Hemmingen-Wilkenburg: Mal wieder ein neues Römerlager entdeckt...

Was sind denn das für "neu entdeckten mutmaßlichen Lager zwischen Werra und Leine"?

Sind das archäologisch untersuchte Marschlager oder handelt es sich um Terrain, wo jemand vermutet, es handelt sich um Lager?

Der Jemand heißt Klaus Grote und ist der Ausgräber von Hedemünden. ;)

Bislang existiert offenbar nur eine Lidar-Aufnahme und ein starker Verdacht. Ein nachgewiesener römischer (Signal-)Posten befindet sich etwa 500 m entfernt auf einer Anhöhe.

[Quelle]
 
kennst Du eigentlich die neu entdeckten mutmaßlichen Lager zwischen Werra und Leine? (Grote 2015, s.o.) Maße ca. 300 m x 300 m sowie 320 m x 430 m.

Ausgehend, dass es sich bei diesen Lagern um augusteische Lager handelt, würde ich das größere Lager für eines der oben angesprochenen Standardlegionslager halten. Also wäre dies das Lager einer autonom operierenden Legion ohne Hilfstruppen. Das kleinere Lager scheint mir für die Unterbringung von 10 Kohorten etwas zu klein. Jedenfalls wenn man die 66m x 66m grossen Kohortenlagerplätze in Oberaden zugrunde legt.


Gruß
jchatt
 
Nur ein Einwurf:

Die Sache mit den Varuslegionen wäre natürlich sensationell. Aber eine Kernfrage ist natürlich mit wieviel Leuten Varus unterwegs war. Das die drei Legionen nicht in Sollstärke unterwegs waren steht wohl fest. Im Begleitband der Kalkrieser Ausstellung gibt es dazu einige sehr interessante Ausführungen von Thomas Tode.

Er schreibt, daß man von der Sollstärke einiges abziehen muß:

- zunächst natürlich die Besatzungen der Stand- und Versorgungslager innerhalb Germaniens und evt. auch Galliens.

- wahrscheinlich auch Bautrupps, die mit der Anlage der Infrastruktur in Germanien beauftragt waren.

- und die als sicher anzunehmenden Legionsvexillationen des Rheinheeres zur Bekämpfung des schweren Aufstands in Pannonien.

Er weist auch auf ein in Großbrittanien gefundenes Mannschaftsverzeichnis einer Auxiliarkohorte aus der hervorgeht, daß nahezu die Hälfte der Kohorte mit Aufgaben ausserhalb des Lagers betraut war. Für die Varuslegionen ergibt sich eine vorsichtige Schätzung von etwa 10.000 Mann.
(vergl. Varusschlacht im Osnabrücker Land, Verlag Philipp von Zabern S. 215)

Wenn jetzt dieses Lager für nahezu 20.000 Mann konzipiert war, müßte es für die Varuslegionen demnach deutlich zu groß gewesen sein.

Man kann mit Sicherheit annehmen, dass die Provinzialisierung in Germanien eine Dezentralisierung einzelner Truppenteile notwendig machte. Denkbar ist sicherlich auch das Soldaten nach Pannonien gingen. Ich halte es aber für absolut unwahrscheinlich, dass unter Augustus dazu Legionen geschwächt wurden.

Die Legion ist in erster Linie ein geschlossener Truppenkörper der darauf gedrillt wurde Schlachten zu schlagen und keine Verfügungsmasse für die Provinzialisierung. Für das Bewachen der Stand- und Nachschub-Lager und den Aufbau der Infrastruktur waren Veteranen und Hilfstruppen die entbehrlicheren Einheiten. (Bogenschützen in Aliso!)
Der Vergleich mit den britischen Truppen(Vindolanda-Tablets?) hingt gewaltig. Er stammt aus einer Zeit in dem die römischen Grenzen erstarrt waren und wie Du ja schreibst waren das auch keine Legionstruppen.
Unter Augustus wurden aber noch jährlich riesige Heere in feindliche Länder geschickt. Dieser offensive Einsatz der Legionen steht noch in direkter Linie zum vergleichbaren Vorgehen der Republik.

