Mauren und Sarazenen in Südfrankreich

silesia

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https://de.wikipedia.org/wiki/Islam_in_Frankreich

Eine neue Untersuchung:

PLOS ONE: Early Medieval Muslim Graves in France: First Archaeological, Anthropological and Palaeogenomic Evidence

Gleize et. al.: Early Medieval Muslim Graves in France: First Archaeological, Anthropological and Palaeogenomic Evidence

Vorwort:

"The rapid Arab-Islamic conquest during the early Middle Ages led to major political and cultural changes in the Mediterranean world. Although the early medieval Muslim presence in the Iberian Peninsula is now well documented, based in the evaluation of archeological and historical sources, the Muslim expansion in the area north of the Pyrenees has only been documented so far through textual sources or rare archaeological data. Our study provides the first archaeo-anthropological testimony of the Muslim establishment in South of France through the multidisciplinary analysis of three graves excavated at Nimes. First, we argue in favor of burials that followed Islamic rites and then note the presence of a community practicing Muslim traditions in Nimes. Second, the radiometric dates obtained from all three human skeletons (between the 7th and the 9th centuries AD) echo historical sources documenting an early Muslim presence in southern Gaul (i.e., the first half of 8th century AD). Finally, palaeogenomic analyses conducted on the human remains provide arguments in favor of a North African ancestry of the three individuals, at least considering the paternal lineages. Given all of these data, we propose that the skeletons from the Nimes burials belonged to Berbers integrated into the Umayyad army during the Arab expansion in North Africa. Our discovery not only discusses the first anthropological and genetic data concerning the Muslim occupation of the Visigothic territory of Septimania but also highlights the complexity of the relationship between the two communities during this period."
 
Irgendwo müssen ja die Muslime, die Denare und Dirhams in Narbonne (Arbūna) prägten, ja auch bestattet worden sein.
 
Irgendwo müssen ja die Muslime, die Denare und Dirhams in Narbonne (Arbūna) prägten, ja auch bestattet worden sein.

Ja, gestorben wird eigentlich immer.

Und wenn man Denare und Dirhams prägte, hat man diese Mühe sicher für eine größere Anzahl von Menschen unternommen:
Our study provides the first archaeo-anthropological testimony of the Muslim establishment in South of France through the multidisciplinary analysis of three graves excavated at Nimes.

Aber es ist schon erstaunlich wie wenig doch bei den Muslims gestorben wird. Schon in Spanien war man froh einige muslimische Tote untersuchen zu können. Wenn auch erst aus dem 12. und 13. Jahrhundert:
Finally, the medieval population in al-Andalus has also been genetically documented through the analysis of human remains originating from three archeological sites in Andalusia and dating to the 12th-13th centuries, more than 500 years after the conquest.

Man wird sicher noch viele, viele Gräber finden, denn Moslems drangen bis ins halbe Frankreich vor und man staunt nicht schlecht, wenn man liest: Sie beherrschten dann längere Zeit die Schweiz (952–960).
Auch dort müßten einige Gräber zu finden sein. Ausgerichtet nach Mekka.
 
Gangflows trollige Randbemerkungen - wie üblich sinnfrei verquirrlt mit Zitaten - kann man übergehen.


Irgendwo müssen ja die Muslime, die Denare und Dirhams in Narbonne (Arbūna) prägten, ja auch bestattet worden sein.

Die Studie zitiert ja einige Literatur (Fn. 19-22), die sich mit dem archäologischen Nachweis der relativ kurzen muslimischen Präsenz in Septimania (Keramik, Münzen) beschäftigt hat.

Inzeressant ist nun, dass hier die aus Spanien und Portugal und der Okkupation bekannten "Berberlinien" nachgewiesen worden sind.

Casas et. al., Human Mitochondrial DNA Diversity in an Archaeological Site in al-Andalus: Genetic Impact of Migrations from North Africa in Medieval Spain.
 
