äbte. Schließlich erschien der „eiserne Karl“ selbst, mit Panzer, Beinschienen, Lanze und Schwert. Das Eisen füllte die ganze Ebene aus und warf den Glanz der Sonne zurück. Überall sah man Eisen, und wegen dieses Eisens erzitterten die Mauern und der Mut der Jungen, selbst der Rat der Alten verging vor all diesem Eisen.“
Hier hat Notker wohl eine übertriebene, im Kern aber sicher authentische Beschreibung von Karls Heerbann überliefert.
(Allerdings konnte die Archäologie bis heute durch entsprechende Funde dies nicht unterfüttern).

In Roncevalles hat sich der Feind nach vollbrachter Tat so weit verstreut, daß man keine Ahnung hatte, wo man ihn suchen sollte.
Wohl eine übertriebene, im Kern aber sicher authentische Beschreibung.

Einhard etwa schreibt: Als er [Karl] sich standhaft und beinahe ständig mit den Sachsen im Krieg maß schritt Spanien mit allem was es an Kriegsapparat aufbringen konnte heran.
KdG aber nahm trotzdem alles ein, was ihm in die Quere kam und brachte sein gesamtes Heer unversehrt bis Roncevalles.
Wohl eine übertriebene, im Kern aber sicher authentische Beschreibung.

In Roncevalles hat sich der Feind nach vollbrachter Tat so weit verstreut, daß man keine Ahnung hatte, wo man ihn suchen sollte.
Wohl eine übertriebene, im Kern aber sicher authentische Beschreibung.

Einhards „Krieg“ gegen die Awaren war so lächerlich und einfältig, daß er es verdient hat hier in seinen eigenen Worten aufgeführt zu werden:
Den Feldzug in Pannonien, wo die Hunnen damals lebten, leitete er (KdG) persönlich. … Obwohl der Krieg mit größter Hartnäckigkeit geführt wurde, nahm er erst nach acht kampfreichen Jahren ein Ende. … Der gesamte hunnische Adel und damit auch sein Ruhm gingen dabei zugrunde. … Nur zwei Führer der Franken fielen in diesem Krieg: Erich von Friaul wurde in der liburnischen Küstenstadt Tersato durch Verrat der Eingeborenen getötet. Der Statthalter Gerold von Bayern wurde zusammen mit zwei Begleitern in Pannonien erschlagen., man weiß nicht, von wem: er war gerade dabei, seine Truppen für ein Gefecht mit den Hunnen zu ordnen, und ritt die Reihen entlang, um seine Soldaten anzufeuern.
Sonst verlief der Krieg für die Franken verhältnismäßig unblutig und äußerst zufriedenstellend.

Wohl eine übertriebene, im Kern aber sicher authentische Beschreibung.

Zufriedenstellend vor allem, weil man mit 16 Ochsenwagen, beladen mit Gold und Silber, heimwärts nach Aachen zog. Es soll daraufhin sogar eine Art Inflation gegeben haben.
Wohl eine übertriebene, im Kern aber sicher authentische Beschreibung.

Eben wie es Mediävisten mit einem Standard zu sagen pflegen: Es ist dies alles geschehen. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit.
 
Hier hat Notker wohl eine übertriebene, im Kern aber sicher authentische Beschreibung von Karls Heerbann überliefert.
Wohl eine übertriebene, im Kern aber sicher authentische Beschreibung.
(...usw.)
(ich kenne den rhetor. Trick a la und Brutus ist ein ehrenwerter Mann)

@Gangflow
ich mag Polemik, besonders, wenn sie mit Geschick undKenntnis vorgetragen wird*), aber davon abgesehen: mir ist noch nicht klar, worauf du hinauswillst mit deiner Auswahl an Zitaten aus historiografischen Quellen.
Also meine Bitte, folgende einfache Fragen zu beantworten:
1. haben die Langobarden die Fresse poliert bekommen? ja oder nein
2. haben die Karolinger den Langobarden die Fresse poliert? ja oder nein
3. haben die Awaren auf die Mütze gekriegt? ja oder nein
4. haben die Awaren von den Karolingern final auf die Mütze gekriegt? ja oder nein

ich verrate gerne meine Antworten:
1. ja
2. ja
3. ja
4. ja

Für den Fall, dass deine Antworten anders ausfallen, wäre eine Begründung schön (möglichst eine nachvollziehbare, ohne durchschaubare simple möchtegern-Rhetorik)

_______
*) an beidem könntest du noch feilen!
 
ich verrate gerne meine Antworten:
1. ja
2. ja
3. ja
4. ja

Für den Fall, dass deine Antworten anders ausfallen, wäre eine Begründung schön (möglichst eine nachvollziehbare, ohne durchschaubare simple möchtegern-Rhetorik)

ich verrate gerne meine Antworten:
1. nein
2. nein
3. nein
4. nein

Warum eine Begründung, da du dich mit deinen ja, ja, ja, ja auch nur bequem auf den vorhandenen Quellen ausruhst.