Erst nach Augustus wurden die Legionen zunehmend Teil der Grenzverteidigung und wurden eher defensiv eingesetzt. Irgendwann konnte man sie für einen Feldzug nicht mehr komplett abziehen ohne die Grenze fahrlässig zu entblößen. Bis Augustus waren Vexillationen nur die ausgegliederten Veteranen der Legion, nun wurden auch die eigentlichen Legionskohorten zu Feldzügen entsand. Für die Zeit des Augustus gibts es keine mir bekannten historischen Hinweise, das Legionen auseinandergerissen wurden.
Ich gehe deshalb davon aus, dass im Jahre 9 n.Chr. die kompletten drei Varuslegionen inklusive drei Reitereinheiten und ihren 6 [Veteranen]kohorten (Velleius) in Germanien unterwegs waren.

Gruss
jchatt
 
Die Schlacht am Harzhorn

Die Archäologen gehen davon aus, dass im Umkreis des jetzt entdeckten Römerlagers ein weiteres Marschlager liegen muß. Der Umkreis dürfte so bei +/- 20 km liegen. Von diesem weiteren Lager dürfte sich noch ein weiteres befinden.

Was ist dieselbe Richtung? Die Römer könnten von allen möglichen Richtungen nach bzw. von Wilkenburg marschiert sein. Vielleicht sind sie von den Basen am Rhein bzw. Lippe aus marschiert. Oder sind sie vom Süden (Mainz) in den Norden gezogen.

belegt eigentlich, dass es neben der West-Ost Route auch eine Süd-Nord-Route der Römer gab. Für die Abtragung der Bodenschicht sollte man auch nicht die Bauern verantwortlich machen. Das Problem ist wohl eher die Magdalenenflut 1342. Katastrophale Unwetter haben Mitteleuropa verwüstet. Millionen Kubikmeter wurden in Deutschland weggeschwemmt. Könnte auch eine Ursache zur Verlandung der Leine gewesen sein.
 
Die Legion ist in erster Linie ein geschlossener Truppenkörper der darauf gedrillt wurde Schlachten zu schlagen und keine Verfügungsmasse für die Provinzialisierung.

Ich hatte das Gefühl, dass sich die Forschung davon in den letzten Jahren sehr verabschiedet hat. Wichtig scheint mir hier vor allem die Arbeit von Yann Le Bohec, "Die römisch Armee" zu sehen. Habe ich vor langer Zeit mal gelesen, nicht allem zugestimmt, aber er hatte gute Argumente dafür, dass größere Einheiten wie Legionen oder selbst Kohorten häufig in diverse Vexillationen aufgeteilt wurden.
Zumindest die Marschlager der claudisch-flavischen Epoche in Großbritannien und Germanien scheinen ihn stark zu stützen. In letzteren Fällen sind die Legionen der Region gut bekannt und deren Anwesenheit in bestimmten Gegenden bezeugt, viele Marsch- und provisorische Lager waren aber zu klein für eine ganze Legion, aber größer als die späteren Standlager der Auxiliartruppen in diesen Gegenden.
Der Unterschied zur augusteischen Epoche ist, dass es in letzterer im Vergleich dazu diverse viel größere Marschlager gab, die ohne Frage eine ganze Legion und mehr aufnehmen konnten. Dennoch variieren die Größe für meinen Geschmack derart stark, dass es zumindest nicht auszuschließen ist, dass auch während der Augustuskriege Legionen aufgeteilt oder zusammengeschlossen wurden. An dieser Stelle sei auch mal auf die erst vor kurzem entdeckten und hier bisher wenig beachteten beiden Lager von Limburg verwiesen, die Größen von um die 10 Hektar hatten, also denkbare Vexillationslager waren. Auch Olfen scheint nur eine Fläche von 5 Hektar gehabt zu haben. Barkhausen - über das immer noch wenig im Netz zu finden ist - scheint zwar größer gewesen zu sein, aber mit 16 Hektar (ich beziehe mich auf diese Angabe: Woher kam Varus?: Römerlager gefunden - n-tv.de) auch nicht ganz die "Legionsgröße erreicht zu haben.
 
Für die Zeit des Augustus gibts es keine mir bekannten historischen Hinweise, das Legionen auseinandergerissen wurden.