Was die Menge der gefundenen Gräber angeht: Christliche und muslimische Gräber zeichnen sich, zumindest in der Orthodoxie, durch ihre Beigabenlosigkeit aus. Ob sich also ein Leichnam überhaupt erhält, ist eine Frage der Bedingungen: Bodenchemie (sauer oder basisch, kalciumwert), des Bodenklimas (feucht, trocken) etc. Es gibt z.T. Doppelbestattungen, bei denen ein Leichnam besser erhalten ist als ein anderer, weil sich aufgrund von Staunässe im Grab in der einen Hälfte der Leichnam erhalten hat und in der anderen Hälfte nicht. Ob sich also Knochen erhalten, kann im Extremfall von Zentimeter zu Zentimeter unterschiedlich sein, der Normalfall ist aber, dass sie verrotten. Wenn die Knochen verrottet sind und auch von den Zähnen nichts mehr übrig ist, dann kann allenfalls noch der Leichenschatten (wenn er denn als solcher erkannt wird!) Auskunft geben oder aber die Chemie: (Ehem.) Friedhöfe sind überdurchschnittlich phosphathaltig. Wenn nun aber ein Friedhofsgelände gut drainiert ist, dann ist auch das Phosphat irgendwann nicht mehr nachzuweisen, weil es ins Grundwasser oder in die umliegenden Gewässer gerät, was meist ein verstärktes Wasserpflanzenwachstum zur Folge hat.
 
Irgendwo müssen ja die Muslime, die Denare und Dirhams in Narbonne (Arbūna) prägten, ja auch bestattet worden sein.

Dafür ist aber eben die Bestattung bei Nimes ein schlechtes Beispiel. Nimes war nicht befestigt und Muslime und Bewohner scheinen ganz gut miteinander ausgekommen zu sein. Die Gräber der drei Muselmanen befanden sich auf einem von den Römern verlassenen Areal und zwischen Christen einträchtig bestattet.

Auch hat man bei Nimes nur eine Münze gefunden. Im Gegensatz zu Narbonne, wo man etwa 25 Münzen fand.

In Nimes und anderen Städten lebte man um 725 wohl unter der Herrschaft der Muslime. Die Einwohner behielten aber durch Abkommen ihre Gesetze und Religion gegen die Zahlung einer Steuer und unterstanden weiterhin ihren Eliten z.B. ihrem Bischof.

Zwölf Jahre später (737) nachdem er vergeblich Narbonne belagert hatte, verwüstete Karl Martell die ganze Gothie und zerstörte ihre Städte. Er verbrannte bis auf die Grundmauern die berühmten Städte Nimes, Agde und Béziers.

Entweder stimmt's nicht, denn es scheint sich wieder normalisiert zu haben. Erst 752 übertrug der Gote Ansemundus dem König Pippin Maguelone, Agde, Béziers und die Stadt Nimes.

Da ist sicher eine Menge fränkisches Wunschdenken in die Schilderung der Annalen geflossen. Die Menschen werden mehr unter der "Befreiung" durch die Franken, als unter der Herrschaft der Moslems gelitten haben.
 
Man wird sicher noch viele, viele Gräber finden, denn Moslems drangen bis ins halbe Frankreich vor und man staunt nicht schlecht, wenn man liest: Sie beherrschten dann längere Zeit die Schweiz (952–960).
Auch dort müßten einige Gräber zu finden sein. Ausgerichtet nach Mekka.

"Beherrscht" ist etwas übertrieben formuliert - die Sarazenen haben keine Herrschaft ausgeübt. Es handelt sich vielmehr um grossangelegte, wiederkehrende Raub- und Plünderungszüge im Stil der Wikinger und Ungarn. Dabei haben sich die Sarazenen an den Alpenpässen auch temporär niedergelassen (vergleichbar mit den "Winterlagern" der Wikinger).
920, erste Raubzüge ins Wallis, 930, Raubzüge nach Churrätien, Überfälle auf Rompilger, 940 Plünderung des Klosters St. Maurice, 940 ? Überfall auf Bischofssitz Chur und Zerstörung des Klosters Disentis, nach 940 Zerstörung der Kirche Bourg Saint Pierre am Grossen St. Bernhard, 972 / 973 Gefangennahme des Abtes Maiolus von Cluny in Orsières am Grossen St. Bernhard (Lösegeld 1'000 Pfund Silber).
Ursprüngliche Hauptbasis der Überfälle war "Fraxinetum" - La Garde-Freinet bei Saint-Tropez.
Im östlichen Alpenraum der heutigen Schweiz, z.B. St. Gallen, wurden Sarazenen oftmals mit Ungarn (und umgekehrt) verwechselt (die Raubzüge fanden im selben Zeitraum statt).