*) an beidem könntest du noch feilen!

Danke, ich werde an beidem lebenslang arbeiten so gut es geht.
 
ich verrate gerne meine Antworten:
1. nein
2. nein
3. nein
4. nein

Damit das hier keinen Neuaufguss der smalltalk-Ketten wie in den anderen threads gibt, und da jeder am Thema sachlich Interessierte hier Blödeleien von substantiellen Aussagen trennen kann, ist die folgende Basis für Antworten anzugeben:

1. mit welchen außerkarolingischen Quellen hast Du Dich zum Thema Langobarden und Awaren beschäftigt (zB byzantinische, bulgarische)?

2. welche aktuellen archäologischen Forschungen sind bekannt (zB Awaren um 800 und danach)?

3. welche aktuelle Forschungsliteratur wird zugrunde gelegt, die sich zu diesem Zeitraum mit archäologischer Fundlage und derartigen Quellenvergleichen auseinander setzt?

Da sicher eine seriöse Basis für derartige Diskussionen besteht, oder zunächst mal unterstellt wird, dienen die Antworten zum Nachweis des Interesses an dem Thema. Anhand der Antworten wird belegt, dass man sich mit dem Thema interessiert beschäftigt hat, und Antworten eine Abwägung diskutabler Schlussfolgerungen darstellen.

Nennungen werden natürlich in der Folge sachlich überprüft.

Bis zu einer kurzfristigen eindeutigen Antwort auf die eindeutigen Fragen wird jeder weitere Smalltalk als Trollerei eingestuft und gelöscht.
 
Da hat ja Einhard noch mal Glück gehabt. Er ist schon tot.

................Jetzt löschen!

Besten Dank für die Kenntnisnahme und die schnelle Antwort. :winke:
Mit dem Löschen ist es nicht eilig, erst mal ist das eine nette Dokumentation.

Die einfachen Fragen wurden vielleicht nicht verstanden, daher noch einmal die Wiederholung:
1. mit welchen außerkarolingischen Quellen hast Du Dich zum Thema Langobarden und Awaren beschäftigt (zB byzantinische, bulgarische)?

2. welche aktuellen archäologischen Forschungen sind bekannt (zB Awaren um 800 und danach)?

3. welche aktuelle Forschungsliteratur wird zugrunde gelegt, die sich zu diesem Zeitraum mit archäologischer Fundlage und derartigen Quellenvergleichen auseinander setzt?

Der Lesbarkeit halber ist der Fragenkern unterstrichen. Jeder tatsächlich Interessierte kann das leicht beantworten.

Ist da nichts, null, nicht mal ein Fitzelchen zum aktuellen Forschungskontext? Völlig blank und heiße Luft?
 
Damit das hier keinen Neuaufguss der smalltalk-Ketten wie in den anderen threads gibt,
...ich sehe keine Chance, dass das ausbleibt...
...da wurde einer gefragt, ob die Langobarden besiegt wurden, evtl. sogar von den Karolingern besiegt wurden, und die gewitzte(n) Antwort(en) lautete(n) "nein". Bon. Sollte ich nach Pavia fahren, muss ich vorher nicht italienisch lernen, denn da genügt ja offenbar das langobardische. das vereinfacht alles ungemein, denn erstens ist das langobardische als germanische Sprache dem deutschen näher als das romanische italienisch, und zweitens gibt es nicht so viele Vokabeln zu lernen, weil das langobardische eine Trümmersprache ist. :D
bzgl. langobardisch als Trümmersprache siehe RGA Sonderband
bzgl. der Langobarden K. Priester, Geschichte der Langobarden

...um beim (Seiten)Thema Langobarden zu bleiben: zu behaupten, sie seien nicht besiegt worden, würde man auf langobardisch biskiz nennen
 
Sollte ich nach Pavia fahren, muss ich vorher nicht italienisch lernen, denn da genügt ja offenbar das langobardische. das vereinfacht alles ungemein, denn erstens ist das langobardische als germanische Sprache dem deutschen näher als das romanische italienisch
So kann man aber auch nicht "argumentieren".
Welches romanische Volk hat denn letztendlich die Franken besiegt?
Sonst müssten wir ja heute in Paris auch gut mit Deutsch durchkommen, da wir einen fränkischen Dialekt zu erwarten hätten...
 