Als der illyrische Statthalter Messalinus vom pannonischen Aufstand überrascht wurde, hatte er nur die "halbvolle" (semiplena) 20. Legion zur Verfügung, berichtet Velleius Paterculus (II,112):
"praepositus Illyrico subita rebellione cum semiplena legione vicesima circumdatus..."


http://www.geschichtsforum.de/f28/n...ologie-d-und-nachbarl-ndern-50396/index3.html
 
Als der illyrische Statthalter Messalinus vom pannonischen Aufstand überrascht wurde, hatte er nur die "halbvolle" (semiplena) 20. Legion zur Verfügung, berichtet Velleius Paterculus (II,112):
"praepositus Illyrico subita rebellione cum semiplena legione vicesima circumdatus..."

Ich würde daraus eher entnehmen, dass es eine Einheit mit geringem Mannschaftsstand war (halbvoll), nicht eine mit delegierten Truppenteilen.

Ich sehe es wie JChatt: Im prinzip sollte man davon ausgehen, dass eine Legion eine geschlossene und vollständige Kampfeinheit war, vor allem in Feindesland.

Daraus dass man es zu späteren Zeiten, als die Aufgabenstellung sich änderte und stationärer wurde, auch anders händelte, sollte man m.E. nicht als Maßstab für den hier betreffenden Zeitraum annehmen.

Dass kleinere Teileinheiten für Depot-, Transport- und Sicherungsaufgaben zurückblieben mag ja sein, aber ich denke nicht, dass da nur ein paar "Rumpfeinheiten" unterwegs waren. Da wäre m.E. auch die römische Reaktion eine andere gewesen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo @jchatt,

kennst Du eigentlich die neu entdeckten mutmaßlichen Lager zwischen Werra und Leine? (Grote 2015, s.o.) Maße ca. 300 m x 300 m sowie 320 m x 430 m.

Deine Meinung dazu würde mich interessieren.

Guten Morgen Divico,

die Leine ist noch ein gutes Stück weg davon. Beide "mögliche" Lager sind am Rittergut Ellerode bei Hedemünden. Die Maße sind:

Lager 1 450x320 m

Lager 2 350x270 m

Die Prospektion hatte bisher nichts erbracht, was für temporäre Lager nichts ungewöhnliches wäre (K.Grote 2012; S. 202). Es sei nochmal an die 7 ergrabenen temporären Lager im Gewerbegebiet in Hedemünden erinnert. Auch dort, so Grote, wurde in den Grabenverfüllungen nichts gefunden. Die "Rheinstraße" in Richtung Saale wurde bis in die frühe Neuzeit begangen.

Grüße
 
@ Divico,

da wir ja wissen das die Weser nur bis Minden schiffbar war, ist es nicht verwunderlich dort ein Lager zu suchen (Barkhausen? oder Nammer Lager andere Seite?). Das gleiche Spiel gilt auch für die Leine. Die Schiffbarkeit war nur bis Hannover (Wilkenburg?) gegeben.

Zitat: "Sie (die Aller) empfängt links vom Harz die Oker und vom Eichsfelde her die von Hannover an schiffbare Leine, in die rechts die Innerste fällt."

(Christ. Gottfr. Dan. Stein's kleine Geographie oder Lehrbuch der Erd- und Länderkunde 1845; S. 64)

Zu Fuß sind es von Barkhausen nach Wilkenburg ca. 66 km. Das war in 3 Tagen zu schaffen. Die eiserne Marschration (Zwieback) reichte nur für max. 3-4 Tage. Dann wurden die Truppen wieder von der Flotte mit Proviant versorgt. Bei Paterculus finden sich Hinweise bezüglich so einer Versorgung mit Flotte:

"Gleich wunderbarem Glücke, gleicher Sorgfalt des Anführers, auch der klugen Berechnung des rechten Augenblickes dankte man es, dass die Flotte, welche die Buchten des Ozean umschiffte, aus dem Meere, von dem man vorher nichts gehört und nichts gewusst hatte, in die Elbe einlief und sich mit dem Heere, das, so manches Volkes Besieger, reichlich an Proviant froh war und mit dem Caesar vereinte."

(Vell. II-106)

Für das Landesinnere jedoch mussten Depots wie in Rödgen (Mainz - Rödgen = 62 km; 3 Tage) angelegt werden. Schon Vegetius schreibt, dass es unerlässlich ist Depots im Feindesland anzulegen.

Anreppen (Winterlager/Depot) - Barkhausen (Flotte) = 72,5 km (3 Tage)
Barkhausen - Wilkenburg (Flotte) = 66 km (3 Tage)

Wie lange ging eigentlich die Varus-Schlacht nach Cassius Dio ? - 3 Tage (manche meinen 4). Er spricht von Begleitung der Getreidetransporte und Bewachung von festen Plätzen (Depots?) . . .