Sarazenische Gräber oder gar Siedlungsreste wurden in der Schweiz bis jetzt nicht gefunden. Es gibt keine archäologischen Spuren. Die immer wieder postulierte arabische Etymologie einiger Walliser Orts- und Flurnamen wird mehrheitlich abgelehnt.

Bei den Orts- und Flurnamen die einen Bezug zu "Sarazenen" vermuten lassen, z.B. Pontersina im Engadin (Brücke der Sarazenen) dürfte es sich mehrheitlich um Bezeichnungen handeln, welche von der ansässigen Bevölkerung nicht mehr verstanden wurden und deshalb auf "mythische Zeiten" zurück interpretiert wurden, ähnlich wie die ebenfalls im Alpenraum verbreiteten "Heidenhäusern". Ein direkter Bezug zu historischen Sarazenen drüfte dabei meist nicht gegeben sein.
 
Zuletzt bearbeitet:
Dazu auch der Querverweis zur Fundlage Septimania aus dem verlinkten Aufsatz:
http://snl87.fr/documents/Monnaiesarabes.pdf

Danke für diesen Link. Ich hatte mir schon diesen durchgelesen:

http://aldo.persee.fr/aldo/GetEleme...015beb75-ca10-4a43-882a-8c7716d05402&type=pdf

Aus dem Link zur Fundlage:

Das Zentrum der muslimischen Eroberung war Narbonne. Hier und südlich Richtung Spanien fand man die größte Anzahl Münzen. Also schon 8 Jahre nach der ersten Eroberung Spaniens war die Ausbreitung bis hierher gediehen.

J. Duplessy teilte die Ausbreitung der Währung in drei große Perioden ein:
Die erste Periode, verbreitet über das 8. und 9. Jahrhundert, hatte zwei unterschiedliche Währungen. Die erste waren Denare und Dirhams aus Spanien und gingen in den Südwesten von Gallien. Die zweite erreicht Norditalien, das Rheintal und Nordeuropa.
Die zweite Periode war vom Ende des 9. auf das 10. Jahrhundert. Eine vollkommen verschiedene Währung startete vom vorderen Orient durch das Baltikum, ließ ganz Europa im Süden und Westen links liegen. Das war die Periode der Schatzfunde der skandinavischen Wikinger und der britischen Inseln. Sie bestand einzig aus Silber Dirhams. Hauptsächlich der Abbassiden und Samaniden.
Die dritte Periode endlich im 12. und 13. Jahrhundert brachte am meisten Funde in Frankreich und sie bestanden einzig aus Goldmünzen (hauptsächlich der Almoraviden und Almohaden). Aus Münzstätten Spaniens und des Maghreb.

Septimanien (719-759).
Narbonne wurde wohl Mitte 719 durch den Gouverneur al-Samh von al’Andalus eingenommen. Carcassonne, Lodève, Béziers, Agde und Nîmes in 725, ohne großen Widerstand. 735 kamen Arles, St. Rémi und Avignon unter muslimische Herrschaft.
737 intervenierte Karl Martell, erstürmte Avignon, dann Nimes, Maguelonne, Agde und Béziers, belagerte ohne Erfolg Narbonne. Nach 740 mußte der Gouverneur von al-Andalus wegen eines Aufstands der Berber Truppen aus dem Norden der Pyrenäen abziehen. Das schwächte Septimanien im Angesicht fränkischer Attacken. 759 masakrierten die gotischen Eliten die muslimische Garnison und unterwarfen sich Pippin dem Jüngeren.
Entgegen der traditionellen Ansicht, die eine muslimische Präsenz bagatellisiert, zeigen kürzliche Forschungen durch Rémi Marichal, Archäologe der INRAP und Philippe Sénac, Professor an der Universität Toulouse, daß während 40 Jahren, also zwei Generationen, Septimanien eine Provinz von al-Andalus war. Geführt von einem wali und daß die Hauptstadt Arbunah (Narbonne) vielleicht sogar eine Moschee besaß. Wie im Rest des gotische Spanien ist die Eroberung mehr oder weniger friedlich verlaufen unterstützt durch Verträge mit der gotischen und gallischen Aristokratie.