So kann man aber auch nicht "argumentieren".
...ach komm... die Romanisierung der unbesiegten Langobarden ist sicher nur ein Gerücht :D

Aber eines lernt man hier: wenn man sich Quellen und Fachliteratur anschließt (von Karolingern besiegte Langobarden), dann ist das ein "sich ausruhen auf Quellen" - wenn man dergleichen schwupps negiert, dann ist das sicher gewitzt und innovativ...
 
...ach komm... die Romanisierung der unbesiegten Langobarden ist sicher nur ein Gerücht :D

Eines ist sicher: Wenn sie von den Franken besiegt worden wären, wären sie nicht romanisiert worden, dann würden sie heute nämlich fränkisch sprechen. :D

Aber eines lernt man hier: wenn man sich Quellen und Fachliteratur anschließt (von Karolingern besiegte Langobarden), dann ist das ein "sich ausruhen auf Quellen"
... es kommt darauf an, welche "Fachliteratur".
Satiriker wie F. E. Mann, F. Carotta usw. kannst Du gerne zitieren und Dich darauf "ausruhen", denn weitere Argumente sind dann nicht erforderlich.
 
dass des Meisters etymologische Herleitungen wie Prenzlau = Roncesvalles hohen Heiterkeitswert haben, streite ich nicht ab, aber ihn deswegen gleich als Satiriker zu adeln, scheint mir zu hoch gegriffen ;)

Satire oder Realsatire - oft ist das schwer zu unterscheiden:
Wilhelm Tavernier schrieb:
Wie wir inmitten der Weizenfelder derselben Uckermark, in die Verf. die Handlung des Rolandsliedes verlegt, „die höchst wunderbaren Ergebnisse" (Vorr., S. VIII) dieser Studie lasen, konnten wir uns des Verdachts nicht erwehren, daß wir es hier mit einer Satire auf die Rolandsforschung und ihre Irrgänge zu tun haben.
 
Die Schlacht bei Naissus muss für die Goten, die nicht nur die Balkanhalbinsel, sondern den Peleponnes verheert hatten, eine empfindliche Niederlage gewesen sein. Jedenfalls wurden sie so geschwächt, dass sie für fast 100 Jahre keine weiteren Einfälle ins Imperium unternahmen.
Das Schlimmste war fürs Erste tatsächlich überstanden, aber einzelne Einfälle gab es schon noch:
Unter Kaiser Quintillus verwüsteten gotische Streifscharen die Stadt Anchialus in Thrakien und griffen auch Nikopolis an, wurden aber von den Provinzialen aufgerieben.
Kaiser Aurelianus hatte ebenfalls mit den Goten zu kämpfen.
Unter Kaiser Tacitus fielen Goten in Kleinasien ein und streiften bis Kilikien. Einen Teil davon vernichtete Tacitus, die Bekämpfung des Restes übertrug er seinem Bruder Florianus. Als es nach dem Tod des Tacitus zum Thronfolgestreit mit Probus kam, ließ Florianus sie abziehen, um sich dem Kampf um die Macht widmen zu können.

Die fränkischen Panzerreiter waren speziell ausgebildete, schwer bewaffnete und mit metallenen Rüstungen gepanzerte Reiter.
Die Panzerreiter verbreiteten aufgrund ihres Erscheinungsbildes offenbar großen Schrecken unter ihren Zeitgenossen. Notker Balbulus schildert in der Gesta Karoli eindrucksvoll das Eintreffen Karls des Großen während des Langobardenfeldzuges vor Pavia:
„König Desiderius nebst der zu ihm geflohene fränkische dux Autchar beobachteten von einen hohen Turme aus die Ankunft des riesigen fränkischen Heeres. Sie sahen den Troß, das Aufgebot der Völker, die Palastgarde, Bischöfe und Äbte. Schließlich erschien der „eiserne Karl“ selbst, mit Panzer, Beinschienen, Lanze und Schwert. Das Eisen füllte die ganze Ebene aus und warf den Glanz der Sonne zurück. Überall sah man Eisen, und wegen dieses Eisens erzitterten die Mauern und der Mut der Jungen, selbst der Rat der Alten verging vor all diesem Eisen.“
Hier hat Notker wohl eine übertriebene, im Kern aber sicher authentische Beschreibung von Karls Heerbann überliefert.
(Allerdings konnte die Archäologie bis heute durch entsprechende Funde dies nicht unterfüttern).
Hier kannst Du ein paar zeitnah entstandene Abbildungen von Panzerreitern bestaunen: https://de.wikipedia.org/wiki/Panzerreiter
(Du wirst doch hoffentlich nicht unterstellen wollen, dass Notker sie alle gemalt hat ...)
 
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