Die festen Plätze (Depots?) fielen bis auf einen (Aliso) in die Hände der Feinde. Damit war Varus von der Versorgung abgeschnitten. Vegetius schreibt, dass, wenn man von der Versorgung abgeschnitten ist, die Soldaten anfangen zu desertieren (Hunger). War es nicht so, dass auch die Reiterei unter Numonius Vala desertierte ???

Nichts ist schlimmer als Hunger ...
 
... aber er hatte gute Argumente dafür, dass größere Einheiten wie Legionen oder selbst Kohorten häufig in diverse Vexillationen aufgeteilt wurden.
Zumindest die Marschlager der claudisch-flavischen Epoche in Großbritannien und Germanien scheinen ihn stark zu stützen.

Das wird für den genannten Zeitraum wahrscheinlich sogar stimmen.
Aber die zeitlich frühere Varusschlacht markiert das Ende einer 600 Jahre währenden römischen Expansion und den Beginn der verstärkten Grenzbefestigung des Imperiums. Der Focus wechselte von der Offensive auf die Defensive.
Das ist meiner Meinung nach so gravierend, dass es sich verbietet bzgl. Stationierung und Dislozierung der Truppen pauschal von der einen Epoche auf die andere zu schließen.

Und wieso müssen es immer gleich Legionäre sein?
Die Legionäre waren Elitekämpfer. Für Brücken-/Strassenbau oder die Sicherstellung der Versorgung stelle ich doch nicht die besten Kämpfer ab wenn ich Alternativen habe. Wenn wir die 12 Legionen des Feldzuges gegen Marbod nehmen, dann gingen aus diesen Einheiten bei 16 Jahren Dienstzeit jedes Jahr 3.600 Veteranen hervor die weitere 4 Jahre erleichterten Dienst in der Provinz zu leisten hatten. Allein diese Truppe hätte 14.400 Mann für zweitrangige Aufgaben bereitstellen können. Die Kontingente der Hilfstruppen stellen eine weitere Alternative dar.

Wenn wir die beiden historisch überlieferten Lagerbeschreibungen den oben erwähnten Epochen zuordnen, dann gehört das Polybioslager in die Phase der Expansion und das Lager des Pseudo-Hygin in die Phase der Defensive.

Im Lager des Polybios bestimmt die Anzahl der Legionen die Anzahl der Hilfstruppen und somit die Gestalt der ganzen Konstruktion. Vexillationen oder Rumpflegionen werden nicht berücksichtigt.

Anders ist es beim Lager des Pseudo-Hygin. Vexillationen, Pioniere und Legionen in variabler Zusammenstellung und unterschiedlicher Personalstärke werden hier berücksichtigt. Es liefert also eine Lösung für den Fall von teilbesetzten Legionen oder zusammengefürfelten Truppen.

Das von mir anhand des Grabungsbefundes in Oberaden herausgearbeitete augusteische Ideallager steht dem Lager der frühen Republik aber näher als dem Lager des Pseudo-Hygin.
Wir haben nachwievor einen bestimmenden Kern in der Lagermitte der von den Legionen gebildet wird. Alles andere wird vor oder hinter diesen Kern im Lager verteilt. Dieses augusteische Ideallager hat noch nicht auf die genannten Probleme eines in seinen Grenzen erstarrten Imperiums reagiert.

Gruss
jchatt
 
Als der illyrische Statthalter Messalinus vom pannonischen Aufstand überrascht wurde, hatte er nur die "halbvolle" (semiplena) 20. Legion zur Verfügung, berichtet Velleius Paterculus (II,112):
"praepositus Illyrico subita rebellione cum semiplena legione vicesima circumdatus..."