Aquitanien.
Im Gegensatz zu Septimanien ist keine muslimisch-arabische Präsenz in Aquitanien festzustellen. Die Kriegszüge gegen Toulouse (721), dann gegen Bordeaux und gegen Tours (732) zeigen in keiner Weise eine Form der Besatzung. Im Gegensatz zu lokalen Legenden und den populären Überlieferungen gibt es für das Verharren "sarazenischer Banden“ und für die Einrichtung arabischer Besatzung nach der berühmten Schlacht von Poitiers bis anhin nicht den geringsten belastbaren Beweis.
Mitte des 8. Jahrhunderts wurde die de-facto-Unabhängigkeit von Aquitanien durch die systematische Zerstörung der Landstriche des Herzogs Waifre durch Pippin den Jüngeren zwischen 760 und 768 unterbunden. Doch diese gewaltsamen Übernahme der Karolinger der Gebiete zwischen Loire und Garonne verhinderte nicht die separatistischen Bestrebungen der Aquitaine, was die Revolten von 769 und 778 bewiesen. Karl der Große schuf 781 das Reich Aquitanien zugunsten seines Sohnes Ludwig.

Übrigens, die Städte im Süden der Garonne, die in den vergangenen Jahrhunderten nach und nach unter die Herrschaft der Basken/Vaskonen gekommen waren, gelangen nur sehr theorethisch unter die Macht der Karolinger. Ein Gebiet das im 8. und 9. Jahrhundert nicht wirklich beherrscht wurde. Man beachte, daß in diesem Gebiet die Mehrzahl der Dirhams entdeckt wurden. Das zeigt den Wechsel hin und her der Währungen in der Welt der Basken dies- und jenseits der Pyrenäen.




Ich hoffe, es kommt nicht gleich der übliche „Holzhammer“, wenn ich noch mitteile, was mir aufgefallen ist:

1. Eroberung Spaniens 711-719
2. 718 begann eine Rebellion in Asturien. Ausgangspunkt der Reconquista. Sie endete erst 1492 nach 774 Jahren!
3. Für die Zeit nach 430 Jahren findet man in Frankreich immer noch die meisten Münzen aus Münzstätten in Spanien und Maghreb.
4. Die Anwesenheit oder Nichtanwesenheit der Franken hat relativ wenig Auswirkungen auf das Zusammenleben von Goten und Muslimen in Südfrankreich.
5. Beschreiben die fränkischen Annalen vielfach deren Wunschdenken?
6. Kann man heute eine vorsichtige Neuinterpretation der Forschung feststellen?
 
Wie im Rest des gotische Spanien ist die Eroberung mehr oder weniger friedlich verlaufen unterstützt durch Verträge mit der gotischen und gallischen Aristokratie.

Das klingt nach der Darstellung der asturischen Legendenschreiber:

Den Untergang des Westgotenreichs stellt der Autor der Mozarabischen Chronik völlig anders dar als die im 9. Jahrhundert einsetzende Chronistik des christlichen Königreichs Asturien, welche die mittelalterliche und frühneuzeitliche Geschichtsschreibung Spaniens prägte. Die von den asturischen Chronisten in den Vordergrund gestellten Legenden, wonach der Westgotenkönig Witiza zu den Hauptschuldigen am Verfall und Untergang des Westgotenreichs gehörte und Witizas Söhne mit den angreifenden Muslimen kooperierten und so wesentlich zur westgotischen Niederlage beitrugen, kommen in der Darstellung des Mozarabers nicht vor, vielmehr beurteilt er Witizas Regierung positiv. Seine Schilderung hat wesentlich dazu beigetragen, dass die moderne Forschung die Verratslegende entlarven konnte.[6]


https://de.wikipedia.org/wiki/Mozarabische_Chronik
 
2. 718 begann eine Rebellion in Asturien. Ausgangspunkt der Reconquista. Sie endete erst 1492 nach 774 Jahren!

Der Begriff Reconquista ist Banane, weil er impliziert, dass die Eroberer die Nachfahren der Westgoten waren. Das stimmt so aber nicht, die Mehrheit der Westgoten ging in der andalusischen Bevölkerung auf. Teilweise bekehrte sich der Adel recht schnell zum Islam, wie etwa im Fall der Gotin Sarah, eine Tochter des Westgotenkönigs Witiza, deren Nachkomme Ibn al-Qūṭiyya (Sohn der Gotin) im 10. Jhdt. am kalifalen Hof in Córdoba ein Amt ausübte. Ebenso ist Egilona, die Witwe des letzten Westgotenkönigs Roderich, bald mit 'Abd al-Azīz, dem Sohn von Mūsá bin Nuṣayr verehelicht.

