Zum Alkoven

Mashenka

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Ein Alkoven ist ein in einen größeren Raum mündender, kleiner, separater Schlafbereich, entweder als Nutzung einer architektonischen Nische, oder als nachträgliche Abtrennung; in Norddeutschland wird der Alkoven auch »Butze« genannt. (Im Gegensatz zum Alkoven ist die Schlafstätte beim Bettschrank nicht in der Wand versenkt.)

Zumindest das Wort »Alkoven« stammt aus dem Arabischen und kam im 17. Jh. über das Spanische in andere Sprachen, während das Bedürfnis, in Nischen zu schlafen, sowohl geographisch, wie auch zeitlich kaum abgegrenzt werden kann.*

Die Öffnung solcher Schlafnischen wurde häufig mit Tafelwerk verkleinert, wodurch der Alkoven wärmer als der Rest des Innenraumes war und eine größere Intimsphäre bot.

Verbreitet waren Alkoven vorwiegend in Bauernhäusern, sowie als Unterkunft für Dienstboten, die nicht selten nur einen Alkoven zugewiesen bekamen, in den sie sich zurückziehen konnten. Da sich die Alkoven des Personals in einen Gemeinschaftsraum öffneten, war die Geschlechtertrennung auf die zugewiesenen Wandseiten beschränkt. Immerhin waren diese Alkoven meist durch Falttüren oder Schiebetüren abschließbar.

Im 18. Jh. nutzte man die Gemütlichkeit einer abgeschlossenen Schlafstätte mancherorts auch in Bürgerhäusern, wo sie durch kunstvolle boiserie abgetrennt, durchaus üblich waren. (z.B. in Basel, v.a. aber in den grands appartements in Paris)

Seltener sind Alkoven für herrschaftliche Betten; sie sind eher in Refugien zu sehen, in denen man sich nur kurzzeitig aufhielt, wie in Pavillons und Badehäusern. Diese eleganten Schlafnischen waren höchstens durch Vorhänge vom Rest des Raumes abtrennbar, während die Gemütlichkeit durch eine reichere Austattung mit Textilien betont wurde.



*: Und da hab ich eine Frage an Euch:

Die psychologischen und praktischen Vorteile einer Nische als Schlafstätte sind offensichtlich; nebst einer erhöhten Selbstwahrnehmung bietet die Nische mehr Schutz, was sicherlich bereits die Höhlenbewohner nutzten. Die Verbreitung des Alkoven in Mitteleuropa ist nicht mit der Verbreitung des Wortes im 17. Jh. verknüpft, bzw. das Bedürfnis ist nicht der Betrachtung arabischer Nischen entsprungen. Dagegen sprechen: 1. das angeborene Bedürfnis, in Nischen zu schlafen; 2. die Verbreitung von Schrankbetten (die mobile Version des Alkoven) spätestens in der Spätgotik, sowie 3. die auch in der Gotik übliche Abtrennung von Räumen durch Täfelungen.

Was meint Ihr dazu? Ab wann können Bettnischen im deutschsprachigen Raum nachgewiesen werden? Kennt vielleicht jemand sogar ein Beispiel für einen Alkoven vor 1700?
 
Zumindest das Wort »Alkoven« stammt aus dem Arabischen und kam im 17. Jh. über das Spanische in andere Sprachen, während das Bedürfnis, in Nischen zu schlafen, sowohl geographisch, wie auch zeitlich kaum abgegrenzt werden kann.*

Wobei der arabische Begriff qubba eigentlich einen würfelförmigen Raum bezeichnet, der überkuppelt wurde.* Das aus al-qubba abgeleitete alcoba bedeutet nicht vielmehr als 'Schlafzimmer'. Sprich wir haben es sowohl bei der Entlehnung aus dem Arabischen ins Spanische als auch aus dem Spanischen ins Deutsche mit zusätzlichen semantischen Verschiebungen zu tun. Ein Bedürfnis in Nischen zu schlafen ist daraus nicht abzuleiten. Es ist eher die kühlere Umwelt in Mitteleuropa, die aus dem spanischen Schlafzimmer den Alkoven auf dem Bauernhof überm Kuhstall als Heizung gemacht hat.


*Ebenfalls aus dem wort qubba gebildet das italienische cupola, das dann wiederum in die anderen europäischen Sprachen (dt. Kuppel, span. cúpula) einging.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wobei der arabische Begriff qubba eigentlich einen würfelförmigen Raum bezeichnet, der überkuppelt wurde.* Das aus al-qubba abgeleitete alcoba bedeutet nicht vielmehr als 'Schlafzimmer'. Sprich wir haben es sowohl bei der Entlehnung aus dem Arabischen ins Spanische als auch aus dem Spanischen ins Deutsche mit zusätzlichen semantischen Verschiebungen zu tun.
Danke für die Präzisierung der ursprünglichen Bedeutung, El Quijote. Die Verschiebung erklärt, warum »alcôve«, »alcove«, »Alkoven«, etc. manchmal auch allg. für Nische benutzt werden, während nur die Verwendung im Sinne von »Schlafnische«, und auch dann nur die Bedeutung Schlafstätte der spanischen Bezeichnung entspricht. Wie konnte aber die Bedeutung Schlafnische entstanden sein (bereits im Französischen), bzw. der Bezug zum Schlaf-Séparée? Irgendwie muss diese Art der Abtrennung des Schlafbereiches den Leuten spanisch vorgekommen sein, evtl. als arabisch… Warum?