Danke!
Diese Stelle hatte ich schon verdrängt. Sehe ich aber auch so wie bdaian

Gruss
jchatt
 
Zu Messallinus und der 20. Legion ist die Überlieferung etwas verwirrend.
Bei Velleius Paterculus klingt es so, als wäre der Statthalter Messallinus mit seiner halben Legion in Illyrien vom Ausbruch des Aufstands überrascht worden.
Aus Cassius Dio (55. Buch) ergibt sich jedoch, dass Messallinus mit dem Großteil seiner Truppen zum geplanten Feldzug des Tiberius und Saturninus gegen Marbod herbeigerufen worden war. Als Tiberius vom Ausbruch des Aufstands erfuhr, schickte er Messallinus nach Illyrien zurück und folgte ihm langsamer. Einer der Aufstandsführer, Bato der Dalmatier, zog dem Messallinus entgegen. Dann müsste es zum bei Velleius geschilderten Sieg des Messallinus mit seiner halbvollen Legion gekommen sein, aber darüber lässt sich Cassius (dessen 55. Buch leider nur lückenhaft erhalten ist, wobei obendrein umstritten ist, wie die erhaltenen Teile korrekt zusammenzusetzen sind) wiederum nicht näher aus.

Dass Messallinus nur eine halbvolle 20. Legion bei sich hatte, könnte sich somit aus der besonderen Situation erklären lassen, nämlich dass er offenbar ziemlich rasch nach Illyrien zurückmarschiert ist, wobei sich allerdings aus den Quellen nicht eindeutig ergibt, ob er die 20. Legion nach Germanien mitgenommen hatte. Aber wenn ja, wurde sie vielleicht zwecks rascherer Rückkehr vorübergehend geteilt.

Oder es ist tatsächlich gemeint, dass sie einfach nur halbe Sollstärke hat, wie Bdaian und jchatt vermuten. Grundsätzlich bin ich wie jchatt der Ansicht, dass man für die Zeit von Augustus noch nicht von planmäßigen längerfristigen Vexillationen ausgehen sollte, schon gar nicht, wenn eine Legion für einen Feldzug eingesetzt werden sollte.
 
Zu den Varus-Legionen fällt mir in diesem Zusammenhang noch ein, daß doch, ich glaube lt. Tacitus, der Marbod die Leistung des Arminius herabwürdigt, indem er sagt, Arminius habe nicht drei Legionen, sondern "tres vacuas legiones" oder nach anderer Lesart "tres vagas legiones" besiegt.

Was auch immer das genau heißen mag (es wurde ja schon als "leer", "teilweise im Urlaub befindlich" oder "umherirrend" interpretiert), es deutet jedenfalls darauf hin, daß mit den drei Legionen irgendetwas war, was ihre Kampfkraft erheblich negativ beeinflußt hat.

Ich meine, es wurde im Forum schon einmal erwähnt, vielleicht sogar diskutiert.
 
da wir ja wissen das die Weser nur bis Minden schiffbar war, ist es nicht verwunderlich dort ein Lager zu suchen (Barkhausen? oder Nammer Lager andere Seite?). Das gleiche Spiel gilt auch für die Leine. Die Schiffbarkeit war nur bis Hannover (Wilkenburg?) gegeben.

Was die Leine betrifft, d'accord. Aber woher wissen wir, dass die Weser zur Zeitenwende nur bis Minden schiffbar war? Die erwähnte Barriere könnte genauso gut erst im Frühmittelalter entstanden sein, etwa zur Abwehr von Wikingerüberfällen. Im Gegensatz zu den Römern hätten die Nordmänner nämlich über keine Landtruppen verfügt, die die Barriere einfach hätten forträumen können.

Davon abgesehen, dass Hedemünden ohne Flottenanbindung wenig Sinn zu ergeben scheint, kann ich mir nicht recht vorstellen wie die gleichen Leute, die zuvor die Alpen überquert und den Drususkanal gebaut hatten, vor ein paar Steinen in der Weser kapituliert hätten.


Zurück zu Werra und Leine. Am Wochenende habe ich mir einmal, unter Berücksichtigung des Geländeprofils, die möglichen Verbindungen zwischen den von Grote et al. vermuteten Signaltürmen angeschaut.

Hier im Anhang das recht interessante Ergebnis:

[Der (Signal-)Umweg über Mollenfelde und Kring erinnert an den Verlauf der Stain Street, also der römischen Straße zwischen London und Chichester.

In beiden Fällen hat man offenbar aus praktischen Gründen die Idealvorstellung zu Gunsten eines umsetzbaren Kompromisses zurückgestellt.]
 

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Das wird für den genannten Zeitraum wahrscheinlich sogar stimmen.
Aber die zeitlich frühere Varusschlacht markiert das Ende einer 600 Jahre währenden römischen Expansion und den Beginn der verstärkten Grenzbefestigung des Imperiums. Der Focus wechselte von der Offensive auf die Defensive.
Das ist meiner Meinung nach so gravierend, dass es sich verbietet bzgl. Stationierung und Dislozierung der Truppen pauschal von der einen Epoche auf die andere zu schließen.