Die ersten Jahrhunderte sind von einer muslimischen Dominanz auf der iberischen Halbinsel geprägt. Zwar sind die Untertanen noch lange mehrheitlich Christen, aber das Emirat und später Kalifat unterhält mal freundliche, mal kriegerische Beziehungen mit den Staaten im Norden. Ibn Ḥazm berichtet davon, dass die kalifale Familie "blond" gewesen sei ("blond" ist sicher nicht in unserem Sinne verstehen, das was Spanier heute z.T. als "blond" bezeichen ist bei uns noch immer ein klares braun), was sicher darauf zurückzuführen ist, dass die Kinder teilweise aus Beziehungen mit euopäischen Sklavinnen (Ṣaqālibāt) stammten, teilweise aus diplomatischen Ehen mit den christlichen Fürsten Nordspaniens, wie etwa 'Abd ar-Raḥmān Sanǧūl (Sanchuelo), der Sohn des Großwesirs Almanzor; Sanǧūl (Sanchuelo) ist eine arabisierte romanische Diminutivform von Sancho, so hieß nämlich sein Großvater, der König von Navarra.

Bis weit ins 11. Jhdt. spielte Religion kaum eine Rolle bei den verschiedenen Kämpfen. Bei dem Krieg der drei Sanchos, in dem sich drei Cousin, die alle nach dem gemeinsamen Großvater Sancho hießen, gegenseitig bekriegten, kämpften Muslime mit, als sich der kastilische Sancho mit seinen Brüdern Alfonso und García um Ländereien stritt, gingen die beiden Brüder geschlagen ins muslimische Exil, als bei den Banū Hūd der Bruderzwist ausbrach, verbündeten sie sich mit konkurrierenden christlichen Magnaten... Erst im ausgehenden 11. Jhdt. bis ins frühe 13. Jhdt. wurde aus den Kriegen zwischen Muslimen und Christen ein Glaubenskrieg. Wiewohl bereits früher die Religion immer mal wieder eine Rolle spielte. Bettina Münzel hat dazu mal eine interessante Studie vorgelegt: In Kriegszeiten benannten die muslimischen Quellen die Christen als mušrikūn (Götzenanbeter) oder kuffār (Ungläubige) in Friedenszeiten dieselben Quellen denselben Personenkreis als naṣrānī (Nazarener) bzw. masīḥīyūn (in etwa 'Messianer').

Langer Rede kurzer Sinn: Der Begriff der Reconquista ist vor dem 11./12. Jhdt. unsinnig. Richtig in Fahrt kommt die Reconquista im 11. Jhdt, nach dem Zusammenbruch des Kalifats, wird dann aber zunächst durch die Almoraviden und später durch die Almohaden gestoppt. Im 13. Jahrhundert nimmt sie dann wieder an Fahrt auf und übrig bleibt Granada, das 200 Jahre lang davon profitiert, dass Kastilien mit sich selbst und seinen christlichen Nachbarn beschäftigt ist. Im Übrigen, das Wappen der Naṣriden, den Königen von Granada, trägt den Schriftzug Wa lā ġāliba illā-llāh ("es gibt keinen Sieger außer Allāh"). Dieser Spruch geht auf den Gründervater dieser Dynastie zurück, der 1238 den Kastiliern zum Sieg über das muslimische Sevilla verholfen hatte. So viel wieder zur "Reconquista" als Glaubenskrieg...

3. Für die Zeit nach 430 Jahren findet man in Frankreich immer noch die meisten Münzen aus Münzstätten in Spanien und Maghreb.
Den Satz verstehe ich nicht. Was willst du damit sagen?

5. Beschreiben die fränkischen Annalen vielfach deren Wunschdenken?
Man muss Quellen unterscheiden in Dokumente und Monumente. Dokumente sind Quellen, die im und für den Augenblick geschaffen werden. Ein Rechnung, die zufällig erhalten bleibt, ist ein Dokument. Monumente sind Quellen, die für die Nachwelt erschaffen wurden. Also beispielsweise Historiographie. Urkunden (Diplomata) sind Quellen, die eine Zwitterstellung zwischen beidem einnehmen. Sie sind eigentlich für den Augenblick geschaffen, nämlich um einen Rechtsakt zu dokumentieren, haben gleichzeitig aber auch für die Nachwelt bindende Wirkung. Gefälschte Urkunden sollen v.a. in der Gegenwart einen Rechtsakt in der Vergangenheit dokumentieren, der so nicht existierte. Bei Monumenten, also historiographischen Quellen, zu denen Annalen gehören - wobei die Annalen eigentlich eine wenig ausführliche Q-Gattung sind, insofern ist zu fragen, ob hier wirklich Annalen gemeint sein - gibt es i.d.R. auch einen Anlass für den Geschichtsschreiber etwas niederzulegen: Nämlich seine Interpretation von Geschichte. Darin wird er in der Regel mit sich selbst/seinem Auftrageber/seiner Partei günstiger umgehen, mit dem Gegner weniger günstig.