Hier muss man wahrscheinlich von den rustikalen ›Schlaflöchern‹ (die bestimmt schon im MA vorhanden waren) die im 17. Jh. anscheinend neu aufgekommene Mode, das bürgerliche Bett in eine Wandnische zu verlegen, unterscheiden. Jene alte Schlafnebenräume wurden dann irgendwann halt ebenfalls »Alkove« genannt.



Es ist eher die kühlere Umwelt in Mitteleuropa, die aus dem spanischen Schlafzimmer den Alkoven auf dem Bauernhof überm Kuhstall als Heizung gemacht hat.

Genau das fällt mir schwer zu glauben. Warum erst im 17. Jh.?

Hier der Italiener Vittore Carpaccio mit einer Bettnische anfangs des 16. Jhs.: Mariä Geburt. Und ein (leider nur 3/4-)Alkoven aus Paris in 1456: Miracles de Notre Dame. Doch genau aus dem Norden, d.h. aus Deutschland/Niederlande hab ich aus der Zeit vor 1700 keine Anzeichen von solchen ›versenkten‹ Schlafstätten finden können.
 
Es ist eher die kühlere Umwelt in Mitteleuropa, die aus dem spanischen Schlafzimmer den Alkoven auf dem Bauernhof überm Kuhstall als Heizung gemacht hat.
Genau das fällt mir schwer zu glauben. Warum erst im 17. Jh.?

Möglicherweise sitzt du einem Missverständnis auf. Ich meine nicht, dass es Alkoven nicht schon vorher gegeben habe. Ich meine, dass der Begriff des Alkovens für ein geradezu schrankartiges Schlafgemacht erst durch semantische Verschiebung aufgekommen ist. Man fand halt damals das Französische, denn das war für das Deutsche, wie du richtig herausgearbeitet hast, die Vermittlersprache des hispanoarabischen Begriffs, besonders toll und hat deswegen für ein altes mitteleuropäisches Konzept diesen französisch-hispaoarabischen Begriff verwendet.

Was die freudianisch-psychologisch angelegte Nischentheorie nun angeht, so zeigt ja die Begriffsgeschichte des Alkovens (spanische Herkunft < arab. Herkunft), dass diese nicht ganz passt.

Das mitteleuropäische Konzept des Schlafgemachs als "Schrank" oder Nische über einem Stall ist eben den klimatischen Bedingungen geschuldet, keiner psychologischen Disposition, in beengten Räumen zu schlafen. Reiner Pragmatismus.
 
Möglicherweise sitzt du einem Missverständnis auf. Ich meine nicht, dass es Alkoven nicht schon vorher gegeben habe. Ich meine, dass der Begriff des Alkovens für ein geradezu schrankartiges Schlafgemacht erst durch semantische Verschiebung aufgekommen ist. Man fand halt damals das Französische, denn das war für das Deutsche, wie du richtig herausgearbeitet hast, die Vermittlersprache des hispanoarabischen Begriffs, besonders toll und hat deswegen für ein altes mitteleuropäisches Konzept diesen französisch-hispaoarabischen Begriff verwendet.

Was die freudianisch-psychologisch angelegte Nischentheorie nun angeht, so zeigt ja die Begriffsgeschichte des Alkovens (spanische Herkunft < arab. Herkunft), dass diese nicht ganz passt.

Das mitteleuropäische Konzept des Schlafgemachs als "Schrank" oder Nische über einem Stall ist eben den klimatischen Bedingungen geschuldet, keiner psychologischen Disposition, in beengten Räumen zu schlafen. Reiner Pragmatismus.
Ja, die Übernahme aus dem Französischen ins Deutsche lässt sich o.W. aus den sprachl. Vorlieben erklären. Die innenarchitektonische Einrichtung samt Wort aus dem Spanischen wurde auch in Frankreich, zumindest von La Fontaine ebenfalls als Mode angesehen: « Ne vous étonnez pas de ce mot d'alcôve : c'est une invention moderne, je vous l'avoue ; … » (Les Amours de Psyché et de Cupidon, 1669).

Dass es um die Mitte des 17. Jhs. bereits schon Schlafnischen gab (während nur der bürgerliche, meist dreiflügelige Alkoven in Frankreich eine neue Mode war), spricht doch eher für eine psychologische »Nischentheorie« :D als dagegen, sowie zweifelsohne für die Pragmatik, mit der man sich in Nischen bettete; d.h. für die Unabhängigkeit der Einrichtung vom Wort. Bemerkenswert ist gerade bei der Pragmatik die Tatsache, dass es im Süden, d.h. in Italien Alkoven auf Bildern bereits um 1505 gezeigt wurden (Carpaccios Mariä Geburt).

Obwohl die thermischen Vorteile (inkl. der viel leichteren Beheizbarkeit, z.B. durch Wärmeflaschen) auf der Hand liegen, bleibt im deutschsprachigen Raum auch ein Dürer nur beim Himmelbett. Und auch aus Amsterdam, wo auch noch die engen Verhältnisse geradezu nach Alkoven schreien, tauchen die ersten Interieurs mit Alkoven erst um 1660 auf (Pieter de Hooch, Moeder die het haar van haar kind reinigt)
 
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