Und wieso müssen es immer gleich Legionäre sein?
Die Legionäre waren Elitekämpfer. Für Brücken-/Strassenbau oder die Sicherstellung der Versorgung stelle ich doch nicht die besten Kämpfer ab wenn ich Alternativen habe. Wenn wir die 12 Legionen des Feldzuges gegen Marbod nehmen, dann gingen aus diesen Einheiten bei 16 Jahren Dienstzeit jedes Jahr 3.600 Veteranen hervor die weitere 4 Jahre erleichterten Dienst in der Provinz zu leisten hatten. Allein diese Truppe hätte 14.400 Mann für zweitrangige Aufgaben bereitstellen können. Die Kontingente der Hilfstruppen stellen eine weitere Alternative dar.

Wenn wir die beiden historisch überlieferten Lagerbeschreibungen den oben erwähnten Epochen zuordnen, dann gehört das Polybioslager in die Phase der Expansion und das Lager des Pseudo-Hygin in die Phase der Defensive.

Im Lager des Polybios bestimmt die Anzahl der Legionen die Anzahl der Hilfstruppen und somit die Gestalt der ganzen Konstruktion. Vexillationen oder Rumpflegionen werden nicht berücksichtigt.

Anders ist es beim Lager des Pseudo-Hygin. Vexillationen, Pioniere und Legionen in variabler Zusammenstellung und unterschiedlicher Personalstärke werden hier berücksichtigt. Es liefert also eine Lösung für den Fall von teilbesetzten Legionen oder zusammengefürfelten Truppen.

Das von mir anhand des Grabungsbefundes in Oberaden herausgearbeitete augusteische Ideallager steht dem Lager der frühen Republik aber näher als dem Lager des Pseudo-Hygin.
Wir haben nachwievor einen bestimmenden Kern in der Lagermitte der von den Legionen gebildet wird. Alles andere wird vor oder hinter diesen Kern im Lager verteilt. Dieses augusteische Ideallager hat noch nicht auf die genannten Probleme eines in seinen Grenzen erstarrten Imperiums reagiert.

Gruss
jchatt

Für mich bleibt das Problem der enormen Vielfalt der augusteischen Lager in Form und Größe. Kann man denn wirklich ein "Ideallager" herausarbeiten? Kein zweites Lager wie Oberaden wurde gefunden. Am klarsten ist für mich eher noch die Situation bei den kleinsten Lagern in Rödgen und Hedemünden als Versorgungsplätze.
Dangstetten, dass in der Regel mit dem Alpenfeldzug in Verbindung gebracht wird, wird vom Ausgräber Fingerlin explizit als Vexillationslager angesprochen. Leider finde ich im Internet keine Begründung für diese Interpretation, nehme aber an, dass er zwei Elemente in Einklang zu bringen versucht. Denn in Dangstetten ist die Anwesenheit der XIX. Legion bezeugt, doch andererseits erreicht auch dieses Lager nicht die Größe, die man gemeinhin für eine einzelne Legion annimmt.
 
Guten Morgen Divico,

P. Wegner sagt in seiner Publikation das es Klippen bei Hameln, als auch bei Latferde gab. Das sind geologische Barrieren und keine "handgemachten". Letztere wurden erst in den 1960er Jahren entschärft. Das gleiche Problem gibt es auch bei Magdeburg (Magdeburger Domfelsen). Darum hatten die Römer nach derzeitigen Indizien weiter Fluss abwärts bei Stendal geankert. Die Geophysik erbrachte neben Münzen und Bronzefragmenten ein großes rechteckiges Zentralgebäude (ähnliche Maße wie in Hedemünden).

https://de.wikipedia.org/wiki/Domfelsen

Grüße
 
Für mich bleibt das Problem der enormen Vielfalt der augusteischen Lager in Form und Größe. Kann man denn wirklich ein "Ideallager" herausarbeiten?