6. Kann man heute eine vorsichtige Neuinterpretation der Forschung feststellen?
I.d.R. geht die Forschung mit den Quellen mit der notwendigen Kritik um, deswegen erscheint mir diese Frage etwas weltfremd zu sein.
 
Dass Aquitanien im Gegensatz zu Septimanien und dem Rhonetal von dauerhafter arabischer Besetzung verschont blieb mag an der Geographie liegen
Von Süden her war es abgeschirmt durch die Pyrenäen,von Osten her durch das Zentralmassiv und seine Ausläufer.

Dagegen war Septimanien und die Narbonensis von Süden und vom Mittelmeer aus leichter zu erreichen und zu halten und die nach Norden abgeschirmten Gebiete im Massif des Maures in der Provence bei Frejus waren ja selbst in der Hochblüte des Karolingerreiches bis zur Schlacht von Tourtour 973 fest in maurischer Hand und wurden durch mehrere Festungen,darunter Fraxinetum gesichert

Zur Frage der Gräber,die ja im wesentlichen an ihrer Ausrichtung gen Mekka erkennbar sein sollen- Mekka und Jerusalem liegen von Südfrankreich aus gesehen grob in der gleichen Richtung, insofern dürfte die Differenzierung in christliche und muslimische Gräber ,wenn keine einschlägigen Beigaben oder Grabsteine vorhanden sind relativ schwierig sein.,
 
Zur Frage der Gräber, die ja im wesentlichen an ihrer Ausrichtung gen Mekka erkennbar sein sollen - Mekka und Jerusalem liegen von Südfrankreich aus gesehen grob in der gleichen Richtung, insofern dürfte die Differenzierung in christliche und muslimische Gräber ,wenn keine einschlägigen Beigaben oder Grabsteine vorhanden sind relativ schwierig sein.
Eigentlich nicht, denn christliche Gräber sind nicht nach Jerusalem ausgerichtet. In christlichen Gräbern liegt der Verstorbene in Rückenlage, auf frühmittelalterlichen Friedhöfen meist in West-Ost-Richtung, Kopf im Westen, nach Osten schauend.
Islamische Gräber sind nach Mekka ausgerichtet, wobei der Körper in Seitenlage gen Mekka/Qibla schaut.
 
Eränzend, weil heute Nachmittag vergessen: In der christlichen wie in der muslimischen Orthodoxie sind Grabbeigaben nicht üblich. Wenn es welche gibt, ist das immer eine Abweichung vom Dogma (aber nicht unbedingt von der Norm ;) )
 
Nun dann guck Dir z.B. mal die Gräber in der Abbaye de Saint-Roman bei Beaucaire, die frühen Gräber der Abbaye de Montmajour bei Arles oder die der Monestier-Port-Dieu an-
die sind nach Süd-Osten also Richtung Jerusalem ausgerichtet.
In Montmajour weisen erst die späteren Gräber nach Osten
Dogmatisch waren Grabbeigaben sicherlich unüblich , aber wie wir wissen hielten sich selbst Mönche,Äbte und Kaiser nicht ans Dogma- Kreuze und Grabkronen und auch dkie ein oder andere Fibel waren wohl eher die Regel als die Ausnahme.
 
Deshalb schrieb ich, dass es sich zwar um eine Abweichung vom Dogma aber nicht unbedingt von der Norm handelte.
Ich bin mir nicht sicher, wie gut man damals Jerusalem anzupeilen wusste. Wenn ich an andalusische und mittelalterliche marokkanische Moscheen denke, wo die Qibla statt nach Mekka eher nach Timbuktu zeigt, dann befürchte ich, dass die Orientierung nach Jerusalem eher ein Zufall ist - wenn sie denn stimmt. Die im Satellitenbild sichtbaren Gräber in Montmajour zeigen sicher nicht nach Jerusalem. Die Gräber welche den stärksten Drall nach Südosten haben (also am ehesten noch nach Jerusalem zeigen würden), verlaufen bezeichnenderweise parallel zum Dachfirst der Kirche, die unter dem Patronat des Hl. Peter steht. Ich würde also schauen, wo zum Patronatstag des Hl. Peter die Sonne aufgeht.
 

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Deshalb schrieb ich, dass es sich zwar um eine Abweichung vom Dogma aber nicht unbedingt von der Norm handelte.
Ich bin mir nicht sicher, wie gut man damals Jerusalem anzupeilen wusste. Wenn ich an andalusische und mittelalterliche marokkanische Moscheen denke, wo die Qibla statt nach Mekka eher nach Timbuktu zeigt, dann befürchte ich, dass die Orientierung nach Jerusalem eher ein Zufall ist - wenn sie denn stimmt. Die im Satellitenbild sichtbaren Gräber in Montmajour zeigen sicher nicht nach Jerusalem. Die Gräber welche den stärksten Drall nach Südosten haben (also am ehesten noch nach Jerusalem zeigen würden), verlaufen bezeichnenderweise parallel zum Dachfirst der Kirche, die unter dem Patronat des Hl. Peter steht. Ich würde also schauen, wo zum Patronatstag des Hl. Peter die Sonne aufgeht.

Die Gräber sind in West-Ost-Richtung. Der Kopf ist in den Felsen Richtung Westen ausgespart:

Montmajour5


Auf diesem google Satelliten-Bild ist links noch das Kloster mit den Felsengräbern zu sehen. Am rechten Bildrand sieht man noch die Chapelle du Saint Croix mit weiteren Felsengräbern. Diese wurde im 12. Jahrhundert von den Mönchen errichtet um dem seit 1030 eingerichteten Pilgern zur Reliquie des Heiligen Kreuzes Herr zu werden. Das Teil kam im 4. Jahrhundert nach Arles und dann nach Montmajour. Die Pilger führten zu einem großen auch finanziellen Erfolg des Klosters und auch der Stadt Arles, die die Pilger beherbergte und am Tag des Pardon du Montmajour auch einen großen Schafsmarkt veranstaltete.

https://www.google.de/maps/@43.7056884,4.665918,133m/data=!3m1!1e3

Im 15. Jahrhundert versuchte man der Kapelle noch mehr Ansehen zu verschaffen durch die Verbreitung einer Legende Karls des Großen, der diese Kapelle zu Ehren seiner fränkischen Ritter errichtet habe, die den Tod durch die Sarazenen gefunden hatten. Ein Jean de Pomo fälschte noch eine entsprechende Inschrift über dem Türsturz. Der Schriftcharakter stammt allerdings aus dem 15. Jahrhundert.
 
Um zum eigentlichen Thema, nämlich dem der islamischen Bestattung zurückzukommen: Diese Tage ist in der spanischen Tagespresse eine jüngst veröffentlichte Doktorarbeit zu einem islamischen Friedhof in Pamplona (Belegungszeitraum 715 - 770) besprochen worden.
Restos hallados en Pamplona reescriben la conquista musulmana de la península ibérica. Diario de Noticias de Navarra
Auf dem Friedhof mit 172 bekannten Gräbern (belegt mit 177 Toten) sind Angehörige nordafrikanischer Familien bestattet, Männer und Frauen, Greise und Kinder, mittels DNA-Analyse konnten Verwandtschaftsbeziehungen untereinander festegestellt werden. Es gibt aber auch bereits islamisierte oder zumindest nach islamischem Ritus bestattete Personen einheimischer Herkunft (also Basken oder Romanen) auf der maqbara.
Insbesondere bei den Frauengräbern finden sich wiederholt Manipulationen an den Schneidezähnen.

efe_20160306_120216_pa0123_11402_1.jpg

Bei mindestens einer dieser Frauen mit solchen Manipulationen an den Schneidezähnen ist die Herkunft aus Navarra gesichert, die meisten stammen aber wohl aus Nordafrika.

Es zeigen sich einerseits Spuren von (familiärer) Pflege bei Krankheiten (u.a. Lepra, Tuberkulose), andererseits aber auch, besonders bei Männern, Abwehrverletzungen (Parierfrakturen), was auf eine konfliktive Gesellschaft deutet.
 
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