Das Problem der enormen Vielfalt haben ja auch andere archäologische Artefakte ( Scherben, Schuhnägel, Münzen, Fibeln, Waffen etc.)
Man hat in diesen Fällen gezielt nach gemeinsamen oder trennenden Eigenschaften gesucht um durch anschliessender Interpretation eine Klassifizierung dieser Artefakte zu erreichen. Als Ergebnis können wir nun nicht nur sagen dass eine Scherbe römisch ist, sondern evtl. sogar Herstellungszeitpunkt oder sogar den Töpfer benennen, bei Waffen können wir zwischen Legionswaffen und Waffen von Hilfstruppen unterscheiden.
Eine Klassifizierung der Römerlager könnte also möglicherweise in gleicher Weise Aufschluss über Zeitstellung oder Verwendungszweck bringen. Ich denke bis hier sind wir uns einig.
Durch die Schriften der Agrimensoren, ihren Vermessungsgeräten und den überlieferten Lagerbeschreibungen ist klar, dass rechte Winkel, Parallelität und Symmetrie eine Rolle beim Bau der römischen Lager gespielt haben. Es liegt also nahe die vorhandenen Lager zunächst anhand dieser Parameter zu klassifizieren.
Ob man aus dem bestehenden archäologischen Befunden ein Ideallager rekonstruieren kann, muss jeder selbst entscheiden. Ich meine es geht. Immerhin ist mein Vorschlag in der Lage die Form des Lagers in Engelhartstetten vorherzusagen und liefert eine Erklärung für die polygonale Form der oben genannten grossen augusteischen Lager. Denn wie ich schreibe ist diese Polygonalität bei diesen Lagern am Reissbrett konstruiert, während sie bei Lagern wie Kops Plateau, Haltern und Marktbreit organisch gewachsen ist.

Dies ist aber nur ein Aspekt der Unterscheidung zwischen diesen beiden Gruppen von Lagern. Weitere Unterscheidungen sind:

  • Kops Plateau, Haltern und Marktbreit weisen gleich grosse Zentralgebäude auf. Trotz dieser Gemeinsamkeit, sind alle drei Lager unterschiedlich gross. Die Annordnung dieser Zentralgebäude ist dabei nicht normiert und unsymmetrisch. Principia und Praetorium unterscheiden sich von denen der grossen Lager.
  • Kops Plateau, Haltern und Marktbreit sind in der Zeit Ihres Bestehens teilweise mehrmals erweitert worden. In Marktbreit hat das Vorgängerlager die selbe unsymmetrische Struktur wie das Folgelager. Es ist nur erheblich erweitert worden. Eine Legion wächst in der Regel aber nicht.
  • In Haltern und dem Kops Plateau ist es zweifelhaft ob eine vollständige Legion untergebracht werden konnte. Dazu konträr übersteigt die Anzahl der Offiziersgebäude den erwarteten Bestand einer Legion (Haltern)
  • zumindest für Haltern haben wir den für ein Legionslager untypischen Befund einer provinzial-römischen Gräberstraße
  • In Haltern gibt es unterschiedliche Gebäudeformen bei den Kasernen. Sie unterscheiden sich z.B. in der Länge. Das Gros der Kasernen hat 12-14 Kontubernien. Es gibt aber auch kleinere Kasernen mit 10 Kontubernien. Auf Kohorten umgerechnet ergibt das unterschiedliche Personalstände zwischen 480-672 Mann.
  • In den kleineren Lagern gibt es Hinweise auf zivile Nutzung. Mit einem Legionslager eigentlich nicht vereinbar.
  • Trotz geringerer Größe gibt es nennenswert höhere Fundmengen von gegengestempelten Assen in diesen Lagern.

Sicherlich kann man diese Aspekte auch mittels Hilfskonstruktionen (Vexilitationen, längerer Bezug der Lager etc. ) Richtung Legionslager interpretieren. Nur gibt es mittlerweile eine wie ich meine wesentlich einfachere Erklärung die ohne Hilfe auskommt.

Für ein Provinzial-römisches-Veteranenlager wären Lagerwachstum, unterschiedliche Kohortenstärke, zusätzliche Offiziersgebäude, zivile Gräberstrassen sowie unsymmetrische Lagerkonstruktionen kein Problem.

Es ergäbe sich damit ein Netz von wachsenden Veteranenlagern, wobei deren Personalstärke mit der Exponiertheit ihres Standorts zunimmt. (Kops Plateau am Rhein kaum Kasernen- Marktbreit dagegen das östlichste und grösste dieser Lager). Die unterschiedlichen Kohortenstärken in Haltern harmonieren dabei perfekt mit den Dienstzeiten während der Okkupationszeit von 16+4 bzw. 20+5 Jahren, wobei 16+4 ca. 600 Veteranen alle zwei Jahre erzeugt, 20+5 dagegen ca. 480 Veteranen.

Für Marktbreit z.B. ergäbe sich damit ein grundsätzlich anderer Erklärungsansatz. Mit der Aufgabe dieses Lagers und der darauffolgenden Stationierung von Veteranen in Raetien (Tacitus) gegen die Suebengefahr, besteht die Möglichkeit, dass die Veteranen aus Marktbreit zunächst von Tiberius für die Verteidigung der Rheingrenze zurückbeordert und reintegriert wurden, wo sie dann als einer der treibenden Faktoren der Meuterei erneut gegen die Sueben stationiert wurden. Allerdings nun auf die zurückgenommene Rhein-Donaugrenze und nicht mehr am Main etwas südlich von Schweinfurt(Suebenfurt?).

Gruss
jchatt
 
  • zumindest für Haltern haben wir den für ein Legionslager untypischen Befund einer provinzial-römischen Gräberstraße
Die Castra Vetera hatte auch eine, die ist nur später durch die CUT weitgehend überbaut worden. Ich würde das nicht für untypisch halten. Bei Marschlagern dürfte es wenig entsprechende Zeugnisse geben, es sei denn, dass man die eigenen Verluste nach einer siegreichen Schlacht bestattete (bei einer verlorenen räumte man, wenn man noch konnte, das Feld). Bei Marschlagern dürften sich die Todesfälle außerhalb von Schlachtgeschehen in Grenzen gehalten haben, so dass Marschlager kaum als Referenz für die Existenz/Nichtexistenz herhalten können.

Wenn bei den rechtsrheinischen Lagern, der Nachweis für Gräberstraßen (bisher noch) fehlt, heißt das nicht, dass sie existiert hätten. Auch bei Haltern hat man die Gräberstraße ja nicht gefunden, weil es oberirdische zeugnisse noch gegeben hätte. Man konnte sie aufgrund von Verfärbungen im Boden erkennen. Aufgrund unserer Erfahrung mit den linksrheinischen Lagern und Haltern sollten wir eher annehmen, dass die dauerhaft besetzten Lager solche Gräberstraßen hatten. Wir müssen aber womöglich auch davon ausgehen, dass die sterblichen Überreste zum Hauptlager einer Legion verbracht wurden, so äußert sich ja Publius Caelius im Kenotaph für seinen Bruder, dass er hoffe, dass dessen Knochen dereinst in Vetera einmal ihre letzte Ruhe fänden

Allerdings nun auf die zurückgenommene Rhein-Donaugrenze und nicht mehr am Main etwas südlich von Schweinfurt(Suebenfurt?).
Schweinfurt hat weder etwas mit Schweinen noch mit Sueben zu tun. Sondern mit dem sumpfigen und morastigen Gewässer dort.
 
Zuletzt bearbeitet:
Und Anreppen liegt in einer Region mit vielen älteren Grabhügeln, da kann sich das ein oder andere Römische Grab versteckt haben, bevor sie zerstört wurden. In den 80ern konnte man die ein oder andere Stelle noch als Erhöhung erkennen, während sie heute der Pflug endgültig eingeebnet hat. Ich kann mich erinnern, dass mir als Kind ein Hügel als Grenzpunkt gezeigt wurde. Dort soll einst ein behauener Stein gestanden haben, der später durch einen Grenzstein ersetzt und durch einen Amtmann unterschlagen wurde, der nach dem Diebstahl einiger Gemeindekassen in die USA floh, wo er angeblich kurz nach der Einreise verstarb. Die paar gemeldeten Funde von Landwirten wurden meines Wissens im März 1945 mit dem Brand der Wewelsburg zerstört. In den 60er oder 70er Jahren sind die noch erkennbaren Gräber von einem Doktoranden verzeichnet worden. Jedenfalls hat es mir der Landwirt, der sie ihm gezeigt hat, so erzählt. Meines Wissens wurde es nie veröffentlicht.

Unmittelbar beim Lager kann man dort allerdings nichts finden, da es etwas erhöht in einem Überschwemmungsgebiet liegt.

Damit kann Anreppen für eventuelle Gräberstraßen nicht als Beleg oder Widerlegung herangezogen werden.
 
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